Freitag, 6. Juni 2014

Die nächste Programmbeschwerde

„Ich hätte nie gedacht, dass so eine schrille Art der politischen Kommunikation 100 Jahre nach Ausbruch des 1. Weltkrieges möglich ist“ - 

 Der letzte und auslösende Anlass war ein Beitrag in den Tagessthemen. Am 20. Mai 2014 kündigte Tagesthemen-Moderatorin Caren Miosga einen Beitrag an, in dem Demonstrationen gegen die Abspaltung der Ostukraine gezeigt wurden. Zu denen hatte der Oligarch Rinat Achmetow aufgerufen. Der Beitrag behauptet eine massenhafte Teilnahme, blieb aber bei den Bildern eigenartig zurückhaltend. Mit Grund, wie sich Tage später erwies. Ein Video, das auf der Plattform YouTube hochgeladen worden war, zeigte im Stadion nur einige Hundert Demonstranten. Kameraperspektive und Bildausschnitt waren in dem ARD-Beitrag so gewählt worden, dass es nach einer hohen Beteiligung aussah. Ich habe per E-Mail Redaktion und Beteiligte damit konfrontiert, ohne Ergebnis. Doch ich wollte der ARD eine Chance geben. Schließlich hätte ja auch das Video manipuliert sein können. Erst nachdem keine Reaktion erfolgte, entschloss ich mich zu einer offiziellen Beschwerde. Seien wir einmal ehrlich: Warum haben die Tagesthemen denn keine Totale gewählt, wenn sie die Chance dazu hatten? Das wäre für die Redaktion doch ein schlagender Beweis für Achmetows Erfolg gewesen und niemand hätte gezweifelt. Aber nichts davon.
mehr:
- Ukraine-Berichterstattung: Programmbeschwerde beim Rundfunkrat (Interview mit Stefan Slaby, Hintergrund, 05.06.2014)

zu Stefan Slaby:
- Stefan Slaby, Paranoiker ... (Wolfgang Lieb, Die Propagandaschau, 07.02.2016)

mein Kommentar:
Mir ist unklar, wie sich Leute so untereinander beharken können, aber es ist eine andere Sicht, und die gehört auch hierher!

zum Video mit dem Tagesthemen-Bericht über die Achmetow-Initiative:
- Unsere Qualitätsmedien: Das sind keine Irrtümer; das sind Lügen, Propaganda und Zensur! (Post, 09.12.2014)
aktualisiert am 26.02.2016


Die neuste Lettre

ROTE LINIE, RATTENLINIE

Der 76jährige Journalist Seymour Hersh gilt als bedeutendster Enthüllungsjournalist der Welt. Er ist erfahren und unbescholten. Seine Aufdeckung des Massakers im vietnamesischen My Lai oder der Folter im Abu-Ghraib Gefängnis während des Irakkriegs machten ihm weltberühmt. 

Seine Analyse „Rote Linie, Rattenlinie“ ist eine detektivische Rekonstruktion der Ereignisse um den Giftgaseinsatz in Syrien am 21. 8. 2013. Hat die US-Regierung gelogen, um eine Militärintervention zu rechtfertigen? Erstmalig auf deutsch!


SICHERHEIT UND SÖLDNER

Das größte private Sicherheitsunternehmen der Welt in Aktion 

(…) 

G4S hat seinen Sitz in der Nähe von London und wird an der dortigen Börse gehandelt. Der Öffentlichkeit größtenteils unbekannt, operiert das Unternehmen in 120 Ländern; mit 620 000 Beschäftigten ist es hinter Walmart und dem taiwanesischen Herstellungskonglomerat Foxconn der drittgrößte private Arbeitgeber der Welt. Daß eine private Firma dieser Größe ausgerechnet ein Sicherheitsunternehmen verkörpert, ist bezeichnend für unsere Zeit. Das Gros der Beschäftigten von G4S sind kleine Wachleute, aber die Firma schickt zunehmend auch militärische Spezialisten in „komplexe Umfelder“, wie man das vorsichtig nennt. Sie übernehmen dort Aufgaben, die zu erledigen nationale Militärs nicht imstande oder nicht willens sind.

UKRAINISCHE VERWERFUNG

Europa ist in Rußlands Schicksal einbezogen und Rußland in Europas


DIE LÄSSIGKEIT DER ELEGANZ

Über das Gelingen oder die Vollendung der Anstrengung in Leichtigkeit 

(…) 

Das Wort elegantia kommt von dem Verb eligere: „auswählen“. Eleganz ist Gewähltheit. Das setzt die Mittel und die Freiheit voraus, auswählen zu können. Doch die Gewähltheit soll sich, um nicht angestrengt zu wirken, sorgsam (diligenter) hinter einer gewissen „nicht unangenehmen Nachlässigkeit“ (non ingrata neglegentia) verbergen. Eleganz ist die höchste Kunst, natürlich, beiläufig, einfach zu erscheinen, ähnlich wie die Anmut, die ihre Natürlichkeit ganz im Gegensatz zur Eleganz unbewußt, in Unschuld bewahrt. Doch auch die künstliche Natürlichkeit der Eleganz wäre nichts ohne das nescio quid, das gewisse Etwas, das man nicht lernen kann. Man hat es von Natur aus, oder man hat es nicht.

