Es begann als ganz normaler Nachmittag in einem ganz normalen Berliner Bezirk. Eine Frau kommt vom Stadtbummel mit ihrer Tochter, sitzt im Bus, liest ihr frisch gekauftes Buch und ist fest entschlossen, sich den Tag durch nichts und niemanden vermiesen zu lassen. Auch nicht durch die Lümmel in der letzten Bank, die, kaum eingestiegen, damit beginnen, infernalisch laut mit den Füßen zu trampeln. Niemand guckt, niemand sagt etwas. Auch die Frau nicht. Erst als die Halbwüchsigen quer durch den Bus pöbeln, blickt sie auf. Sekunden später stürzen sich die sechs Jungen auf drei andere Jugendliche, die bisher still und brav in der ersten Reihe gesessen haben, und schlagen brutal auf sie ein.
Die beiden anderen Fahrgäste im Oberdeck gucken aus dem Fenster, die Busfahrerin fährt weiter. Nur die Frau, kaum 1,60 groß, zierlich, Mitte fünfzig, steht auf und sagt: „Was ist denn hier los, so geht’s doch nicht. Kann der Bus mal anhalten? Ich rufe jetzt die Polizei."
Laut und deutlich sagt sie das, aber niemand reagiert: Nicht die Busfahrerin, nicht die anderen Fahrgäste – und auch die prügelnden Jugendlichen gucken nur kurz zu ihr hin. Als sie aber sehen, daß sie tatsächlich mit der Polizei telefoniert, lassen sie von ihren Opfern ab und drängen zum Ausgang. Die anderen Fahrgäste gucken jetzt auf ihre Schuhspitzen, der Bus hält endlich an – fahrplanmäßig. Auf dem Weg nach draußen müssen die Täter an der Frau vorbei, einer rennt sie absichtlich mit voller Wucht um. Sie rappelt sich wieder hoch und schafft es auch nach unten.
Inzwischen sind zwei Polizisten da, einer verfolgt die Gewalttäter und nimmt sie mit aufs Revier. Die Frau hat starke Schmerzen in der Schulter. Der andere Polizist ruft einen Krankenwagen. Ein Fahrgast bietet sich als Zeuge des Vorfalls an, andere beschweren sich, daß der Bus nicht weiterfährt.
Am nächsten Tag weiß die Frau, daß ihr Schultergelenk gebrochen ist und nur langsam heilen wird. Ihr wird bewußt, daß sie zum ersten Mal in ihrem Leben körperliche Gewalt erfahren hat. In der Zeitung kann sie lesen, daß sie Opfer einer brutalen Jugendbande geworden sei, weil sie sich eingemischt habe.
Ohne ihre Einmischung hätte die Jugendbande die drei anderen Jungen ungestört weiter verprügelt, Blut wäre geflossen, vielleicht wären auch Messer zum Einsatz gekommen.
Das erfährt sie nicht aus der Zeitung, sondern von der Polizei, die schon öfter mit dieser Jugendbande zu tun hatte. Selbst in einer großen Stadt wie Berlin sind es nämlich immer die Gleichen, die durch brutale Gewalttaten auffallen. Verschwindend wenige sind es und die Wahrscheinlichkeit, ihnen im Bus zu begegnen, ist minimal.
Viel wahrscheinlicher ist es, daß man auf Fahrgäste trifft, die nichts hören und nichts sehen wollen, und auf Busfahrer, die nicht reagieren, wenn man sie um etwas bittet.
Wenn man ihnen aber doch begegnet, dann nützt es nichts, sich unsichtbar zu machen, um dann hinterher um so lauter in Talkshows, Leserbriefen oder an Stammtischen über die schlecht erzogene und verrohte Jugend zu lamentieren. Stattdessen muß man ihnen an Ort und Stelle deutlich machen, daß sie mit ihrem Verhalten nicht einfach so durchkommen. Dafür müssen nicht nur Polizisten, Busfahrer oder Lehrer sorgen, sondern alle Erwachsenen, die als solche ernst genommen werden möchten. Auch wenn es unbequem ist und manchmal weh tut.
