Donnerstag, 20. September 2007

Geiz ist geil zum nächsten

… Erstmals hat das Südwind-Institut nun intensiv in China und Indonesien recherchiert, unter welchen Bedingungen Aldi-Kleidung hergestellt wird. »Insbesondere bei chinesischen Zulieferern von Aldi werden grundlegende Arbeitsrechte in einem bisher ungeahnten Ausmaß verletzt«, heißt es in der jüngst veröffentlichten Studie.

Die untersuchten Fabriken liegen allesamt in der flachen Provinz Jiangsu, einem Zentrum der chinesischen Textilindustrie. Vor allem Frauen arbeiten dort, etwa als Näherinnen, unter trostlosen Bedingungen. Zum Beispiel in Betrieb Nummer 2, wo etwa 500 Menschen beschäftigt sind: Die Produktionshalle liegt am Rande einer neuen Autobahn, mitten im Feld. In einiger Entfernung steht eine eintönige Betonsiedlung. Es gibt weder eine Kneipe noch einen Imbiss oder auch nur ein paar Bänke, auf denen man zusammensitzen kann. Die meisten Näherinnern sind Wanderarbeiterinnen und wohnen in Schlafsälen direkt neben der Fabrik. Auch Jugendliche unter 15 Jahren, vom Gesetz her noch viel zu jung, um unter diesen Bedingungen zu arbeiten, gehören zur Belegschaft. Von morgens um 8 bis abends um 21 Uhr sitzen sie mit gebeugtem Rücken über der Maschine, unterbrochen wird der dreizehnstündige Arbeitstag nur durch zwei Essenspausen. Um 22 Uhr werden die Schlafsäle zugesperrt.

Einen schriftlichen Arbeitsvertrag haben viele nicht. Wer kündigen will, muss um Erlaubnis fragen. Oft passt es dem Arbeitgeber nicht, sich neue Leute zu suchen, oder er findet so schnell niemanden. Häufig machen die Auftraggeber aus Europa oder den USA soviel Druck, dass täglich bis 22 Uhr und am Wochenende manchmal sogar bis Mitternacht gearbeitet werden muss. Dann verweigert der Chef einfach die Kündigung. Weil alle Betriebe den Lohn erst mit wochenlanger Verzögerung auszahlen, können die Arbeiter nicht einfach gehen – oder sie müssen in Kauf nehmen, 20 bis 50 Tage umsonst geschuftet zu haben. Manchmal werden Frauen mit Gewalt davon abgehalten zu gehen. Dann bleibt ihnen nur die Möglichkeit, sich nachts aus den gut bewachten Schlafsälen zu schleichen und zu hoffen, dass niemand sie ertappt.

In manchen Fabriken wird an sieben Tagen in der Woche gearbeitet, nur zwei Tage im Monat sind frei. Bis zu 336 Stunden im Monat nähen die Arbeiterinnen Mäntel, Blusen, Hosen und T-Shirts. Trotz der zahllosen Überstunden verdienen viele von ihnen nicht einmal den gesetzlichen Mindestlohn, der sich an einer 40-Stunden-Woche orientiert und je nach Region zwischen monatlich 480 und 690 Yuan (46 bis 66 Euro) beträgt. Legt man die in China gesetzlich vorgeschrieben Überstunden- und Feiertagszuschläge zugrunde, verdienen neu eingestellte Arbeiterinnen oft nur ein Drittel dessen, was ihnen zusteht.

Die Unterbringung in Schlafsälen ermöglicht den Arbeitgebern eine intensive Überwachung der Belegschaft. Wer versucht, sich für bessere Arbeitsbedingungen einzusetzen und darüber auch nur mit den Kolleginnen diskutieren will, muss mit einem Rausschmiss rechnen. Zugleich dienen die rigiden Einschlusszeiten dazu, Schwangerschaften zu verhindern – denn werdende Mütter halten den langen Arbeitstag irgendwann nicht mehr durch und fallen anschließend eine Weile völlig aus. Dem chinesischen Recht entspricht diese Praxis nicht, doch im Alltag werden die Gesetze immer wieder übergangen…

Die Broschüre gibt es für fünf Euro auf Papier über Fax 02241/51308 oder im Internet unter: www.suedwind-institut.de

aus dem Artikel »Ich frage mich, warum die Sachen so billig sind« in Publik-Forum 11/2007



Martin Domke, Sprecher der Kampagne Fair Play – Fair Life, hat die Entscheidung des Sportartikelherstellers Nike, wieder in Pakistan zu produzieren, als »interessant« bezeichnet. Es tue sich offenbar etwas in der Fußballproduktion. Nike hatte die Pakistan-Produktion eingestellt, nachdem es massive Proteste wegen unlauterer Arbeitsbedingungen und Kinderarbeit gegeben hatte. Nun, so Nike, habe der pakistanische Vertragspartner zugesagt, neue Arbeitsrichtlinien für die Branche einzuführen. Alle Arbeitnehmer sollten als Vollzeitkräfte eingestellt werden, einen ordentlichen Stundenlohn und Anspruch auf Sozialleistungen erhalten: »Der Vertrag verbietet den Einsatz von Teilzeitarbeitern, die nach Stückzahl hergestellter Bälle bezahlt werden und keinerlei Anrecht auf Gesundheitsfürsorge und andere Sozialleistungen haben«, so Nike.
aus Publik-Forum 11/2007

