Donnerstag, 16. März 2006

Eine Farce

Theodor Ickler verlässt den Rat für Rechtschreibung

Der Erlanger Sprachwissenschaftler Theodor Ickler, einer der profiliertesten Gegner der Rechtschreibreform, verlässt unter Protest den Rat für deutsche Rechtschreibung. Die Arbeit diese Rates, so Ickler, sei von der Kultusministerkonferenz (KMK) als bloßes Schauspiel angelegt gewesen – als Farce, die den Widerstand gegen die reform brechen sollte.Die Versuche des Rates, nicht zuletzt in Gestalt seines Vorsitzenden Hans Zehetmair, den Rat als tatsächliche Chance zur Rettung einer gescheiterten Form zu behandeln, seien – im nachhinein betrachtet – zum Scheitern verurteilt gewesen. „Seit neun Jahren lernen die Schulkinder grammatisch falsches Deutsch, das richtige wir notenrelevant bestraft, Verbands- und Interessenvertreter befinden mit Zweidrittelmehrheit darüber, was Silbengelenke, Desubstantivierungen und satzwertige Infinitivkonstruktionen sind.“

Schon die Konstruktion des Rates – der nominell ein unabhängiges Gremium hätte sein sollen – sei so beschaffen gewesen, dass das politische Interesse an eine Beibehaltung der Reform nie hätte in Frage gestellt werden können: In den Rat berufen worden seien vor allem Befürworter der Reform, die meisten davon keine Germanisten und Sprachwissenschaftler, sonder Interessensvertreter und dabei nicht zuletzt den Schulbuch- und Wörterbuchverlagen verbunden. Das Quorum einer Zweidrittelmehrheit habe produktive Kritik schon im Ansatz verhindert. Die Arbeit des Rates sei zudem durch die Kultusminister einem absurden Zeitdruck unterworfen worden. Nach Gutdünken der den Kultusministern gegenüber loyalen Mitgliedern des Rates sei über die Geschäftsordnung verfügt worden.

Tatsächlich liege nun die Reparatur der Reform, so mangelhaft sie auch immer sein werde, nicht mehr in den Händen des Rates, sondern in denen der Wörterbuchredaktionen einiger weniger Verlage, die den Kultusministern ein „Wörterverzeichnis“ vorlegen sollen, in das die meisten Änderungen aufgenommen sein werden. Das einzig Sinnvolle sei, so Theodor Ickler, nach wie vor die Entstaatlichung der Rechtschreibung. Orthographie sei in erster Linie eine sprachliche Tatsache, die durch den Gebrauch von Sprache entstehe. „Das Herumsitzen in Gremien zweifelhaftester Zusammensetzung mit dem Zweck, an der Sprache von hundert Millionen Menschen herumzubasteln, oder vielmehr an dem leichtfertigen Anschlag auf diese Sprache, ist grotesk.“