Mittwoch, 20. November 2019

Julian Assange – ein Vergewaltiger?

In Schweden hat das Oberste Gericht erstmals ein Urteil auf Grundlage des umstrittenen Einwilligungsgesetzes zur Zustimmung beim Sex gesprochen. Ein Jahr nach dem Inkrafttreten des Gesetzes wurde ein 27-jähriger Mann unter anderem wegen sogenannter unachtsamer Vergewaltigung zu einer Haftstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt.

Das Gericht in Stockholm kam zu dem Schluss, dass eine Person, die gegen ihren Willen zu sexuellen Handlungen gebracht werde, nicht ausdrücklich Nein sagen oder anderweitig ihre Weigerung ausdrücken müsse.

Das neue Sex-Gesetz war am 1. Juli 2018 in Kraft getreten. Es legt fest, dass beide Partner ausdrücklich und klar erkennbar mit dem Geschlechtsverkehr einverstanden sein müssen. Alles andere wird als Vergewaltigung gewertet, auch wenn sich der Partner nicht körperlich wehrt oder Nein sagt. Passivität soll damit nicht als stilles Einverständnis interpretiert werden können.

«Oaktsam våldtäkt» bedeutet wörtlich übersetzt «unachtsame Vergewaltigung» und ist im Deutschen am ehesten mit dem Begriff «fahrlässig» zu vergleichen.

Die Vorinstanz hatte den Mann zunächst wegen Vergewaltigung zu drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Nach Angaben schwedischer Medien wurden wegen des neuen Strafbestandes der unachtsamen Vergewaltigung bislang sechs Personen von niedrigeren Instanzen verurteilt. Der Beschluss des Obersten Gerichts dürfte nun wegweisend für die Rechtsprechung anderer schwedischer Gerichte sein.

mehr:
- «Unachtsame Vergewaltigung»: Schweden verurteilt erstmals Mann nach neuem Sex-Gesetz (watson.ch, 11.07.2019 – Hervorhebung von mir)

Assange, die Vergewaltigungsvorwürfe und die Medien:
In der Schweiz haben Fernsehen und Zeitungen über die Einstellung der Anklage wegen Vergewaltigung informiert, ohne zu präzisieren, dass es sich nicht um Vergewaltigungen handelte, wie sie die Öffentlichkeit in der Schweiz versteht. Es ging um einvernehmlichen, aber ungeschützten Verkehr gegen den Willen von zwei Frauen. Strafrechtlich ist dies in der Schweiz keine Vergewaltigung, sondern eine Schändung. Bei Assange legen grosse Medien auf diese Differenzierung offensichtlich keinen Wert. […]

«Vergewaltigungsvorwürfe: Schweden nimmt Ermittlungen gegen Julian Assange wieder auf», titelte die «Neue Zürcher Zeitung» am 13. Mai. Den gleichen Wortlaut verwendeten der Zürcher «Tagesanzeiger» und die «SRF-Tagesschau»: «Die schwedische Justiz hat heute entschieden, die Ermittlungen wegen Vergewaltigung gegen den ‹Wikileaks›-Gründer wieder aufzunehmen.»

Seit Beginn der Affäre im Jahr 2010 haben sich führende Medien aller Couleur den Begriff «Vergewaltigung» zu eigen gemacht, um ein Delikt zu benennen, dessen Assange von zwei schwedischen Frauen beschuldigt worden sei.

Die öffentlich bekannten Fakten führen zu dem Schluss, dass es sich nicht um das handelt, was landläufig unter Vergewaltigung verstanden wird. Der Sex war unbestrittenermassen einvernehmlich. Zwei Frauen sagten allerdings aus, dass es gegen ihren Willen zu ungeschütztem Verkehr gekommen sei. Ob dies tatsächlich der Fall war, blieb bis zur jetzigen Einstellung des Verfahrens ungeklärt. Der «Wikileaks»-Gründer hatte die Vorwürfe stets bestritten.

[Hintergründe des Vergewaltigungsverfahrens gegen Julian Assange, Info-Sperber, 20.11.2019]
- 9 Jahre lang Vergewaltigungsvorwürfe gegen Julian Assange am Köcheln halten: Alle Achtung! (Post, 05.11.2019) 

Der Fall Julian Assange stellt einen beispiellosen Verrat westlicher Regierungen an ihren eigenen demokratischen Prinzipien dar und markiert nach meiner Einschätzung einen moralischen Tiefpunkt westlicher Politik.
[DISKRIMINIERUNG DES INDIVIDUUMS, Institut für Individuationspädagogik, undatiert – Hervorhebung von mir]

In Schweden sieht die Lage nun anders aus: Auch wenn der eine Partner beim Sex zwar bei vollem Bewusstsein war und sich lediglich „passiv“ verhielt, kann dieser im Nachhinein geltend machen, nicht eingewilligt zu haben. Die Konsequenz: Der Sexualpartner könnte wegen dieser Sache, die dann als Vergewaltigung gelten würde, zu einer Haftstrafe verurteilt werden.
Dies wirft in praktischer Hinsicht, wie sich jeder vorstellen kann, erhebliche Probleme auf: Wenn später unklar ist, ob derjenige ausdrücklich „ja“ gesagt oder aktiv signalisiert hat, jetzt sexuell verkehren zu wollen, droht eine Haftstrafe. Nun könnte man meinen, wie oft soll so etwas schon vorkommen, dass hinterher darüber kein Einvernehmen besteht, ob der Sex beidseitig gewollt war – dies kommt viel häufiger vor, als man denken sollte. Jeder auf das Sexualstrafrecht spezialisierte Verteidiger kann unendlich viele Geschichten davon erzählen. [Sexualstrafrecht: Ja heißt ja, strafakte.de, 02.07.2018]

siehe auch:
Dem Imperium die Eier zeigen (Post, 05.11.2019)
In den Tagen darauf [nach Wiederaufhebung des Haftbefehls Ende August] sah alles danach aus, als solle das Verfahren möglichst schnell wieder eingestellt werden. Assange hatte wegen des Presserummels um den Fall inzwischen das Land verlassen.

Dann jedoch betrat Borgström die Szene, der die Vertretung von „A“ und „W“ übernahm. Er ist nicht nur erfolgreicher Anwalt, sondern auch der Gleichstellungsbeauftragte der schwedischen Sozialdemokraten und gilt als äußerst ehrgeizig. Als ebenso ehrgeizig gilt eine der ranghöchsten Staatsanwältinnen Schwedens, Marianne Ny. Das Problem daran: Beide versuchen sich in der Öffentlichkeit seit Jahren mit radikal feministischen Aussagen zu profilieren.

