Montag, 31. März 2008
Was Tiere denken
Gen-Scheiß, die nächsten drei von allen
Nicht nur die Verbraucher, auch die Landwirte in Deutschland lehnen mehrheitlich gentechnisch veränderte Lebensmittel ab. Versuche mit manipulierten Saaten finden jedoch statt. Dabei kommt es immer wieder zu ungewollten Ausbreitungen. Zuletzt wurde Ende August Rapssaatgut entdeckt, das mit illegalem Gen-Raps verunreinigt war. Dieser war lediglich für den Versuchsanbau genehmigt. Wie es zu der Vermischung kam, ist bislang nicht geklärt. Der Vorfall zeige, so Greenpeace-Gentechnikexpertin Ulrike Brendel, dass freigesetzte Gen-Pflanzen nicht zu kontrollieren seien.
Ein vierseitiges Info-Blatt „Gentechnik in Europa – alles sicher, oder was?“ steht als PDF auf www.greenpeace.de/themen/gentechnik/publikationen
PREIS FÜR FARMERPAAR SCHMEISER
Weil sie sich seit fast zehn Jahren von den übermächtigen US-Gentechnikkonzern Monsanto nicht unterkriegen lassen, bekommen die kanadischen Farmer Percy und Louise Schmeiser einen Alternativen Nobelpreis – „für den Mut bei der Verteidigung der Artenvielfalt“ [www.rightlivelihood.org]. 1998 begann der Kampf von David gegen Goliath. Nachdem sich auf Schmeisers Feldern Raps mit einem Gen aus dem Hause Monsanto fand, wollte der Konzern 400.000 Dollar Lizenzgebühr – oder das Ehepaar zwingen, künftig nur Monsanto-Saatgut zu kaufen. Die Schmeisers – sicher, dass der Wind Pollen manipulierter Pflanzen auf ihre Acker geweht hatte – wehrten sich und zogen schließlich vor Gericht. Zwar bestätigten die Richter im Grundsatz den Anspruch von Monsanto, zahlen mussten die Farmer aber nicht. Derzeit lauft eine weitere Klage: Monsanto weigert sich, die Kosten für die Entfernungvon Gen-Pflanzen von Schmeisers Land zu tragen. Das Urteil fällt im Januar.
Drei Links zur aktuellen Situation (Ende März 2008):
– bei CL-Netz
– bei Greenpeace
– bei Oekonews.at
GENTECHNIK – Budweiser-Bier wird in den USA mit Gen-Reis gebraut
Übler Nachgeschmack
Vom Reinheitsgebot für Bier scheint der US-Brauriese Anheuser-Busch nichts zu halten. Neben Gerste verwendet die Firma für ihr populäres Budweiser auch Reis – und der ist auch noch gentechnisch verändert, wie Greenpeace-Analysen jetzt offenbarten. In drei von vier Proben einer Mühle im US-Bundesstaat Arkansas entdeckten die Prüfer Spuren von LL601, einem Gen-Reis aus dem Hause Bayer. „Anheuser-Busch sollte seine Kunden darüber informieren“, sagt Doreen Stabinsky, Gentechnik-Expertin von Greenpeace International. Zudem müsse der Konzern sicherstellen, dass dieses Bier nicht exportiert werde, denn der Gen-Reis ist in Europa nicht zugelassen. Prompt versicherte die Firma, die in 60 Länder liefert, das Bier für Übersee sei garantiert gentechnikfrei. Kurz: Die US-Kunden trinken, was im Ausland nicht verkäuflich ist. „Der doppelte Standard wird bei vielen Biertrinkern sicher einen üblen Nachgeschmack hinterlassen“, sagt Doreen Stabinsky und fordert die Firma auf, keinerlei gentechnisch veränderte Inhaltsstoffe mehr einzusetzen. Weltweit gibt es nur noch wenige Biersorten, die mit Reis gebraut werden. In den USA indes ist Anheuser-Busch der größte Käufer von Reis und nimmt sechs bis zehn Prozent der gesamten Ernte ab.
Deftig persifliert Greenpeace einen Werbe-Spot für Budweiser – nichts für Zartbesaitete! Das Original sehen Sie auf www.youtube.com/watch?v=L3SwthA4Ld0, den Fake unter www.greenpeace.org/international/photosvideos/greenpeace-tv (Stichwort „Whassup!“)
Der Budweiser-Werbespot-Link funktioniert anscheinend nicht mehr, ich nehme an, das ist er:
Wer die Bäume umarmt
Schon als Vandana Shiva ein kleines Mädchen war, lernte sie von ihren Eltern, die Natur zu lieben und zu achten. Schon Mutter und Vater haben als Bauern und Waldhüter gearbeitet und ihre sichere Stellung in der Schule und beim Militär aufgegeben. Die Familie ist nicht ganz arm, und die junge Vandana Shiva erhält eine Chance, die die wenigsten indischen Jugendlichen erhalten: Sie darf im fernen Kanada Physik studieren und meistert die wissenschaftlichen Herausforderungen mit Bravour. Gerade 30 Jahre alt und ihrer Forscherkarriere schon sicher, besinnt sich Vandana Shiva auf ihre Wurzeln und kehrt – mit einem Doktortitel in der Tasche – nach Indien zurück. In ihrer Heimatstadt Dehradun gründet sie das unabhängige Institut für Forschung, Wissenschaft, Technologie und Ökologie – im ehemaligen Kuhstall ihrer Mutter. Zusammen mit Frauen aus der indigenen Bevölkerung gründet Vandana Shiva die erste Umweltvereinigung des Landes, die Chipko-Bewegung. Die unbelesenen Bäuerinnen werden berühmt, weil sie von Rodung bedrohte Bäume umarmen. Sie weichen nicht im Angesicht der Bulldozer. Die Bilder gehen um die Welt, die Aktion findet überall Nachahmung. Die Umarmung der Bäume, eine Liebeserklärung an die Natur, soll den Raubbau stoppen und wird zum Hoffnungssymbol für eine immer stärker bedrohte Erde. Aus dieser grundlegenden Erfahrung heraus entwickelt Vandana Shiva seither ihre Theorien des Ökofeminismus und der Erddemokratie, über die die mittlerweile schon berühmte Aktivistin bis heute viele Bücher geschrieben hat. Zusammen mit den Chipko-Frauen sammelt Vandana Shiva seltene Saatgutarten in den Bergregionen Indiens und untersucht sie in ihrem Institut. Die Ergebnisse sind verblüffend: Roter Reis etwa hat viel mehr Vitamine als industriell vermarktete Sorten der Agroindustrie. An diesem Punkt entwickelt sich Vandana Shiva von der Umweltschützerin zur Konzern- und Globalisierungskritikerin. Erfolgreich bekämpft sie die Patentierung von Saatgut und unterstützt internationale Kampagnen gegen gentechnisch veränderte Lebensmittel.
Schnell erwirbt sich Vandana Shiva internationale Anerkennung und wird zuverlässige Beraterin vieler wichtiger Organisationen wie des Weltzukunftsrates oder der Welternährungsorganisation (FAO). Und: Vandana Shivas Arbeit findet einen breiten öffentlichen Zuspruch. Die Vereinten Nationen verleihen ihr den Global-500-Award, das Time-Magazine kürt sie zur Umweltheldin, 2003 erhält sie den Alternativen Nobelpreis, zwei Jahre später wird sie für den offiziellen Friedensnobelpreis nominiert. Aktuell hat sie den Blue-Planet-Award der Stiftung Ethecon erhalten (siehe Kasten).
Doch all diese Auszeichnungen beeindrucken die engagierte Kämpferin nur wenig, solange noch Menschen Hunger leiden. Hart geht sie mit den Unternehmen der Agroindustrie ins Gericht. »Sie pressen unseren Bauern Lizenzgebühren ab, Geld für patentierte Samen, Dünger und Pestizide«, kritisiert Vandana Shiva, die darauf setzt, dass Menschen auf der ganzen Welt gegen diese Ungerechtigkeit gemeinsam vorgehen. »Die Bedürfnisse der Menschen müssen im Mittelpunkt wirtschaftlichen Handelns stehen und nicht die Profite der Konzerne«, so lautet das Credo einer großen Frau, die nicht aufhört, die Bäume zu umarmen, solange sie noch stehen.
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Die Welt für unsere Kinder retten
Ethecon wurde 2004 von zwei älteren Menschen gegründet, die sich einfach nicht damit abfinden können, der nächsten Generation den Planeten in einem Zustand am Rande des Kollapses zu hinterlassen. Auch nach ihrem eigenen Tod soll, so die Idee den Kindern und Enkeln eine starke Stiftung im Engagement für Frieden, Gerechtigkeit und Ökologie zur Seite stehen. Zu den beiden Gründungsstiftern sind mittlerweile fünf Zustifter und 58 Fördermitglieder hinzugekommen, das Stiftungskapital liegt bereits bei 499 000 Euro – 5 Millionen werden mittelfristig angestrebt.
Ethecon – Stiftung Ethik & Ökonomie, Akeleiweg 7, 12487 Berlin, E-Mail: Info@ethecon.org, Internet: www.ethecon.org, Spendenkonto: GLS-Bank 8023314500, BLZ 43060967
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Wir haben den roten Reis gefunden
ALLE MACHEN PROFIT, UND MEINE LANDSLEUTE VERHUNGERN DABEI. PROVO SPRACH MIT VANDANA SHIVA
PROVO: Vandana Shiva, Sie haben immer wieder den Hunger in der Welt angeprangert.
VANDANA SHIVA: Der Hunger kommt in den Ländern des Südens ausgerechnet in bäuerlichen Gegenden vermehrt vor, also dort, wo Menschen Nahrungsmittel anbauen. Das ist doch absurd. Wie kann es sein, dass Bauern, die Nahrung anbauen, Hunger leiden? Sie geraten in eine Lage, die es ihnen nicht ermöglicht, ihre eigenen Nahrungsmittel für sich und ihre Familien zu behalten. Die Ursachen liegen in der Abhängigkeit von Saatgut, Düngemitteln und Pestiziden, die die Konzerne der Agroindustrie ihnen für teures Geld verkaufen. Dies führt nicht nur zu Hunger, sondern auch zur Zerstörung der Natur. Tausende von Bauern bringen sich selbst um, weil die Schuldenlast sie erdrückt. Ich weiß auch von einigen, die ihre Frau oder Kinder verkauft haben, andere haben eine Niere verkauft.
PROVO: Manche sagen, die Gentechnik könne den Hunger bekämpfen.
VANDANA SHIVA: Das ist falsch. Allerdings wurde die Biotechnologie sogar auf dem offiziellen Welternährungsgipfel der Vereinten Nationen in Rom 2002 als Wunderwaffe gegen den Hunger propagiert. In Wahrheit dient sie nur dem Geschäft von Nahrungsmittelkonzernen wie Monsanto und Nestlé.
PROVO: Was spricht denn gegen die Biotechnologie?
VANDANA SHIVA: Die Biotechnologie bietet überhaupt keinen Ansatzpunkt gegen den Hunger in der Welt. Es wird etwa behauptet, dadurch käme es zu höheren Erträgen in der Landwirtschaft. Das ist einfach falsch. Gentechnisch veränderte Nutzpflanzen verbessern nirgendwo in der Welt die Ernten der Bauern und bringen die Kleinbauern in eine wirtschaftliche Abhängigkeit von den Konzernen. Eine Greenpeace-Studie über die Landwirtschaft in Argentinien beweist sogar, dass die Ernteerträge durch Gentechnik geringer werden. Gleichzeitig steigt aber der Verbrauch an gefährlichen Pestiziden und teuren Düngemitteln.
