Freitag, 26. Februar 2016

Putin 3 – Die Gleichschaltung der westlichen Medien

Der Medienwissenschaftler Uwe Krüger hat 2013 das Ergebnis seiner wissenschaftlichen Arbeit über die Zusammenhänge von Größen des deutschen Journalismus mit außen- und sicherheitspolitisch aktiven Eliten veröffentlicht. Der Titel seines Buches: „Meinungsmacht“[*]. Seine Beobachtungen sind wichtig, um die Grundlinien wichtiger Medienschaffenden in der wieder auflebenden Auseinandersetzung zwischen West und Ost und damit das überwiegende Medienecho beim Konflikt um die Ukraine besser zu verstehen und vor allem auch die Orientierung an transatlantischem und US-amerikanischen Denken einordnen zu können.
mehr:
- Die US-nah organisierte Gleichschaltung wichtiger Leitmedien (Teil II zur Putin- Rede, Ukraine, etc.) (Albrecht Müller, NachDenkSeiten, 21.03.2014)
Uwe Krüger hat beobachtet und beschreibt, dass sich Journalisten in verschiedenen Zirkeln mit den Mächtigen treffen, und sich dieses Eingebundensein in ihren journalistischen Werken niederschlägt. Wörtlich: „Am auffälligsten war der Befund, dass vier leitende Journalisten der „Süddeutschen Zeitung“ (Kornelius), der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (Frankenberger), der „Welt“ (Stürmer) und der „Zeit“ (Joffe) stark in US- und NATO-affinen Strukturen eingebunden sind.“ Das deckt sich mit den Beobachtungen vieler unserer Leserinnen und Leser. Allerdings beobachten wir das Phänomen der Anlehnung und gleich Richtung bei einer Reihe anderer Journalistinnen und Journalisten. Die Daten im Buch von Uwe Krüger beziehen sich auf die Jahre 2002-2009. Die meisten Beobachtungen sind noch aktuell. Siehe dazu auch ein Telepolis-Interview zum Thema.

Hier ist eine Tabelle mit Größen des deutschen Journalismus, die in transatlantisch ausgerichteten außen- und sicherheitspolitischen Eliten-Organisationen eingebunden waren und sind.
Diese Tabelle ist ein Auszug aus einer Tabelle des Buches von Uwe Krüger (siehe dort die Seiten 119-122):
MediumNameOrganisation, in der der Journalist zwischen 2002 und 2009 involviert war
ZEITJosef JoffeAmerican Academy in Berlin
American Council on Germany
American Institute for Contemporary German Studies
Aspen Institute Deutschland
Atlantik-Brücke
Bilderberg
Europe’s World
Goldman Sachs Foundation
Hypovereinsbank
International Institute for Strategic Studies
„Internationale Politik“
Münchner Sicherheitskonferenz
„The American Interest“
Trilaterale Kommission
ZEITMatthias NaßAtlantik-Brücke
Bilderberg
ZEITMarc BrostAtlantik-Brücke
Süddeutsche ZeitungStefan KorneliusAmerican Institute for Contemporary German Studies
Bundesakademie für Sicherheitspolitik
Deutsche Atlantische Gesellschaft
Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik
„Internationale Politik“
Körber-Stiftung
Münchner Sicherheitskonferenz
ZDFClaus KleberAspen Institute Deutschland
ZDFPeter FreyBundesakademie für Sicherheitspolitik
Körber-Stiftung
BILDKai DiekmannAtlantik-Brücke
FAZKlaus-Dieter FrankenbergerAtlantische Initiative
Bundesakademie für Sicherheitspolitik
Institut für Europäische Politik
Münchner Sicherheitskonferenz
Trilaterale Kommission
WELTMichael StürmerDeutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik
European Council on Foreign Relations
German British Forum
Münchner Sicherheitskonferenz
Valdai Discussion Club