Ny hatte in der Vergangenheit etwa gefordert, dass allein der Misshandlungsvorwurf einer Frau gegen einen Mann reichen müsse, um den Beschuldigten – ohne weitere Untersuchungen – in Haft zu nehmen. Borgström wiederum sprach sich in der Vergangenheit für eine „kollektive Männerschuld“ für Gewalt an Frauen aus und forderte ein Boykott der Fußball-WM in Deutschland, weil dort als Randerscheinung auch mit Zwangsprostitution zu rechnen sei.

Noch gibt es jedenfalls keine Anklage gegen Assange. Schweden will laut eigenen Angaben lediglich deshalb seine Auslieferung von London, um ihn zu befragen. Viele von Assanges Unterstützern sind jedoch weiterhin überzeugt, dass Schweden für Assange nur eine Zwischenstation wäre – da Stockholm den WikiLeaks-Gründer sofort an die USA weiterreichen würde, wo ihm wegen seiner Arbeit strafrechtliche Verfolgung droht.

[
Thomas Bremer, „Ganz normale schwedische Mädchen“, ORF, 09.12.2010 – Hervorhebungen von mir]


[…] Doch dann stellte ich fest, dass er bis heute noch nie wegen einer Sexualstraftat angeklagt worden ist. Zugegeben, kurz nachdem die Vereinigten Staaten ihre Verbündeten dazu ermutigt hatten, Gründe für die Strafverfolgung von Assange zu finden, informierte die schwedische Staatsanwaltschaft die Boulevardpresse, er werde der Vergewaltigung zweier Frauen verdächtigt. Seltsamerweise hatten die betroffenen Frauen selbst jedoch nie behauptet, vergewaltigt worden zu sein, und sie beabsichtigten offenbar auch gar nicht, Strafanzeige zu erstatten. Man staune! Auch liess sich auf dem Kondom, welches angeblich beim Geschlechtsverkehr mit Assange getragen und zerrissen worden war, keinerlei DNA feststellen – weder von ihm, noch von ihr, noch von irgendjemand anderem. Man staune – wiederum! Eine der Frauen textete sogar, sie wolle Assange doch nur dazu bringen, einen HIV-Test zu machen, doch die Polizei sei “scharf darauf, ihn in die Finger zu bekommen”. Man staune – abermals! Seither haben sowohl Schweden als auch Großbritannien alles getan, um zu verhindern, dass sich Assange diesen Anschuldigungen hätte stellen können, ohne sich gleichzeitig einer Auslieferung an die USA auszusetzen, und damit einem Schauprozess und lebenslänglicher Gefangenschaft. Seine letzte Zuflucht war die ecuadorianische Botschaft in London gewesen.
[Nils Melzer, Der Folterung von Julian Assange die Maske herunterreißen, Übersetzung von Moritz Müller, NachDenkSeiten, 08.07.201
9]

Seit Februar 2011 (bzw. seit 19 Monaten) geistert das Polizeiprotokoll mit den Verhören der betroffenen Personen und möglichen Zeugen sowie mit dem Resultat der hier im Artikel beschriebenen Laboranalyse durchs Internet und wurde auf diversen Websites und in zahlreichen Foren unter die Lupe genommen und diskutiert.
[Cass Andra, Resultat der Laboruntersuchungen schon seit geraumer Zeit bekannt..., Kommentar (24.09.2012 11:59) zu: Harald Neuber, Fall Assange: Labore finden keine DNA-Spuren auf Kondom, Telepolis, 21.09.2012]

mein Kommentar:
Es ist doch wirklich seltsam: Wir sehen Filme von Überwachungskameras, auf denen Julian Assange in seiner 15-qm-Asyl-Wohnung in der Botschaft Ecuadors Skateboard fährt, wir erfahren, wie er mit seiner Katze umgeht, aber daß schon seit Ende 2010 bekannt ist, daß das Kondom, mit dem er die »unachtsame Vergewaltigung« begangen haben soll, keinerlei DNA-Spuren aufweist, da braucht unsere westliche Wertegemeinschaft einen UN-Sonderermittler, damit die Öffentlichkeit das erfährt…

Assange fährt Skateboard in der Botschaft {1:05}

faz
Am 15.04.2019 veröffentlicht 
Die spanische Zeitung El Pais hat Videoaufnahmen des Wikileaks-Gründers aus dem Inneren der ecuadorianischen Botschaft veröffentlicht. © REUTERS
Link zum Video: https://www.faz.net/-gum-9m1fc
Link zur Homepage: https://www.faz.net


Unklar ist, was tatsächlich geschehen ist. Mal heißt es, er habe das Präservativ mitten im Akt wieder abgezogen, mal soll es kaputt gegangen sein.
[
Clemens Bomsdorf, Elmar Jung, CIA Verschwörung, der Vergewaltigungsvorwurf gegen Assange, welt.de, 08.12.2010]
CIA Verschwörung, der Vergewaltigungsvorwurf gegen Assange (Thomas Bremer, diebewertung.de, 07.12.2010)
Wikileaks-Gründer wegen Belästigung/Vergewaltigung angezeigt. (Update) (Linus Neumann, Netzpolitik.org, 21.08.2010)
Ein Jahr ZustimmungsgesetzSchweden: Kein Sex ohne aktives Ja (strafakte.de, 01.07.2019)
Was in Schweden als Vergewaltigung gilt (Freeman, AllesSchallundRauch, 03.12.2010)

noch einmal die Timeline:
Zwischen dem 13. und dem 16. August 2010 hat Assange einvernehmlichen Geschlechtsverkehr mit zwei Frauen, Ardin (13./14. August) und Wilen (16. August).
Wilen macht sich danach Sorgen, sie könne schwanger sein oder sich eine Geschlechtskrankheit zugezogen haben und geht am 20. August mit Ardin, die am 15. August noch eine Party zu Ehren Assanges gegeben hatte, zur Polizei, um sich erkundigen, ob man Assange zu einem HIV-Test zwingen könne. (Kurz zuvor, hatte sich Assange zu einem HIV-Test bereit erklärt, aber die Krankenhäuser waren schon geschlossen.[Guardian]) 

Die Polizistin Irmeli Krans nahm die Aussagen der beiden Frauen weder auf Tonband noch per Video auf, sondern verfasste eine Niederschrift. Diese Einvernahme geschah auf juristisch fragwürdige Weise, denn beide Frauen wurden gemeinsam angehört, konnten sich also gegenseitig decken oder beeinflussen, ein juristisch unkorrektes Verfahren.

Schliesslich musste die Polizistin die Befragung von Sofia Wilen abbrechen, weil diese erschüttert war, als sie von der Möglichkeit eines Haftbefehls gegen Assange hörte. Sie ging nach Hause. Das Protokoll wurde nur von Anna Ardin unterschrieben.[Info-Sperber]

Bereits am späten Abend des 20. August, also kurz nach den ersten aktenkundigen Vorgängen, wurde der Australier vom Vorwurf der Vergewaltigung und der sexuellen Gewalt entlastet. Staatsanwältin Eva Finne hob den Haftbefehl auf, der zuvor gegen Assange erlassen worden war. Finne erklärte: «Ich denke, es gibt keinen Grund anzunehmen, er habe eine Vergewaltigung begangen.» Es blieb der Vorwurf der sexuellen Belästigung. […] 
Assange erfährt am 21. August aus der Presse, er werde wegen »Vergewaltigung« polizeilich gesucht. 

