Xavier Naidoo ist einer der erfolgreichsten Sänger Deutschlands. Allerdings hat er einen Makel: Seine politischen Äußerungen missfallen einer Medienlandschaft, die sich Pluralismus auf die Fahnen schreibt, aber politische Meinungsvielfalt nur dann gutheißt, solange sie sich in jenem engen Korridor bewegt, in dem die vorherrschende Sicht auf die Dinge als unantastbar gilt. Gedanken zu einem Musterbeispiel bedenklicher journalistischer Einstimmigkeit.
"Marionetten", das ist der Titel eines neuen Liedes von Xavier Naidoo und den Söhnen Mannheims. Das Stück handelt von Abgeordneten des Bundestages, die aus Sicht Naidoos Marionetten sind - Marionetten, an den Fäden von mächtigen Personen im Hintergrund. Was diese Äußerungen für eine Medienlandschaft bedeutet, der Herrschaftskritik allenfalls noch als eigentümliches Relikt einer längst vergangenen Zeit bekannt ist, liegt nahe: Xavier Naidoo überschreitet, so der Tenor der derzeitigen Berichterstattung, eine Grenze - eine Grenze, die nicht hätte überschritten werden dürfen.
Und so formiert sich ein Journalismus, der anstelle von Aufklärung, Dialog und sachlicher Berichterstattung zu jenen Instrumenten greift, mit denen ein maximaler Grad an publizistischer Gewalt erreicht werden kann.
Ohne kritische Distanz, gebrauchen Journalisten im Zusammenhang mit Naidoo die Kampfbegriffe Verschwörungstheorie und Verschwörungstheoretiker - und damit der Leser auch ja versteht, dass zu dem "Sohn Mannheims" Abstand zu halten ist, rückt die Qualitätspresse ihn in die rechte Ecke.
mehr:
- Medienhetze gegen Systemkritik (Marcus Klöckner, Telepolis, 10.05.2017)
siehe auch:
- „Hurensöhne Mannheims“ – Böhmermanns bitterböse Naidoo-Parodie (n24, 05.05.2017)
- Von Marionetten und Reichsbürgern (Carly Laurence, Blog.Zeit, 05.05.2017)
- Moral als Speerspitze des Imperialismus oder Was nicht ins Narrativ paßt, wird durch Etikettierung »weggemacht« (Post, 26.04.2017)
- Journalismus als Echokammer (Post, 30.03.2017)
- Medien: intellektuelle Korrumpierbarkeit in Konfliktzeiten (Post, 06.02.2016)
- »Unwort des Jahres« – Die Lufthoheit über meinem Gehirn (Post, 14.01.2016)
- Flüchtlingspolitik : Die Grenzen des Guten (Post, 18.10.2015)
- Propaganda machen immer nur die anderen (Post, 12.09.2015)
- Feinde auf allen Seiten (Post, 10.11.2009)
- Eva Herman: Hat sie oder hat sie nicht? (Post, 19.10.2007)