Samstag, 7. März 2020

Strategien gegen induzierte Angst

Im KenFM-Interview ruft Rubikon-Autorin Elisa Gratias dazu auf, das Spiel der Mächtigen, die uns mittels Herrschaftstechniken der Angsterzeugung klein halten wollen, nicht länger mitzuspielen.
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Sie hatte gemeinsam mit Jens Wernicke die Rubikon-Mutmach-Redaktion begründet — als Gegengewicht zu all den analytisch-kritischen Artikeln des Magazins, die notgedrungen oft eine düstere Stimmung verbreiten. Denn Mut und Hoffnung sind wichtig, gerade jetzt. Die vielen negativen Nachrichten aus den Medien sollten uns nie in lähmender Angst gefangen halten. Das würde nur den globalen Tätern in die Hände spielen, die uns ablenken, paralysieren und in Ohnmacht halten wollen. Am 6. März 2020 präsentierte Elisa Gratias nun bei KenFM das neue Rubikon-Buch „Nur Mut! Wenn wir uns ändern, verändert das die Welt“, dessen Mitherausgeberin sie ist. In seinem Interview interessierte sich Ken Jebsen auch für die ungewöhnliche Biografie der Rubikon-Autorin, die mit dem von ihr vorgestellten Buch harmoniert.
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Unter Mut verstehen die Autorinnen und Autoren des Buchs „Nur Mut!“ die Fähigkeit, Angst auszuhalten und zu lernen, mit der eigenen Angst umzugehen.

Jeder sollte sich darüber klar werden, wer für Verunsicherung und Angst sorgt, sich also die Frage stellen:

Wer hat ein Interesse daran, mich und die Gesellschaft in Angst zu versetzen?
Angst wird für den fassbar, der begriffen hat, dass sie wesentlich das Ergebnis der organisierten und strukturellen Gewalt des marktradikalen Kapitalismus und seiner Akteure ist.

Der Unfrieden kriecht als unablässiger Strom aus dem Schoß der westlichen Machtzentren und ihrer Propaganda-Apparate in die Herzen der Menschen.

Das herrschende System ist auf Gewalt, Spaltung und die Erzeugung von Angst gegründet. Die Zentren der Macht versetzen die Menschen in Furcht und Schrecken:

Sie drohen mit Arbeitsplatzverlust, sozialem Abstieg, sie schüren Ängste vor Terror, Kriegen, Migration, Umweltzerstörungen und Klimawandel, die sie maßgeblich selbst verursachten.
Mit Angst werden die Menschen gefügig gemacht. So sollen sie zu willenlosen Objekten der Machtzentren werden.

Sich über die Verursacher der dystopischen Zustände klar zu werden, heißt, der Angst den diffusen Schleier zu entreißen und selbst stark werden zu können.

Elisa Gratias hat sich intensiv mit der Gesellschaft im kapitalistischen System befasst und ist bestürzt darüber, wie leicht sich die Mehrheit durch Verunsicherung und Angst manipulieren und spalten lässt.

Nach zwei Auswanderungen mit vielen schmerzhaften Erfahrungen und Enttäuschungen, der ersten nach Frankreich, der zweiten nach Mallorca, vielen Reisen und dem Schritt in eine selbständige Tätigkeit verstand Gratias, dass das, was sie suchte, in ihrem Inneren lag.

Darum versucht sie, ihr Leben bewusst zu gestalten, und stellt sich immer wieder die Frage:

Was macht mein Leben lebenswert? Was macht mich und uns wirklich glücklich?
Sie ist davon überzeugt, dass es auch politisch bedeutsam ist, sich diese Frage zu stellen.
mehr:
- Das Prinzip Hoffnung (Ullrich Mies, Rubikon, 07.03.2020)
siehe auch:
Rainer Mausfeld: Angst und Macht in kapitalistischen Demokratien (Post, 26.07.2019)
- Die Freiheit auf Knien oder Was die Gelbwesten mit Frank Schirrmacher und Notre-Dame zu tun haben (Post, 26.04.2019)
[…] da ist eine gegenseitige Beeinflussung im Gange, die bei jedem Spuren hinterlässt. Sie schafft ein bestimmtes zwischenmenschliches Klima, das für unsere Zeit charakteristisch ist, und sie kann manipuliert werden.