PROVO: Also alles nur eine Frage des Profits?
VANDANA SHIVA: Ja, leider. Die armen Länder sind ein riesiger Absatzmarkt für die Produkte der Agroindustrie, der größte der Welt. Die Konzerne pressen unseren Bauern Lizenzgebühren ab, Geld für patentierte Samen, Dünger und Pestizide. Gleichzeitig bestimmen die Weltbank und der Internationale Währungsfonds die Bedingungen für den Außenhandel. Die indische Bevölkerung etwa bezahlt für das eigene Getreide doppelt so viel wie die Exporteure Also verhungern meine Landsleute, weil ihnen die Nahrungsmittel verwehrt werden, die sie selbst produzieren.
PROVO: Was muss geschehen?
VANDANA SHIVA: Die Regierungen des Nordens sollten dafür sorgen, dass die Konzerne sich aus der Nahrungsmittelproduktion heraushalten. Außerdem müssen wir verhindern, dass diese Unternehmen gentechnische Pflanzen anbauen. Sie tun dies oft ohne rechtliche Regelungen und schaffen damit Tatsachen. Wie brauchen ein neues System der Nachhaltigkeit. Schlüsselfragen müssen sein: Wie nutzt man den Boden am besten, was ist am gesündesten, was ist gerecht, wie nutzen wir die Artenvielfalt am besten?
PROVO: Gutes Stichwort: Artenvielfalt ist sozusagen das Credo Ihrer Bewegung »Navdanya«? VANDANA SHIVA: Genau. Wir sammeln Saatgut in den Bergregionen Indiens, wo wir zum Beispiel roten Reis gefunden haben. Mein erster Gedanke war, wenn er rot ist, muss er viel Eisen oder Betacarotin enthalten. Ich ging also ins Labor und stellte tatsächlich fest, dass der rote Reis extrem viel mehr Vitamine und Eisen enthält als Gen-Reis.
PROVO: Aber das ist nur ein Beispiel …
VANDANA SHIVA: … das sich übertragen lässt. Ökologie in der Landwirtschaft vor allem in der Dritten Welt ist das Ziel von Navdanya. Wildkräuter eignen sich zudem zur Bekämpfung von Krankheiten. Hinzu kommt: Mit angestammten Arten lassen sich faire Bedingungen des Handels aufbauen.
PROVO: Ein besonderes Problem ist die Privatisierung.
VANDANA SHIVA: Nehmen Sie zum Beispiel das Wasser. Da, wo das Wasser von großen Konzernen privatisiert wurde, ist es um das Zehnfache teurer geworden Und diese horrenden Summen lassen sich über die von der Weltbank diktierten Dumping-Erträge nicht wieder einfahren. Hinzu kommt, dass das ganze ungerechte System auch noch mit öffentlichen Mitteln subventioniert wird. Wir müssen unbedingt dafür kämpfen, dass dieses öffentliche Geld, also unser Geld, in die ökologische Landwirtschaft der Kleinbauern fließt. Außerdem hoffe ich, dass die europäische Bevölkerung sich gegen die Einfuhr gentechnisch belasteter Nahrungsmittel zur Wehr setzen wird.
Die Fragen stellte Hubert Ostendorf
Sonntag, 30. März 2008
Real existierender Kapitalismus vor der Haustür
Für das Vorhaben der Stadt, in Kirchrode ein Tierimpfzentrum der Firma Boehringer-Ingelheim anzusiedeln, sollen 39 Kleingärten der Kolonie Gartenheim weichen. So sieht es der Entwurf des entsprechenden Bebauungsplans vor, der dieser Zeitung vorliegt.
Bislang war lediglich bekannt, dass Boehringer auf dem Gelände der ehemaligen Kleingartenkolonie „Sommerlust“ bauen möchte. „Erst nach hartnäckigen Recherchen haben wir erfahren, dass die Stadt auch mit unserem Gelände plant“, sagt Elke Britz, deren Garten betroffen ist. Für die im Plan der Stadt ausgewiesene „Sonderfläche für Wissenschaft und Forschung“ und eine dazugehörige Frei- und Grünfläche müssten 39 Kleingärten abgerissen werden, sagt Britz. „Wir waren erschüttert.“
Stadt-Sprecher Dieter Sagolla bestätigte gestern, dass „dies der momentane Planungsstand“ sei. Weitere Stellungnahmen lehnte der Sprecher jedoch mit Verweis auf die geplante Informationsveranstaltung am 2. April ab, bei der Vertreter der Stadt und von Boehringer-Ingelheim das Vorhaben vorstellen wollen.
Nach Angaben von Karl-Heinz Rädecker, Bezirksvorsitzender des Kleingärtnerverbands, wäre eine Kündigung des Generalvertrages zwischen der Stadt und dem Verband erst zum Februar 2009 möglich. Im gleichen Jahr plant Boehringer-Ingelheim mit dem Baubeginn für das Tierimpfzentrum.
Viele der betroffenen Kleingärtner sind nach Auskunft des Gartenheim-Vorsitzenden Michael Günther nicht gewillt, ihre Parzelle herzugeben, zumal die Kolonie nicht über Ersatzflächen verfüge, sagt Günther. „Bei uns stehen lediglich zwei Gärten leer.“ In einer Hauptversammlung am 4. April wollen die Mitglieder des Vereins „Lange Laube“, dem die Kolonie angehört, ihr weiteres Vorgehen besprechen. Kleingärtner-Chef Rädecker sichert die Unterstützung des Bezirksverbands zu – „ganz gleich, wie sich der Verein entscheidet“. Immerhin bestehe die Möglichkeit, eine Kündigung des Pachtvertrags abzulehnen. „Dann geht die Sache vor Gericht“, sagt Rädecker.
Elke Britz, deren Kleingarten ebenfalls dem Tierimpfzentrum weichen müsste, steht der Sinn nach Widerstand. „Es ist doch ganz logisch, dass Boehringer mittelfristig in Hannover expandieren will“, sagt sie – und befürchtet, dass dann auch der Rest der 80 Jahre alten Kolonie dem Konzern weichen müsste. Derzeit verfügt Gartenheim über 267 Parzellen.
Laut Bundeskleingartengesetz müsste die Stadt im Fall einer Kündigung des Pachtvertrags Entschädigung zahlen oder Ersatzflächen zur Verfügung stellen. Komplizierter könnte das Problem für die Stadt allerdings durch Kurt Großmann werden. Der 74-Jährige ist nicht Pächter, sondern Eigentümer seines Kleingartens. 1960 hatte sein Vater das 2400 Quadratmeter große Grundstück gekauft, hier hält Großmann Schafe und Hühner, züchtet Kaninchen und Blumen zwischen Gartenzwergen und rostigem Werkzeug. Für ihn kommt ein Verkauf der Parzelle nicht infrage. „Das hier ist mein Lebenswerk“, sagt er, und zeigt dann auf einen Baum auf seinem Grund. „Und wenn die mich enteignen, hänge ich mich hier auf.“
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KOMMENTAR
Besser informieren
Es vergeht derzeit keine Woche, in der Boehringer-Ingelheim und die Stadt nicht neue Verärgerung auslösen: Erst kommen angekündigte Info-Briefe nicht an, dann fühlt sich die Lebenshilfe nicht ausreichend informiert darüber, was der neue Nachbar ihres Behindertenwohnheims plant, und jetzt stellen Kleingärtner entsetzt fest, dass die Stadt längst plant, für den Bau ihre Parzellen abzureißen. Natürlich ist das Vorhaben umstritten, ein Tierversuchszentrum in einem Wohngebiet zu bauen. Umso wichtiger ist es, offen darüber zu informieren. Doch seit Tagen beantwortet die Stadt keine Fragen mehr – und verweist auf die Info-Veranstaltung am 2. April. Den Gegnern gibt dieses Verhalten nur neue Argumente an die Hand: Was gibt es da zu verschleiern? Mit ihrer – freundlich ausgedrückt – zurückhaltenden Informationspolitik zieht die Stadt den Unmut immer neuer Bevölkerungsgruppen auf sich. So war vonseiten der Kleingärtner bislang keine Kritik zu hören, obwohl ihre Parzellen direkt an das geplante Boehringer-Gelände angrenzen. Dass die Stadt ihren Interessen jedoch so wenig Beachtung schenkt, muss sie verärgern. Unterschätzen sollte man im Rathaus den Unmut der Anwohner nicht. Schließlich haben Bürgerproteste die Ansiedlung Boehringers in Tübingen verhindert. Rüdiger Meise
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Große Angst um kleine Gärten
Die Besitzer der Kolonie „Lange-Feld-Straße“ fürchten, daß sie ihre Parzellen für die Ansiedlung von Boehringer Ingelheim räumen müssen. Das Unternehmen setzt derweil auf „eine faire Lösung“.
Wie ein Lauffeuer wurde die Nachricht gestern in der Kleingartenkolonie Gartenheim von Parzelle zu Parzelle weitergegeben: Boehringer Ingelheim hat bereits den größten Teil der Fläche gekauft, auf der die Kleingärten stehen, die dem geplanten Tierversuchszentrum des Pharmakonzerns weichen sollen. „Viele sind niedergeschlagen“, sagte Michael Günther, Vorsitzender des Vereins „Lange-Feld-Straße“, zu dem die Kolonie gehört. Erst gestern war bekannt geworden, dass Boehringer mit einer Fläche plant, auf der 39 Kleingärten stehen.
Die Stadt hatte gestern den Verkauf bekannt gegeben und mitgeteilt, der Bezirksverband der Kleingärtner und die Kolonie Gartenheim seien bereits am 3. März informiert worden, dass ihre Flächen für die Boehringer-Ansiedlung benötigt würden. Dem widerspricht Kleingärtnerpräsident Karl-Heinz Rädecker: „Eine glatte Lüge!“ Auch Vereinsvorsitzender Günther beteuert, er wisse nichts davon.
Für Rädecker ändert sich durch den Verkauf der Fläche „erstmal gar nichts“. Nun müsse eben nicht der alte Eigentümer, sondern Boehringer den Pachtvertrag kündigen, um die Flächen nutzen zu können.
Der Justiziar des Bezirksverbandes, Gerd Pinkvoß, rechnet damit, dass der für 2009 geplante Baubeginn auf dem Gartenheim-Gelände mit juristischen Mitteln um bis zu drei Jahre verzögert werden könnte, „wenn sich die Kleingärtner zum Widerstand entschließen sollten“. Die Pachtverträge könnten frühestens im Februar kommenden Jahres gekündigt werden, und dagegen könnte der Bezirksverband Klage vor dem Verwaltungsgericht einlegen. Zuvor könnten die Kleingärtner die für den Boehringer-Bau notwendige Änderung des Bebauungsplans anfechten.
„Die besten Karten hat sicherlich Kurt Großmann“, sagt Pinkvoß. Der 74-jährige Großmann ist nicht Pächter, sondern Eigentümer seiner Parzelle und hat signalisiert, sein 2400 Quadratmeter großes Grundstück in keinem Fall verkaufen zu wollen. „Wenn man Großmann enteignen will, muss man nachweisen, dass diese Maßnahme dem Wohle der Allgemeinheit dient. Das könnte schwierig werden, wenn man sie damit begründet, ein Tierversuchszentrum in der Nähe eines Wohngebiets bauen zu wollen.“
Ob sich die Kleingärtner zum Widerstand entschließen oder eine Kündigung der Pachtverträge akzeptieren, wollen sie in einer Sitzung am 4. April beschließen. Rädecker rechnet damit, dass Boehringer Ingelheim jedem Laubenpieper mehrere Tausend Euro anbieten wird.
