Samstag, 27. Juli 2019

Die letzte Schlacht

Die umkämpfte syrische Provinz Idlib wäre längst befriedet, würden die Dschihadisten nicht von westlichen Mächten unterstützt.

Aus Idlib wird nach wie vor von schweren Kämpfen und Menschenrechtsverletzungen berichtet. Die Lesart in westlichen Medien ist meist, dass Zivilisten und gutwillige „Rebellen“ von Truppen des Assad-Regimes drangsaliert werden. Doch wie so oft stellt dies eine grobe Verzerrung der Realität dar. In Idlib halten sich noch immer Tausende von islamischen Extremisten auf, die eine Khalifat zu errichten versuchen. Syrische und unterstützende russische Truppen versuchen die Zone zu befreien und so ein Ende der Kampfhandlungen herbeizuführen. Doch westliche Mächte halten ihre schützende Hand über die Dschihaddisten. Sie wollen verhindern, dass die Kämpfer „in alle Richtungen zerstreut“ und so zu einer Gefahr auch für Europa werden.

Kaum ein Tag vergeht, an dem in hiesigen Medien nicht etwas über neue Katastrophen in der nordwestsyrischen Provinz Idlib steht. Zuletzt titelte die Deutsche Presseagentur (dpa): „UN: Regierungsoffensive in Syrien vertreibt mehr als 400.000 Menschen.“ Die Botschaft ist klar: Zivilbevölkerung und „Rebellen“ werden von der syrischen Armee niedergemacht.

Die Agentur beruft sich auf den UN-Vertreter in Damaskus, der zum monatlichen Bericht des UN-Büros für Nothilfe (OCHA) Stellung bezog. Zitiert wird auch die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, Michelle Bachelet, die am Freitag der syrischen Regierung und ihren Verbündeten (Russland, Iran, kl) vorwarf, Kliniken, Schulen und andere zivile Infrastruktur anzugreifen. Weil das so häufig geschehe, seien die Angriffe kein Zufall und damit Kriegsverbrechen, so Bachelet. Auf die wiederholten Reaktionen Russlands zu den Vorwürfen, ging sie nicht ein (1, 2).

Dem Bericht wurde eine Liste von Angriffen zwischen dem 16. und 25. Juli beigefügt, die ausschließlich das Gebiet der Al-Qaida-nahen Organisation Hayat Tahrir al Sham (HTS) und mit dieser verbündeten Kampfverbänden trafen. Diese Gruppe, die von der UNO als Terrororganisation gelistet ist, wird von der UN-Hochkommissarin für Menschenrechte nicht erwähnt. Immerhin hatte schon der frühere US-Beauftragte für den Anti-IS-Kampf Brett McGurk 2017 darauf hingewiesen, dass vor den Toren der Türkei in Idlib ein „Sicherer Hafen für Al Qaida“ entstanden sei, siehe auch weiter unten.

Auf die Opfer jenseits der HTS-Gebiete geht Bachelet in einem Nebensatz ein. Ihr lägen Informationen von drei Angriffen vor, bei denen 11 Zivilisten getötet wurden, die zwischen dem 21. und 23. Juli von „nicht-staatlichen bewaffneten Gruppen in dem von der Regierung kontrollierten Gebiet“ verübt worden seien. Trotz einer Deeskalationsvereinbarung 2017 und einer vereinbarten entmilitarisierten Zone 2018 seien Idlib und die umliegenden Gebiete einer „schweren militärischen Eskalation“ ausgesetzt.

Das ist richtig, doch jeder Journalist und jede Journalistin müssen sich angesichts einer solchen Erklärung fragen, was ist da los? Warum funktioniert die Deeskalation nicht, warum wird in der entmilitarisierten Pufferzone um Idlib herum so schwer gekämpft? Worum geht es, wurde etwas getan, um die Zivilbevölkerung zu schützen? Was sagt die syrische Armee, was ihre Verbündeten zu den Vorwürfen?

Der folgende Text geht auf die Hintergründe, Entwicklungen und Stellungnahmen ein.

mehr:
- Die letzte Schlacht (Karin Leukefeld, Rubikon, 27.07.2019)
siehe auch:
- Die US-imperiale Strategie, der »Zwang« Kriege führen zu müssen und die Manipulation der öffentlichen Meinung (Post, 16.12.2018)

Die Verantwortungslüge

Der Neoliberalismus missbraucht unser Verantwortungsgefühl, um uns die Schuld für sein Versagen aufzuhalsen.

