Es war Sonntag, der 18. Januar. Da bestieg Pastor Olaf Latzel die Kanzel der St.-Martini-Kirche in Bremen. Predigttext war eine Stelle aus dem Alten Testament, genauer: aus dem Buch Richter 6, Vers 25 bis 32.
Für alle nicht ganz Bibelfesten: Die erzählt die Geschichte des Richters Gideon, des „Holzhackers“ oder „Zerstörers“, so sein Name auf Deutsch. Gideon erhält von Gott den Auftrag, den Altar des Baal-Kultes niederzureißen. Gideon vollzieht Gottes Befehl heimlich in der Nacht. „Als nun die Leute in der Stadt früh am Morgen aufstanden, siehe, da war der Altar Baals niedergerissen und das Ascherbild daneben umgehauen“ (Richter 6, 28).
Ganz klar: Multikulturalismus und religiöse Ökumene sehen anders aus. Der Predigttext hat es in sich, zumal in Zeiten von Regenbogentheologie, interreligiösem Dialog und Patchwork-Religiosität. Denn was Gott hier einklagt, ist ganz klar: Null Toleranz.
Daran gibt es wenig herumzudeuteln. Und so griff Pastor Latzel in seiner Sonntagspredigt beherzt den Geist des Gideon-Textes auf: Eine bunte Religionswelt, ein bisschen dies, ein bisschen das, religiöser Synkretismus, das sei mit Gott nicht zu machen. Deshalb habe Gott die Reinigung von fremden Göttern befohlen.
Diese Reinigung habe jedoch bei jedem selbst anzufangen: „Wenn ich Christ bin“, so Latzel, „dann habe ich keine Talismänner mehr, ..., irgendwelche Amulette, wo irgendwelche Heiligen drauf sind“. Insofern sei auch die Reformation eine Reinigung gewesen, von Götzendienst, Reliquienanbetung und Heiligenverehrung.
Gegenwind zum Sound des Fundamentalismus
So weit, so protestantisch, so gut. Wo Latzel recht hat, hat er recht. Doch da der Pastor nun einmal in Fahrt war, legte er jetzt so richtig los: Gegen die abrahamitische Ökumene und die Vorstellung, Muslime, Juden und Christen hätten denselben Gott. Gegen gemeinsame Gebetshäuser wie The House of One, einem interreligiösen Gebäude, das in Berlin Mitte entstehen soll. Und gegen die Vorstellung, im Grunde würden doch alle Religionen zu demselben Gott beten.
Keine Frage: Mit der Political Correctness hat es Pastor Latzel nicht so. Und so stellt er fest: „Es gibt nur einen wahren Gott. Wir können keine Gemeinsamkeiten mit dem Islam haben“. Die Teilnahme an religiösen Festen, dem „Zuckerfest und all diesem Blödsinn“, verbiete sich, denn schließlich sei das Götzendienst. Und bei aller Ökumene müsse man trotzdem festhalten: „Dieser ganze Reliquiendreck und -kult, der ist heute noch in der katholischen Kirche verbreitet.“ Da dürfe man nicht einfach mitmachen. Die Lehre der katholischen Kirche sei „ganz großer Mist“ und „Irrsinn“. „Aber sag was dagegen, dann störst du den ökumenischen Frieden“.
Selbst wenn man einmal davon absieht, dass Pastor Latzel sich mitunter etwas im Ton vergreift, ist seine Wutpredigt harter Tobak. Soviel ist klar. Und dass es heftigen Gegenwind gab, verwundert nicht wirklich. Doch gerade das Unzeitgemäße, das Störrische und Widerspenstige macht diese Predigt zugleich so spannend.
Zunächst: Latzel vertritt genau jenen theologischen Konservativismus, den wir bei islamischen Klerikern zu Recht beargwöhnen und als Gefahr für unsere Gesellschaft wahrnehmen.
Charakteristisch hierfür: Das wörtliche Verständnis religiöser Texte und der Unwille, sie einer modernen Lesart zuzuführen. An einer Stelle sagt Latzel: „Das fordere nicht ich. Das fordert unser Herr und Gott“. Genau dieses „Gott will es“ ist der Sound des Fundamentalismus.
mehr:
- Wutpredigt gegen die Ökumene – Warum wir über Pastor Latzel staunen dürfen (Alexander Grau, Cicero, 14.02.2015)
- Der Fall Olaf Latzel: eine Predigt erregt Aufsehen (Bibelbund, 08.02.2015)
Auch nach mehrmaligem Anhören der Predigt hatte ich Mühe, die Aufregung in dieser Intensität nachzuvollziehen. Es sei vorweg angemerkt, dass es sich bei einer Predigt nicht um einen religionssoziologischen Vortrag oder eine Rede an die Nation handelt. Eine Predigt ist in der Regel auf eine bestimmte Zuhörerschaft gemünzt, nimmt deren Ausgangslage und Kenntnisstand wahr und versucht darauf einzugehen. Dass Aussagen einer solchen Rede von Außenstehenden missverstanden werden können, liegt in der Natur der Sache.
St. Martini ist eine Gemeinde mit einer bewegten Geschichte, in der in den letzten Jahrzehnten gesellschaftsrelevante Themen immer wieder angesprochen und kontrovers diskutiert wurden. Ich verweise nur auf den im vergangenen Jahr verstorbenen Prof. Dr. Dr. Georg Huntemann, der zu den Vorgängern Latzels in St. Martini zählt.6 Allerdings hat sich die Diskussionskultur in unserem Land mittlerweile ebenso verändert wie die Berichterstattung der Medien – von einer offenen Streitkultur hin zu einer Kultur der Betroffenheit und Empörung, in der man bestimmte Dinge sagen darf, andere besser nicht.
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