Mittwoch, 4. März 2009

Von den guten alten Zeiten

"Geldgeschäfte auf den Finanzmärkten werden von psychischen Stromstößen beherrscht: Gier, Wunschdenken, Eitelkeit, Neid, Minderwertigkeitskomplexe, Egomanie, Misstrauen und vor allem – Angst. Deshalb finde ich das Börsenspiel so interessant. Es spiegelt die menschliche Natur wider und du kannst deine eigenen psychischen Impulse beobachten."



Klartext

Und was ist aus der Erleuchtung geworden?

Ein Kamingespräch über das ferne Nirvana

von Satyananda

Neulich hatten wir Besuch von Freunden aus alten Zeiten. Mit den alten Zeiten verbinde ich vor allem Erinnerungen an Pune 1 und an die Ranch in Oregon. Lang, lang ist’s her! Und doch sind die Erinnerungen so frisch. Wenn ich Freunde aus dieser Zeit wiedersehe, bin ich erst mal verblüfft: Wie schnell wir uns verändert haben – dreißig Jahre sind nicht spurlos an uns vorübergegangen!
Devi zum Beispiel war gerade mal zwanzig Jahre alt, als wir uns in Pune begegneten. Hübsch, knackig und lustig, war sie besessen von der Idee, erleuchtet zu werden. So stürzte sie sich hoch motiviert und furchtlos in eine Selbsterfahrungsgruppe nach der anderen.
Jetzt saß sie mit uns vor dem Kamin, eine reife Frau mit interessanten Fältchen im Gesicht und grauen Strähnen im Haar. Als ich sie fragte, womit sie ihr Geld verdient, sagte sie lachend: „Ich versuche, Manager wieder aufzurichten, die in der Finanzkrise ihren Halt verloren haben.“ Coaching nennt man das heutzutage.

Was ist aus ihnen geworden?
Auch Khoji ist kaum wiederzuerkennen. Als ich ihn zum ersten Mal traf, erschien er mir in seinem langen roten Kleid wie eine biblische Gestalt. Schlank, hochgewachsen, schulterlanges dunkles Haar, wallender Bart, sanfte Bewegungen, strahlender Blick aus hellblauen Augen … Er war mit einem VW-Bus aus Deutschland nach Pune gekommen – ein Hippie mit Gitarre, Hasch-Pfeife und einer wunderschönen Freundin, die aber schon bald in den Armen eines Group-Leaders landete.
Dreißig Jahre später ist Khoji ein erfolgreicher Macher in der IT-Branche, immer noch schlank, aber ohne Bart. Verheiratet mit einer Ärztin, hat er drei Kinder, spielt Golf und Tennis und engagiert sich für ein Hilfsprojekt in Afrika.
Wir tranken Tee und unterhielten uns über andere Veteranen aus alten Sannyas-Zeiten. Was ist eigentlich aus Astha geworden? Und aus Rammurti? Und aus Chaitanya Hari? Während wir über sie sprachen, tauchten wir ein in die Welt, die Osho damals für uns hervorgezaubert hatte – eine Welt der Hingabe, der Ekstase, der schmerzvollen Begegnungen mit uns selbst und unserem Ego, der spirituellen Höhenflüge und der seelischen Abstürze. Es war eine wunderbar romantische Welt. Während Osho seine lectures hielt und wir ihm in stiller Versenkung lauschten, tobten mitunter Affen-Rudel über das Wellblechdach der Buddhahalle, und im Herbst ließen sich im Koregaon Park ganze Schwärme von bunten Wellensittichen in den ausladenden Kronen der Mangobäume nieder. Vorbei … vorbei …
Was hat uns damals hauptsächlich beschäftigt? Osho natürlich!
„Für mich war er der Über-Vater“, sagte Devi. „Ich liebte ihn abgöttisch. Es war ein tolles Gefühl, ihn fragen zu können, wenn ich Rat brauchte. Er sagte mir, wo es lang ging und ich fühlte mich bei ihm geborgen. Manchmal verstand ich ihn nicht. Aber das war mir egal. Für mich war er unfehlbar.“

