Ein Standpunkt von Jochen Mitschka.
Bestimmt haben nicht wenige Medienkonsumenten noch nie von der staatlichen Doktrin der „glaubhaften Bestreitbarkeit“ oder in Englisch „plausible deniability“ gehört. Dabei wird er jeden Tag in den Massenmedien mit genau diesem Prinzip unwissend gehalten. Dieses Prinzip, moralisch oder ethisch verwerfliche Taten „glaubhaft“ zu dementieren, wird heute flächendeckend von den Konzernmedien wie den durch die Parteien kontrollierten öffentlich-rechtlichen Medien nicht hinterfragt. Das war nicht immer so. Anfang der 1970er Jahre missachteten investigative Journalisten der Massenmedien das ungeschriebene Gesetz, glaubhafte Bestreitbarkeit nicht zu hinterfragen. Sie veröffentlichten Informationen aus Geheimdokumenten, den Pentagon-Papieren (1), in denen beschrieben wurde, wie die US-amerikanische Öffentlichkeit über den Vietnamkrieg belogen wurde. Seitdem hat sich aber viel geändert. Nicht zuletzt zu erkennen an der gnadenlosen Verfolgung von Julian Assange. Aber schauen wir uns jüngere Beispiele dieses Prinzips der „glaubhaften Abstreitbarkeit“, und wie die Medien damit umgingen, an.
Zunächst noch einmal die Definition nach Wikipedia:
„Die Situation einer glaubhaften Abstreitbarkeit (auch glaubhafte Bestreitbarkeit; englisch plausible deniability) liegt vor, wenn eine Person oder eine Organisationseinheit ein Mitwissen bzw. eine Mitwirkung an moralisch verwerflichen oder strafbaren Vorgängen innerhalb ihres Einflussbereichs überzeugend dementieren kann und ihr somit keine Verantwortlichkeit nachgewiesen werden kann, unabhängig vom tatsächlichen Wahrheitsgehalt dieses Dementis. Der Begriff wurde von der CIA Anfang der 1960er Jahre geprägt und beschreibt die Strategie, hochrangige Beamte und Regierungsmitglieder vor Strafverfolgung oder sonstigen negativen Konsequenzen zu schützen, für den Fall, dass illegale oder unpopuläre CIA-Aktivitäten öffentlich werden würden.“ (2)
Der grundsätzliche Ablauf eines Vorgangs, der der „glaubhaften Abstreitbarkeit“ unterliegt, die von den Medien heute stillschweigend akzeptiert wird, sieht wie folgt aus:
1. Phase: Das Totschweigen
Die Medien tun so, als ob es das Problem nicht gäbe. Berichte, welche das Gegenteil beweisen könnten werden einfach ignoriert. Derweil ist es in den alternativen Medien längst ausführlich berichtet und diskutiert worden, natürlich auch mit Beiträgen, die nicht 100% korrekt waren. Oft einfach, weil die finanziellen oder informellen Möglichkeiten zur Verifizierung fehlten. Wer antwortet schon auf die Anfrage eines unbedeutenden Internetblogs?
2. Phase: Das Dementieren
Die Medien erstellen, was man heute modern „Faktencheck“ nennt und weisen nach, dass Teile von Behauptungen, die auf eine „glaubhafte Abstreitbarkeit“ hinweisen, schlicht falsch sind. Denn natürlich gibt es immer Übertreibungen, Trittbrettfahrer mit falschen Informationen, Wichtigtuer und Propagandisten, die in solchen Fällen auch auftreten. Nicht selten steht die Vermutung im Raum, dass es sich um bewusste Lancierungen handelt, um andere Informationen, die in die gleiche Richtung deuten, zu diskreditieren. Weiter werden Beweise und Aussagen, die nicht in das offizielle Narrativ passen, als „Propaganda“ verworfen, ohne es ernsthaft zu prüfen.
3.Phase: Das Berichten
Wenn es nun gar nicht mehr anders geht, zum Beispiel, weil doch ein Mitglied der Mediengemeinschaft mit ersten Nachrichten über die Tatsachen berichtete, wird zwar berichtet, aber der Vorgang als „umstritten“ (statt illegal) bezeichnet, als „notwendiges Übel“ oder „nicht so schlimm“, und „wird nicht mehr gemacht“, ist also quasi schon Teil der Geschichte, oder es erfolgt der Hinweis auf einen Schuldigen, der als Bauernopfer dient.
4 Phase: Das „Normalisisieren“
Von nun an ist das ganze Geschichte, niemand dafür verantwortlich und alles hat seine Ordnung. Schauen wir uns an, in welchen Phasen sich unterschiedliche staatliche Projekte der glaubhaften Abstreitbarkeit befinden.
mehr:
- Die Strategie der „Glaubhaften Abstreitbarkeit“ (Jochen Mitschka, KenFM, 26.08.2019)
siehe auch:
- Propagandaregen: Die ideologische Mobilmachung der Republik (Post, 25.08.2019)
- Idlib und die Heuchelei des Westens (Post, 21.08.2019)
- Unsere Mainstream-Medien sind transatlantische Speichellecker! (Post, 19.08.2019)
- Das transatlantische Narrativ und die Meinungsfreiheit: Da prallen Welten aufeinander (Post, 27.05.2019)
- Propaganda, Medien und die Kriege der Guten (Post, 28.02.2019)
- Kennedy-Attentat: Das Narrativ unserer Leitmedien – und wie es verteidigt wird (Post, 25.10.2017)
- Wie wird eine öffentliche Debatte verhindert? – Das Vier-Phasen-Modell (Post, 06.11.2010)