Die Firma Boehringer ist nach Angaben ihres Sprechers Andreas Breitsprecher „an einer fairen Lösung“ interessiert. Wie diese aussehen kann, wolle man gemeinsam mit der Stadt Hannover prüfen. Und die weist in ihrem Entwurf des Bebauungsplans „Nr. 1708 – Forschungszentrum Bemeroder Straße“ darauf hin, dass die geplante Bebauung des Geländes eine „zeitlich gestaffelte Realisierung“ zulasse. Das soll wohl heißen: Falls es mit der Kolonie Gartenheim Schwierigkeiten gibt, wäre denkbar, dass sich Boehringer zunächst vorwiegend auf die Fläche der seit längerer Zeit aufgelösten Kolonie „Sommerlust“ beschränkt. Bis die Probleme beseitigt sind.
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Grüne wollen öffentliche Anhörung
Das Forschungszentrum von Boehringer Ingelheim beschäftigt am Sonnabend den Parteitag der hannoverschen Grünen. Mehrere Mitglieder wollen den Vorstand beauftragen, eine öffentliche Anhörung zum Ansiedlungswunsch des Konzerns zu veranstalten. Anwohner, Politiker, Verwaltungsfachleute und Experten von Boehringer sollen ebenso zu Wort kommen wie Vertreter von Umwelt- und Tierschutzverbänden. Nach dieser Anhörung sollen die Grünen entscheiden, ob und in welcher Form sie zu dem von Oberbürgermeister Stephan Weil (SPD) forcierten Projekt stehen. Antragsteller Jörg Schimke sagte, das Forschungszentrum betreffe zentrale Fragen grüner Politik wie Tierschutz, Bürgerbeteiligung und Gentechnik.
Der Vorsitzende der Grünen-Ratsfraktion, Lothar Schlieckau, hatte vor Kurzem gesagt, das Zentrum könne kommen, wenn Gefahren für Mensch und Umwelt ausgeschlossen seien. Enno Hagenah, Landtagsabgeordneter der Grünen, erklärte, die Entwicklung von Impfstoffen auch mithilfe von Tierversuchen sei letztlich Tierschutz. Schimke sagt, „ungeprüft können die Grünen keine Unbedenklichkeitserklärung abgeben“, es gehe besonders um mögliche Massentierhaltung. gum
Der Begriff »Tierimpfzentrum« ist allein schon einen Schönheitspreis wert. Er suggeriert, daß hier Tiere geimpft werden. Tatsächlich geht es aber um die Beforschung von Infektionen mit – teilweise genmanipulierten – Erregern. Während die Geruchsbelästigung der Anwohner in Tübingen nach Darstellung von Boehringer »weitgehend vermieden« werden soll, lautet die Darstellung für die Hannoveraner, eine Geruchsbelästigung sei »ausgeschlossen«. Was passiert eigentlich in fünf Jahren, wenn festgestellt wird, daß – trotz aller Beteuerungen der Firma – doch eine Geruchsbelästigung existiert?
Wieso sich die Firma mit ihrer Forschungsanstalt in eine Wohngegend setzt – in Tübingen spricht die Linke von »fußballfeldgroßen, mehrstöckigen Schweineställen« –, ist mir völlig unklar. Wie dreckig muß es den betroffenen Städten da gehen, daß die so eine Schweinerei mitmachen! In Leserbriefen der Linken in Tübingen ist von Rinderställen die Rede, die später hinzukommen sollen. Wieso geht man da nicht einfach 10 Kilometer raus auf die grüne Wiese?
Also was haben wir da? Einen Pharmagiganten, der die betroffenen Bürger nicht informiert und eine geschröderte neoliberale SPD, die baggerartig über die Köpfe ihrer Bürger hinwegregiert, schöne neue Welt…
Mir ist völlig schleierhaft, wie sowohl Pharmakonzern als auch Politik glauben, so mit den Menschen umgehen zu können. Die basteln sich ihren Gegenwind doch selber!
Zitat aus dem Internetauftritt der Wählergemeinschaft »Wir für Hannover«:
»Die ehemalige Tübinger Bürgermeisterin Brigitte Russ-Scherer (SPD) hatte nach ihrer Abwahl (also erst, als sie nichts mehr zu verlieren hatte!) eingeräumt, dass Boehringer bei dem geplanten Projekt in Tübingen größten Wert auf äußerste Diskretion und auf möglichst wenig Öffentlichkeit gelegt hatte.«
Zur Chronologie der Boehringer-Vorstellung in Tübingen beim Schwäbischen Tagblatt
Hier noch ein Link zu Schweinerei.Mietrechtkanzlei.de
Dazu paßt doch folgender Artikel ganz ausgezeichnet:
Glückliche Hühner
Wie eine kleine Bürgerinitiative aus Niedersachsen den Bau einer Legehennenfabrik verhinderte. Geschichte eines Erfolgs
Im »Kulturschatz Artland«, einer alten, traditionell-landwirtschaftlich geprägten Gegend nördlich von Osnabrück, wird es keinen Riesenstall für 300 000 Legehennen geben (siehe Publik-Forum 16/2007). Statt die Einweihung einer Eierfabrik feiert die kleine Bürgerinitiative namens Notgemeinschaft jetzt ihren großen politischen Erfolg. Sie hatte sich vehement gegen das Mammutprojekt gewehrt.
Dass sich eine Handvoll Menschen in einer strukturschwachen Gegend gegenüber einem Investor mit Geld durchsetzen konnte, hat vor allem zwei Gründe: Sachkunde und Überzeugungskraft. Der Initiative gelang es, im traditionell konservativen Artland sowohl die anliegenden Landwirte und Nachbarn als auch Verbandsvertreter und schließlich Politiker zu überzeugen, dass der geplante Riesenstall durch Ammoniak-Gestank, versäuerte Böden und kranke Wälder Gesundheitsgefahren für die Bewohner des Landstrichs bringen würde – und die Ansiedlung des Agrobusiness den umliegenden Bauern auch wirtschaftlich eher schaden als nutzen könnte.
Ein weiteres Plus der Initiative war ihre große Sachkunde: Wer eine Agrofabrik der geplanten Größenordnung bauen will, muss dem zuständigen Landkreis Osnabrück nachweisen, dass er alle umweltrechtlichen Vorschriften einhalten kann. Mit Professor Herman Van den Weghe hatte die Notgemeinschaft einen ausgewiesenen Experten in ihren Reihen, der seit Jahren zur Filtertechnik in der modernen Landwirtschaft forscht. Er entlarvte die Gutachten des Investors als bloße Zweckgutachten. Und überzeugte den Landrat davon, dass die Anlieger dafür sorgen würden, dass das Bundesimmissionsschutzgesetz, dessen Richtlinien ein solcher Stall unterliegt, auch tatsächlich angewendet wird.
Und so machten die Politiker vor Ort dem Käufer, der das Grundstück vermutlich mithilfe holländischer Investoren erworben hatte, klar, dass mit einer Genehmigung des Landkreises für die geplante Hennenfabrik nicht zu rechnen sei. Als Hans-Herbert Theile versuchte, sein Grundstück daraufhin an andere Investoren zu verkaufen, verloren diese das Interesse, als sie hörten, dass sie für eine Genehmigung etwa Messstationen im benachbarten Eichenwald bauen müssten. Und ihre Anlage ohne viel Federlesens geschlossen und auf ihre Kosten abgerissen wurde, sollte es ihnen nicht gelingen, die gesetzlichen Grenzwerte einzuhalten. So kaufte schließlich die Gemeinde das Grundstück zurück. Und eine kleine Initiative gegen die Massentierhaltung in Deutschland ließ die Korken knallen. • Gunhild Seyfert
ei, ei, ei…
»Gottes Fuß im Dorf«
Nokia schließt ein Werk in Bochum und investiert in ein rumänisches Dorf: Dort hofft man auf 3500 neue Arbeitsplätze und eine sprudelnde Einkommenssteuer
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Von Katharina Lötzsch
Bis vor einem Jahr herrschte auf dem 159 Hektar großen Acker am Nordrand der siebenbürgischen Gemeinde Jucu Stille. Jucu – das war ein verschlafenes Dorf, etwa 1600 Kilometer entfernt von der deutschen Industriestadt Bochum. Die Bauern fütterten ihre Schweine fett und hofften auf eine reiche Maisernte. Doch seit Frühjahr 2007 dröhnen die Bagger. Sie bauen ein Hightech-Dorf im Dorf: das Nokia Village.
Für rund 30 Millionen Euro haben der rumänische Staat und der Landkreis Cluj/Klausenburg dem finnischen Mobilfunkhersteller einen Industriepark maßgeschneidert. Noch kurven Baumaschinen über das eingezäunte Gelände, stapfen Arbeiter in dicken Gummistiefeln durch den schlammigen Boden. Doch die Standortvorteile sind eindeutig: Das Gelände liegt direkt an der Nationalstraße Richtung Klausenburg. Sogar Bahngleise zum Nokia-Werk wurden gelegt, der Klausenburger Flughafen soll für 95 Millionen Euro ausgebaut werden, und von der im Bau befindlichen transsilvanischen Autobahn wird ein Zubringer direkt zu Nokia führen.
Der Handyhersteller selbst will laut Aufsichtsratsvorsitzendem Veli Sundbäck 200 Millionen Euro investieren – Peanuts für ein Unternehmen, das im vergangenen Geschäftsjahr 7,2 Milliarden Euro Gewinn eingefahren hat. 60 Millionen fließen allein in die neue Werkhalle: Ein grauer Klotz ohne Fenster, aber mit vielen Rolltoren, den das Bielefelder Bauunternehmen Goldbeck errichtet hat. Vor zwei Wochen liefen dort bereits die ersten Handys »Made in Romania« vom Band, zum 11. Februar will Nokia von Testbetrieb auf Serienproduktion umstellen. Die Geräte sind für den Verkauf in Rumänien bestimmt oder sollen nach Asien und Afrika exportiert werden.
»Die Ansiedlung ist kein Beispiel für Rumänien als verlängerte Werkbank«, sagt Marko Walde, Geschäftsführer der deutsch-rumänischen Außenhandelskammer in Bukarest. Eine Reihe von Faktoren wie die Größe des einheimischen Marktes, das Investitionsklima und das gut ausgebildete Personal in der Region böten Nokia eben die günstigsten Bedingungen in ganz Europa. Zu den ehrgeizigen Plänen der Finnen gehört beispielsweise auch ein Forschungszentrum. Schon kurz nach der Gründung des Standortes wurden die ersten Ingenieure angestellt. Die Universität Klausenburg gilt in Rumänien als Kompetenzzentrum in der IT-Ausbildung.
Nokia hat sich bisher allerdings einen Maulkorb verordnet. Pressesprecherin Monica Alb wiegelt konsequent ab. Dabei gab sich Manager John Guerry der für Nokia die Fertigungsanlage in Jucu aufbaut, noch im vergangenen Jahr auskunftsfreudiger: »Unsere Intention war, ein Werk in Osteuropa zu eröffnen, das einen wachsenden Markt bietet«, sagte der 36-jährige Texaner, der die neue Fabrik künftig leiten soll, der rumänischen Presse.