„Es liegt an dir“, hören wir landauf, landab. Oder: „Sei selbst die Veränderung, die du in der Welt sehen willst.“ Das klingt so gut und ist so gut gemeint, dass sich sehr viele den Schuh anziehen und sich mit Schuldgefühlen plagen. Unser Verantwortungsbereich scheint immer mehr zu wachsen, während durch die autoritäre Politik der Mächtigen unser tatsächlicher Einfluss nach und nach schrumpft. Der Einzelne wird dazu angehalten, durch ethische Konsumentscheidungen auf eigene Kosten die Fehler von Politik und Wirtschaft zu korrigieren. Von „Eigenverantwortung“ wird immer dann gesprochen, wenn sich die Institutionen aus der Verantwortung zurückziehen. Und wenn sie uns eine Verschlimmerung unserer Situation aufzwingen wollen. Somit ist Eigenverantwortung heutzutage vor allem das Lieblingswort der Verantwortungslosen.

„Ein bisschen Eigenverantwortung finde ich schon richtig“, sagte mein Zahnarzt, als er mir die hohe Rechnung präsentierte. Meine Krankenkasse würde davon keinen Cent übernehmen. Auch der ehemalige FDP-Fraktionsvorsitzende Rainer Brüderle forderte mehr Eigenverantwortung. Für die Pflegeversicherung solle — wie schon bei der Rente — jeder selbst vorsorgen. Auf dem Arbeitsmarkt gilt schon längst: „Fördern und Fordern“. Der geringe Hartz IV-Satz soll „die Eigenverantwortung des Leistungsempfängers stärken“.

Das hört sich gut an. Scheinbar steht dahinter das Ideal einer autonomen Persönlichkeit. Man befreit sich aus Abhängigkeiten und trifft für sein Leben Entscheidungen. Geht es schief, trägt man dafür die Verantwortung. Ich bin gerührt, dass sich Menschen wie Brüderle und mein Zahnarzt so für meine Entwicklung zu einer reifen Persönlichkeit engagieren.

Haben wir es uns bisher etwa zu leicht gemacht? Angela Merkel jedenfalls wirft uns vor: „Wir haben alle über unsere Verhältnisse gelebt.“ Prinz Charles setzt eins drauf: „Wir zerstören die Klimaanlage unseres Planeten.“ Dirk Fleck, Autor eines Ökothrillers, nennt uns pauschal die „Tätergeneration“. Wir zerstören mit unserer Art zu leben und zu wirtschaften die Lebensgrundlagen unserer Nachkommen. Das bedrückt mich umso mehr, als ich ja schon von Geburt an dem Tätervolk (Deutschland) und dem Tätergeschlecht (Männer) angehöre. Erdrückend viel Schuld für einen eigentlich ziemlich harmlos wirkenden Typen. Ich schlafe in letzter Zeit schlecht.

mehr:
- Die Verantwortungslüge (Roland Rottenfußer, Rubikon, 27.07.2019)
siehe auch:
»Ich sehe Mistgabeln« – Menschen ohne Ansprechpartner (Post, 23.01.2019)
- Die Neoliberalisierung der Universität (Post, 24.08.2016)

Naher Osten: Jetzt machen diese Russen auch noch einen konstruktiven Vorschlag…

Russlands Vorschlag für die Sicherheit in der Golfregion läuft gegen die Herrschaftsinteressen der USA und ihrer Partner
Bislang haben sich Russland und China zu den Tanker-Zwischenfällen im persischen Golf mit Einlassungen zurückgehalten. Einzig bei der Festsetzung des britischen Tankers Stena Imperio durch iranische Revolutionswächter ließ die Aussage des stellvertretenden russischen Außenministers Sergei Rjabkow aufhorchen, weil sie eindeutig Position bezog und eine Formulierung benutzte, mit der Irans Führung die Festsetzung des iranischen Tankers Grace 1 vor Gibraltar bezeichnet: "Piraterie".
Rjabkow machte in seinem Statement deutlich, dass man im russischen Außenministerium die Argumente der iranischen Seite im Konflikt über die beiden Tanker überzeugender finde als "London und Gibraltar". Immerhin: Die USA wurden mit keinem Wort erwähnt und es war auch nicht der Chef des Außenministeriums, Lawrow, der die Situation kommentierte. Eine deutliche Botschaft war es trotzdem.
mehr:
- Keine "Arab Nato", sondern eine Nahost-OECD (Thomas Pany, Telepolis, 27.07.2019)

Russland, Iran, Türkei: Neue Machtverhältnisse im Nahen Osten? {2:41}

euronews (deutsch)
Am 17.08.2016 veröffentlicht 
Russische Flugzeuge im Kampfeinsatz über Syrien - gestartet sind sie von iranischem Boden aus. Diese Nachricht machte Diplomaten allerorten hellhörig. "Dem russischen Verteidigungsministerium zufolge nahmen die russische Maschinen Ziele der Miliz Islamischer Staat und der al-Nusra-Front in Syrien ins Visier.":http://eng.mil.ru/en/news_page/countr...