Ein Geschmack von Faschismus
„Kam dir das nicht manchmal ein bisschen riskant vor?“, fragte ich.
„Erst viel später kam mir das riskant vor“, sagte Devi. „Als es mit der Ranch vorbei war und plötzlich FBI-Agenten und Staatsanwälte auftauchten. Da waren angeblich ein paar schräge Dinge passiert. Wir hatten keine Ahnung. Aber ich fragte mich plötzlich: ‚He Devi! Hast du gepennt, oder wolltest du nichts wissen?“
Khoji, etwas mürrisch: „Machst du dir etwa Selbstvorwürfe?“
„Ich versuche nur, meine Erfahrungen auf der Ranch richtig einzuordnen. Osho hat uns ja immer wieder eingeschärft, dass Hingabe und totales Vertrauen für die Arbeit mit einem spirituellen Meister absolut nötig sind. Also habe ich vertraut, auch wenn mir das auf der Ranch nicht immer leicht fiel.“
„Auf der Ranch gab es ja auch eine ganz einfache Regel“, warf ich ein. „Wer nicht JA sagt, ist negativ. Und Negativität ist das Schlimmste, was du Osho und der Kommune antun kannst.“
Khoji: „Für mich ist das Faschismus!“
„Ich erinnere mich an eine Lecture in Oregon“, sagte ich, „in der ich Osho sagen hörte: ,I gave you a taste of fascism!‘ (Ich habe euch einen Geschmack von Faschismus gegeben). Für mich war dieser Satz wie ein Erkenntnisblitz.“
„Das leuchtet mir total ein“, rief Devi. „Es ging auf der Ranch doch vor allem um Bewusstseins-Entwicklung unter Laborbedingungen. Dazu gehörte zum Beispiel auch, zwischen totalem und blindem Vertrauen zu unterscheiden. Wenn du Faschismus witterst, sagst du nicht JA, sondern du sagst ein klares NEIN. Osho ist wahrscheinlich der erste spirituelle Meister, der von seinen Schülern erwartet, dass sie auch NEIN sagen.“

Blindes Vertrauen
„Ich war damals echt sauer auf Osho“, sagte Khoji. „Ich fand, dass er mich verarscht hatte. Was ist denn der Unterschied zwischen totalem und blindem Vertrauen? Ich habe auch heute noch keine Lust dazu, mich für den Scheiß verantwortlich zu fühlen, den Sheela damals angerührt hat.“
Devi: „Dann gehörst du wohl auch zur Gemeinde der ‚Ranch-Geschädigten‘, die noch heute ihre Wunden in Chat-Foren lecken?“
„Ach was“, konterte Khoji. „Ich hab mich natürlich längst abgeregt. Heute kann ich sehen, dass die Ranch in Oregon das schärfste Experiment in Sachen Selbsterfahrung gewesen ist, das es je gegeben hat.“
Das Kaminfeuer knisterte und wir schwiegen eine Weile. Plötzlich sagte Devi: „Was ist denn eigentlich aus der Erleuchtung geworden?“
Fröhliches Gelächter.
Khoji: „Erleuchtung? Tolle Idee! Gut, dass du mich daran erinnerst!“
Devi: „In Pune gab es ja überhaupt kein anderes Thema als Erleuchtung. Könnt ihr euch erinnern? Osho redete fast jeden Tag von Erleuchtung und wir alle waren unheimlich scharf darauf.“

Fokus Meditation
Khoji: „Ich weiß noch, dass ich damals auf Tantra gesetzt habe. Ich fand Oshos These ‚Vom Sex zum kosmischen Bewusstsein‘ unwiderstehlich. Im Klartext hieß das für mich: durch Vögeln zur Erleuchtung! Ein tolles Konzept. Ich habe es unermüdlich ausprobiert, aber letztendlich war der spirituelle Gewinn gleich Null (lacht). Irgendwas muss ich da wohl missverstanden haben.“
Devi: „Ich habe auch vieles missverstanden. Zum Beispiel habe ich geglaubt, dass er für meine Erleuchtung sorgen würde, wenn ich nur brav zu seinen Füßen sitze und ihn anhimmele. Das hat er zwar nicht gesagt, aber ich habe ihn so verstanden.“
Khoji: „Als ich nach dem Abenteuer von Oregon in die real existierende Welt zurückkehrte, habe ich die Erleuchtung erst mal von meiner Prioritätenliste gestrichen. Ich hatte einfach keine Zeit mehr dafür. Zu viel Tempo, Lärm und Chaos. Wir leben in einem globalen Irrenhaus. Wenn man da erleuchtet werden will, braucht man einen starken Fokus und eine relativ stabile materielle Grundlage. Osho hat oft gesagt, dass man nicht meditieren kann, wenn man ständig ums tägliche Brot kämpfen muss. Das entspricht meiner Erfahrung.“
Wir sprachen eine Weile über Geld und Sicherheit. Wie viel braucht man, um sich sicher zu fühlen? Ein interessantes Thema, über das man stundenlang reden könnte. Aber es lohnt sich eigentlich nicht, denn Sicherheit ist sowieso eine Illusion. Also blieb die Frage: Wie kann man sich in dieser Welt des Wahnsinns auf Meditation fokussieren?
Dabei kamen wir wieder auf Oregon zu sprechen, und Devi fragte: „Vielleicht ist das Experiment gar nicht gescheitert? Wir machen einfach weiter! Die Themen, die uns damals beschäftigt haben, sind doch zeitlos. Und unsere Vision ist so aktuell wie noch nie!“

www.hierjetzt.de

bevor der Text wieder weg ist, »Klartext« aus der aktuellen Osho-Times