Bisher wurden etwa 100 Mitarbeiter rekrutiert, teilte Daniel Don, Direktor des Arbeitsamtes Klausenburg, mit. Bis Jahresende soll die Belegschaft auf 1000 Arbeitnehmer anwachsen, doppelt so viele wie bisher geplant. 8500 Bewerbungen auf diese Stellen habe das Arbeitsamt bereits erhalten – die wenigsten allerdings aus Jucu. Für die Bauern des Dorfes fallen nur unqualifizierte Jobs ab. »Etwa 30 Leute arbeiten derzeit für private Subunternehmer: Sie putzen, reparieren und montieren im neuen Werk«, erzählt Bürgermeister Joan Dorel Pojar. Direkt bei Nokia in der Handyproduktion angestellt zu werden, das könnten sich nur die Jungen, die 18- bis 30-Jährigen vorstellen. Die Älteren machen kein großes Tamtam um den neuen Industriegiganten, sie sprechen beim Bier kurz darüber – um danach zu diskutieren, was im Frühjahr auf den Feldern ausgesät werden muss.
Wenn das Werk 2009 seine volle Kapazität erreicht, werden 3500 Menschen in Jucu für Nokia arbeiten. Hinzu kommen mehrere Tausend Arbeitsplätze hei den Zulieferfirmen. »Nokias große Pläne waren seit Monaten bekannt, nur die Verlagerung der Kapazitäten aus Bochum kam überraschend«, sagt Marko Walde von der Außenhandelskammer. Die Entscheidung finde er aber keineswegs verwerflich. Sie sei lediglich Ausdruck von Chancengleichheit und Wettbewerb in Europa.
Dass Rumänien Nokia aus Deutschland weggelockt habe, will sich auch in Juni niemand vorwerfen lassen. »Wenn das Werk auf höchster Kapazität gefahren wird, kassiert der rumänische Staat von Nokia etwa 100 Millionen Euro Steuern pro Jahr«, sagt Landrat Mario Nicoara. Ebenso habe Deutschland von den Steuern profitiert, die Nokia seit Bestehen des Bochumer Werks gezahlt habe. In Jucu sollen allein die Einkommenssteuern der Angestellten pro Jahr mehr als 100 000 Euro bringen – eine riesige Summe für das Dörfchen. »Dass sich Nokia für uns entschieden hat«, sagt Bürgermeister Pojar, »ist so, als hätten wir Gottes Fuß zu fassen bekommen.« Von dem Geld will der 51-Jährige die Straßen im Dorf asphaltieren lassen und die Kanalisation erneuern.
Natürlich tue es ihm um die Nokia-Angestellten leid. Aber warum kommen Deutsche nicht zu uns arbeiten, so wie drei Millionen Rumanen im europäischen Ausland arbeiten, fragt er. Der Durchschnittslohn in Rumänien liegt derzeit bei rund 320 Euro, in der Provinz eher noch darunter.
Und nein, sagt Ioan Plan, man habe Nokia nicht mit europäischen Fördergeldern ködern können, wie oft fälschlich erwähnt. Das Geld für den Ausbau des Industrieparks »Tetarom 3«, in dem das Nokia Village rund 90 Hektar einnimmt, stamme ausschließlich aus den Kassen von Kreis und Staat. Das Gelände wird jedoch häufig mit dem Klausenburger Gewerbeareal »Tetarom 1« verwechselt, das mit mehr als drei Millionen Euro aus den Töpfen des europäischen Subventionsprogramms Phare gefördert wurde. EU-Geld war in den Bau des Autobahnzubringers geflossen – jedoch kein Cent in die Nokia-Produktionsverlagerung von Deutschland nach Rumänien.
Bürgermeister und Landrat sind derweil voll damit beschäftigt, den Boom von Jucu zu verarbeiten. Ioan Pojar zeigt stolz auf seine drei Nokia-Handys, die ganze Familie telefoniere seit jeher mit Nokia. Dann muss er sich verabschieden, es gibt Wichtiges zu diskutieren: Die Grundstückspreise in dem 4000 Einwohner zählenden Dorf sind explodiert. Mehr als 40 Euro wollen die Besitzer nun pro Quadratmeter Bauland, der vor zwei Jahren noch drei Euro kostete. Aber die neuen Nokia-Mitarbeiter müssen ja schließlich irgendwo wohnen. •
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Kniefall vor Nokia
Die gespielte Entrüstung der Politik und die Lehren aus Bochum. Ein Zwischenruf
Die Empörung aller Parteien über den drohenden Verlust von 2300 Arbeitsplätzen bei Nokia und nochmals 2000 Jobs bei den Zulieferfirmen darf nicht darüber hinwegtäuschen: Hier ist viel Heuchelei im Spiel. Schließlich trägt die Politik vor Ort, im Bund und vor allem auf der Ebene der EU für das gnadenlose Subventionsnomadentum der Konzerne – in diesem Fall Nokia – eine riesige Mitschuld. Da die unbehinderte, grenzüberschreitende Liberalisierung der Standortwahl im Rahmen des EU-Binnenmarktes gewollt ist, muss man sich nicht wundern, wenn Konzerne an den Standort wandern, der für die kommenden Jahre hohe Renditen abwirft.
»Wir haben sehr sorgfältige Analysen der Kosten und der langfristigen Wettbewerbsfähigkeit des Bochumer Werks durchgeführt. Die Entscheidung zur Schließung ist genau durchdacht.« Aus der bornierten Sicht dieses Konzerns ist die Produktionsverlagerung in den Landkreis Cluj in Siebenbürgen zweifellos rational. Dabei geht es nicht nur um die Ausnutzung niedriger Löhne, denn deren Anteil am Produktionswert der Nokia-Handys ist mit unter fünf Prozent sehr gering. Vielmehr realisiert Nokia ein neues Produktionskonzept. Aufgebaut wird ein »Nokia-Dorf«, in dem auch die Zulieferfirmen ihre Produktionsstandorte ansiedeln. Modernste Infrastruktur auch mit Qualifizierungs- und Forschungseinrichtungen gehört dazu. Dieses »Nokia-Cluster« bietet für die nächsten Jahre hohe Renditen im Handygeschäft.
Die Fehler der Politik beginnen mit zeitlich befristeten Subventionen für einen Großkonzern. Die Landesregierung hätte die Subvention in eine Kapitalbeteiligung umwandeln sollen. Dann wäre die Politik bei der Entscheidung über den Standort Bochum im Aufsichtsrat dabei gewesen. Im Kniefall vor Nokia hat es die Politik versäumt, die öffentliche Förderung einer kleinteiligen, risiko-diversifizierten und wissensorientierten Wirtschaftsstruktur zu wagen.
»Bei der Empörung der Politik ist viel Heuchelei im Spiel«
Rudolf Hickel
Den Subventionsskandal komplettiert dann noch die EU. Aus dem Topf für den Aufbau der Infrastruktur ist der nagelneue Industriepark unterstützt worden. Um es klarzustellen: Der Ausbau der wirtschaftsnahen Infrastruktur zum Aufbau von Unternehmen ist gerade auch in Rumänien dringend erforderlich. Nicht akzeptabel ist jedoch, dass renditestarke Unternehmen wie Nokia einen zuvor subventionierten Standort schließen, um diesen jetzt an anderer Stelle mit Zuschüssen aus dem EU-Gemeinschaftshaushalt zu eröffnen. Am Ende ist Nokia mit steigendem Profit der Sieger, während die Krisenkosten in Bochum vergesellschaftet werden.
So sind aus dem Fall Nokia wichtige Lehren zu ziehen. Dazu zählt der Boykott als Protestform der Konsumenten. Politisch muss es Mindeststandards für die Subventions- und Steuerpolitik sowie auch für die Arbeits- und Entlohnungsbedingungen in der Europäischen Union geben. Die Konkurrenz um die Standorte in der EU braucht gemeinsame Spielregeln. • Rudolf Hickel
Professor Rudolf Hickel ist Direktor des «Instituts Arbeit und Wirtschaft« in Bremen.
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aus Publik-Forum Nr. 3•2008
Samstag, 29. März 2008
Uns Adolf in Idar-Oberstein
Man beachte auf dem Photo: es sind keine Hakenkreuze zu sehen. Obwohl die Nationalsozialisten schon recht früh das Hakenkreuz zu ihrem Parteiabzeichen machten, schien es vor der Reichstagswahl doch opportun zu sein, damit nicht so an die Öffentlichkeit zu gehen. Erst nach der Reichstagswahl 1933 wurde die Hakenkreuzflagge neben der schon aus dem Kaiserreich bekannten Schwarz-Weiß-Roten Flagge zur Nationalflagge erklärt.
Einige Jahre später sieht man da Hakenkreuz. Wo die Aufnahme gemacht wurde, weiß ich nicht. Es scheint sich um ein Kasernengelände, entweder in Idar-Oberstein oder im nahegelegenen Baumholder zu handeln. Das Drama um einen Bekloppten, der sich das nach dem Ersten Weltkrieg und unmenschlichen Reparationen am Boden liegende Selbstbewußtsein der Deutschen und Österreicher und die wirtschaftliche Misere der 20er und 30er Jahre zunutze zu machen wußte, konnte seinen Lauf nehmen. Hurra!!
Wenn das Auto der beste Freund ist
CHICAGO – Für Menschen, die einsam sind, kann das Auto der beste Freund werden. Doch das ist nicht der einzige Gegenstand, der als Ersatz für menschliche Kontakte infrage kommt. Manche umgeben sich mit Stofftieren, andere behandeln ihren Fernseher, als hätte er eine Seele. Wieder andere vermenschlichen ihre Haustiere. Eine besonders krasse Variante dieses Verhaltens ist in dem Film „Verschollen” zu sehen, in dem der Held (Tom Hanks) auf einer einsamen Insel notlandet und sich mit einem Volleyball „anfreundet”.
Amerikanische Forscher haben nun experimentell nachgewiesen, dass Menschen mit wenigen Sozialkontakten stärker dazu neigen, Gegenstände und Haustiere zu vermenschlichen. Ihre Erkenntnisse haben die Forscher im Journal Psychological Science" veröffentlicht.
Nicht jeder, der etwa seinem Auto einen Namen gibt und es auffordert, doch bitte jetzt nicht „herumzuzicken”, ist ein einsamer Mensch, Doch es besteht eine Korrelation zwischen Einsamkeit und einer verstärkten Vermenschlichung von Gegenständen, wie das Team um Nicholas Epley von der Universität von Chicago in drei Experimenten herausgefunden hat.
In einem dieser Experimente ließen die Forscher Versuchspersonen in künstlicher Einsamkeit in einem Labor über eine Zeit in ihrem Leben schreiben, in der sie sich einsam oder isoliert gefühlt hatten. „Als wir sie sich einsam fühlen ließen, beschrieben sie ein Haustier mit größerer Wahrscheinlichkeit so, als hätte es menschenähnliche Empfindungen, etwa dass es ,nachdenklich’ oder ,verständnisvoll’ gewesen sei”, so Epley.
Die Vermenschlichung von nicht menschlichen Lebewesen wirkt den Forschern zufolge besser gegen Einsamkeit als die Vermenschlichung von unbelebten Gegenständen. „Nicht menschliche Verbindungen können sehr mächtig sein”, so Epiey. „Unser Gehirn unterscheidet nicht so sehr, ob etwas eine Person ist oder nicht.”
Bedenklich finden die Forscher die Vermenschlichung von Tieren oder Gegenständen nicht, wenn Menschen einsam sind. Denn: „Einsamkeit bringt ein größeres Sterberisiko mit sich als Rauchen.”
