VON WOLFGANG HASSENSTEIN UND KILLIAN MULLARNEY/DAN ZETTERSTRÖM (ILLUSTRATIONEN)
BLAUKEHLCHEN - Luscinia svecica
Manch Schönheit lebt im Verborgenen – wie das Blaukehlchen Ein ausnehmend hübscher Singvogel, in Deutschland heimisch, aber sehr scheu. Rund 4000 Paare brüten bundesweit, meist in Weidengebusch an Gewässern, und weil die Vögel derzeit auch Grabensysteme erobern, wächst ihre Zahl sogar. Blaukehlchen sieht man nicht oft – umso größer das Glücksgefühl, wenn es doch einmal gelingt.
Beobachtung: Die Vogel verraten sich durch ein trockenes „track“ oder singen Melodien aus klirrenden und knirschenden Tönen. Der „Stern“ im blauen Kehlfleck ist bei Vögeln in Mitteleuropa weiß, in Skandinavien und den Alpen rot (Bild).
ROTMILAN – Milvus milvus
Es gäbe gute Gründe dafür, den Bundesadler durch einen Rotmilan zu ersetzen. Denn mit rund 12.500 Paaren brüten mehr als die Hälfte aller Rotmilane der Welt in Deutschland – es ist die einzige Vogelart, die bei uns ihren Verbreitungsschwerpunkt hat. Somit tragen wir auch die Hauptverantwortung fur ihre Erhaltung. Aber allein zwischen 1991 und 1997 ging die Zahl der Brutpaare um 25 bis 30 Prozent zurück, und der Niedergang hält an, vor allem in der wichtigsten Brutregion nördlich des Harzes. Rotmilane brauchen abwechslungsreiche Landschaften mit Wäldern für den Nestbau und Feldern für die Jagd nach Nagetieren. Mit Flurbereinigungen und lntensivlandwirtschaft kommen sie nicht zurecht. „Birdlife international“ warnte kürzlich, der zunehmende Rapsanbau für Biodiesel gefährde die Art zusätzlich.
Beobachtung: Die auch Gabelweihe genannte Art ist durch den tief gegabelten, langen Schwanz gut zu erkennen.
KRANICH – Grus grus
Balzende Kraniche zeigen Luftsprünge, verbeugen sich voreinander und werfen Zweige in die Luft. Die Gruppentänze sind spektakulär – wie auch das Comeback der Kraniche als Brutvogel. Um 1960 gab es nur noch rund 370 Paare in der DDR und zwölf im Westen: doch 2004 brüteten – meist im Nordosten – wieder rund 5600 Paare. Schutzgebiete sowie eine gestiegene Toleranz gegenuber Menschen haben dies möglich gemacht.
Beobachtung: Ziehende Kraniche – am Formationsfiug und den ausgestreckten Hälsen zu erkennen – machen oft durch laute Trompetenrufe auf sich aufmerksam, im Herbst rasten Zehntausende Kraniche an der Ostseeküste und in Brandenburg. Sie lassen sich besonders im Nationalpark Vorpommersche Boddenlandschaft gut beobachten; die Balztänze finden im Frühling statt. Informationen unter www.kraniche.de
KAMPFLÄUFER – Philomachus pugriax
Kampfläufer-Mannchen sind üble Machos: Sie rangeln in stundenlangen Turnieren um die Gunst der Weibchen, sie prahlen mit ausladendem Federschmuck, kümmern sich nicht um den Nachwuchs – und haben tatsachlich mehr Hoden als Hirn. Die Weibchen, die selbst ganz unscheinbar daherkommen, fordern das Spektakel auch noch durch ihr Verhalten: Sie lassen sich bevorzugt von jenem Mannchen begatten, das den zentralen Platz in der Balzarena erobert hat, und widmen sich dann klaglos der Alleinerziehung ihrer Brut. Die bizarren Schaukämpfe sind in Deutschland aber nur noch selten zu sehen, denn Kampfläufer sind bei uns vom Aussterben bedroht. Ihre Bruthabitate – Sumpfe und Feuchtwiesen – wurden vernichtet, es gibt nur noch rund 100 Brutpaare.
Beobachtung: Bundesweit gibt es nur noch wenige Turnierplätze auf küstennahen Feucht- oder Salzwiesen. Größere Bestande – und bessere Beobachtungschancen – in Skandinavien.
REBHUHN – Perdix perdix
Das Rebhuhn ist ein treuer Familienvogel, ernährt sich meist vegetarisch und ist trotz seiner dicklichen Figur ein passabler Flieger also rundum sympathisch. Dem Menschen folgte es einst in die Kulturlandschaft, inzwischen aber ist es Opfer der Naturzerstörung. Denn die Vögel finden kaum noch geschützte Brutplätze, sterben durch Landmaschinen oder Pestizide, und Küken verhungern, weit sie kaum noch Nahrung finden. Zudem werden viele Rebhühner von Autos überfahren. Allein in den 90er-Jahren schrumpfte die Zahl der Brutpaare in Deutschland von mehr als 100.000 auf unter 40.000. Und obwohl die Art als „stark gefährdet“ gilt, darf sie noch immer gejagt werden: Im vergangenen Jahr schossen deutsche Jäger offiziell 13.181 Rehhühner – die Dunkelziffer dürfte noch darüber liegen.
