Ein schwarzes Mercedes-Coupe mit Ledersitzen und Weißwandreifen war ihr Markenzeichen. Dem entstieg sie in der kühleren Jahreszeit am liebsten in einem prächtigen Nerzmantel, an den Händen Brillantringe und im Gefolge einen weißen Pudel. Rosemarie Nitribitt ließ die ärmliche und traumatische Kindheit in Heimen und Pflegefamilien in zur Schau getragenem Luxus hinter sich. Als Edelprostituierte war die 24-Jährige in Frankfurt aktiv und zu einigem Vermögen gekommen.
Am 1. November 1957 fand die Polizei das Callgirl ermordet in seiner Wohnung auf. Die Tat lag offensichtlich schon einige Tage zurück, denn der Leichnam war bereits ins Stadium der Verwesung übergegangen. Die ermittelnden Beamten gingen am Tatort so schlampig vor, dass viele Spuren verwischt wurden. Doch bald berichtete die Presse von einem kleinen ledernen Notizbuch, in dem angeblich die Namen von führenden Personen aus Wirtschaft und Politik standen. War die Führungsschicht der Nachkriegsgesellschaft derart dekadent, obwohl sie doch in der Öffentlichkeit stets Moral und konservative Werte predigte? Der Mord an der Prostituierten wurde nie aufgeklärt, es wucherten die Gerüchte und Verschwörungstheorien und die Bundesrepublik hatte ihren ersten großen Sexskandal.
Brockhaus - Abenteuer Geschichte 2012