Mediennutzer gegen die Medien, Medien gegen die Mediennutzer: Schon seit Monaten findet eine Art offener Schlagabtausch zwischen beiden Seiten statt, der wenig konstruktiv ist.
Die Schweizer TagesWoche hat den Konflikt zwischen den Medien und ihren Rezipienten aufgenommen und ein interessantes Projekt umgesetzt: "5 Thesen zum Misstrauen gegen die Medien“ hat die Redaktion aufgestellt, anhand derer der Versucht unternommen wird, das "Vertrauensproblem auszuloten".
Das Interessante dabei: Die TagesWoche redet nicht über die Leser hinweg, sie sucht den Dialog mit ihnen. Die Redaktion fordert den Leser auf, sich der Thesen anzunehmen und seine Meinung dazu zu sagen. Nach neun Tagen stellt die Redaktion die Ergebnisse vor und sie kommt zu einer aufschlussreichen Erkenntnis:
Die zahlreichen, ausgesprochen differenziert dargebrachten Voten haben unsere eigene Sicht auf das Thema deutlich erweitert und bilden damit eine hervorragende Ergänzung zu unserer Analyse.Die Redaktion hebt das Konzept des Open Journalism hervor und beabsichtigt nun, die vorgenommene Analyse aus der Leserbeteiligung in Form eines Essays zu veröffentlichen.
mehr:
- TagesWoche: "Das Publikum weiß mehr als wir" (Marcus Klöckner, 18.12.2014)
siehe:
- Medienkritik – 5 Thesen zum Misstrauen gegen die Medien (Tom Nagy, Matthias Oppliger, TagesWoche.ch, 08.12.2014)
Unmoralisch, manipulativ, käuflich: Klassische Medien sehen sich im Netz mit Kritik in nie gekannter Schärfe konfrontiert. Wir gehen dem Thema auf den Grund – und brauchen dazu Ihre Hilfe.
Thesen:
These 1: Wer nicht zweifelt, ist unglaubwürdig Die wahrgenommene Komplexität der Welt nimmt zu, das führt zu mehr Ambivalenz und Unsicherheit. Das alte Muster «Journis erklären die Welt» greift nicht mehr. Viele Redaktionen halten dennoch daran fest, Zweifel sind nicht erlaubt. Sie werden deshalb unglaubwürdig.
These 2: Medien üben den Konsens Diese Glaubwürdigkeitsprobleme sind auch in Bezug auf einen weiteren Aspekt hausgemacht: Vom Mainstream abweichende Meinungen werden von etablierten Redaktionen zu wenig ernst genommen und entsprechend selten in der Berichterstattung thematisiert.
These 3: Verschwörungstheorien füllen Lücken in der Berichterstattung Weil das daraus resultierende Informationsvakuum schwer auszuhalten ist, wird es durch die Fantasie der Leser und/oder Verschwörungstheorien ausgefüllt. Diese bieten überschaubare Schwarz-/Weiss-Erklärungen für komplexe Sachverhalte und bieten damit Halt in der Ungewissheit.
These 4: Zweifler finden sich im Netz und bestärken sich gegenseitig Das Aufkommen von sozialen Medien spielt bei diesem Prozess eine entscheidende Rolle: Zweifel, die bisher jeder für sich im stillen Kämmerlein hegte, werden nun von aussen bestätigt. Daraus entsteht eine Dynamik, man schaukelt sich gegenseitig hoch oder bildet (ideelle) Netzwerke Gleichgesinnter, die sich gegenseitig in ihrem Weltbild bestärken: «Was meinen Standpunkt bestätigt, das stimmt. Was im Widerspruch dazu steht, ist Lüge und Manipulation».
These 5: Transparenz verstärkt paradoxerweise das Misstrauen Insgesamt funktioniert das «Immunsystem» der Öffentlichkeit dank sozialen Medien besser denn je: Fehlleistungen werden schnell aufgedeckt und Korrekturen verbreitet. Das ist aber auch ein Mitverursacher des Misstrauens. Jeder Fehler, der bekannt wird, schürt die Zweifel am ganzen Rest der Berichterstattung.- Die Revolution des Publikums (Tara Hill, Gastkommentar, TagesWoche.ch, 10.12.2014)
Dieses Jahr wird als Zäsur in die Geschichte eingehen – nicht nur politisch, sondern auch medial: Denn erstmals sehen sich die westlichen Massenmedien einem eigentlichen Aufstand ihrer Nutzer gegenüber.
- Medienkritik – Das Publikum weiss mehr als wir (Thom Nagy, TagesWoche.ch, 17.12.2014)
Vor einer Woche stellten wir 5 Thesen zum wachsenden Misstrauen gegen die Medien zur Diskussion. Insgesamt erhielten wir rund 700 Rückmeldungen. Der Versuch einer Zusammenfassung.