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Mittwoch, 26. März 2008
Fernverkehr im Jahr 2000
Tibet, die nächste
Und noch was:
Derzeit kursieren mails von angeblich bekannten Tibet-Unterstützer-Adressen
mit Anhängen in zip, doc, rar, ppt etc, die samt und sonders mit üblen
Trojanern verseucht sind, Wachsamkeit ist erforderlich, bitte niemals
Anhänge im doc-Format versenden, Anhänge nur als rtf oder pdf versenden.
Eine interessante Meldung von AFP hierzu: afp.google.com/article/ALeqM5jsVui4k8MQesgQMh2mKwHleFYKJw
Sonntag, 23. März 2008
Säerspruch
Bemesst den Schritt! Bemesst den Schwung!
Die Erde bleibt noch lange jung!
Dort fällt ein Korn, das stirbt und ruht.
Die Ruh ist süß. Es hat es gut.
Hier eins, das durch die Scholle bricht.
Es hat es gut. Süß ist das Licht.
Und keines fällt aus dieser Welt,
Und jedes fällt, wie's Gott gefällt.
Conrad Ferdinand Meyer
Frohe Ostern!
Aus aktuellem Anlaß: Pontius Pilatus (bei Wikipedia)
Mittwoch, 19. März 2008
Lache ess gesonnd! – Die Zehnte
Ein Obersteiner streitet sich lautstark mit seiner Frau an Gilsbachs Eck. Schließlich gibt er ihr eine schallende Ohrfeige. Ein Polizist, der die Szene beobachtet hat, schreitet ein: „Saan se mool, senn se weile nedd e bissje zu weet gang?“ Antwortet der Obersteiner: „Do honn se reecht, Herr Wachtmeister. Die hätt’ se schon bei Treibse verdient gehatt.“
für Ortsunkundige: hier ist die Google-Karte, auf der man die Verhältnisse anschauen kann.
Das streitbare Ehepaar bewegte sich auf der Hauptstraße (das ist dort, wo der Pfeil draufzeigt), und zwar von Nordosten nach Südwesten. Etwas weiter kreuzt die Otto-Decker-Straße die Hauptstraße. Früher stand an dieser Kreuzung ein Geschäft mit dem Namen »Gilsbach«, deshalb also nach Idar-Obersteiner Tradition »Gilsbachs Eck«. (Heute ist da ein gutes Schuhgeschäft.) Der Pfeil zeigt auf das Herrenbekleidungsgeschäft »Treibs«. (Da habe ich meinen dunkellila Konfirmationsanzug gekauft bekommen, damals noch mit Rollkragenpullover getragen, der letzte Schrei!) Die Tatsache, daß das Ehepaar sich also schon beim Herrenbekleidungsgeschäft »Treibs« stritt, spricht für eine intensive Paarbeziehung, in welcher beide große Ausdauer in der Auseinandersetzung an den Tag legen, sich der Mann aber, wie das häufig der Fall ist, der verbalen Fähigkeiten seiner Frau nicht zu erwehren weiß und handgreiflich wird.
Tierliebe
Ein Obersteiner geht mit einem Schimpansen an seiner Seite durch die Fußgängerzone. Als er seinen Freund aus Idar trifft, fragt dieser: „Ey, saa mol. Wo wellst dau dann met dem Schimpanse loo hiene?“ Antwortet der Obersteiner: „Der ess ma zugelaaf. Watt soll ich dann met dem mache?“. Daraufhin der Idarer: „Geh’ doch met em en de Zoo.“ Am nächsten Tag treffen sich die beiden erneut. Der Obersteiner hat noch immer den Schimpansen an seiner Seite. Daraufhin der Idarer: „Eech honn da doch gesaht, de sollst met em en de Zoo gehn.“ Antwortet der Obersteiner: „Ey do ware ma gister. Hout geh ma ent Kino.“
Hier öffnen
Weshalb trinken Obersteiner die Milch immer sofort in dem Geschäft, in dem sie sie gekauft haben? Weil auf der Packung steht: „Hier öffnen!“
Hammerwurf
Bei der Olympiade waren zum Hammerwerfen ein Russe, ein Kanadier und ein Obersteiner angetreten. Zuerst warf der Russe mit einer Weite von 85 Meter, dann trat der Kanadier an mit einer Weite von 90 Meter. Da nahm sich der Obersteiner den Hammer und warf das Gerät 95 Meter weit. Nach dem Wettkampf kam ein Journalist zu den Dreien und erkundigte sich, woher sie so viel Kraft hätten, um den Hammer so weit zu werfen. Der Russe sagte: „Mein Großvater hat viel Schnee geschaufelt, mein Vater hat viel Schnee geschaufelt und ich habe viel Schnee geschaufelt, daher die Kraft.“ Der Kanadier: „Mein Großvater hat viele Bäume gefällt, mein Vater hat viele Bäume gefällt, und ich habe viele Bäume gefällt, daher meine Kraft.“ Da sagte der Obersteiner: ,,Mejjh Großvadder wa awettslos (arbeitslos), mejjh Vadder wa awettslos. Die honn emmer zou mir gesaaht: ‚Boub, wenn der jeemools ääner e Haamer enn die Hand dreckt, dann schmeiß en so weit wie denn nure schmeiße kannst.’“
Hohe Hürden
Ein Idarer versucht krampfhaft an einer Bahnschranke hochzuklettern. Da kommt ein Obersteiner vorbei und fragt ihn, warum er unbedingt dort hochklettern will. Der Idarer erklärt ihm, dass er die Schranke messen müsse. Der Obersteiner schlägt vor, er soll doch warten, bis die Schranke herunter gedreht wird. Da entgegnet ihm der Idarer: „Dadd geht nedd, eech brooch die Heh’ und nedd die Breet’.“
Fahrgastzählung
Als die neue Buslinie nach Tiefenstein eröffnet war, wollte die OIE eine Statistik über deren Nutzung erstellen. Es wurde ein Idarer und ein Obersteiner eingestellt, die zählen sollten, wieviele Gäste an bestimmten Haltestellen in den Bus ein- und aussteigen. Den ganzen Tag waren sie auf unterschiedlichen Linien unterwegs, spätabends trafen sie sich an der Endstation und rechneten eifrig zusammen. Der Idarer hatte schon längst seine Kladde zusammengepackt, als er den Obersteiner noch immer Grübeln sah. Auf die Frage, wo es hänge, antwortet dieser: „Eisch honn a Manko: Edd muss earscht noch eener en de Bus ennstejhe, ierscht dann ess keener meh’ drenn.“
Rückwärts
Fährt ein Idarer mit seinem Auto rückwärts den Schloßberg hoch. Unterwegs fragt ihn ein Obersteiner: „Warom fierst dou dann rickwärts lo ruff?“ Antwortet der Idarer: „Eesch honn gehiert, lo uwe kann ma net drehe“ und fährt weiter. Nach einer halben Stunde kommt der Idarer wieder rückwärts den Schloßberg runter. Fragt ihn der Obersteiner: „Warom fierst dou dann jetza ach nochmol rickwärts lo ronner?“ Antwortet der Idarer: „Ejh, lo uwe konnt ma doch drehe.“
Montag, 17. März 2008
„Atomstrom ist nicht nur gefährlich – wir brauchen ihn nicht"
Wir haben dem Energiesprecher des BUND, Dr. Werner Neumann, Fragen zur aktuellen Energiepolitik gestellt.
• Vielfach wird gesagt, der Strom aus alten abgeschriebenen Atomkraftwerken sei billig. Da kann man doch nichts dagegen haben, oder?
Neumann: Wenn Atomstrom keine großen Gefahren beim Betrieb oder beim Atommüll aufweisen würde, ware dies alles kein Problem Es besteht aber ein hohes Risiko, dass bei einer Kernschmelze mit Freisetzung von Radioaktivität Haus, Hof und Gesundheit zerstört werden und die Atomwirtschaft noch nicht mal den Schaden trägt.
Schauen Sie mal in die Unterlagen Ihrer Hausratsversicherung. Dort sind alle Schäden durch Kernenergie ausdrücklich ausgeschlossen. Und die vorgeschriebene Deckungsvorsorge für Atomkraftwerke dürfte maximal wenige Promille des Gesamtschadens betragen.
Der Versicherungsexperte der Münchner Rück, Klaus Ben hat einmal auf die Frage zur Versicherbarkeit von Atomanlagen gesagt: „Der Schaden kann nicht abgeschätzt werden, wir können und werden dies nicht versichern können.“ So gesehen dürfte man Atomkraftwerke im Grund genommen gar nicht betreiben – alle anderen Stromerzeuger habe, eine Haftpflichtversicherung, Atomenergie nicht.
• Die Atomindustrie sagt, das Endlagerproblem ist gelöst, man müsste Gorleben nur in Betrieb nehmen.
• Mit der Klimaargumentation der Atomindustrie sind Sie auch nicht einverstanden. Warum?
In Biblis A und B wurden in den letzten Jahren über 1 Milliarde Euro für Nachrüstungen investiert. Beide Blöcke produzieren zusammen 15 Milliarden Kilowattstunden im Jahr. Die gleiche Strommenge könnte man kostengünstiger wegsparen. Beispielsweise kosten 100 Millionen Steckerleisten zum Abschalten von Stand-By etwa 500 Millionen Euro und sparen 10 Milliarden Kilowattstunden Strom. 20 Mio. sparsame Heizungspumpen haben Mehrkosten von S Milliarden Euro, sparen im Jahr 1 Milliarde Euro Stromkosten und sparen 5 Milliarden Kilowattstunden im Jahr. Das zeigt: Effiziente Stromanwendung ist dem Atomstrom meilenweit überlegen.
• Als „Brückenenergie“ für den Weg zu den erneuerbaren Energien könnten Sie die Atomenergie doch wenigstens akzeptieren …
Wozu braucht es eine wackelige Brücke, wenn man den direkten Weg zu den erneuerbaren Energien wählen kann.
Schauen Sie, vor 10 bis 15 Jahren waren die erneuerbaren Energien noch in den Kinderschuhen. Die Stromwirtschaft hat noch Anfang der 90er Jahre Anzeigen geschaltet mit dem Text: „Denn regenerative Energien wie Sonne, Wasser und Wind können auch langfristig nicht mehr als vier Prozent unseres Strombedarfs decken.*
Heute decken erneuerbare Energien 15 Prozent unseres Stromverbrauchs, wir gehen auf 20 bis 30 Prozent zu und bald darauf sind auch 100 Prozent möglich. Zudem wird Strom aus erneuerbaren Energien immer preisgünstiger – Windstrom kostet nur halb soviel wie vor 10 Jahren.
• Aber mit der Windenergie haben die Umweltverbände doch Probleme?
Nein, der BUND und alle anderen Naturschutzverbände im Deutschen Naturschutzring haben sich für die Erzeugung von Strom aus Windenergie ausgesprochen. Wenn für den Naturschutz wichtige Bereiche ausgespart bleiben, ist noch reichlich Platz, dass allein Windstrom 30 Prozent unseres Strombedarfs decken kann.
Es hat sich gezeigt, dass die immer unterstellten Schäden durch Vogelschlag sehr gering sind. Probleme gibt es nur bei speziellen Vogelarten, wie Rotmilan und Seeadlern, und dies nur an besonderen Orten. Bei www.wind-ist-kraft.de kann man sich genauer informieren, wie Naturschutz und Windenergie in Einklang kommen können.
• Wann soll das Atomkraftwerk Biblis stillgelegt werden?
Sofort! Ein weiterer Betrieb ist nicht zu verantworten. Die Gefahr, dass mit einer Kernschmelze das Rhein-Main-Gebiet praktisch für immer unbewohnbar wird, ist zu groß.