Hip-Hop lässt Käse fruchtiger schmecken

"Handkäs mit Musik" kennt man aus Hessen, aber Hip-Hop-Käse? Klingt abwegig - aber Schweizer haben tatsächlich Käselaibe beschallt, mit Musik von Mozart, Led Zeppelin und Eminem, monatelang. Mit erstaunlichen Ergebnissen.
Käse und Musik, da denkt so mancher wohl an den "Handkäs" aus Hessen, der wegen der Geräusche beim Verdauungsprozess den Zusatz "mit Musik" trägt. Aber die Schweizer sind jetzt einem ganz anderen Phänomen auf der Spur. Sie testen, ob die Beschallung von Käselaiben im Reifungsprozess den Geschmack beeinflusst.
Angefangen hat alles als Kunstprojekt an der Hochschule der Künste in Bern. "Wir wollten die Studierenden in die Welt hinausschicken, damit sie Projekte außerhalb der Hochschule realisieren. Sie sollten sich mit praktischen Problemen befassen", sagt Christian Pauli, Kommunikationsleiter und Projektverantwortlicher der Hochschule. Bei der Suche nach solchen Projekten kam Beat Wampfler ins Spiel, Tierarzt aus Burgdorf im Emmental und Hobby-Käsehändler.
"Menschen und Tiere reagieren auf äußere Einflüsse wie Musik - warum sollen Schallwellen nicht auch die Mikroorganismen im Käse beeinflussen - das habe ich mich schon länger gefragt", erzählt Wampfler in seinem unterirdischen Käselager in Burgdorf, untermalt von Klängen von Eminem und einer Volksmusikband. Die feuchte Luft riecht erdig, perfekte Bedingungen für das monatelange Reifen der riesigen Käselaibe. Die Hochschule und der Hobbykäser fanden zusammen und so stürzten Studierende sich mit Michael Hardenberg, Dozent für Musikalische Gestaltung und Medientheorie, in das Projekt.
mehr:
- Blödsinn oder Wissenschaft? Hip-Hop lässt Käse fruchtiger schmecken (n-tv, 27.07.2019)

Von Mozart bis Techno: Lässt Musik Schweizer Käse besser reifen? {1:33}

faz
Am 15.12.2018 veröffentlicht 
Wird Emmentaler Käse schmackhafter, wenn er bei der Reifung mit Musik beschallt wird? Dieser ungewöhnlichen Frage gehen in der Schweiz Forscher der Hochschule der Künste Bern mit einem Käsemacher nach. © AFP, DPA

Waren Nazis am Reichstagsbrand beteiligt?

Als 1933 der Reichstag brannte, verurteilten die Nazis einen Holländer zu Tode – und nutzten die Gelegenheit, um die Grundrechte außer Kraft zu setzen. Neu aufgetauchte Dokumente legen indes eine Mittäterschaft der Nazis nahe. Nicht weniger brisant: Warum dies so lange unentdeckt blieb.
Historiker streiten seit Langem darüber, wer tatsächlich den Reichstagsbrand von 1933 legte. Unbestritten ist hingegen seine Bedeutung: Die Nazis nahmen den Brand zum Anlass für den Griff nach der absoluten Macht. Eine neu aufgetauchte eidesstattliche Versicherung eines damaligen Mitglieds der Sturmabteilung (SA) der NSDAP deutet nun auf eine Beteiligung der Nationalsozialisten hin - und entlastet den für den Brand zum Tode verurteilten niederländischen Kommunisten Marinus van der Lubbe.


Das Dokument, aus dem das "Redaktionsnetzwerk Deutschland" zitiert, stammt aus den Archiven des Amtsgerichts Hannover. Ihm zufolge sagte der ehemalige SA-Mann, er habe van der Lubbe, der einen benommenen Eindruck machte, mit einem Auto von einem SA-Lazarett zum Reichstag gefahren. Bei der Ankunft dort sei ihm und seinen Kollegen aufgefallen, "dass ein eigenartiger Brandgeruch herrschte und dass auch schwache Rauchschwaden durch die Zimmer hindurchzogen". 
Später, so erklärt der SA-Mann in seiner Versicherung, hätten er und seine Kameraden gegen die Verhaftung van der Lubbes protestiert. "Weil nach unserer Überzeugung van der Lubbe unmöglich der Brandstifter gewesen sein konnte, da ja nach unseren Feststellungen der Reichstag schon in Brand gesetzt sein musste, als wir van der Lubbe dort ablieferten." 
mehr:
- Erklärung von SA-Mann entdeckt: Waren Nazis am Reichstagsbrand beteiligt? (n-tv, 27.07.2019) 
siehe auch:
- Der Faschismus-Coup (Hermann Ploppa, Rubikon, 03.08.2019)