Mehr Jobs,weniger Rendite


Was Familienunternehmer von Aktionären unterscheidet

Alle sprechen über den Börsenboom und den Deutschen Aktienindex (Dax), doch die Bilanz der 30 Dax-Unternehmen ist nicht berauschend. Von 2003 bis 2005 haben sie ihre Renditen erheblich gesteigert, aber die Zahl ihrer Mitarbeiter in Deutschland um 3,S Prozent auf 1,6 Millionen abgebaut.

Besser ist die Bilanz der 500 größten deutschen Familienunternehmen. Sie haben ihre inländischen Belegschaften von 2003 bis 2005 um rund zehn Prozent aufgestockt. Diese Zahlen aus einer Studie des Bonner Instituts für Mittelstandsforschung zeigen, dass Familienunternehmen für die Wirtschaft und vor allem für die Beschäftigten weitaus bedeutender sind, als dies oft angenommen wird.

Bei den Gewerkschaften sind Familienunternehmen nicht immer beliebt, weil diese in vielen Fällen patriarchaler geführt werden als Kapitalgesellschaften. Dennoch bietet die Struktur von Familienunternehmen gerade in Zeiten wachsender globaler Konkurrenz große Vorteile. Börsennotierte Aktiengesellschaften müssen vor allem eine hohe Rendite für ihre Aktionäre erwirtschaften. Da an den Börsen Renditen auf das eingesetzte Kapital, von rund 20 Prozent erwartet werden, setzen Börsenunternehmen vor allem auf die Senkung ihrer Kosten: Dann steigt zwar ihr Umsatz – bei den Dax-Unternehmen zwischen 2003 und 2005 um durchschnittlich neun Prozent –, dennoch werden Arbeitsplätze abgebaut. Dazu kommt die äußerst kurzfristige Ausrichtung dieser Unternehmen: Sie müssen zumeist in jedem Quartal bilanzieren und setzen deshalb auf den schnellen Erfolg.

Nicola Leibinger- Kammüller, Familienchefin des baden-württembergischen Maschinenbauunternehmens Trumpf sieht denn auch den größten Vorteil der Familienunternehmen in ihrer langfristigen Ausrichtung: »Familienunternehmen lassen sich nicht von Quartalsberichten diktieren.« Für Firmen wie Trumpf sei es wegen der geringeren Abhängigkeit von den Börsen und von renditeorientierten Anteilseignern leichter, auch eine Krise ohne massive Kahlschläge bei den Mitarbeitern zu überstehen.

Dazu kommt, so Stefan Heidbreder, Geschäftsführer der Stiftung Familienunternehmen, »dass diese Betriebe nicht primär durch Übernahmen von Mitbewerbern und Fusionen wachsen, die in der Regel hohe Arbeitsplatzverluste bedeuten. Sie wachsen stattdessen organisch aus sich heraus«. So zeigt denn die Studie des Instituts für Mittelstandsforschung einmal mehr, dass die Krise der deutschen Wirtschaft nicht in erster Linie eine Krise der Konjunktur ist. sondern auch eine Krise der Eigentumsstrukturen: Je mehr Kapital an die Eigentümer abgeführt wird, desto weniger Arbeitsplätze bleiben. • Wolfgang Kessler

aus Publik-Forum 11/2007

Bischof von Kärnten gegen Hedgefonds

Hedgefonds sind »ethisch nicht vertretbar«. Dies ist die Einschätzung des Kärntner Bischof Alois Schwarz. Seine Begründung: Hedgefonds stünden für eine ausschließlich an maximalem Profit orientierten Investmentstrategie, die keine sozialen oder ökologischen Kriterien berücksichtigen. Die scharte Kritik bezieht sich auf Anlagefonds, die unter dem Namen Hedgefonds geführt werden. Diese Fonds sammeln Geld von Großanlegern aus der ganzen Welt und investieren es in spekulative Anlagen oder beteiligen sich an Unternehmen. Ihr Ziel ist die höchstmögliche Rendite für' die Anleger. Seine radikale Kritik an dieser Anlageform stellt Schwarz an die Seite grundsätzlicher Wirtschaftskritiker, die Hedgefonds als schädlich für Unternehmen und als spekulativen Risikofaktor für die Weltwirtschaft beschreiben. Schwarz selbst betont dass seine Diözese beim Aufbau von Vorsorgefonds für pensionierte Priester eine andere Anlagestrategie verfolge. Hochspekulative Anlagen seien grundsätzlich ausgeschlossen. Maximal 30 Prozent der Gelder würden in Aktien investiert die anderen in sichere Wertpapiere. Außerdem würde bei den Anlagen auf Ethik und Nachhaltigkeit geachtet.

aus Publik-Forum 11/2007