• Es werden bundesweit über 20 Kohlekraftwerke geplant – der BUND ist nun auch gegen diese?
Richtig. Neue Kohlekraftwerke, durch die nach Berechnungen des BUND die CO2-Emissionen bundesweit noch um über 100 Millionen Tonnen im Jahr steigen würden, sind keine Alternative für alte gefährliche Atomkraftwerke. Eigentlich wäre die Umgestaltung unserer Energieversorgung einfach. Der forcierte Ausbau erneuerbarer Energien kann den Strom aus gefährlichen Atom- und schmutzigen Kohlekraftwerken leicht ersetzen.
• Was ist eigentlich Kraft-Wärme-Kopplung?
Es ist ein Fremdwort für die Betreiber von Atomkraftwerken, denn dort und auch bei vielen großen Kohlekraftwerken – werden ca. zwei Drittel der eingesetzten Energie ungenutzt als Abwärme über Kühltürme oder in Flüsse abgeleitet. Das ist schlicht Energieverschwendung und schafft Umweltprobleme.
Kleinere Heizkraftwerke in Stadtteilen, in Krankenhäusern, Bürogebäuden, Schulen, Industrie und Gewerbe können vor Ort Strom produzieren und die entstehende Wärme wird gleichzeitig genutzt. Solche Anlagen gibt es in allen Größenordnungen, sogar für Haushalte. Sie können mit Erdgas, Biogas, Pflanzenöl, größere auch mit Holz betrieben werden.
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• Atomausstieg selber machen
Führende Umweltverbände, Verbraucherschutzorganisationen und Anti-Atom-Initiativen rufen die atomkritische Mehrheit in Deutschland auf, ihre Vertragsbeziehungen zu den Atomstromproduzenten zu beenden und massenhaft zu Ökostromern zu wechseln. Private Haushalte, Gewerbe und Unternehmen sollen so gegen die einseitige Aufkündigung des so genannten Atomkonsenses durch den Essener Stromriesen RWE und die anderen drei Atomstromproduzenten EON, Vattenfall und Energie Baden-Württemberg (EnBW) vorgehen. Zu den Organisationen, die zusammen mehrere Millionen Mitglieder repräsentieren, gehört auch die IPPNW.
Über eine eigens eingerichtete Homepage (www.atomausstieg-selber-machen.de), aber auch durch direkte Ansprache werden jene rund zwei Drittel der Bevölkerung angesprochen und informiert, die nach jüngsten Umfragen der Atomenergie ablehnend gegenüberstehen, bisher daraus aber noch nicht die Konsequenz eines Stromanbieterwechsels gezogen haben. „Erteilen Sie dem Wortbruch der Konzerne mit der Aufkündigung Ihrer Vertragsbeziehungen eine angemessene Antwort. Es kostet Sie fünf Minuten“, heißt es in dem Aufruf der Verbände und Organisationen
Sonntag, 16. März 2008
Tod in Havanna
Am 7. Januar 2008 starb in Havanna Philipp Agee, ein Mann, der wie kein anderer vor und nach ihm die mörderische Tätigkeit der CIA enttarnt und dargestellt hat. Er hatte sich 1957 während des Kalten Krieges für die Agency anwerben lassen, damals noch fest davon überzeugt, hier einen Beitrag für den Schutz von »freedom and democracy« leisten zu können. Doch seine Erfahrungen in verschiedenen lateinamerikanischen Staaten belehrten ihn, daß das eigentliche Ziel der US-Politik darin bestand, traditionelle Machtstrukturen zu konservieren und der Mehrheit der Bevölkerung die Kontrolle der Wirtschaft und der politischen Entscheidungen vorzuenthalten, also Demokratie zu verhindern. Möglich war das nur durch Unterdrückungsmaßnahmen verschiedenster Art. Die Aufgabe der CIA bestand darin, Staatsstreiche zu organisieren, Diktaturen zu etablieren, Todesschwadronen aufzustellen und zu trainieren und Folterschulen einzurichten. Im Vergleich zur Gegenwart ist immerhin festzuhalten, daß die US-Agenten damals noch nicht selber folterten, sondern das »know how« lieferten und assistierten. Für Morde und Terrorakte stellten sie Geld, Waffen, Unterstützung aller Art zur Verfügung. Dafür brauchten sie nicht zuletzt Nachrichtenagenturen und Journalisten, die bei aller Kritik im Einzelnen die Verhältnisse so darstellten, als wären die »Hilfsprogramme« gerechtfertigt. Ob die Redakteure für die Veröffentlichung genehmer Nachrichten direkt Geld oder nur spannende, verwertbare Informationen bekamen, war für CIA-Zwecke bedeutungslos. Das Gleiche gilt für die Beeinflussung von Wahlen, die Infiltration von Parteien, Kirchen, Frauen- und Studentenorganisationen und Gewerkschaften.
Alles dies erlebte Philip Agee unmittelbar mit.
gefunden bei United Mutations, Quelle u. gesamter Text bei Ossietzky (www.sopos.org)
Bush & Monsanto
The information below is from Robert Cohen, Executive Director of the Dairy Education Board. (http://www.notmilk.com). It shows how the corporations control our government so as to continue to dilute and even poison our food supply in the name of profit.
John Grisham wrote the best selling novel, the Pelican Brief. Julia Roberts and Denzel Washington starred in the blockbuster movie in which two Supreme Court justices are assassinated so that an evil oil billionaire can petition the president to appoint environmentally unfriendly justices to America’s highest court. It’s all about politics, multi-national firms, and dollars.
Today’s Pelican Brief
In 1994, Monsanto Agricultural Company gained approval for their genetically engineered bovine growth hormone. That hormone became the most controversial drug application in the history of America’s Food and Drug Administration (FDA). Monsanto’s hormone caused cancer in laboratory animals, and was banned in Europe and Canada. Monsanto’s genetically engineered crops continue to make headline news throughout the world, and their patented seeds have become the seeds of controversy.
Kombimodul erzeugt Strom und Wärme zugleich
Hessen löst Landschaftsschutzgebiete auf
Samstag, 15. März 2008
„Bildblog“ darf mosern
Hier ist auch ein Zitat aus der Bayerischen Staatszeitung vom 19. April 1968 zu finden:
Auf der gleichen Seite eine Einschätzung von Wilhelm Backhaus, ehemaliger Kolumnist bei Springer, ursprünglich veröffentlicht in einer SPIEGEL-Serie aus dem Jahr 1968 über Axel Springer:
»In Deutschland hingegen sind seit dem Kriege gerade Minderwertigkeitsgefühle und Ressentiments verlegerisch zu nutzen, und das gelang Springer mit dem kongenialen Chefredakteur von „Bild”, Peter Boenisch, noch auf eine besondere, viel gefährlichere Weise. Sie erreichten es, daß sich der Konsument von „Bild” nicht mehr mit dem Lesen begnügt; er wird aktiviert, man animiert ihn zur Zuschrift, man redet ihm ein, daß seine Stimme Volkes Stimme sei, daß Deutschland durch seinen Mund spricht.
So ist das Millionenheer der „Bild”-Leser bewußt zu einer politischen Macht aufgebaut worden, die ebenso bewußt gelenkt wie ausgespielt werden kann. Ihr Gewicht ist längst viel zu groß, als daß irgendein Politiker es noch wagt, sich ihr entgegenzustellen. Daß dies keine bloß konstruierten Spekulationen sind, hat Springer selbst durch die wiederholte Behauptung bestätigt, er und seine Politik erhielten ihren Auftrag, ihre Legitimation durch die tägliche Millionenzahl seiner Zeitungskäufer und -leser.«
SEYMOUR M. HERSH, REPORTER IN WASHINGTON
Seit dem 11. September habe ich in meiner Arbeit für den New Yorker über kein anderes Thema berichtet, und man wird wohl bemerkt haben, daß ich – mehr als die meisten Journalisten – Zugang zu bestimmten inneren Abläufen in der Regierung Bush habe. Zu den Vorzügen, schon lange im Geschäft zu sein, gehört, daß ich langjährige berufliche Beziehungen zu zahlreichen höheren Beamten der amerikanischen Geheimdienste und der Armee unterhalte – manche pensioniert, manche noch aktiv –, die mit dem Weißen Haus und dem Nationalen Sicherheitsrat zu tun haben. Und dennoch habe ich keine Ahnung, was George Bush weiß oder woran er glaubt. Hat er den Irak aus tiefem Glauben an den Wert der Demokratie überfallen, wie er wiederholt festgestellt hat, oder aus persönlicher religiöser Berufung; war es sein Wunsch, die Sicherheit Israels zu gewährleisten, oder, den amerikanischen Zugang zum Öl im Mittleren Osten zu sichern; tat er es, weil sein Vater sich 1992, am Ende des Ersten Golfkriegs, gegen einen Einmarsch in Bagdad und den Sturz Saddams entschieden hatte?
Ich kann Ihnen nicht erzählen, ich hätte eine Antwort auf diese Frage oder auch nur eine plausible Vermutung. Ebensowenig habe ich eine Ahnung, ob George Bush an den großen Entscheidungen, die getroffen worden sind, überhaupt persönlich beteiligt war. Der gesunde Menschenverstand würde nahelegen, daß dies der Fall ist, doch hat mein Präsident seinem Vizepräsidenten Dick Cheney derart außerordentliche Machtbefugnisse – und politischen Einfluß übertragen, daß wir alle auf Vermutungen angewiesen sind. Geht das heutige Chaos auf Cheney zurück, oder hat Bush es mit außerordentlicher Schläue so gedreht, daß wir uns alle auf Cheney – als Amerikas Bösewicht – konzentrieren und dem Eindruck verfallen, er, Bush, habe mit der ganzen Sache nichts zu tun? Ich weiß es nicht. Ich erinnere mich an eine sehr witzige Fernsehsendung vor vielen Jahren, als Ronald Reagan, der ehemalige B-Movie-Schauspieler, noch Präsident war. Reagan wurde in dem Sketch als der Trottel dargestellt, für den ihn viele von uns hielten. Die Szene begann damit, daß er im Oval Office eine Gruppe junger Studenten empfing und sein übliches liebenswürdiges und nichtssagendes Geplauder abließ. Als die Studenten weg waren, rief ein plötzlich dynamischer Reagan seine nationalen Sicherheitsberater zu sich, trat an eine Bürowand und drückte einen Knopf, worauf die Wand zurückfuhr und eine detaillierte und streng geheime Karte der Sowjetunion freigab. Sodann wies ein klarer und präziser Reagan, der auf einmal richtiges Englisch wie auch fließend Russisch sprach, seine Berater an, eine Geheimmission in Rußland vorzubereiten.
Damals war das lustig, heute ist es unheimlich. Weiß Bush, was er mit dem Angriff auf den Irak und seinem zähen Beharren, die Demokratie müsse in alle Staaten des Nahen und Mittleren Ostens getragen werden, angerichtet hat? Ist das angerichtete Chaos das Ergebnis, das Bush und seine neokonservativen Berater von Anfang an wollten? Für viele im Weißen Haus ist das Chaos durchaus hinnehmbar. Vor einigen Jahren erzählte mir der Außenminister eines bedeutenden europäischen Verbündeten der USA bei einem privaten Mittagessen, für ihn sei Paul Wolfowitz, damals stellvertretender Verteidigungsminister, der perfekte Trotzkist, weil Wolfowitz offenkundig, genau wie Trotzki, an die permanente Revolution glaube. (Dieser Außenminister kostete mich später ganz schön Nerven, weil er mir untersagte, diese Äußerung im New Yorker zu zitieren, auch nicht anonym, da nur er – wie er sagte – über die Bildung verfüge, einen solchen Vergleich zu ziehen, weswegen jeder wüßte, von wem er stamme, würde er nun namentlich zitiert oder nicht.)