[Mit Sicherheit wurden also Informationen aus Polizeikreisen an die Presse durchgestochen. Anmerkung von mir]

Am 30. August stellt sich Assange freiwillig der Polizei für eine Befragung. Er bestreitet die Vorwürfe der sexuellen Belästigung.
Am 1. September nimmt eine andere Staatsanwältin, Marianne Ny, das Verfahren wegen Vergewaltigung wieder auf. Sie befragt Wilen und Ardin erneut, nicht aber Assange, obwohl er sich noch vier Wochen lang in Schweden aufhält.
Am 15. September teilt die Staatsanwaltschaft mit, Assange könne ausreisen.
Am 27. September reist Assange nach London.
Mitte Oktober erlässt die schwedische Staatsanwältin einen Haftbefehl. Die Begründung lautet, er habe sich der Befragung entzogen. Assange ist jedoch bereit, sich von der schwedischen Staatsanwältin per Skype oder in London befragen zu lassen. Er würde auch nach Schweden zur Einvernahme gehen, falls ihm Schweden garantiert, ihn nicht in die USA auszuliefern. Schweden lehnt alle diese Möglichkeiten ab.

Februar 2011: Ein Londoner Gericht gibt einem Auslieferungsgesuch Schwedens statt. Assange legt Rekurs ein.
Juni 2012: Der Supreme Court bestätigt in letzter Instanz das Urteil des Londoner Gerichts. Assange soll ausgeliefert werden.
[Hintergründe des Vergewaltigungsverfahrens gegen Julian Assange, Info-Sperber, 20.11.2019]
Noch einmal zum Mitdenken:
1. In die Tage zwischen Assanges Ankunft in Schweden und dem Gang zur Polizei fallen zugleich überschwängliche wie auch widersprüchliche Äußerungen der Frauen Dritten gegenüber, die entweder von Stolz oder großer Freude oder vom »schlechtesten Sex aller Zeiten« (Ardin) künden. [Guardian]
2. Ardin und Wilen gehen am 20. August 2010 gemeinsam zur Polizei, um sich zu erkundigen, ob man Assange zu einem HIV-Test zwingen könne. 
Am späten Freitagnachmittag [20. August 2010], sagte Harold [im Zeitungsbericht verwendeter Deckname für die Koordinatorin der schwedischen Wikileaks-Gruppe – Erläuterung von mir] der Polizei, stimmte Assange zu, einen Test zu machen, aber die Kliniken hatten am Wochenende geschlossen. Miss A rief Harold an und teilte ihr mit, dass sie und Miss W bei der Polizei gewesen seien, die ihnen gesagt hatten, dass sie Assange nicht einfach sagen könnten, dass sie einen Test machen sollten, und dass ihre Aussagen an die Staatsanwaltschaft weitergegeben werden müssten. In dieser Nacht lief die Geschichte der schwedischen Zeitung Expressen zu.

[Nick Davies, 10 Tage in Schweden: die vollen Vorwürfe gegen Julian Assange, Guardian (Google-Übersetzer), 17.12.2010]
3. Die Polizistin Irmeli Krans nimmt die Aussagen der beiden Frauen weder auf Tonband noch per Video auf, sondern verfasst eine Niederschrift.
4. Am gleichen Tag werden Informationen darüber an die Presse durchgestochen. 
5. Ebenfalls am gleichen Tag erklärt die Staatsanwältin Eva Finne, es gäbe keinen Grund anzunehmen, Assange habe eine Vergewaltigung begangen.
6. Am folgenden Tag, am 21. August 2010, erfährt Assange von Journalisten, die ihn zu den Vorwürfen der beiden Frauen befragen wollen, er werde wegen Vergewaltigung per Haftbefehl gesucht.
7. Assange twittert am 21. August um 9:15h: »Wir wurden gewarnt, schmutzige Tricks zu erwarten. Jetzt haben wir den ersten.« [Guardian]
8. Am Folgetag twittert er: »Erinnerung: US-Geheimdienste planten, WikiLeaks bereits 2008 zu zerstören.«
9. In die Zeit zwischen dem 21. und dem 30. August fällt eine Textnachricht [SMS?] zwischen den beiden Frauen, in welcher von Geld die Rede ist, welches frau erhalten könne, wenn frau mit der Geschichte zu einer Boulevardzeitung ginge… 
10. Am 30. August 2010 stellt sich Assange der Polizei und bestreitet die Vorwürfe
11. Zwei Tage später, am 1. September, nimmt eine andere Staatsanwältin, Marianne Ny, das Verfahren wegen Vergewaltigung wieder auf und vernimmt Wilen und Ardin erneut. 
12. Am 15. September teilt die Staatsanwaltschaft (wer genau?) Assange schriftlich mit, er könne das Land verlassen.
13. Bis zum 27 September, dem Tag, an welchem Assange nach London reist, wird er nicht erneut vernommen.
14. Es gibt anscheinend einen Termin für eine erneute staatsanwaltschaftliche Vorladung in Stockholm für den 14. Oktober 2010, dem Assange nicht nachkam. [Was Assange dazu bewog, diesen nicht wahrzunehmen, kann man sich nach der Lektüre des Guardian- Artikels möglicherweise vorstellen…]
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Die USA haben sich selbst einen Jagdschein ausgestellt

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Als jemand, der „einen Jagdschein hat“, wurde und wird in Deutschland umgangssprachlich und stigmatisierend auch bezeichnet, wer als nicht zurechnungsfähig eingestuft wird. Bis in die 1960er Jahre gab es den § 51 StGB a. F., durch den psychisch Kranke generell als strafunmündig eingestuft wurden. Etwas überspitzt formuliert konnte man „frei schießen“, man hatte also den „Jagdschein“.[1][2][3]
[Jagdschein_(Redewendung), Wikipedia, abgerufen am 15.12.2019]
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Die US-Regierung biegt das Völkerrecht zurecht wie es ihr passt – und verletzt es gleich mehrfach. Proteste halten sich in Grenzen.

Die US-Regierung hat beschlossen, die israelischen Siedlungen in den besetzten palästinensischen Gebieten ab sofort nicht mehr als Verletzung des Völkerrechts zu betrachten. Der Bau von israelischen Siedlungen im Westjordanland sei aus Sicht der USA «nicht per se unvereinbar mit internationalem Recht» erklärte Aussenminister Mike Pompeo am Montag. Mit dieser Entscheidung verstösst die Trump-Administration mit Blick auf den israelisch-palästinensischen Konflikt bereits zum wiederholten Mal gegen das Völkerrecht.