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Krüger sieht seine Forschungsergebnisse weitgehend durch die eher theoretischen Analysen des Medienwissenschaftlers Lutz Hachmeister zur Medienpolitik bestätigt. Hachmeister war schon 2007 in „Nervöse Zone“ zu der Schlussfolgerung gekommen, dass sich bei Politik, Wirtschaft und Leitmedien eine „geschlossene Gesellschaft“ herausgebildet habe. Krüger bezieht sich auch auf Peter Ludes, der feststellt, dass Journalisten als Mitwisser ihr Privileg des Zugangs zu Politikern nicht gefährden wollen und daher auf Kritik verzichten. 
Josef Joffe selbst bezeichnete die Verflechtungen zwischen Journalisten und Meinungsmachern aus Politik und Wirtschaft als „schreckliche, symbiotische Beziehung“[11]:
„Jeder benutzt den anderen. Wir wollen, dass sie uns etwas erzählen, uns gar in ihr Vertrauen ziehen. Die benutzen uns natürlich genauso, denn sie kennen das moderne ontologische Prinzip, dass nichts existiert, was nicht in den Medien steht.[12] (Uwe Krüger, Meinungsmacht, 2013, Frühere wissenschaftliche und journalistische Behandlung der Thematik, Wikipedia, Hervorhebungen von mir)
In Krügers Dissertation zum Einfluss der Eliten auf deutsche Journalisten und Medien[13] wird ein theoretisches Modell entwickelt, das Medienverhalten mit Hilfe von Pressure Groups und sozialen Netzwerken erklärt und das vorhersagt, dass Leitmedien mehr oder weniger den laufenden Diskurs der Eliten reflektieren, aber dessen Grenzen nicht überschreiten und dessen Prämissen nicht kritisch hinterfragen.Ausgangsthese Krügers ist „dass eine konsensuell geeinte Elite in wichtigen Fragen (Krieg und Frieden, makroökonomische Ordnung) gegen die Interessen eines Großteils der Bevölkerung regieren kann und dass journalistische Eliten zu stark in das Elitenmilieu eingebunden sein könnten, um noch als Anwälte des öffentlichen Interesses kritisch-kontrollierend zu wirken.“Im empirischen Teil fokussiert seine soziale Netzwerkanalyse zunächst die soziale Umgebung von 219 leitenden Redakteuren deutscher Leitmedien. Jeder Dritte unterhielt informelle Kontakte mit Politik- und Wirtschaftseliten; bei vier Außenpolitik-Journalisten, Stefan KorneliusKlaus-Dieter FrankenbergerMichael Stürmer und Josef Joffe finden sich dichte Netzwerke im US- und Nato-affinen Elitenmilieu. Weitere analysierte Journalisten sind Kai Diekmann (Bild), Peter Frey und Claus Kleber (ZDF) und Matthias Naß (ZEIT).Eine anschließende Frame-Analyse fragt, inwieweit der Output dieser vier Journalisten in den umstrittenen Fragen der Definition von Sicherheit (erweiterter Sicherheitsbegriff) und Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr auf der Linie der ermittelten Bezugsgruppen liegt. Abschließend werden die Berichte über die Münchner Sicherheitskonferenz und deren Gegner in fünf Tageszeitungen inhaltsanalytischuntersucht. Sie kommt zu dem Schluss, dass die Eliten-nahen Leitmedien FAZ, Welt und Süddeutsche den auf der Sicherheitskonferenz laufenden Elitendiskurs ausführlich abbilden, dabei aber die Proteste und die Gegenveranstaltung Münchner Friedenskonferenz marginalisieren und delegitimieren.[14]
