Nach der Anschlagsserie in Paris wird auf der medial gestalteten Leinwand unserer kollektiven Weltwahrnehmung schon vom Dritten Weltkrieg gesprochen. Und kein Politiker darf in dieser Massenhysterie vergessen, die Notwendigkeit zu betonen, unsere Werte zu verteidigen.
Die Ukraine-Inszenierung entlarvte die Doppelzüngigkeit des Westens:
Dem Abstecken der kapitalistischen Claims im desorganisierten postsowjetischen Russland folgte ein Wladimir Putin, der den vom Westen unterstützten Oligarchen des Manchester-Kapitalismus (genannt »demokratische Opposition«) Einhalt gebot.
Der DDR-Ausverkauf nach der deutschen Wiedervereinigung wiederholte sich im desorientierten Russland – einige Nummern größer – unter Gorbatschow, der glaubte, auf mündliche Zusicherungen von Seiten westlicher Politiker vertrauen zu können und unter Boris Jelzin, der seine Verzweiflung darüber, wie ein Tanzbär vorgeführt zu werden, in Alkohol ertränkte.
Der Klage Wladimir Putins 2001 vor dem Deutschen Bundestag über die schlechte Zusammenarbeit mit den westlichen »Partnern« folgte seine Klartext-Rede auf der Münchner Sicherheitskonferenz 2007 und die einmütige westliche Empörung:»Was kann Russland dagegen haben, wenn sich Freiheit und Demokratie den Grenzen nähern?« (Der Ukraine-Konflikt 3 – Westliche Naivität oder westliche Machtpolitik? (25.03.2014, zuletzt aktualisiert am 26.07.2014) )
Zumindest näherten sich – als habe es die deutsche Wiedervereinigung, das Versprechen (zugegeben: nur mündlich), die NATO nicht nach Osten auszudehnen und die Verleihung von Friedensnobelpreis (1990) und Goldener Henne (2001) an Michail Gorbatschow nie gegeben – US-amerikanische Raketenstellung der russischen Grenze.
Der Destabilisierung der Ukraine durch das politische Dauerpatt zwischen Timoschenko und Juschtschenko folgten transatlantisch finanzierte NGOs.
Den milliardenschweren US-amerikanische Investitionen folgten kurzsichtige und mediengeile EU-Politiker, die den Massen auf dem Maidan alles mögliche versprachen.
Stur wurde das EU-Assoziierungsabkommen vorangetrieben, dessen politischer Teil (klingt besser als »militärisch«) im Frühling 2014 unterzeichnet wurde, obwohl Präsident Janukowytsch im November zuvor dessen Unterzeichnung per Dekret abgelehnt hatte.
Und der Ablehnung der EU-Assoziierung folgten Janukowytschs Sturz und die Einigelung Russlands – genannt »Krim-Annexion« … und eine Medien-Propaganda wie ich sie in Deutschland noch nie erlebt habe: unsere Leitmedien manipulierten Nachrichten-Videos, »Putin – einsam und verlassen«, die ARD bringt eine Sondersendung, nachdem angeblich ein Konvoi gepanzerter russischer Fahrzeuge die Grenze zur Ukraine überschritten hat. Beschwerden gegen die tendenziöse Berichterstattung laufen ins Leere (NDR Rundfunkrat weist Programmbeschwerden zurück, ), eine Katastrophenmeldung jagt die nächste, und ständig tauchen russische Kampfflugzeuge im NATO-Luftraum auf oder irren unbekannte U-Boote durch skandinavische oder britische Häfen. (ZDF zerreißt Ukraine-Berichterstattung, Julian K, Freitag-Community, 24.09.2014)
|
Der Mann, der schneller schießt als sein Schatten [Quelle: Genius] |
Und im Nebel der militärisch-politisch-medialen Aufgeregtheiten und während NATO-Generalsekretär Fogh Rasmussen (der nach der Ukraine jetzt Goldman & Sacks unsicher macht) mit Lucky Luke gleichzuziehen versucht, taucht der Sohn des US-Vizepräsidenten wie aus dem Nichts im Vorstand des größen ukrainische Gaskonzerns auf (Oligarchie auf westlich, in Russland sagen sie übrigens, Demokratie sei die Herrschaft des Geldes). [Ukraine 10 - Joe Bidens Sohn fällt die Treppe hoch (12.05.2014, zuletzt aktualisiert am 29.10.2014), Post]
Auch unser Bundespräsident ruft angesichts der angeblich zunehmenden Expansionslust eines angeblich narzißtisch gestörten Putin ständig nach der Verteidigung westlicher Werte. Erst gestern hörte ich beim Zappen durch die mit hysterischen Meldungen vollgeknallten Fernsehsender gleich zweimal die verzweifelt klingende Frage: »Warum hassen sie uns so sehr?«
- Stephen R. Shalom, Die Vereinigten Staaten und Naher Osten: Warum hassen "sie" uns? auf zmag.de (Übersetzung nicht mehr auffindbar)
Original:
- Why Do "They" Hate Us? (Stephen R. Shalom, www.zmag.org/, December 12, 2001, ThirdWorldTraveller, auch zu finden bei Canadien content Forum)
- "Why Do They Hate Us?" (Asma Barlas, Ithaca College, 9-11 Reflections, 2011 No. 4; Asma Barlas is associate professor and chair of politics and interim director of the Center for the Study of Culture, Race, and Ethnicity. Born in Pakistan, she served in the Pakistani foreign service and was briefly assistant editor of an opposition newspaper in Pakistan, the Muslim. Her book "Believing Women" in Islam: Unreading Patriarchal Interpretations of the Qur’an is forthcoming from the University of Texas Press.