UNO hat illegale Besatzung bereits mehrmals verurteilt


Im Nahostkrieg vom Juni 1967 hatten die israelischen Streitkräfte das Westjordanland, den Gaza-Streifen und Ost-Jerusalem sowie die syrischen Golanhöhen und die ägyptische Sinai-Halbinsel besetzt. Inzwischen existieren im Westjordanland über 200 völkerrechtswidrige Siedlungen mit mehr als 600'000 illegalen jüdischen Siedlern.

Diese 1967 erfolgte Besatzung verurteilte der UNO-Sicherheitsrat mit seiner Resolution 242 im Konsens mit 15:0 Stimmen als «Verstoss gegen internationales Recht» und forderte die israelische Regierung zum vollständigen und bedingungslosen Rückzug aus den besetzten Gebieten auf. Nach dem Yom-Kippur-Krieg vom Oktober 1973 wiederholte der Sicherheitsrat mit seiner Resolution 338 die Feststellung der Völkerrechtswidrigkeit der Besatzung sowie die Rückzugsforderung an die israelische Regierung. Die beiden Resolutionen 242 und 338 sind weiterhin ohne Einschränkung gültiges Völkerrecht, und sie wurden vom Sicherheitsrat in den letzten fünf Jahrzehnten in weiteren Resolutionen viele Male bekräftigt.

In mehreren Resolutionen hat der UNO-Sicherheitsrat zudem ausdrücklich festgestellt, dass die Besiedlung von völkerrechtswidrig besetzten Gebieten ebenfalls gegen internationales Recht verstösst und Israel aufgefordert, die völkerrechtswidrige Besiedlung zu unterlassen. Zuletzt geschah dies in der Resolution 2234 vom 23. Dezember 2016, in der der Sicherheitsrat

1. «bekräftigt, dass die Errichtung von Siedlungen in dem seit 1967 besetzten palästinensischen Gebiet, einschliesslich Ost-Jerusalems, durch Israel keine rechtliche Gültigkeit besitzt und einen flagranten Verstoss gegen das Völkerrecht und ein ernstes Hindernis für die Herbeiführung der Zwei-Staaten-Lösung und eines gerechten, dauerhaften und umfassenden Friedens darstellt;»
2. «abermals verlangt, dass Israel alle Siedlungstätigkeiten in dem besetzten palästinensischen Gebiet, einschliesslich Ost-Jerusalems, sofort vollständig einstellt und alle seine diesbezüglichen rechtlichen Verpflichtungen uneingeschränkt achtet.» 
Die Siedlungen seien «ein grosses Hindernis für Frieden», stellte der Sicherheitsrat fest. Die Resolution 2234 wurde mit 14-Ja-Stimmen verabschiedet; die bis Ende Dezember 2016 noch von der Obama-Administration regierten USA enthielten sich der Stimme.


USA verstossen systematisch gegen Völkerrecht


Doch die Trump-Administration verstösst seit ihrem Amtsantritt im Januar 2017 systematisch gegen immer mehr völkerrechtliche Bestimmungen, die für den Konflikt Israel-Palästina relevant sind. Zunächst verlegte sie die US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem und anerkannte damit ausdrücklich den Anspruch der israelischen Regierung auf Jerusalem als alleinige Hauptstadt Israels. Damit verstiessen die USA gegen die UNO-Teilungsresolution, mit der die Generalversammlung am 30. November 1947 die Bildung zweier Staaten auf dem damals von Grossbritannien als «Mandatsgebiet Palästina» verwalteten Territorium zwischen dem Mittelmeer und dem Jordanfluss beschlossen hatte.

Die Teilungsresolution legt ausdrücklich fest, dass der Status Jerusalems zunächst offen bleibt und die künftige Rolle und Funktion der Stadt (sei es als gemeinsame oder getrennte Hauptstadt eines oder beider Staaten oder als internationale Stadt mit den Hauptstädten in Tel Aviv und Ramallah) erst in Verhandlungen zwischen beiden Seiten entschieden werden soll.

In einem weiteren völkerrechtswidrigen Schritt anerkannte die Trump-Administration im Frühjahr dieses Jahres die Entscheidung der Regierung von Benjamin Netanjahu, die völkerrechtswidrig besetzten syrischen Golanhöhen zum dauerhaften Teil des israelischen Staatsgebietes zu erklären.

mehr:
Die USA entscheiden selber, was im Völkerrecht gilt (Andreas Zumach, Info-Sperber, 20.11.2019)
siehe auch:
"Wir haben keine andere Wahl, als unseren Feinden und Freunden die Angst wiederzugeben, die mit jeder Großmacht verbunden ist. Nur ein Krieg gegen Saddam Hussein wird die Ehrfurcht, die die amerikanischen Interessen im Ausland und die Bürger im Inland schützt, entscheidend wiederherstellen." [54] 
[Reuel Marc Gerecht, zit. in Amerikas Verteidigung neu aufbauen, engl. Wikipedia, Google-Übersetzer – Original, abgerufen am 12.11.2019]
- Reichstags-9/11: Vom Neocon-Putsch zur weltweiten Überwachung (Post, 10.08.2019)

Assange: Einstellen des Verfahrens mit Nachtreten…

Am gestrigen Dienstag kam die Nachricht, dass die schwedischen Strafverfolgungsbehörden ihre Voruntersuchungen im Fall Assange nach nunmehr 9 Jahren und 3 Monaten zum dritten Mal eingestellt haben. Am Tag zuvor hatte es im Auslieferungsverfahren der USA gegen Julian Assange eine weitere Anhörung zu Verfahrensfragen gegeben, in der die Richterin verlautbarte, dass sie nicht für seine Haftbedingungen zuständig sei. Ein kurzer Abriss von Moritz Müller.

Gestern gegen 14 Uhr MEZ kam es über den Ticker: die schwedische Staatsanwaltschaft habe ihre Voruntersuchungen zum Vergewaltigungsvorwurf gegen Julian Assange ein weiteres Mal eingestellt. Dies war im August 2010, fünf Tage nachdem die Vorwürfe erhoben wurden, zum ersten Mal geschehen, nachdem die schwedische Staatsanwältin Eva Finné mangels Anfangsverdacht nicht ermitteln wollte. Julian Assange hat die Vorwürfe immer bestritten und ausgesagt, der Sex mit den beiden Frauen habe einvernehmlich stattgefunden. Dann hatte die Staatsanwältin Marianne Ny die Ermittlungen weitere fünf Tage später wieder aufgenommen, um sie im Frühjahr 2017 erneut einzustellen.