„Als hoch problematisch erscheinen erstens die direkten Verbindungen zur Wirtschaft, genauer die Beratertätigkeit von Chefredakteuren und Herausgebern für gewinnorientierte Konzerne: Josef Joffe (Zeit) als Beirat der HypoVereinsbank sowie Stefan Aust (Spiegel) und Helmut Markwort (Focus) als Beiräte der Deutschen Telekom AG.
Zweitens muss die Einbindung von Journalisten in eine Organisation der Bundesregierung kritisch gesehen werden, namentlich Klaus-Dieter Frankenberger (FAZ), Stefan Kornelius (SZ) und Peter Frey (ZDF) als Beiräte der Bundesakademie für Sicherheitspolitik, eines Think Tanks im Geschäftsbereich des Bundesverteidigungsministeriums.
Der Beirat berät laut Akademie-Satzung das Kuratorium, das wiederum aus der Bundeskanzlerin sowie den Bundesministern der Verteidigung, des Inneren, des Auswärtigen, der Finanzen, der Justiz, für Wirtschaft und für Entwicklungshilfe besteht. Die drei Journalisten verpflichteten sich somit, jene Bundesregierung zu beraten, die sie doch eigentlich als Anwälte der Öffentlichkeit kritisieren und kontrollieren sollen.” (S. 148)[15]
Zu der Frage, welche Art der Beeinflussung der Journalisten durch die Eliten vorliege, vermutet Krüger, dass "Journalisten mit Eliten-kompatiblen Werten und Meinungen höhere Chancen (haben), Zugang zu den höchsten Kreisen zu bekommen, und die Einbindung in das Elitenmilieu verstärkt dann über die Zeit hinweg die Konformität. Das heißt auch: Journalisten mit Eliten-kompatiblen Meinungen haben bessere Chancen, Karriere zu machen, denn sie können im eigenen Haus und in der Branche mit exklusiven Informationen und hochrangigen Interviewpartnern punkten."[16] Krüger argumentiert mit dem Konzept des sozialen Kapitals Pierre Bourdieus.[17]In einer an Krüger anschließenden Untersuchung wurden auch Jochen Bittners Verflechtungen mit Elitennetzwerken analysiert.[18] (Uwe Krüger, Meinungsmacht, 2013, Forschungsansatz, Thesen und Ergebnisse der Untersuchung Krügers, Wikipedia)
In der Rezension des Portals für Politikwissenschaft wird der Forschungsarbeit Krügers bescheinigt, dass er mit der Analyse des fragwürdigen Umgangs mit der Meinungsmacht, der zu selten Gegenstand methodisch fundierter wissenschaftlicher Analysen sei, einen bemerkenswerten Beitrag zu einer offenen und sachlichen Diskussion über die Unabhängigkeit von Journalisten jenseits von Verschwörungstheorien geleistet habe.[19]In der Rezension der FAZ bemängelt Boris Holzer, dass die Kausalität der Vereinnahmung von Journalisten durch Elitennetzwerke nicht eindeutig nachweisbar sei.[20]
Bemerkung von mir:
Das ist ja wohl auch der Sinn und Zweck des Ganzen! 
Peter Zudeick von der SZ bestätigt, dass Medien zur "Selbstgleichschaltung" neigen, interpretiert dies aber nicht als Beeinflussung, sondern als selbständige Entscheidung der Journalisten.[21] (Uwe Krüger, Rezeption und Kritik, Rezensionen, Wikipedia)