)
- Why Do They Hate Us? (Levi Brackman, Chabad.org, 14.07.2005)
- Why do they hate us? (Sourcewatch.org)
Die Antwort, die wir nicht hören wollen lautet: Weil wir – und damit meine ich unsere abendländische Kultur – so unglaublich viel Scheiße gebaut haben.
Kongogräuel:
Boxeraufstand:
|
Der sogenannte Boxeraufstand 1900/01 soll mehr als 130.000 chinesische Zivilisten
(darunter 30.000 Christen) und einige tausend Ausländer das Leben gekostet haben.
Die Sieger ließen echte und vermeintliche Boxer exekutieren. Ihre Zahl ist unbekannt.
[Quelle: Wie sich China an London für den Boxerkrieg rächt, Florian Stark, Die Welt, 05.12.2013] |
Opiumkriege:
|
Erster Opiumkrieg gegen China: Englische Schiffe nehmen chinesische
Stellungen unter Beschuss (1841).
[Quelle: Die Magie der alten Segelschiffe, Iran Now Net, 02.06.2010] |
Die Schweinereien, die seit dem Zweiten Weltkrieg laufen, sind – die Leute sind zwar gierig aber nicht blöde – schlecht innerhalb weniger Sekunden vermittelbar, weil subtiler:
Was wir zu sehen bekommen sind Piraten in Somalia, die »eine Gefahr für die internationale Schiffahrt« darstellen:
|
Piraterie in Somalia [Elias Sarkandy, Prezi, 11.04.2014] |
Aber wie zeigt man in wenigen Sekunden, daß die Fischereiflotten der reichen Länder Somalias Küsten leergefischt hat?
Die meisten Regierungen weltweit ergreifen kaum Maßnahmen, um die Aktivitäten der Piraten zu unterbinden, geschweige denn zu überprüfen, was in ihren eigenen Häfen angelandet wird. Die Beute wird oft gleich auf See an Kühlschiffe übergeben und dabei absichtlich illegaler mit legalem Fang vermischt, der dann in Häfen wie Las Palmas und Suva/Fidschi verkauft wird.
Da es dort kaum Kontrollen gibt, nutzen Piratenflotten diese Häfen für ihre illegalen Aktivitäten. Die Länder, die am schwersten von diesen groß angelegten Raubzügen betroffen sind, haben kaum Mittel, die Gesetze in ihren Hoheitsgewässern durchzusetzen. Meistens sind sie nicht einmal in der Lage, die wenigen existierenden Polizeiboote zu unterhalten.
Die korrupten Schiffseigner agieren weltweit in rund 80 Ländern - unter anderem in der EU, Taiwan, Panama, Belize und Honduras. Die Durchsetzung internationaler Bestimmungen könnte diesen illegalen Handel beenden und damit den Küstengemeinden Nahrung und Einkommen zurückgeben. Doch es wird viel zu wenig getan.
