Dem Alten Mann scheint es tendenziell ähnlich zu gehen:
- Wenn Fernsehkommentare Plaque auslösen (altermannblog, 25.11.2014)
Als ich mit dem Ukraine-Bloggen anfing, dachte ich, ich könnte etwas verstehen oder zum Verstehen beitragen. Ich hatte auch die – inzwischen absurd erscheinende – Hoffnung, ich könnte zu so etwas wie einer Wahrheit durchdringen. Dann hoffte ich, die für das Vorgehen in der Ukraine verantwortlichen Kräfte ausfindig machen und diese, so, wie ich’s im Präp-Kurs vor 32 Jahren (Oh Gott, wie die Zeit vergeht!) gelernt habe, freipräparieren zu können.
Ich hoffte dazu beitragen zu können, daß denen nicht mehr geglaubt wird…
Jetzt kann ich soviel freipräparieren, wie ich will, die Polit- und die Medien-Maschinerien laufen weiter. Jeder haut dem Anderen seine Sichtweise um die Ohren. Und es spielt keine Rolle, wieviel oder was aufgeklärt wird. Es geht einfach weiter. So weit, daß wir in eine Situation gelangen, wo es nicht mehr so sehr um die Inhalte geht, um die wir uns streiten, sondern um uns selbst. Wo das, um das es geht, gar nicht mehr geklärt werden darf, weil ich sonst mein Gesicht verliere.
Auch die NATO-Generalsekretäre werden so weitermachen, ob sie nun Anders Fogh Rasmussen oder Jens Stoltenberg heißen. Die Amerikaner werden weiter ihre Vormachtstellung auszubauen versuchen, wie auch die ukrainischen Politiker weiterhin versuchen werden, die russischsprachigen Menschen im Osten des Landes zu vertreiben und mittels viel Lärm und Katastrophenmeldungen Westeuropa für ihre Ziele einzuspannen.
Die Oligarchen in der Ukraine werden weitermachen, mögen sie Rinat Achmetow oder Petro Poroschenko heißen. Sie mögen ihre Gold- durch Keramik-Zähne austauschen (Poroschenko, das verbessert die Akzeptanz im Westen), aber sie werden auch mit Keramik-Zähnen so weitermachen wie bisher. Auch die westlichen Oligarchen werden so weitermachen, ob sie George Soros heißen oder Warren Buffett. Oligarchen wie Soros haben sich in dem System inzwischen so etabliert, daß sie verdienen, egal, wohin die Karawane zieht.
Was kann dann getan werden?
Es kann nur immer wieder um die Fähigkeit gehen, eine ziemlich unerquickliche Situation auszuhalten, in der einerseits vertuscht, verdreht und gelogen wird und man andererseits zur Kenntnis nehmen muß, daß dieses Theater von den meisten Menschen geglaubt wird.
Man kann immer wieder nur geduldig auf die Widersprüche aufmerksam machen und darauf vertrauen, daß die Wahrheit irgendwann ans Licht kommen wird.
Wenn die Leute das ganze Video sehen,
(MH17:Medien-Horrorgeschichten! So wird verdreht und manipuliert [10:12], zu finden in Ukraine 13 – Unser westliches System und die MH 17-Berichterstattung, Post, 27.07.2014),
dachte ich, werden Sie merken, daß da genau das Gegenteil von dem abgeht, was in dem Bild suggeriert wird:
Je mehr ich mich mit der Ukraine-Krise befaßte, desto fassungsloser mußte ich zur Kenntnis nehmen, daß unsere gesamte Qualitätsmedien-Bagage bei dem Lügen und Verdrehen mitmachte. Es ist definitiv so, daß die sich nicht einfach nur irren oder nachlässig arbeiten. Unsere Qualitätsmedien versuchen eindeutig, Stimmung zu machen. Und dafür ist ihnen jedes Mittel recht:
In »Hart aber fair« wurde Iwan Rodjonov ständig vor einem maskierten Heckenschützen plaziert. (Der Ukraine-Konflikt 3 – Westliche Naivität oder westliche Machtpolitik?, Post, 25.03.2014) |
Screenshot von Günther Jauchs Sendung vom 16.11.2014 (siehe: Interview: Putin und der russische Standpunkt, Post, 19.11.2014) |
Die alt-ehrwürdige FAZ entblödete sich nicht, neben der x-ten Meldung über russische Grenzüberschreitungen (sicherheitshalber relativiert durch »angeblich« und »Kiew meldet«) die ostukrainischen Gebiete als »durch Separatisten besetzte Gebiete« zu beschreiben.
Ostukraine – Kiew meldet „intensive“ Truppenbewegung, FAZ, 02.11.2014 |
Aber Donezk und Lugansk als von den Menschen, die dort leben,»besetzt« zu bezeichnen…
Da hat man doch als halbwegs aufmerksamer Leser den Eindruck, daß da ein desinteressierter Praktikant was in die Tasten haut, wo man sich freuen muß, daß er die drei Zeilen noch ohne drei Rechtschreibfehler auf die Reihe kriegt. Und gibt es da jemanden, der das gegenliest? Als ich noch in der Klinik arbeitete, gab’s einen Oberarzt, der meine Briefe gegenzeichnete, und das war oft nicht besonders angenehm…
Zu dem Begriff »prorussisch« sagt Gabriele Krone-Schmalz in dem Video
Im Dialog: Gabriele Krone Schmalz über Ukraine-Konflikt, Russland, Putin, Medien, Post, 23.11.2014 (bei 19:06) etwas.