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statt eines Kommentars:
Auch das Gutachten 2005 des Sachverständigenrats zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen stellt fest: »Ärzte sind sich zwar der werbenden, verzerrenden Darstellung der produktbezogenen Information bewusst. Sie leugnen jedoch – trotz gegenteiliger empirischer Befunde – häufig, dass diese ihr Verhalten beeinflussen. Sie glauben vielfach an ihre persönliche Immunität über den Marketingmaßnahmen der Industrie…«
Es ist kennzeichnend für die »gefühlte Unabhängigkeit« von Ärzten, dass sie laut Umfrage zu 61% der Meinung sind, dass Industriewerbung und Kontakte ihr eigenes Verschreibungsverhalten nicht beeinflussen würde, nur 16 % dies jedoch für ihre KollegInnen annehmen (!). Daraus folgt, dass Aufklärung und Aus-, Fort-, und Weiterbildung vor allem an der »Pharma(früh)sozialisation« ansetzen und Gegenstrategien entwickeln muss. […] (V. Aderhold, D. Lehmkuhl, Material zum Verhältnis Psychiatrie und Pharmaindustrie (aus: Der Mast muß weg, 1/2008, Hervorhebungen durch die Verfasser
siehe dazu:
- Ist die Psychopharmakologie verrückt geworden? – Kapitalismus-infizierte Wissenschaft (Post, 31.01.2016)
Uwe Krüger hat Artikel und andere Medienprodukte der genannten Journalisten untersucht und festgestellt: Die Journalisten lagen ganz auf Linie mit den Eliten. Sie mahnten zu stärkerem militärischen Engagement und empfahlen mehr Führung und Überzeugungsarbeit bei der skeptischen Bevölkerung, um die Linie durchzusetzen. Zu welchen Ergebnissen diese Agitation führt, konnten wir erleben, als im Kontext der Münchner Sicherheitskonferenz dieses Jahres Bundespräsident Gauck, Außenminister Steinmeier und Verteidigungsministerin von der Leyen einvernehmlich mehr Verantwortung in der Welt einforderten, was gleichbedeutend ist mit mehr militärischem Engagement. Solche Schübe der außen- und sicherheitspolitischen Veränderungen werden genau von diesen Kreisen von Journalisten in Kombination mit den verschiedenen Institutionen bewerkstelligt.Die Nähe zu den Eliten und zu deren politischer Orientierung zahlt sich auch für die Karriere der genannten Journalisten aus. Joffe, Frey, Kleber etc. sind auch dank ihrer ideologischen Ausrichtung und ihrer Verbundenheit mit den mächtigen Zirkeln der Eliten beruflich erfolgreich.Die genannten Personen sind einflussreich. Sie bestimmen durch ihre Prominenz und ihre gleiche Ausrichtung auch die Berichterstattung und Kommentierung von anderen Journalistinnen und Journalisten. Im eigenen Medium gilt das oft ganz direkt. Ein typisches Beispiel ist der Kommentar zur Putin Rede von Julian Hans in der Süddeutschen Zeitung vom 19. März 2014. Die Überschrift in der Printausgabe lautete: „Europas Alptraum“. Typisch für die Verdrehung im Sinne der westlichen „Staatengemeinschaft“ war u.a. der Schluss: 
„Im Zeitraum von gerade einmal drei Wochen hat Europa erlebt, wie seine über Jahrzehnte stabile Sicherheitsordnung zerbröselte. Wie soll man Putin entgegentreten? Keiner weiß es. Und für die Völker Mitteleuropas sind die alten Schreckgespenster zurückgekehrt – ihr Albtraum.“ 
Da ist keine Rede von der Mitwirkung der Europäischen Union, der USA und der NATO an der Erosion der stabilen Sicherheitsordnung. Von den Zumutungen und den gebrochenen Versprechungen gegenüber Russland wird nicht berichtet. Schuld sind allein die Russen. 
„Mir fiel auf, dass durch das bekannte Rotationsprinzip nach kurzzeitigen Aufenthalt in USA plötzlich ein anderer „Zungenschlag“ zu vernehmen war, der anderswo als Gehirnwäsche gebrandmarkt wird.“ (zitierte Meinung eines Lesers der NachDenkSeiten)
siehe auch:
- Darf man von Gleichschaltung der Medien sprechen? Und davon, dass die Demokratie höchst gefährdet ist? (Albrecht Müller, NachDenkSeiten, 15.05.2014)
- Sie sind alle gleichgeschaltet – ZDF, ARD, Spiegel Online usw. (Albrecht Müller, NachDenkSeiten, 26.06.2010, man beachte das Datum!)
- Die verwirrende Debatte zum Gipfel in Kanada ist ein außerordentlich gutes Beispiel für die Möglichkeit der umfassenden Manipulation (Albrecht Müller, NachDenkSeiten, 26.06.2010, man beachte das Datum!)

Meine Anmerkung:
Honi soit qui mal y pense

kritische Artikel zu den NachDenkSeiten:
- In Ungnade gefallen (Michael Schöfer, Kommentare zum Zeitgeschehen, 26.08.2015)
- Wolfgang Lieb in eigener Sache: Ich habe mich schweren Herzens entschlossen, nicht mehr für die NachDenkSeiten zu arbeiten (Wolfgang Lieb, NachDenkSeiten, 23.10.2015)
Das Treiben der NachDenkSeiten als Rückblick - und gleichzeitig mein letzter Artikel hier (Wolfgang Lieb, Die Journalistenhatz der NachDenkSeiten und des Weltnetz.tv, 03.11.2015)

mein Kommentar:

Öffentlichkeitsarbeit abseits vom Mainstream scheint mit einer sehr hohen psychischen Belastung einherzugehen, die Gefahr, den Boden unter den Füßen zu verlieren, sehr groß.
Die Kämpfe unter denen, die lange zusammenarbeiten und dann auseinandergehen, scheinen von einer absurd anmutenden Aggressivität …
Angst vor Identitätsverlust?
Je kleiner die Anzahl der Gleichgesinnten, desto wichtiger werden diese scheinbar!
(Entstehen so Gruppendruck und Sekten?)