Julian Assange hatte in der Zwischenzeit Asyl in der ecuadorianischen Botschaft beantragt und im Sommer 2012 erhalten, weil er eine Auslieferung über Schweden an die USA wegen seiner Enthüllungen über diese fürchtete. Nachdem ihm das Asyl am 11. April dieses Jahres entzogen worden war, wurde er von der britischen Polizei aus der Botschaft geschleppt und in das Hochsicherheitsgefängnis in Belmarsh verbracht, wo er seitdem einsitzt, bis zum 22.9. aufgrund einer Haftstrafe wegen Kautionsvergehen im Zusammenhang mit den nie zur Anklage gekommenen Vorwürfen aus Schweden.

Noch am selben Tag stellten die USA, wie von Assange befürchtet, einen Auslieferungsantrag an das Vereinigte Königreich. Dies nachdem die USA und GB jahrelang behauptet hatten, es gäbe kein Verfahren gegen ihn. Deswegen dauert seine Haft auch nach dem 22.9. an. Am 13. Mai kündigten die schwedischen Behörden die Wiederaufnahme des Verfahrens wegen Vergewaltigung auf einer Pressekonferenz an, aber am 3. Juni weigerte sich ein Haftrichter in Uppsala, Assange in Abwesenheit festzunehmen und empfahl den Strafverfolgern, Julian Assange in Belmarsh, auf dem Präsentierteller der Briten, zu befragen. Die ist nie geschehen und stattdessen wurden nach 9 Jahren Zeugen erneut befragt.

Nun stellt die Staatsanwältin Eva-Marie Persson das Verfahren erneut ein, nicht ohne noch nachzutreten und zu sagen, dass die Kläger und Zeugen alle glaubhaft seien, aber nach fast 10 Jahren die Erinnerungen schwinden würden. Sehr verwunderlich, hat sie doch Akten von damals zur Hand, in denen die Aussagen der Beteiligten, inklusive Julian Assange, schwarz auf weiß und frisch nachzulesen wären.

mehr:
- Erstes Verfahren gegen Assange eingestellt, während Londoner Richterin behauptet, nichts zu sagen zu haben … (Moritz Müller, NachDenkSeiten, 20.11.2019)
siehe auch:
Antwortschreiben des schwedischen Außenministeriums auf das Schreiben von Nils Melzer vom 12.09.2019 (Post, 12.11.2019)
Causa Assange: Die USA auf dem Weg zur Pax americana (Post, 12.11.2019)
9 Jahre lang Vergewaltigungsvorwürfe gegen Julian Assange am Köcheln halten: Alle Achtung! (Post, 05.11.2019)
Ihr Gesicht [das der Richterin Vanessa Baraitser, Anmerkung von mir] zeigte eine Abfolge von Verhöhnung und gebieterischer Gleichgültigkeit; sie sprach Julian mit einer Arroganz an, die mich an einen Bezirksrichter erinnerte, der der Rassen-Klassifizierungsbehörde von Südafrika vorstand. Als Julian um Worte rang, konnte er sich kaum artikulieren, er stolperte selbst über seinen eigenen Namen und sein Geburtsdatum.

Als er die Wahrheit aussprach und als sein Anwalt das Wort ergriff, demonstrierte Baraister Langeweile; als dagegen der Staatsanwalt sprach, war sie aufmerksam. Sie hatte nichts zu tun; alles war nachweislich schon vorher eine ausgemachte Sache. Am Tisch vor uns saß eine Handvoll US-amerikanischer Beamter, deren Anordnungen eine Gehilfin des Staatsanwalts an diesen weitergab; diese junge Frau lief andauernd hin und her und überbrachte die Anweisungen.

Die Richterin sah diesem Skandal kommentarlos zu. Das Ganze erinnerte mich an eine Wochenschau eines Schauprozesses in Stalins Moskau; der Unterschied lag nur darin, dass die sowjetischen Schauprozesse übertragen wurden. Hier jedoch ging der staatliche Rundfunk, die BBC, stillschweigend über den Prozess hinweg, genauso wie die anderen Mainstream-Sender.

Nachdem sie die Tatsachen-Beschreibung von Julians Anwalt ignoriert hatte, wonach die CIA eine spanische Sicherheitsfirma betrieben hatte, die Julian in der ecuadorianischen Botschaft ausgeschnüffelt hat, gähnte sie zwar nicht, aber ihr Desinteresse war genauso prononciert. Sodann verweigerte sie Julians Anwälten mehr Zeit, um sich auf den Prozess vorzubereiten – obwohl man ihrem Klienten im Gefängnis den Empfang rechtlicher Unterlagen und anderer Instrumente, um sich selbst zu verteidigen, verwehrte.

Ihr heftigster Schlag in die Magengrube bestand dann in der Ankündigung, dass die nächste Anhörung im abgelegenen Woolwich stattfinden würde, welches an das Belmarsh-Gefängnis angrenzt und das nur über wenige Plätze für die Öffentlichkeit 
[nachdem, was ich herausfinden konnte, vier oder fünf, Anmerkung von mirverfügt. Da kann man die Angelegenheit in Abgeschiedenheit abhandeln und so einem Geheimprozess möglichst nahekommen. Hat sich das in der Heimat der Magna Carta zugetragen? Ja, aber wer hätte das ahnen können? 
[Moritz Müller, Julian Assange: „Was können wir sonst noch tun?“, NachDenkSeiten, 31.10.2019]
Ein Leserkommentar zum drei Tage zuvor erschienenen Artikel von Craig Murray bei Consortium News:
»I was in court and every word of this by Craig Murray is the truth. I add that when the judge told a distressed Assange that future hearings would be at Belmarsh ‘so that you won’t have so far to travel’ it was one of the most chilling things I’ve seen.«
»Ich war im Gerichtssaal, und jedes Wort von Craig Murray darüber entspricht der Wahrheit. Ich füge hinzu: Als der Richter einem beunruhigten Assange mitteilte, künftige Anhörungen würden in Belmarsh stattfinden, ‘so dass Sie nicht so weit reisen müssen’; dies eine der kältesten Ausagen war, die ich mitbekommen habe.«
[Leserkommentar John Rees, Oct 22, 2019 (@JohnWRees) zu: Craig Murray, Assange Displayed Signs of Torture in Courtroom Farce, Consortium News, 22.10.2019 – Google-Übersetzer]

- Julian Assange: Das kollektive Medien-Schweigen zur Folter oder Das Abwürgen der Meinungsfreiheit (Post, 31.10.2019)


Im Jahr 2015 haben wir in vier Ländern einen Antrag auf Zugang zu den Unterlagen gemäß dem Freedom of Information Act gestellt: Australien, das Land, in dem Assange geboren wurde; England, wo er seit 2010 ist, nachdem er explosive geheime Dokumente über die US-Regierung veröffentlicht hat; die Vereinigten Staaten, in denen er für die WikiLeaks-Veröffentlichungen angeklagt ist; Schweden, wo er in einer Vergewaltigungsuntersuchung endete, die am 20. August 2010 eröffnet wurde, am 25. August 2010 schloss, am 1. September 2010 wieder öffnete, am 19. Mai 2017 wieder schloss und schließlich am 13. Mai 2019 und danach wieder öffnete ist noch im Gange und befindet sich nach neun Jahren in der Vorstufe.

