Wer Zukunft will, muss die Machtfrage stellen. Exklusivabdruck aus „Die Strategie der friedlichen Umwälzung“.
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Mit Reformen werden wir die Welt nicht mehr ins Lot bringen. Was uns wirklich weiter bringen würde, wird verwässert, verzögert und verhindert. Und Mehrheiten sind in einer Scheindemokratie ohnehin fast nicht zu erreichen. Was es jetzt braucht, sind die Identifikation des übermächtigen Gegners und eine Strategie, ihn mit friedlichen Mitteln zu entmachten.
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Seit anderthalb Jahren nehme ich kein Blatt mehr vor den Mund. Freundlich, aber bestimmt gebe ich zu verstehen — wenn das Gespräch auf die Weltlage kommt — dass die Sache mit Reformen nicht mehr ins Lot zu bringen, sondern eine grundlegende Umwälzung nötig sei. Diese Feststellung erhält fast durchwegs Zustimmung, selbst von Menschen wie zum Beispiel Bankern, für die eine Fortsetzung des Status quo essenziell ist.
Aber wenn selbst Wissenschaftler Endzeitstimmung verbreiten, die sich im Grunde auf Erfahrung berufen müssten, dann ist tatsächlich Feuer im Dach. Dabei sind es nicht nur die Klimatologen und Spezialisten für Biodiversität, die Alarm schlagen. Probleme historischer Dimension bereiten uns unter anderem die Digitalisierung und Roboterisierung, die gemäß einer Studie der OECD mittelfristig 46 Prozent aller Arbeitsplätze gefährden. Die Militarisierung und die Erosion des Völkerrechts stimmen auch nicht gerade zuversichtlich für eine friedliche Lösung der multiplen Krise, die den Globus im Griff hält. Zu all dem steigt die Verschuldung mit exponentieller Geschwindigkeit.
Der Versuch, die Probleme des Geldes mit noch mehr Geld zu lösen, wird aller Voraussicht nach scheitern — „mit einem großen Knall“, wie viele Menschen intuitiv ahnen.
All die Reformen, die uns wieder auf Kurs bringen könnten, werden verwässert, verzögert oder verhindert. Kleine, aber gut organisierte Lobbys sind mehr als doppelt so erfolgreich in der Durchsetzung ihrer Interessen als die Bevölkerungsmehrheit — und das in einer Staatsform, die sich als Demokratie, also „Volksherrschaft“ bezeichnet.
Die Ungleichheit, historisch die bedeutendste Ursache gewaltsamer Konflikte, wächst ungebremst. Gleichzeitig sinkt in der Kakophonie von Fake und Halbwahrheiten die Fähigkeit zum klaren Denken.
mehr:
- Das war‘s, Mördersystem! (Christoph Pfluger, Rubikon, 02.11.2019)
siehe auch:
- Schluß mit dem verkehrten Denken! (Post, 23.10.2019)
- Der Demokratie-Suizid [Tagesdosis 8.10.2019] (Post, 09.10.2019)
- Unser täglich Narrativ gib uns heute: »Wir sind die Guten!« (Post, 28.09.2019)
- Neusprech aus den Netzwerken der Macht (Post, 18.09.2019)
- Wortverdrehungen, Verleugnung und Überraschung… (Post, 17.09.2019)
- Public Relations - Manipulation der Masse | Doku | ARTE (Post, 09.09.2019)
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Es bleibt unklar, ob Assads Truppen Giftgasbomben abwarfen, oder vielmehr IS-Rebellen die Bomben legten, damit die USA eingreifen.
Die Organisation für ein Verbot von Chemiewaffen OPCW hatte erklärt, die Giftgasfässer seien aus der Luft abgeworfen worden – und das konnte nur die syrische Luftwaffe sein. Die Beweislage war allerdings dürftig. Jetzt bezichtigt ein Panel der «Stiftung Courage» die OPCW des «unakzeptablen Vorgehens» («unacceptable Practices»). Am 15.Oktober hatte das Panel einen Whistleblower der OPCW angehört. Grosse Medien haben nicht darüber berichtet.
Die Panelmitglieder kamen zur Überzeugung, dass die OPCW «entscheidende Informationen über die chemischen Analysen und ballistischen Studien sowie Zeugenaussagen unterdrückte». Die OPCW solle ihre Analyse zum Giftgas-Ereignis in Duma mit Berücksichtigung dieser Informationen in transparenter Weise neu evaluieren.
Unter den sieben Mitgliedern* des Panels befindet sich der frühere OPCW-Direktor José Bustani, der auch Brasiliens Botschafter in Grossbritannien und Frankreich war: «Das klar erwiesene irreguläre Verhalten der OPCW bei ihrer Untersuchung des vermuteten Chemiewaffenangriffs in Duma verstärkt meine Zweifel, die ich schon hatte ... Selbst offizielle Untersuchungsberichte erscheinen inkohärent oder schlimmer.»
Kämen die Untersuchungen zum Schluss, dass die Bomben in den Zimmern wahrscheinlich nicht durchs Dach ins Haus kamen, müssten sie Rebellen im Haus platziert haben. Duma war damals in der Hand der IS.
USA, Grossbritannien und Frankreich reagierten sofort
Nach Berichten über Bomben mit Giftgas, «wahrscheinlich Chlorgas», die am 7. April 2018 in dem damals von Rebellen kontrollierten Duma nordöstlich von Damaskus explodierten, mehrere Dutzend Menschen töteten und viele weitere verletzten, reagierten Nato-Länder sofort und beschossen bereits am 14. April Ziele in Syrien mit Raketen. Sie warteten keinen Untersuchungsbericht ab.
Laut NZZ-Auslandredaktor Andreas Rüesch war der US-Militärschlag «ein notwendiges Signal» gegen das «Kriegsverbrechen des Assad-Regimes». Laut Alan Cassidy, US-Korrespondent des Tages-Anzeigers, blieb die «Mission unerfüllt». Luftschläge würden nur etwas verändern, «wenn sie jedes Mal erfolgen, wenn Assad Giftgas einsetzt».
mehr:
- Die OPCW verhindert Aufklärung zum Giftgas im syrischen Duma (Urs P. Gasche, Info-Sperber, 03.11.2019)
siehe auch:
- Whistleblower – der OPCW-Bericht zum angeblichen Giftgasangriff in Duma entspricht nicht der Wahrheit (Post, 23.10.2019)
- Syrien-Krieg im UN-Sicherheitsrat (Post, 01.10.2019)
- Cäsars Beweise – eine Zäsur (Post, 17.08.2019)