KING GEORGE
Eines aber ist unbestritten: Präsident Bush hat viele der grundlegenden gesetzlichen und verfassungsmäßigen Beschränkungen seiner Macht demoliert und uns allen vor Augen geführt, wie fragil die amerikanische Demokratie ist. Keine der Institutionen, die uns vor einer tyrannischen Exekutive schützen sollten, hat funktioniert. Der Kongreß, während der ersten sechs Jahre von Bushs Präsidentschaft von den Republikanern beherrscht, hat vollkommen darin versagt, seinen verfassungsgemäßen Auftrag wahrzunehmen, und hat die Aufsicht über das politische und militärische Handeln des Weißen Hauses vernachlässigt. Die Armeeführung wandte sich nicht gegen die irrationale Entscheidung des Präsidenten, den Kampf gegen Osama Bin Laden in den säkularen Irak zu tragen – vielmehr wurden viele hochrangige Offiziere zu öffentlichen Cheerleadern für King Georges Wahnsinn. Auch die Millionen in der Bundesverwaltung Beschäftigten wurden zum Schweigen gebracht und berichteten den zuständigen Kongreßausschüssen oder der Presse lieber nichts davon, was wirklich geschah.
Für mich als einem, der es sein ganzes Leben für die Aufgabe eines Journalisten gehalten hat, bei Staatsbeamten die höchsten Maßstäbe anzulegen, ist das Versagen der amerikanischen Presse am bedrückendsten. Die großen Zeitungen und Fernsehsender ließen sich nach dem 11. September von Bush einschüchtern und verpaßten so das wichtigste moralische Thema des Jahrzehnts – wie der Präsident und seine Lakaien logen und die geheimdienstlichen Erkenntnisse verzerrten, um uns im März 2003 in den Krieg gegen den Irak zu treiben. Es mangelte nicht an Wissen – ich arbeitete die ganzen siebziger Jahre hindurch für die New York Times in Washington –, und meine ehemaligen Kollegen machten mir in Gesprächen deutlich, daß sie erkannt hätten, wie sehr das Weiße Haus sie habe täuschen wollen, doch solche Ansichten gelangten 2002 und 2003 kaum je ins Blatt. Ich weiß nicht genau, wieviel davon Selbstzensur war – ob Reporter von dem von der Regierung Bush propagierten Krieg gegen den Terror eingeschüchtert waren – oder inwieweit das Versagen in der Verantwortung der Redakteure lag. Meiner Schätzung nach könnten wir neunzig Prozent der Zeitungsredakteure in Amerika feuern und sofort damit anfangen, ein besseres Produkt herzustellen. Eine gute Insider-Geschichte über die Rolle der Presse dabei, daß Bush sich täglich die Unterstützung durch Zeitungen und Fernsehen für den Krieg im Irak versichern konnte, steht noch aus und ist dringend erforderlich.
Ob es auch einmal eine gute Geschichte der inneren Abläufe der Präsidentschaft Bushs geben wird? Ich bin mir nicht so sicher. Es gibt keinen Grund zu der Annahme, Bush oder Cheney hätten die Wege zu ihren Entscheidungen sorgfältig protokolliert. Solche Aufzeichnungen dürften ohnehin ein Relikt aus einer transparenteren Vergangenheit sein. Ich erinnere mich an ein Frühstück letztes Jahr mit einem US-General, der kurz zuvor von einer ausgedehnten Inspektionsreise durch Afghanistan zurückgekehrt war. Er hatte den Auftrag, für einen der Spitzenmilitärs in Washington einen Bericht zu erstellen, und seine Erkenntnisse machten, wie er mir sagte, deutlich, daß die USA und ihre Verbündeten dort die größten Schwierigkeiten mit den Taliban hatten. Ich fragte den General, den ich schon über ein Dutzend Jahre kannte, wann er denn die Zeit gefunden habe, seinen Bericht zu schreiben. „Einen Bericht schreiben, Sy?“ antwortete er stirnrunzelnd und zuckte die Achseln. „Warum einen Bericht? Ich halte nichts vom Schreiben. Ich hab’ das einfach mündlich vorgetragen.“ Mich beschleicht die Ahnung, daß künftige Historiker in den Archiven dieser Regierung nur sehr wenige historisch bedeutsame Dokumente finden werden.
Ich brauche hier nicht zu sagen, wie schlecht es um mein Land bestellt ist oder wie die großen Mächte des Westens – und ich spreche insbesondere von Großbritannien – darin versagt haben, Washington zu zügeln. Auch Deutschland und Frankreich haben sich wie England von dem amerikanischen Schmierentheater begrenzter Diskussionen und angedrohter Wirtschaftssanktionen gegen den Iran wegen des vermuteten Forschungsprogramms Teherans für Nuklearwaffen blenden lassen. Zu keinem Zeitpunkt beharrte einer unserer Verbündeten öffentlich darauf, die Regierung Bush solle sich der logischsten Lösung dieser Kontroverse zuwenden: bilaterale Gespräche zwischen Washington und Teheran. Vielleicht das Verblüffendste an dieser Präsidentschaft ist die Leichtigkeit, mit der George Bush es geschafft hat, sich jeder bedeutsamen Kritik an seiner Weigerung zu entziehen, mit den Regierungen zu sprechen, die er mißbilligt. Ein starkes Stück, wenn man es sich mal überlegt.
Der Präsident der mächtigsten Nation der Welt – mit den meisten Bombern und den meisten Atomwaffen – weigert sich, mit den Regierungschefs zu sprechen, die er nicht mag. Er spricht nicht mit den Iranern, nicht mit den Syrern, nicht mit der Hamas oder der Hisbollah, und jahrelang hat er auch nicht mit den Nordkoreanern gesprochen. Und nur wenige beschweren sich darüber. Ich habe keinen Schimmer, wo das noch hinführen soll. Wird es einen großen Krieg im Nahen und Mittleren Osten geben, in dem die Vereinigten Staaten und ihre Verbündeten im Westen sowie die sogenannten moderaten sunnitischen Staaten des Nahen Ostens Jordanien, Ägypten, Saudi-Arabien und die Golfstaaten – gegen den Iran, Syrien, die Hisbollah und die verschiedenen schiitischen Gruppierungen auf der ganzen Welt kämpfen? Wird der Grundwiderspruch der amerikanischen Position im Irak – wir unterstützen dort nominell eine Regierung, die von mit dem Iran verbündeten Schiiten geführt wird – in einem Krieg auf Leben und Tod mit zahlreichen sunnitischen Milizen enden? Der amerikanische Widerspruch, das wird mit jedem Monat klarer, besteht darin, mit verschiedenen sunnitischen Stämmen und Milizen heimlich Frieden zu schließen und damit die schiitische Regierung zu schwächen, die während der letzten Jahre in Wahlen, die Präsident Bush und seine Lakaien beharrlich als frei und demokratisch bezeichnen, mit großem Getöse gewählt und in ihr Amt eingesetzt wurde. Das Dilemma im Irak ist grotesk, tödlich und verhindert eine friedliche Lösung.
Ich möchte daher nicht mehr über das Offensichtliche und die offensichtliche Lösung für den Krieg im Irak sprechen. (Meiner Ansicht nach gibt es nur zwei Optionen für die Beendigung des Krieges. Option A: Holt alle bis heute um Mitternacht heraus, und Option B: Holt alle bis morgen um Mitternacht heraus.) Vielmehr möchte ich etwas zu dem anderen Preis sagen, jenem, den meine amerikanischen Mitbürger zahlen, die man in diesen schmutzigen Krieg geschickt hat, so wie zuvor schon in andere schmutzige Kriege. Und bitte verstehen Sie mich richtig: Ich gehe nicht über die Hunderttausende unschuldiger irakischer Zivilisten hinweg, die von den Bomben und Gewehren der Aufständischen und der Amerikaner ermordet, verwundet und vertrieben worden sind. Aber es gibt einen Preis, den man nicht auf Anhieb erkennt und den diejenigen bezahlen müssen, die das Töten und Verstümmeln besorgen. Im Krieg gibt es keinen Sieger – keinen.
MY LAI
Meine journalistische Karriere zeichnet sich durch zwei bedeutsame Geschichten aus: Im Spätherbst 1969 schrieb ich als freier Journalist in Washington eine Serie von fünf Zeitungsartikeln über ein amerikanisches Massaker in einem Dorf namens My Lai 4 in Südvietnam. Diese Artikel trugen mir Ruhm, Reichtum, Ehre und eine Menge Auszeichnungen ein, unter anderem den Pulitzer-Preis. Und 2004 schrieb ich innerhalb von drei Wochen drei Berichte für den New Yorker – an sich schon eine reife Leistung, angesichts des rigorosen Prüf- und Bearbeitungsstandards der Zeitschrift – über Folter und Mißbrauch irakischer Häftlinge in Abu Ghraib, dem berüchtigten Gefängnis aus Saddams Zeit, ein paar Kilometer außerhalb Bagdads. Der letzte warf die Frage auf, wer ganz oben für die Folter verantwortlich sei; eine Frage, auf die seinerzeit niemand in Amerika gefaßt war – und heute anscheinend auch nicht.
Ich hatte mit der Veröffentlichung meines Materials über My Lai – wo am Morgen des 16. März 1968 über 550 vietnamesische Frauen, Kinder und alte Männer von einer Kompanie unerfahrener amerikanischer GIs abgeschlachtet wurden – begonnen, als mir ein Soldat, der dabei war, die Geschichte von Paul Meadlo erzählte. Meadlo war ein siebzehnjähriger Bauernjunge aus Südindiana, der sich freiwillig gemeldet hatte. Er durchlief die Grundausbildung und wurde dann mit seiner Einheit, der Charley Company von der Americal Division, Ende 1967 in den Dschungel Südvietnams geschickt. Während der folgenden dreieinhalb Monate zogen er und seine Kameraden durch die Reisfelder und den Dschungel des Südens, immer auf der Suche nach Vietcong. Nie trafen sie auf den Feind; statt dessen wurden sie von Heckenschützen, Sprengladungen und Minen zusehends zermürbt ähnlich wie heute im Irak. Einen uniformierten Feind, gegen den man kämpfen konnte, gab es nicht, nur mysteriöse Killer, die zuschlugen, sich zurückzogen und die Zivilisten der Gegend der Wut und Rache der Amerikaner überließen.
