Wolodymyr Selenskyi könnte vom Oligarchen Ihor Kolomoyskyi abhängig, oder zumindest von ihm beeinflusst sein. So mutmassen die Gegner des neuen Staatsoberhaupts, und sie haben gute Argumente:
Verbindungen zwischen Selenskyi und Kolomoyskyi
- Selenskyis Serien laufen seit Jahren im Fernsehkanal «1+1», der darüber hinaus seinen Wahlkampf überaus wohlwollend begleitet hat. «1+1» gehört Kolomoyskyi.
- Selenskyi ernannte Andrij Bohdan zum Leiter der Präsidialadministration. Bohdan ist Hauptanwalt Kolomoyskyis.
- Einen Tag nach dem Wahlsieg Selenskyis (!) bestellte Generalstaatsanwalt Juriy Lutsenko die frühere Zentralbankchefin Valeria Gontarewa als Beklagte in einem Korruptionsfall ein. Der Generalstaatsanwalt steht in der Ukraine grundsätzlich in besonderer Abhängigkeit vom Präsidenten. Die Anschuldigungen dürften eine Intrige des Oligarchen-Lagers sein, um die Glaubwürdigkeit der Reformer zu beschädigen. Lutsenko kann als Verbündeter Kolomoyskyis gelten. So trafen sich beide heimlich in Amsterdam, was lediglich durch Zufall von einem ukrainischen Studenten entdeckt und gefilmt wurde.
- Der Initiator einer gross angelegten Diffamierungskampagne gegen Gontarewa steht nicht nur auf der Gehaltsliste des Oligarchen, sondern auch auf einem der vorderen Listenplätze von Selenskyis Partei «Diener des Volkes».
- Kolomoyskyi kehrte nach dem Wahlsieg Selenskyis nach über einjähriger Abwesenheit wieder in die Ukraine zurück. Er fürchtete offensichtlich nicht, belangt zu werden, obgleich er nach Angaben der Zentralbank Milliarden veruntreut hat.
Die Verbindungen zwischen Selenskyi und Kolomoyskyi wecken zu Recht Argwohn.
Andererseits hat der neue Präsident bereits erfolglos versucht, Generalstaatsanwalt Lutsenko abzulösen. Das Parlament legte sich jedoch quer. Selenskyi betont, keineswegs Kolomoyskyi, sondern die Interessen der Steuerzahler zu verteidigen. Es gibt keine Indizien, die dem widersprechen. Gleichwohl: Die Amtsübernahme Selenskyis ermutigt den Oligarchen zu einer Offensive. Gontarewa wagt es nicht mehr, in ihr Heimatland zurückzukehren. Kolomoyskyis Attacken haben vor allem die «PrivatBank» im Visier, das mit weitem Abstand grösste Kreditinstitut des Landes.
mehr:
- Die Ukraine und ihr Bankenskandal (Christian Wipperfürth, InfoSperber, 09.07.2019)
Der gesamte Fall war nicht nur sehr verwickelt, sondern nahezu undurchschaubar. Kolomoyskyis zahlreiche Briefkastenfirmen hatten unzählige, vielleicht Millionen kaum nachvollziehbare finanzielle Transaktionen getätigt. So soll allein am 6. Februar 2014 die Firma Ribotto 20,5 Millionen US-Dollar in 68 Transaktionen zwischen 50 verschiedenen Unternehmen transferiert haben.
Die Zentralbank gab zwar an, dass Insiderkredite in Milliardenhöhe ausgereicht worden seien. Sie unterliess jedoch, die Insider zu benennen. Hätte sie hierzu aufgrund der unübersichtlichen Lage überhaupt in der Lage sein können? Oder handelt es sich um ein unverzeihliches Versäumnis?
[Zitat aus obigem Artikel]