Die Machtergreifung (2): Der Brand - History (ZDF) (1/3) (01.02.2013) {1:04:16}

Armando Langham
Am 31.10.2017 veröffentlicht 
Der Reichstagsbrand vom 27. Februar 1933 kam Hitler und den Nazis gerade recht. ZDF-History über die Auflösung der Weimarer Republik.

Gemeinsam gegen Russland – vor über 150 Jahren … (Krim Teil II)

Sewastopol, von den Russen gegründet, von den Russen verwaltet, von den Russen verteidigt. Ein persönlicher Augenschein vor Ort.
Sewastopol, die Stadt des Widerstands bis zum bitteren Ende! Mit heute 400'000 Einwohnern die grösste Stadt auf der Halbinsel Krim, Sewastopol stand immer wieder im Zentrum der europäischen Geschichte und ist nicht zuletzt deshalb eine echte Sehenswürdigkeit – heute mehr denn je.
Sewastopol war das Zentrum des Krimkrieges, der, erstmals in der Weltgeschichte, ein richtiger Weltkrieg war, kein Krieg zwischen zwei Mächten, sondern ein Krieg mit etlichen Alliierten: das Osmanische Reich zusammen mit den Briten, den Franzosen und den Piemontesen als Alliierte gegen das Russische Kaiserreich. Und es gab auch eine Kriegsfront gegen Russland in Europas Norden, wenn auch militärisch weniger von Bedeutung. 
Die Meeresbuchten von Sewastopol im Südwesten der Krim wurden schon im 7. Jahrhundert vor Christus von den Griechen besiedelt. Später übernahmen die Römer die Herrschaft und dann die Byzantiner. Nach der totalen Zerstörung der Stadt im 14. Jahrhundert und nach der Eroberung der Krim durch die Russen unter der Zarin Katharina die Grosse wurde die Hafenstadt im Jahr 1783 neu gegründet.
Eine russische – und eine heilige Stadt
«In gewissem Sinne wird Sewastopol immer zu Russland gehören. Das liegt nicht bloss daran, dass Russland es erbaut hat – eine majestätische steinerne Stadt voller südlicher Weiträumigkeit, in dessen blauen Buchten sich die Kriegsschiffe drängen. Sewastopol hat für zwei Dinge gesorgt, die Russland im Innersten heilig sind. Es ist eine zweifache Heldenstadt: einmal aufgrund der zehnmonatigen Blockade, als es den Nazis standhielt, und zum zweiten aufgrund seines zweijährigen Verteidigungskampfes gegen Grossbritannien, Frankreich und das Osmanische Reich im Krimkrieg. Und dazu hat Sewastopol noch etwas im tiefsten Sinne Heiliges in sich: Es war das Tor, durch das der Legende nach und vielleicht sogar in Wirklichkeit das Christentum in Russland eintrat.» So steht es in dem höchst informativen Buch «Black Sea» des britischen Historikers Neal Ascherson aus dem Jahr 1995 (dessen deutsche Übersetzung «Schwarzes Meer» leider nur noch antiquarisch erhältlich ist). 1995 – damals gehörte Sewastopol zwar nicht zur «Autonomen Republik Krim», sondern hatte einen Sonderstatus, aber seit Chruschtschows Geschenk im Jahre 1954 gehörte die Stadt ebenfalls zur Ukraine. Im Jahr 1997 dann wurde das «Problem» durch einen formellen Vertrag zwischen der Ukraine und Russland gelöst, wonach die Stadt und das Territorium Sewastopol mit seinem Kriegshafen wieder unter russische Kontrolle kam.
mehr:
- Gemeinsam gegen Russland – vor über 150 Jahren … (Krim Teil II) (Christian Müller, Info-Sperber, 27.07.2019) 
siehe auch:
Gleiwitz 2.0 – transatlantischer Kleber übt schon mal öffentlich für den Ernstfall (Post, 07.04.2019)
So schreiben die USA mit Sprache Geschichte: Die Krim wurde annektiert, die Golan-Höhen souverän kontrolliert (Post, 22.03.2019)
- Die Krimkrise und der Wortbruch des Westens (Post, 12.12.2014)
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