Mitte März 1968 hatte die Charley Company schon über ein Dutzend Männer verloren, ohne auch nur einen Vietcong oder uniformierten nordvietnamesischen Soldaten gesehen zu haben oder in etwas wie ein Feuergefecht geraten zu sein. Am Abend des 15. März teilte man ihnen mit, sie würden gleich am nächsten Morgen mit dem Hubschrauber zu einem Dorf – My Lai 4 – geflogen, wo laut Geheimdienstinformationen ein Bataillon harter nordvietnamesischer Kämpfer liege. Am Abend machten die Jungs das, was amerikanische Jungs damals so machten – sie rauchten ein paar Joints –, während die Offiziere und älteren der gemeinen Soldaten sich betranken. Am nächsten Morgen bestiegen sie die Helis und donnerten in das Dorf, bereit zu töten oder getötet zu werden. Kein Feind. Nur Hunderte alter Männer, Frauen und Kinder, die gerade Frühstück machten. Und nun geschah das Unerklärliche; vielleicht geschah es auch nur einfach so: Die amerikanischen Soldaten trieben die Zivilisten in drei große Gräben und machten sich daran, sie mit Salven aus ihren M 1 zu exekutieren. Viele Soldaten machten nicht mit oh ja, sie schossen, aber darüber oder vorbei. Paul Meadlo tat, was sein Leutnant, William Calley (der als Symbol des Massakers bekannt wurde, obwohl er nur einer von vielen Offizieren vor Ort war), ihm befahl. Meadlo feuerte ein Magazin nach dem andern auf die entsetzten Vietnamesen, die in den Gräben kauerten, und hielt nur inne, um neu zu laden. Irgendwann wurde es still. Die Amerikaner machten inmitten des Gemetzels Mittagspause, saßen zwischen den Toten und aßen ihre Rationen. Etwas später hörten sie ein Wimmern, dann kroch ein kleiner Junge, vielleicht zwei, drei Jahre alt, aus dem Graben heraus, voll mit dem Blut anderer. Seine Mutter hatte ihn unter ihren Körper geschoben und die Kugeln abgefangen, die für ihn bestimmt waren. Er erreichte den Grabenrand, stieß einen Schrei aus, den keiner je wieder hören wollte, und rannte vor den Amerikanern davon. Leutnant Galley zeigte auf Meadlo und sagte: „Knall ihn ab.“ Doch Meadlo schaffte bei einem kleinen Jungen nicht, was bei einer amorphen Masse ging. Voller Verachtung rannte Galley selbst hinter dem Kind her und schoß es mit seinem Gewehr in den Hinterkopf. Was für ein starker Mann.
Am nächsten Morgen ging die Charley Company nahe My Lai auf Patrouille, als Paul Meadlo auf eine Mine trat, die ihm das rechte Bein bis zum Knie wegriß. Ein Hubschrauber wurde angefordert, um ihn zu evakuieren, und während er und die Kompanie warteten, rief Meadlo immer wieder aus, und es wurde bald zu einem Fluch, der Calley galt: „Gott hat mich bestraft, Leutnant Calley, und Gott wird auch Sie bestrafen. Gott hat mich bestraft, Leutnant Calley, und Gott wird auch Sie bestrafen.“ Die Soldaten flehten, daß der Hubschrauber endlich kommen und sie von ihm befreien möge. Ich hatte die ersten beiden Artikel über My Lai im November 1969 geschrieben, ohne von Paul Meadlo gehört zu haben – dann aber, anderthalb Jahre später, hatten viele Soldaten ihre Dienstzeit bei der Armee beendet und waren nach Hause zurückgekehrt. Es war, wie ich später schloß, eine verdrängte Geschichte. Schließlich fragte mich ein GI, ob ich von Meadlo und seinem kaputten Bein gehört hätte und wie er Calley verflucht habe. Ich wußte, daß er in Indiana lebte, und ich hatte einen Anhaltspunkt: Meadlo, M-E-A-D-L-O, war kein gewöhnlicher Name. Ich fand Meadlo, wie abzusehen war, in einem Telefonbuch in Indiana – nachdem ich endlose Stunden mit vielen Vermittlungen im ganzen Staat telefoniert hatte. Seine Mutter nahm den Hörer ab. Sie lebten, wie sich herausstellte, noch immer auf einer Farm bei New Goshen, eine sehr ländliche Gegend nahe dem Ohio River. Ich sagte Mrs. Meadlo, ich wolle gern ihren Sohn sprechen. Sie war zurückhaltend, sagte aber nichts, als ich meinte, ich würde am nächsten Tag kommen. Ich hatte von Salt Lake City aus angerufen und flog noch in der Nacht – über Chicago und Indianapolis, Indiana –, um mittags auf der Farm zu sein. Es war eine heruntergekommene Hühnerfarm – offensichtlich war kein Mann im Haus. Die Hühner liefen überall herum, und das Haus selbst, es war aus Holz, wirkte nicht eben stabil. Ich stieg aus meinem Mietwagen aus. Mrs. Meadlo, die vielleicht fünfzig war, aber erheblich älter aussah, kam mir entgegen. „Ich möchte mit Ihrem Sohn sprechen“, sagte ich. Sie zeigte auf das Haus und sagte, sie wisse nicht, ob er mit mir sprechen wolle, ich könne es aber gern versuchen. Dann zögerte diese ungebildete, einfache Frau aus dem südlichen Indiana und sagte mit ungeheurer Bitterkeit: „Ich habe einen guten Jungen gegeben, und man hat mir einen Mörder zurückgeschickt.“
ABU GHRAIB
35 Jahre später. Ich habe meinen ersten Abu-Ghraib-Artikel im New Yorker veröffentlicht und werde im öffentlichen Rundfunk interviewt. Es ist eine Anrufsendung, und eine Anruferin sagt mir, sie wisse von einem Mädchen, das in der Einheit in Abu Ghraib gewesen sei, von der die Greuel begangen worden seien, und niemand in den Medien habe auf ihre entsprechenden Anrufe reagiert. Noch am Mikrophon bitte ich sie, sich Stift und Papier zu holen, nenne ihr dann meine private Büronummer und bitte sie, mich anzurufen. Zu Recht nahm ich an, daß die meisten Hörer entweder im Auto saßen oder anderweitig beschäftigt waren und sich die Nummer nicht merken konnten. Während der nächsten Tage erhielt ich nur einige wenige Anrufe, darunter aber den jener Frau. Wir verabredeten uns zum Lunch in einem Schnellrestaurant irgendwo im Nordosten Amerikas. Natürlich hatte ich großes Interesse, mit einer Soldatin zu sprechen, die in Abu Ghraib gewesen war. Beim Lunch erzählte mir die Frau, nachdem sie Vertrauen gefaßt hatte, folgendes: Die fragliche Soldatin gehörte einer Reserveeinheit der Armee an, eine Wochenendkämpferin also, die sich freiwillig gemeldet hatte, um ein wenig Geld für Schule, Kleider und dergleichen dazuzuverdienen. Sie war sehr hübsch und frisch verheiratet, als ihre Einheit einige Monate nach Ausbruch des Krieges 2003 mobilisiert und in den Irak geschickt wurde. Sie und ihre Kameraden waren hauptsächlich als Militärpolizisten ausgebildet, MPs, wie wir das nennen, und hatten vor allem gelernt, den Verkehr zu regeln. Im Irak jedoch wurden sie als Wärter in Abu Ghraib eingesetzt und rasch – es war Frühherbst 2003 – in die bitteren Späße dort verwickelt. Ich nehme an, Sie haben alle die Photos gesehen und die Geschichten gelesen und wissen, wovon ich rede. Anfang Januar 2004 ging einer der MP-Soldaten mit einer CD voller Bilder der grauenhaften Geschehnisse zu den Behörden, und alles kam zum Stillstand. Die junge Soldatin, die mit der Folter selbst nicht unmittelbar zu tun hatte, wurde einige Monate später, im März 2004, mit ihrer Einheit in die Heimat zurückverlegt. Kein Außenstehender wußte etwas von Abu Ghraib oder der Army-internen Untersuchung, die inzwischen angelaufen war. Man sagte mir, die junge Soldatin sei als anderer Mensch heimgekehrt. Sie war mürrisch, zurückgezogen, bedrückt. Sie wollte nicht mit ihrer Familie sprechen oder näher mit ihr zu tun haben, verließ schließlich auch ihren Mann und zog in eine andere nahegelegene Stadt. Ende April, als die ersten Artikel und Photos über Abu Ghraib erschienen, besuchte die Frau das Mädchen. (Ich wurde bewußt im unklaren über das Verhältnis der beiden gelassen.) Sie zeigte ihr eine Schlagzeile und fragte, ob das der Grund für ihr Verhalten sei. Worauf ihr praktisch die Tür vor der Nase zugeschlagen wurde. Die junge Soldatin wollte nicht darüber sprechen.
Die Frau erinnerte sich, daß sie dem Mädchen, bevor es in den Irak ging, einen Laptop mit DVD-Laufwerk überlassen hatte. Fast jeder in den Irak verlegte GI hatte einen eigenen DVD-Player oder Computer dabei, da es im muslimischen Irak nur wenige Freizeitmöglichkeiten gab. Der Computer war bei der Frau verblieben, als die jungen Reservisten aus dem Irak zurückkehrten, und seitdem nicht mehr angerührt worden. Irgendwann benötigte die Frau, die mich angerufen hatte, einen zweiten Computer für ihr Büro. So kam es, wie sie mir sagte, daß sie den Laptop in Betrieb nahm und damit begann, Dateien zu löschen. Die Frau, die von Freud nichts weiß, beharrte darauf, ihre Entscheidung, den Computer zu durchsuchen, habe nichts mit den Berichten in den Zeitungen zu tun gehabt. Jedenfalls war eine der Dateien mit „Irak“ bezeichnet, und die Frau öffnete sie. Es erschien eine Reihe Photographien, die kein Familienangehöriger je sehen sollte. Es handelte sich um rund sechzig Digitalphotos von einem nackten irakischen Häftling, vor dem zwei knurrende Schäferhunde stehen, keinen Meter von ihm entfernt. Er stand vor Gefängnisgittern, die Hände hinter seinem Kopf – er konnte nicht einmal sein Geschlechtsteil mit den Händen schützen, wozu ihn jeder Instinkt gedrängt haben muß. Die Photos zeigen, daß einer der Hunde den Häftling schließlich an einer empfindlichen Stelle gebissen hatte und Blut geflossen war ganze Blutlachen –, und dann sah man einen Soldaten, der versuchte, ihm die Wunde mit Nadel und Faden zu vernähen. Diese Photos erhielt ich ohne Honorar – natürlich konnte der New Yorker nichts dafür bezahlen, andere aber hätten eine Menge dafür gegeben. Der Herausgeber David Remnick traf die, wie ich heute finde, sehr weise Entscheidung, nur ein ikonisches Photo des Häftlings zu veröffentlichen, wie er, die Arme hinterm Kopf, vor den schäumenden Hunden steht. Das Photo wurde weltweit reproduziert.
Ich hielt mit der Frau noch rund ein Jahr Kontakt und drängte sie, der jungen Soldatin, die sich offensichtlich in einer Krise befand, Hilfe zukommen zu lassen. Solche Fälle sind für Journalisten kompliziert, denn ich mußte die Frau auch bitten, von der Soldatin die Erlaubnis zur Veröffentlichung der Photos einzuholen, und diese Entscheidung mußte unabhängig und ohne jede Beeinflussung durch mich getroffen werden. Das klingt kompliziert und ist es auch. Jedenfalls waren die Frau und ich ungefähr ein Jahr danach wieder zusammen essen, vielleicht telefonierten wir auch nur, und da sagte sie mir etwas, was ich damals noch nicht gewußt hatte. Die junge Soldatin, die nach ihrer Rückkehr aus dem Irak ihr Haus, ihre Freunde und ihren Mann verlassen hatte, hatte sich auch jedes Wochenende tätowieren lassen. Ihr ganzer Körper war mittlerweile bis zum Hals mit großen schwarzen und blauen Tätowierungen überzogen. Es war, als wollte sie, wie die Frau sagte, „die Haut wechseln“.
Wir in Amerika beginnen erst allmählich zu verstehen, wie hoch der soziale und emotionale Preis des Einsatzes im Irak für unsere Soldaten ist. Im Lauf der nächsten Jahrzehnte werden wir mehr verstehen.
WIR DANKEN DEN VAN DER LEEUW LECTURES, GRONINGEN