Kopfschüttelnd sah ich, wie Claus Kleber Joe Kaeser
oder Tina Mendelsohn Bazon Brock
bestimmte Aussagen in den Mund zu legen versuchten. Wie unglaublich plump!
(siehe Ukraine 9 – Wider die veröffentlichte Meinung, Post, 11.05.2014)
(Die ARD und ZDF-Lügner: Dasselbe Video - verschiedene Berichterstattung [1:18], in Ukraine 13 – Unser westliches System und die MH 17-Berichterstattung, Post, 27.07.2014) |
(Russische Propaganda und die objektive Berichterstattung des Westens [14:59] zu sehen in Ukraine 13 – Unser westliches System und die MH 17-Berichterstattung, Post, 27.07.2014) |
Tagesthemen 20.05.2014 - 10.000 Menschen? Die Presse Lügt! [10:10] (in Ukraine 13 – Unser westliches System und die MH 17-Berichterstattung, Post, 27.07.2014) |
Tagesthemen - Entschuldigung für fehlerhaften Ukraine-Beitrag [01.10.2014] [1:20] (in “Tagesthemen”-Moderator Thomas Roth entschuldigt sich on Air für Ukraine-Patzer, Post, 02.10.2014) |
»Es ist enorm schwierig, zum Teil widersprüchliche und bruchstückhafte Informationen zu bewerten und dann unter großem Zeitdruck korrekt einzuordnen. Unter diesen Umständen sind Fehler möglich, auch wenn wir alles daransetzen, sie zu vermeiden.«
Letzten Samstag stehe ich in der Schlange im Supermarkt, und der Name »Putin« fällt. Der Kassierer reagiert: »Putin? Arschloch! Erschießen!«
Na gut, das dürfte klar sein: Für den schreibe ich nicht.
Ich bin inzwischen auf den Trichter gekommen, daß, egal, was passiert (Ukraine 20 – ARD-Programmbeirat bestätigt Publikumskritik, Post, 18.09.2014), die sogenannten Qualitäts- oder Leitmedien einfach so weitermachen werden.
(aus: Tagesschau sachlich und objektiv: »Putin, einsam und verlassen«, Post, 19.11.2014) |
Was kann also getan werden?
Wir müssen es auszuhalten lernen, daß sich unsere europäische Gesellschaft gerade selbst ganz furchtbar ans Bein pinkelt.
Wir sollten auf eine offene Diskussion hinarbeiten. Ich wünsche mir eine Diskussion, in darüber nachgedacht werden kann, wo wir hinwollen. Ich habe keine Ahnung mehr, wo die deutsche Politik hinwill. In Deutschland scheint es nur noch ums Sparen zu gehen und darum, den Amerikanern hinterher zu laufen.
Als zweites benötigen wir möglichst fundierte Informationen; Nachrichten, die erkennbar trennen zwischen Information und Interpretation.
Und dafür brauchen wir saubere und seriöse Journalisten wie Gabriele Krone-Schmalz, wie Peter Scholl-Latour oder Ulrich Wickert. (Eine längere Liste: Menschen, die mir während der Ukraine-Krise positiv aufgefallen sind, Post, 17.09.2014) Wir brauchen Leute, die den Mut haben, uns einfache Antworten vorzuenthalten.
Und als drittes benötigen wir verständliche und nachvollziehbare Übersichtsartikel wie diese von
- Daniela Dahm (Frieden muss gestiftet werden – Exempel Kosovokrieg oder: das Völkerrecht als Gegner (Daniela Dahn, Blätter für deutsche und internationale Politik, November 2014)),
- Julian Nida-Rümelin:
- Die Vorwürfe gegen Putin klingen stark nach Kriegs-Propaganda (Stern, 29.07.2014)
- Zur Ukraine-Krise (Frankfurter Hefte 4/2014, PDF).
- Die ökonomische Praxis ist auf Tugenden angewiesen (Interview 2012, PDF-Download)
- The Responsibility to be Responsible – Über Außenpolitik und Verantwortung (Hanna Pfeifer, Kilian Spandler, Wissenschaft und Frieden, 2014-4)
- Roter Faden durch den ukrainischen Dschungel. (IPPNWforum 138, Juni 2014 S. 22, Die Zeitschrift kann man sich online hier ansehen.
Und zum Schluß will ich weiterhin bestimmte Blogs und Internet-Periodika besuchen können, weil ich mich da wiederfinde und weil ich in deren Seriosität vertrauen darf … (Medien, Post, 29.04.2014)
Was ich seit Beginn meines politischen Denkens immer wieder feststelle: Einfach nur »Nein« zu sagen mag ein Anfang sein, mehr aber auch nicht. Wir brauchen eine Vorstellung davon, wo wir hinwollen. Und deshalb gilt es einen Blick zu erlernen, der sich nicht von Rauchbomben ablenken läßt, und eine innere Haltung, die es uns gestattet, unerquickliche Realitäten zur Kenntnis zu nehmen, ohne sich davon abwenden zu müssen.
aktualisiert am 27.11.2014