Unser Versuch, auf die Dokumente zuzugreifen, wurde in jeder Gerichtsbarkeit behindert und stark verzögert. Die wenigen Dokumente, die wir bisher erhalten haben, haben es uns jedoch ermöglicht, wichtige Informationen zu ermitteln. Sie liefern unbestreitbare Beweise für die Rolle des Vereinigten Königreichs bei der Schaffung des rechtlichen und diplomatischen Sumpfes, der Julian Assange seit 2010 willkürlich in Haft gehalten hat, wie von der Arbeitsgruppe für willkürliche Inhaftierung der Vereinten Nationen (UNWGAD) eingerichtet. Tatsächlich war es die britische Staatsanwaltschaft, die die schwedischen Staatsanwälte von der einzigen gerichtlichen Strategie abhielt, die die schwedische Vergewaltigungsuntersuchung schnell hätte zum Abschluss bringen können: Assange in London zu befragen, anstatt ihn nach Stockholm auszuliefern. Es war die Kronstaatsanwaltschaft, die 2013 die schwedischen Staatsanwälte davon abzubringen versuchte, den Fall fallen zu lassen. Schließlich schrieb die Kronstaatsanwaltschaft an ihren schwedischen Amtskollegen: "Bitte denken Sie nicht, dass der Fall nur als ein anderer behandelt wird Auslieferungsantrag "gestellt und wichtige Dokumente vernichtet, obwohl der Fall noch andauert und sehr kontrovers ist.

Als wir versuchten, Licht in diese Tatsachen zu bringen, um zu verstehen, warum die britischen Behörden so gehandelt haben und warum der Fall Assange nicht "nur ein weiteres Auslieferungsersuchen" war, stießen wir so sehr auf eine echte Gummimauer, dass wir dazu gezwungen wurden verklagen Sie den Crown Prosecution Service.

Unser erstes Rechtsmittel an das Londoner First Tier Tribunal wurde abgelehnt : Der Richter stellte fest, dass die Presse kein Recht auf Zugang zu den Unterlagen hat, da die britischen Behörden die Vertraulichkeit des Auslieferungsprozesses stärker wägen als das öffentliche Interesse der Presse kennt.

Richter Edward Mitchell hat heute unser Rechtsmittel beim Upper Tribunal zurückgewiesen. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist nicht klar, wer in der Lage sein wird, Transparenz und Kontrolle in den Fall Assange zu bringen, da dies der Presse nicht gestattet ist.

[Stefania Maurizi, la Repubblica, 14.09.2019 – Google-Übersetzer – Original]


Hintergründe des Vergewaltigungsverfahrens gegen Julian Assange

Es ging nie um eine eigentliche Vergewaltigung, sondern stets um ungeschützten Sex gegen den Willen zweier Frauen.

Am 19. November gab die stellvertretende schwedische Staatsanwältin Eva-Marie Persson die Einstellung des Verfahrens gegen den Whistleblower und Wikileaks-Gründer bekannt, weil die bisherigen Untersuchungen «keine genügenden Beweise für eine Verurteilung» zutage gefördert hätten – trotz detaillierter Aussagen. Es seien sieben Zeuginnen und Zeugen befragt worden. Ein Rekurs gegen diese Einstellung sei noch möglich.

In der Schweiz haben Fernsehen und Zeitungen über die Einstellung der Anklage wegen Vergewaltigung informiert, ohne zu präzisieren, dass es sich nicht um Vergewaltigungen handelte, wie sie die Öffentlichkeit in der Schweiz versteht. Es ging um einvernehmlichen, aber ungeschützten Verkehr gegen den Willen von zwei Frauen. Strafrechtlich ist dies in der Schweiz keine Vergewaltigung, sondern eine Schändung. Bei Assange legen grosse Medien auf diese Differenzierung offensichtlich keinen Wert.

Unter dem Titel «Assange: Es ging um ungeschützten Verkehr» hatte Helmut Scheben am 27. Mai 2019 auf Infosperber die Vergewaltigungsvorwürfe gegen Assange gründlich recherchiert und die Hintergründe aufgedeckt. Er kam zum Schluss, dass Schweden diesen Fall längst hätte erledigen können.

Im Folgenden veröffentlichen wir diese Hintergründe noch einmal.

Der Vorwurf der Vergewaltigung und der sexuellen Gewalt

«Vergewaltigungsvorwürfe: Schweden nimmt Ermittlungen gegen Julian Assange wieder auf», titelte die «Neue Zürcher Zeitung» am 13. Mai. Den gleichen Wortlaut verwendeten der Zürcher «Tagesanzeiger» und die «SRF-Tagesschau»: «Die schwedische Justiz hat heute entschieden, die Ermittlungen wegen Vergewaltigung gegen den ‹Wikileaks›-Gründer wieder aufzunehmen.»

Seit Beginn der Affäre im Jahr 2010 haben sich führende Medien aller Couleur den Begriff «Vergewaltigung» zu eigen gemacht, um ein Delikt zu benennen, dessen Assange von zwei schwedischen Frauen beschuldigt worden sei.

Die öffentlich bekannten Fakten führen zu dem Schluss, dass es sich nicht um das handelt, was landläufig unter Vergewaltigung verstanden wird. Der Sex war unbestrittenermassen einvernehmlich. Zwei Frauen sagten allerdings aus, dass es gegen ihren Willen zu ungeschütztem Verkehr gekommen sei. Ob dies tatsächlich der Fall war, blieb bis zur jetzigen Einstellung des Verfahrens ungeklärt. Der «Wikileaks»-Gründer hatte die Vorwürfe stets bestritten.

