Anfang 2017 gab die New York Times den folgenden neuen Leitsatz bekannt: „Die Wahrheit ist heute wichtiger als je zuvor.“ Damit hat sie sich ein scheinbar edles, doch möglicherweise strittiges Motto auf die Fahnen geschrieben, wenn man die jüngste Vergangenheit der Zeitung näher betrachtet. Zwei Experten für Völkerrecht, Howard Friel und Richard Falk, haben nach der Irak-Invasion von 2003 ein Buch mit dem Titel „The Record of the Paper: How the New York Times Misreports US Foreign Policy“ veröffentlicht, zu dem bisher kaum Rezensionen erschienen.
Friel und Falk haben sich aufgrund der Bedeutung dieser Zeitung auf die Times konzentriert. Die Autoren heben hervor, dass die Begriffe „Völkerrecht“ und „UN-Charta“ in 70 Times-Leitartikeln zum Irak – im Zeitraum vom 11. September 2001 bis zum 20. März 2003 – kein einziges Mal vorkommen. Die „Wahrheit“ schien nicht besonders „wichtig“ zu sein, denn die Times sah der Zerstörung des Irak stillschweigend zu.
Das auf die amerikanische Öffentlichkeit gerichtete Trommelfeuer der Propaganda war so stark, dass 69 Prozent der Bevölkerung glaubten, Saddam Hussein sei in die Anschläge vom 11. September „persönlich verwickelt“ gewesen. Das ist ein erheblicher Manipulationserfolg. Die Umfrageergebnisse müssen dem irakischen Diktator, einem vergessenen ehemaligen Verbündeten der USA, völlig neu gewesen sein.
Warum Hussein es auf sich nehmen sollte, einen Überraschungsangriff ausgerechnet gegen die USA zu veranlassen, sei dahin gestellt. Vielleicht, falls er einen Todeswunsch gehabt hat, doch spätere Ereignisse zeigten, dass er kein selbstmörderischer Typ war.
mehr:
- Mord an der Wahrheit (Shane Quinn, Rubikon, 21.12.2018)
siehe auch:
- Britische Seltsamkeiten im postfaktischen Zeitalter: Die Skripals und ihr Dach (Post, 09.01.2019)
- Väter und Söhne (Markus Kompa, Telepolis, 01.12.2018)
- Naher Osten: Wo Fake-News den Waffeneinsatz bestimmen (Wolfgang Freisleben auf seiner Seite, 19.04.2018)
- Die Kriege des US-Imperialismus im Nahen Osten (Matin Baraki, Zeit-Fragen.ch, 13.03.2018)
- Heute vor 20 Jahren – 20. Februar 1991: Bob Dylans versteckte Botschaft bei der Grammy-Verleihung – Terrorakt beim Fest (Post, 20.02.2011)
Wer also über Deutschlands Verhältnis zu Russland nachdenkt, sollte Europas Verhältnis zu Russland nicht aus dem Blick verlieren. Und dieses Verhältnis wird von einer latenten Aggression Russlands geprägt, die in Deutschland gerne ausgeblendet oder relativiert wird. Vor allem die Destabilisierung demokratischer Institutionen, die Manipulation der Öffentlichkeit durch ein Bombardement von Lügen treffen den Lebensnerv westlicher Demokratien: die Konsensfindung auf der Basis eines fairen und sachlichen Streits. Gibt es diesen Konsens nicht mehr, dann gibt es auch keinen gesellschaftlichen Frieden, sondern Unruhe, Hass, Demagogie.[aus: Stefan Kornelius, Russlands Politik passt nicht zu Europa , Süddeutsche Zeitung, 07.05.2018, Hervorhebung von mir]
😂
aktualisiert am 12.01.2019