Die langjährigen Forderungen von Umweltschützern und Menschenrechtsgruppen nach Maßnahmen gegen die Piratenfischerei stoßen auf taube Ohren. In den vergangenen Jahren wurden zwar zahlreiche internationale Abkommen und Pläne zu Maßnahmen gegen Piratenfischer beschlossen, die Umsetzung von Kontrollen erfolgt jedoch - selbst in der EU - nur mangelhaft. So sind illegalen Aktivitäten nicht zurückgegangen, sondern haben sogar noch zugenommen. (aus dem Greenpeace-Artikel)
Und wer das Maul zu weit aufmacht, läuft in unserem freiheitlich-demokratisch-marktwirtschaftlichen System Gefahr, in die Privatinsolvenz hinein verklagt zu werden:
- Jean Ziegler – ein wahrhaftiger Mensch (Post, 10.09.2013)
- Jean Ziegler: „Geierfonds - Quintessenz krimineller Bankenaktivitäten“ (Post, 09.10.2014)
Vor wenigen Tagen hörte ich ein Gespräch über Geldanlagen: Eine nette, freundliche Frau mittleren Alters erhielt von einer anderen netten Frau den Rat, in Nahrungsmittelfonds zu investieren…
Nach Anschlägen wie dem in Paris werden wir regelrecht zugeschissen mit aufgeregten Meldungen wie
- »Bedrohungslage ist wirklich ernst«: De Maizière spricht über Terrorgefahr
- Nach Spiel-Absage in Hannover – FOCUS-Online-Reporter: „Polizisten patrouillieren durch die Innenstadt“
Wer hat hier im Westen für die eineinhalb Millionen Toten des verlogenen Irak-Kriegs Blumen hingelegt? (720 Millionen pro Tag für Irakkrieg, Post, 05.11.2007)
Wer hat den ersten Genozid des 20. Jahrhunderts begangen? („Innerhalb der deutschen Grenze wird jeder Herero mit oder ohne Gewehr erschossen“, Daniel Mützel, Vice, 20.10.2015)
Wer hat Anfang der 50er Jahre den Iran destabilisiert und den Schah an die Macht geputscht? (»Der größte Einzelerfolg der CIA«, Post, 01.05.2012)
Wer hat 1973 in Chile eine Militärjunta an die Macht geputscht? (Heute vor 40 Jahren – 11. September 1973: Salvador Allende kommt um, Post, 11.09.2013)
Wer hat 1999 das Gebäude des serbischen Fernsehsenders völkerrechtswidrig (in einem völkerrechtswidrigen Krieg) bombardiert? (Frieden muss gestiftet werden – Europas Sündenfall: der Kosovo-Krieg, Post, 24.11.2014) Und was ist danach mit einem standhaften deutschen Dichter passiert?
- Kosovo (II): Der etwas andere Krieg (Erich Follath, Siegesmund Ilsemann, Alexander Szandar, SPON, 10.01.2000)
- Kosovo-Artikel der AG Friedensforschung
Wer entzieht Ostafrikas Mittelschicht die Existenzgrundlage? (EPA – TTIP für Arme und die Werte des »alten Europa«, Post, 23.09.2015)
Wer hat noch letztes Jahr Strafzölle gegen Kenia verhängt, weil die Regierung in Nairobi das Freihandelsabkommen mit der EU nicht unterzeichnen wollte? (Manchmal muß man diese beschränkten Neger halt zu ihrem Glück zwingen: EPA – TTIP für Arme und die Werte des »alten Europa«, Post, 23.09.2015
Da gehen einige mutige Sportler hin und lackieren sich die Zehnägel regenbogenfarben, um gegen die Behandlung Homosexueller in Russland zu protestieren. Sie vergessen dabei, wie noch vor 60 Jahren die Homosexuellen im sogenannten »freien Westen« behandelt wurden: Frankfurter Homosexuellenprozesse (Wikipedia)
»Ausgeprägter als in anderen Bereichen hat die Rechtsordnung gegenüber der männlichen Homosexualität die Aufgabe, durch die sittenbildende Kraft des Strafgesetzes einen Damm gegen die Ausbreitung eines lasterhaften Treibens zu errichten, das, wenn es um sich griffe, eine schwere Gefahr für eine gesunde und natürliche Lebensordnung im Volke bedeuten würde.« (Stümke 1983, zit. in $ 175, Entwicklung in der alten Bundesrepublik, Wikipedia)
Wie gehabt: Wir sind die Guten und haben keine Ahnung, weshalb die Anderen was gegen uns haben. (Verleugnung (Psychoanalyse), Wikipedia)
- Unsere grössten Feinde sind wir selbst Niall Ferguson nennt in seinem neuen Buch sechs Gründe für den Erfolg der westlichen Zivilisation (Markus Schär, Avenir Suisse, 07.11.2011)
»Der Westen gewann die Weltherrschaft
nicht durch die Überlegenheit seiner Ideen
oder Werte oder Religion,
sondern vielmehr durch seine Überlegenheit
bei der Anwendung organisierter Gewalt.
Wir im Westen vergessen diese Tatsache oft.
Die anderen vergessen das nie.«
aktualisiert am 26.07.2016