Der zeitliche Ablauf Bereits am späten Abend des 20. August 2010, also kurz nach den ersten aktenkundigen Vorgängen, wurde der Australier vom Vorwurf der Vergewaltigung und der sexuellen Gewalt entlastet. Staatsanwältin Eva Finne hob den Haftbefehl auf, der zuvor gegen Assange erlassen worden war. Finne erklärte: «Ich denke, es gibt keinen Grund anzunehmen, er habe eine Vergewaltigung begangen.» Es blieb der Vorwurf der sexuellen Belästigung.

mehr:
- Hintergründe des Vergewaltigungsverfahrens gegen Julian Assange (Info-Sperber, 20.11.2019)
einige Zitate:
»Die beiden Frauen, welche die Affäre ins Rollen brachten, erklärten bei ihrer Vernehmung zunächst, sie wollten keine Anzeige und keine strafrechtliche Verfolgung. Dies belegen mehrere Zeugenaussagen. Die damals 24-jährige Sofia Wilen erschien bei der Polizei und erklärte, sie wolle sich «beraten lassen», ohne Assange formal zu beschuldigen. Aber die Polizei wollte den Fall einem Untersuchungsrichter übergeben. (Quelle: «The Guardian» vom 24.08.2010)

Wilen war besorgt, weil sie mit Assange einvernehmlichen Sex ohne Kondom hatte. Sie wollte wissen, ob sie Assange zwingen könnte, einen HIV-Test machen zu lassen.[1,2]«

»Die Polizistin Irmeli Krans nahm die Aussagen der beiden Frauen weder auf Tonband noch per Video auf, sondern verfasste eine Niederschrift. Diese Einvernahme geschah auf juristisch fragwürdige Weise, denn beide Frauen wurden gemeinsam angehört, konnten sich also gegenseitig decken oder beeinflussen, ein juristisch unkorrektes Verfahren.

Schliesslich musste die Polizistin die Befragung von Sofia Wilen abbrechen, weil diese erschüttert war, als sie von der Möglichkeit eines Haftbefehls gegen Assange hörte. Sie ging nach Hause. Das Protokoll wurde nur von Anna Ardin unterschrieben.«

»Anna Ardin sagte gegenüber derselben Zeitung, sie habe sich nicht vor Assange gefürchtet und dieser sei nicht gewalttätig. Sie habe nicht Vergewaltigung, sondern nur sexuelle Belästigung angeben wollen: «In beiden Fällen ist etwas, das als gewollter Sex begonnen hatte, in sexuellen Missbrauch ausgeartet.» Nach dem Vorfall liess Ardin den als Vergewaltigter beschuldigten Assange – nach ihren eigenen Aussagen gegenüber der Polizei – noch drei Nächte lang in ihrer Wohnung im gleichen Bett schlafen.[3]«

»Julian Assange stellt sich am 30. August freiwillig für eine Befragung wegen sexueller Belästigung zur Verfügung und weist die Anschuldigungen zurück. Zu diesem Zeitpunkt macht die Affäre bereits seit Tagen rund um die Welt Schlagzeilen. Die Vorgänge gelangen schon am Tag nach der Befragung an das schwedische Boulevardblatt «Expressen». Thomas Mattsson, Verleger der Zeitung, sagt gegenüber dem australischen Fernsehen, die Staatsanwaltschaft habe die Ermittlungen gegen Assange damals bestätigt.[6]

Ein unabhängiger Gutachter, der ehemalige schwedische Staatsanwalt Sven Erik Alhem, kritisiert, dass die Weitergabe der Vorfälle an die Medien ein Verstoss gegen schwedisches Recht bedeute. Dieses sieht vor, dass Sexualdelikte vertraulich bleiben müssen, bis eine formale Anklage vorliegt. Diese liegt bis heute nicht vor.7 Die Ermittler machten den Fall publik, sogar bevor sie Assange anhörten. Assange erfuhr von den Titelseiten der Zeitungen, er sei «wegen Vergewaltigung gesucht».«

»Staatsanwältin Eva Finne legte den Vergewaltigungs-Fall ad acta. Doch am 1. September kommt es zu einer erstaunlichen Wendung. Eine andere Staatsanwältin, Marianne Ny, ordnet die Wiederaufnahme des Verfahrens wegen Vergewaltigung an. Sie begründet dies mit «neuen Informationen», die sie erhalten habe.

Es ist schwerlich ein Zufall, dass der Chef des schwedischen Militärgeheimdienstes in genau diesem Moment in einer schwedischen Zeitung einen Artikel publiziert mit dem Thema: «Wikileaks: eine Bedrohung für unsere Soldaten». Die Rede ist von schwedischen Soldaten unter US-Kommando in Afghanistan. Der Fall Assange ist in Stockholm unter die Lufthoheit der Politik geraten.

Der australische Journalist John Pilger erklärt, die US-Regierung habe eine Task-Force aufgestellt, welche die Aufgabe habe, «Wikileaks» zu diskreditieren, Assanges habhaft zu werden und ihn hinter Gitter zu bringen.[8]

Staatsanwältin Ny befragt die angeblichen Vergewaltigungsopfer erneut, unterlässt es jedoch, Assange vorzuladen, obwohl dieser sich noch bis Ende September in Schweden aufhält und bereit ist, sich jederzeit befragen zu lassen. Eine schriftliche Anfrage, ob er Schweden verlassen könne, bejaht die Staatsanwaltschaft..

Darauf reist Assange am 27. September 2010 nach Grossbritannien und hält die Sache wohl für erledigt. Staatsanwältin Ny stellt jedoch nach seiner Ausreise einen internationalen Haftbefehl aus, ohne dass vorher eine Anklage eröffnet worden ist. Die Begründung lautet, Assange entziehe sich der Befragung in den laufenden Ermittlungen und müsse verhaftet werden, damit man ihn befragen könne. Eine Behauptung, die den Tatsachen widerspricht.[9]

» Assanges Anwälte teilen wiederholen mit, ihr Mandant habe sich zu keinem Zeitpunkt den Ermittlungen entzogen. Er sei jederzeit bereit, sich auch in London einer Befragung zu stellen, per Skype oder wie auch immer. Die schwedische Staatsanwaltschaft lehnt ab. Er sei auch bereit, für ein Verhör erneut nach Schweden zu reisen, sofern man ihm garantiere, dass Schweden eine Auslieferung an die USA ausschliesse. Schweden verweigert jedoch eine solche Garantie.[10]«

»Im Mai 2017 wird Lenin Moreno neuer Präsident von Ecuador. Im Gegensatz zu seinem Vorgänger Rafael Correa sucht Moreno die Annäherung an die USA. Unmittelbar nach dem Regierungswechsel reist Paul Manafort nach Quito, um mit Moreno die Bedingungen für eine Auslieferung von Julian Assange auszuhandeln.

Der Rest der Geschichte ist bekannt. Es sind die Breaking News der vergangenen Wochen. Im April 2019 erklärt Moreno das Asyl für beendet, da der «Wikileaks»-Gründer gegen ausgehandelte Bedingungen verstossen habe. Am 11. April wird Assange von der britischen Polizei gewaltsam aus der Botschaft gezerrt und zu einer Gefängnisstrafe wegen Verstosses gegen Kautionsbedingungen verurteilt. Assange ist in einem Hochsicherheitsgefängnis in Grossbritannien inhaftiert.