Von dieser Möglichkeit machen Fernsehen, Presse und Rundfunk kräftig Gebrauch. So werden wir auf eine Weise konditioniert, die den Vorstellungen politischer und wirtschaftlicher Interessengruppen entspricht. Wer Macht und Einfluss besitzt, übt sie fast immer zum eigenen Nutzen auf Kosten anderer aus. Über den augenblicklichen Vorteil vergisst man den späteren Schaden für alle, und kaum jemand hat eine Vorstellung davon, wohin wir uns bewegen. […]

Solange wir hierbei gedankenlos mitspielen, setzen wir auch eine Kettenreaktion des Schädlichen fort, die auch uns treffen wird. […]

Wenn wir uns gedankenlos manipulieren und konditionieren lassen, werden wir in den Strudel des Unheilvollen mit hineingerissen. Wenn wir kritiklos nachplappern, was uns vorgeredet wird oder nachmachen, was uns vorgemacht wird, verleiten wir auch andere zum Falschen.[…]

Er weiß, dass es nicht in seiner Macht steht, den Lauf der Welt zu ändern, und darum versucht er es auch nicht. Er sieht aber eine Möglichkeit, so zu leben, dass er sich und anderen nicht mehr schadet. Wenn wir das wollen, müssen wir lernen, bewusster zu leben. Wenn wir uns gedankenlos manipulieren und konditionieren lassen, werden wir in den Strudel des Unheilvollen mit hineingerissen. Wenn wir kritiklos nachplappern, was uns vorgeredet wird oder nachmachen, was uns vorgemacht wird, verleiten wir auch andere zum Falschen.

Betrachten wir aber kritisch, was uns vorgeredet und vorexerziert wird, werden wir falschem Beispiel nicht mehr blindlings folgen. In der Buddhalehre finden wir alles, was wir für das Rechte brauchen: Wir müssen es nur kennen.

Das Wichtigste ist, die Wurzeln rechten und falschen Handelns zu erkennen, denn sie sind unsere Freunde oder Feinde, die uns aus unserem eigenen Geiste erwachsen. Die üblen Wurzeln sind Gier, Hass und Verblendung, und die guten Wurzeln Gierlosigkeit, Hasslosigkeit und Unverblendung. Sie zeigen sich als Selbstlosigkeit, Güte und Einsicht. […]

Keiner kann uns die Freiheit nehmen, bewusst zu leben […]. Wenn wir den Verlockungen durch die übertriebene Werbung widerstehen, schwindet die Gier; wenn wir auf Provokationen nicht mehr eingehen, schwindet der Hass, und wenn wir uns durch Fernsehen, Presse und Rundfunk oder durch den Einfluss unserer Mitmenschen nicht mehr irreführen lassen, schwindet die Verblendung. Die guten Wurzeln werden stärker, und nicht nur unser Handeln wird anders, sondern auch unser Wesen. […]
Fassen wir zusammen: Unser Geist ist Sender und Empfänger zu gleich. Was er aussendet, wirkt weltweit und ergreift Mensch, Tier und andere Wesen. Sie werden durch unsere Taten und Worte beeinflusst und reagieren dementsprechend. Doch auch wenn wir nichts sagen oder tun, wirken wir auf andere. Treten wir nur in einen Raum ein, wo sauertöpfige Menschen schweigend vor sich hingrübeln, und wir werden bald das Drückende dieser Atmosphäre empfinden, als ob uns der Schwaden in einer Waschküche auf die Luft schlüge. Üble Gedanken schaffen fortzeugend neue üble Gedanken, und bei guten Gedanken ist es umgekehrt. Gedanken bringen Taten und Worte hervor und schaffen so in der Welt gute und schlechte Verhältnisse.

Was in uns vorgeht, wirkt auf andere, und was in anderen vorgeht, wirkt auf uns. So geht es hin und her: Senden, empfangen, senden, empfangen. Fast möchte es scheinen, als ob alle Leben miteinander verbunden wären, selbst weit entfernte. Wir müssen es verstehen, uns in diese Kreuz- und Querverbindung klarbewusst einzuschalten. Wir dürfen uns durch üble Einflüsse von außen nicht zu Falschem hinreißen lassen und dürfen selber nichts von uns geben, das andere zu Falschem veranlasst. Wachsamkeit über unsere fünf Sinne und unser Denken ist der Schlüssel zu rechtem Senden und Empfangen. So können wir die Kettenreaktion des Falschen unterbrechen, die von unseren geistig blinden Zeitgenossen ausgeht und eine andere Kettenreaktion in Gang bringen, die nur Gutes bringt. Der recht gerichtete Geist hat eine Macht, die ans Magische grenzt, und wir sollten diese Macht weise nutzen, zum Wohle aller Wesen zu wirken.

[Anagarika Kassapa
Das geistige Milieu unserer Zeit und wir
Der Mittlere Weg, Nr. 3, September-Dezember 2012, Buddhistischer Bund Hannover, S. 24-27, PDF]
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