Die kleine zierliche Frau aus dem Bus kann nach drei Wochen Krankenhaus und sechs Wochen Reha ihre Schulter fast wieder so bewegen wie früher. Sie jedenfalls würde sich wieder einmischen, wenn Unschuldige angegriffen werden. Vielleicht muß sie es beim nächsten Mal ja nicht alleine tun.
Die beiden anderen Fahrgäste im Oberdeck gucken aus dem Fenster, die Busfahrerin fährt weiter. Nur die Frau, kaum 1,60 groß, zierlich, Mitte fünfzig, steht auf und sagt: „Was ist denn hier los, so geht’s doch nicht. Kann der Bus mal anhalten? Ich rufe jetzt die Polizei."
Laut und deutlich sagt sie das, aber niemand reagiert: Nicht die Busfahrerin, nicht die anderen Fahrgäste – und auch die prügelnden Jugendlichen gucken nur kurz zu ihr hin. Als sie aber sehen, daß sie tatsächlich mit der Polizei telefoniert, lassen sie von ihren Opfern ab und drängen zum Ausgang. Die anderen Fahrgäste gucken jetzt auf ihre Schuhspitzen, der Bus hält endlich an – fahrplanmäßig. Auf dem Weg nach draußen müssen die Täter an der Frau vorbei, einer rennt sie absichtlich mit voller Wucht um. Sie rappelt sich wieder hoch und schafft es auch nach unten.
Inzwischen sind zwei Polizisten da, einer verfolgt die Gewalttäter und nimmt sie mit aufs Revier. Die Frau hat starke Schmerzen in der Schulter. Der andere Polizist ruft einen Krankenwagen. Ein Fahrgast bietet sich als Zeuge des Vorfalls an, andere beschweren sich, daß der Bus nicht weiterfährt.
Am nächsten Tag weiß die Frau, daß ihr Schultergelenk gebrochen ist und nur langsam heilen wird. Ihr wird bewußt, daß sie zum ersten Mal in ihrem Leben körperliche Gewalt erfahren hat. In der Zeitung kann sie lesen, daß sie Opfer einer brutalen Jugendbande geworden sei, weil sie sich eingemischt habe.
Ohne ihre Einmischung hätte die Jugendbande die drei anderen Jungen ungestört weiter verprügelt, Blut wäre geflossen, vielleicht wären auch Messer zum Einsatz gekommen.
Das erfährt sie nicht aus der Zeitung, sondern von der Polizei, die schon öfter mit dieser Jugendbande zu tun hatte. Selbst in einer großen Stadt wie Berlin sind es nämlich immer die Gleichen, die durch brutale Gewalttaten auffallen. Verschwindend wenige sind es und die Wahrscheinlichkeit, ihnen im Bus zu begegnen, ist minimal.
Viel wahrscheinlicher ist es, daß man auf Fahrgäste trifft, die nichts hören und nichts sehen wollen, und auf Busfahrer, die nicht reagieren, wenn man sie um etwas bittet.
Wenn man ihnen aber doch begegnet, dann nützt es nichts, sich unsichtbar zu machen, um dann hinterher um so lauter in Talkshows, Leserbriefen oder an Stammtischen über die schlecht erzogene und verrohte Jugend zu lamentieren. Stattdessen muß man ihnen an Ort und Stelle deutlich machen, daß sie mit ihrem Verhalten nicht einfach so durchkommen. Dafür müssen nicht nur Polizisten, Busfahrer oder Lehrer sorgen, sondern alle Erwachsenen, die als solche ernst genommen werden möchten. Auch wenn es unbequem ist und manchmal weh tut.
Die kleine zierliche Frau aus dem Bus kann nach drei Wochen Krankenhaus und sechs Wochen Reha ihre Schulter fast wieder so bewegen wie früher. Sie jedenfalls würde sich wieder einmischen, wenn Unschuldige angegriffen werden. Vielleicht muß sie es beim nächsten Mal ja nicht alleine tun.
Sigrun Matthiesen
(Sie ist Journalistin und Filmemacherin und lebt in Berlin.)
Johanniter 3/06