Zwei Tage später reist Moreno nach Washington, um den Chef der Weltbank zu treffen. Seit Moreno Präsident ist, fliessen erneut Kredite und Entwicklungshilfe in Milliardenhöhe nach Ecuador: Sie kommen vom Internationalen Währungsfond, von der Weltbank, von der lateinamerikanischen Entwicklungsbank und von der US-Regierung. Morenos Vorgänger Rafael Correa bezeichnet Moreno als «Verräter». Was er getan habe, sei «ein grässlicher Akt von Servilität und Niedertracht». [11]«

»Die neuen Entwicklungen im Fall Assange nehmen vor allem die US-Demokraten mit Genugtuung auf. Das Clinton-Lager hofft nun auf eine Gelegenheit, die «Russia Collusion» erneut medial aufzukochen. Sonderermittler Robert Mueller beschuldigt russische Geheimdienstleute, mit «Wikileaks» zusammengearbeitet zu haben, um Hillary Clinton zu diskreditieren und somit Trump ins Amt zu bringen. «Wikileaks» und Assange haben dies stets bestritten.«

»Katrin Axelsson von der britischen Organisation «Women against Rape» schrieb schon 2012, sie glaube nicht, dass Assange wegen Vergewaltigung verfolgt werde:

«Die Anschuldigungen gegen ihn sind eine Nebelwand, hinter der verschiedene Regierungen versuchen, ihn zu ergreifen, weil er es gewagt hat, ihre geheimen Pläne für Krieg und Besatzung (…) öffentlich zu machen.»[12]«
siehe auch:
Antwortschreiben des schwedischen Außenministeriums auf das Schreiben von Nils Melzer vom 12.09.2019 (Post, 12.11.2019)
Causa Assange: Die USA auf dem Weg zur Pax americana (Post, 12.11.2019
9 Jahre lang Vergewaltigungsvorwürfe gegen Julian Assange am Köcheln halten: Alle Achtung! (Post, 05.11.2019)


Drei Jahre lang hatten die US-Demokraten, die bürgerlichen Medien und der Geheimdienst verbreitet, Assange sei ein „russischer Agent“. Dieser Verschwörungstheorie („Russiagate“) hat der Richter mit seinem Spruch, die Klage des DNC sei „mit Vorurteilen behaftet“, einen herben Rückschlag versetzt.

Richter John Koeltl vom US Bezirksgericht New York-Süd wies die Verleumdung, der WikiLeaks-Gründer habe mit Russland „konspiriert“, ausdrücklich zurück. Diese Entscheidung stellt Assanges Ruf als Journalisten und Herausgeber wieder her und widerlegt die Behauptung, die Veröffentlichung von durchgesickerten E-Mails der DNC durch WikiLeaks im Jahr 2016 sei ein illegaler Akt gewesen.

Trotz der Bedeutung dieses Urteils und seiner klaren Aussagekraft hat die gesamte Medienwelt in den USA und weltweit die Entscheidung fast vollkommen ausgeblendet.

Das allgemeine Schweigen über die Gerichtsentscheidung reicht von der New York Times (die gerade mal sechs Absätze auf Seite 25 darüber brachte), der Washington Post und den Abendnachrichtensendungen im Fernsehen bis hin zu den „alternativen“ Websites wie „Intercept“ und den Veröffentlichungen der Pseudolinken. Man kann es nur als koordinierte politische Verschwörung bezeichnen.

[Oscar Grenfell, US-Demokraten mit Klage gegen Julian Assange gescheitert – Medien schweigen zum Gerichtsurteil gegen DNC (World Socialist Website, 03.08.2019 – Hervorhebungen von mir)
- UN-Ermittler kritisiert Umgang mit Assange (Post, 31.05.2019)

KenFM im Gespräch mit: Mathias Bröckers (“Freiheit für Julian Assange!”) {1:40:02 – Start bei 40:09}

KenFM
Am 05.07.2019 veröffentlicht 
Freiheit ist das höchste Gut, das der Mensch auf Erden besitzt. „Wer die Freiheit aufgibt, um Sicherheit zu gewinnen, wird am Ende beides verlieren“, wusste schon Benjamin Franklin. Was in diesen Tagen mit Julian Assange, einem Kämpfer für die Meinungsfreiheit, passiert, ist das komplette Gegenteil aller Freiheiten, die sich die zivilisierte Welt des 21. Jahrhunderts erarbeitet hat.
Nach sieben Jahren Asyl und Freiheitsentzug in der ecuadorianischen Botschaft in London wurde Assange durch den neuen Präsidenten Ecuadors das Recht auf Asyl wieder entzogen, worauf er umgehend aus der Botschaft entfernt und in die Hände der britischen Polizei übergeben wurde. Ihm droht nun die Auslieferung an die Vereinigten Staaten. Wie viele Rechtsbrüche allein in den letzten beiden Sätzen stecken, kann man nur erahnen. In seinem neuen Buch „Don’t kill the messenger! Freiheit für Julian Assange“ geht Mathias Bröckers den Anschuldigungen gegen Assange auf den Grund – von der angeblichen Vergewaltigung in Schweden, der Verschwörung mit Chelsea Manning bis hin zur Gefährdung der „nationalen Sicherheit“ der USA und des Geheimnisverrats.
Wie viele Jahre Haft bekommt man in einer Welt, in der die Meinungsfreiheit angeblich ein Grundrecht ist, wenn man Verbrechen aufdeckt? Und wie viele Jahre bekommt derjenige, der sie begeht? Das Messen mit zweierlei Maß hat mittlerweile Ausmaße angenommen, die für den normalen Bürger bei genauerem Hinsehen kaum noch erträglich sind. Was das Exempel Assange für den freien Journalismus bedeutet, sollten sich die Redaktionen von FAZ bis Süddeutsche und Co. eigentlich auch längst fragen, denn dessen Verhaftung ist weit mehr als ein Schuss vor den Bug der Pressefreiheit.
„We must resist…“, waren Assange’s letzte Worte, als er in den britischen Polizeiwagen geschoben wurde. Danach hat man nicht wirklich wieder etwas von ihm gesehen oder gehört. Mathias Bröckers öffnet uns im Gespräch die Augen und zeigt mit aller Deutlichkeit auf eine klaffende Wunde unserer demokratischen Freiheit, die, sollte sie größer werden, uns alle mit vollständiger Lähmung infizieren wird. Desinfizieren wir sie mit Solidarität – für Julian Assange und alle mutigen Bürger.
„Wenn das Aufdecken von Verbrechen wie ein begangenes Verbrechen behandelt wird, werden wir von Verbrechern regiert.“ – Edward Snowden
Inhaltsübersicht:
0:07:29 WikiLeaks und 1,5 Millionen veröffentlichte Dokumente
0:16:56 Unabhängiger Journalismus verliert seine Glaubwürdigkeit
0:26:26 Assange, ein Freund von Donald Trump?
0:40:09 Vergewaltigungsvorwürfe
0:50:46 Ein Leben in der Botschaft
1:10:35 Tatort Virginia: Chelsea Manning soll Assange belasten
1:19:56 Reporter ohne Grenzen? Amnesty International?
1:34:06 Das Ende von Julian Assange
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