DIE ELEGANZ DER LITERATI

Individualität und Ästhetik in der klassischen Kultur Chinas 

(…) 

Die Literati-Idee beschränkt sich nicht auf Rhetorik, sondern fordert Handeln. Leben und Idee müssen übereinstimmen. Ist die Idee in Gefahr, ruiniert oder zerstört zu werden, müssen die Literati sich für ihre Bewahrung aufopfern. Die Herrschaftsarchitektur entspricht einem System konzentrischer Kreise der Idee vom Kaiser abwärts bis zu den niedrigsten Schichten der Gesellschaft. Das gedankliche Zentrum der Literati-Tradition ist xiu shen, der Aufbau des eigenen Selbst mittels einer Art spiritueller Meditation, durch Übung und langsames Wachsen. Hinzu kommt qi jia, das gute Management der eigenen Familie, wobei das ganze Land als eine größere Version der Familie verstanden wird. Die Familienstruktur mit Vater und Sohn, Ehemann und Ehefrau stellt eine kleinere Version der Gesellschaft dar. Hinzu kommt zhi guo, das bedeutet: „Regiere das Land.“ Angefangen von deiner eigenen Person über die Familie hin zum Staat. Und ping tianxia, was bedeutet: „Vereinige das Universum.“ Wenn du dir all diese Kreise von dir selbst zum Universum hin zu eigen machen kannst, dann kann die Gesellschaft in Harmonie gedeihen. Das eigentliche Zentrum dabei ist das geistige Niveau, die spirituelle Individualität. Der Mensch, der in die Machtsphäre eintritt, begegnet einer noch komplexeren Situation, denn hier ist es leicht, korrumpiert zu werden. Du versuchst, das Machtspiel zu verändern, aber das Machtspiel verändert auch dich, das haben 2 000 Jahre Herrschaftspraxis erwiesen. 


BUCH DES BROKATS

Raffinement und Eleganz in der frühen arabischen Kultur 

Was muß geschehen, fragt man sich angesichts der aktuellen Situation arabischer Gesellschaften, die zum größten Teil vom Islam und von totalitären Regimes beherrscht werden, die, um ihre eigene Macht aufrechtzuerhalten, auf die Kraft religiöser Empfindungen, auf eine göttliche Autorität setzen oder sich innerhalb des Islams zerfleischen, um der einen oder anderen religiösen Strömung zum Sieg zu verhelfen? Und was muß geschehen, fragt man sich angesichts der Bilanz aus dem als „Arabischer Frühling“ bezeichneten Phänomen, einer Bilanz, die unvollständig und vorschnell ist, da die Maschinerie immer noch Tausende von Leichen hinter sich läßt, in Ägypten oder Syrien oder sonstwo? Wodurch kann man diese Misere beenden? Wie kann man diesen durch Religion und Geschichte verbundenen Völkern einen neuen Elan einhauchen, eine neue Weise aufzeigen, die Beziehungen zu sich und anderen zu verändern? Wie kann man sie dazu bringen, nachzudenken, sich einander anzunähern, sich mit anderen Augen zu betrachten und die anderen so zu akzeptieren, wie sie sind? War nicht die Freiheit das eigentliche Anliegen der Revolutionäre oder besser Revoltierenden dieses berühmten Frühlings? Wie kann man noch die Wertschätzung der Frauen retten, sowie jener, die ihre Selbstbestimmung und ihren Körper lieben? 
GEORG STEFAN TROLLER, DAMALS IN PARIS

(…) 

Es war Ende Juni 1940, als ich nach langer Irrfahrt wieder in Paris eintraf, jetzt widerstandslos von den Deutschen besetzt. Schon am Stadtrand nahm mich ein Straßenhändler in Empfang, der mir die neue Landkarte Frankreichs unter die Nase hielt: Elsaß-Lothringen war wieder einmal futsch, der traurige Rest zweigeteilt. Oben das industrielle Frankreich fest im deutschen Griff, die großteils ländliche Südhälfte gehörte zum Kasperlestaat von Vichy. Wobei der neugebackene Judenfresser (und Erfinder des Begriffs collaboration) Pierre Laval das große Wort führte. Ein ehrgeiziger Provinzpolitiker, über den das Spottwort umlief: „Napoleon hat einmal seinen Außenminister Talleyrand einen ‘Scheißhaufen in Seidenstrümpfen’ genannt. Monsieur Laval besitzt keine Seidenstrümpfe.“ 

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