Beobachtung: Rebhuhn-Gruppen scheucht man – auf Feldern oder Wiesen meist durch Zufall auf: Dicht vor den Füßen fliegen sie mit einem burrenden Flügelgerausch auf, gleiten bodennah eine kurze Strecke und landen wieder.
KUCKUCK – Cuculus canorus
Nach menschlichen Maßstäben ist der Brutparasitismus des Kuckucks skrupellos. Dennoch mögen wir diesen Vogel, denn er ruft so nett seinen eigenen Namen, wenn er im Mai an seinem Winterquartier in Afrika zurückkommt. Kuckucke sind Trans-Sahara-Zieher, was sie zu potenziellen Opfern des Klimawandels macht. Denn durch die Ausbreitung der Wüsten gehen wichtige Rastplätze verloren. Und wenn sie am Brutplatz ankommen, haben sich im warmeren Klima Nahrungsinsekten schon früher entwickelt. Oder die Jungen der Wirtsvogel sind schon geschlüpft, sodass die Kuckuckweibchen ihre Eier nicht mehr in deren Nester legen können. In Deutschland gibt es noch rund 90.000 Brutpaare, der Bestand schrumpft.
Beobachtung: Am zweisilbigen Reviergesang leicht zu erkennen und zur Brutzeit auch häufig zu sehen.
BASSTÖLPEL – Morus bassanus
Es ist eines der spektakulärsten Naturschauspiele Deutschlands, wenn ein Basstölpel beim Fischfang wie ein Pfeil ins Meer schießt. Sobald der mächtige Vogel (Spannweite 1,80 Meter) eine lohnende Beute sichtet, legt er die Flügel an und saust hinab – mit bis zu 100 Stundenkilometern. Oft jagen Basstölpel in Gruppen, das Durcheinander beim Eintauchen verwirrt die Beutefische. Seit sich 1991 die ersten Basstölpel auf Helgoland niederließen, stieg ihre Zahl stetig auf inzwischen 294 Brutpaare. Die bunten Nester auf den Felsvorsprungen, in denen die grauen, wuscheligen Jungvogel sitzen, sind ein kurioser Anblick: Sie bestehen großenteils aus Fischernetzen und Plastikabfällen. Alljährlich verheddern sich darin einige Jungvogel und bleiben hilflos in der Klippe hängen – ein Symbol für die Folgen der Meeresverschmutzung.
Beobachtung: In Deutschland nur auf Helgoland möglich, Frühjahr bis Sommer, am besten Ende Mai bis Juli. Auch andere Hochseearten wie Trottellummen und Eissturmvögel kann man hier beobachten.
HAUSSPERLING – Passer domesticus
Er gilt als Allerweltsvogel schlechthin – ein typischer Kulturfolger, in Dörfern und Städten auf allen Kontinenten wohlbekannt. Und dennoch steht der Haussperling – oder Spatz in Deutschland auf der „Vorwarnliste“ der bedrohten Arten. Obwohl er heute kaum noch als Schädling verfolgt wird, geht sein Bestand zurück, und vielerorts ist er bereits verschwunden. Vermutlich behagen ihm die zunehmend aufgeräumten Siedlungen nicht – und für den Körner- und Krümeifresser fällt dort immer weniger Nahrung an. Bezeichnend ist seine Vorliebe für bestimmte Städte: „Berlin ist auch Hauptstadt der Spatzen“, meldet der Nabu. 120.003 Brutpaare gibt es dort trotz leichter Einbußen nach der neuesten Hochrechnung noch – pro Hektar viermal mehr als zum Beispiel im geleckten Hamburg.
Beobachtung: Trotz Bestandsrückgang zählt der Spatz noch zu den häufigsten Stadtvögeln. Bei der Berliner Zahlung fanden sich die meisten Spatzen – im Zoo. Oft verrät sich ein Schwarm auch durch den Larm, der aus einer Hecke dringt und etwa so klingt: „tschilp tschef tschilp tschelp tschurp …“
BIENENFRESSER – Merops apiaster
Die tropisch anmutenden Bienenfresser breiten sich von Jahr zu Jahr weiter aus – und machen als Boten des Klimawandels das Vordringen mediterraner Verhältnisse nach Mitteleuropa fur jedermann sichtbar. Noch Anfang der 90er-Jahre brüteten nur einzelne Paare in Deutschland, 2007 sind es bereits rund 500, hauptsachlich im südbadischen Kaiserstuhl und im Saaletal in Sachsen-Anhalt. Bienenfresser tragen ihren Namen übrigens zu Recht: Die Vögel erbeuten Wespen, Hummeln und Bienen, berauben sie, indem sie diese gegen ihren Sitzast schlagen, und drücken dann das Gift heraus.
Beobachtung: Im Kaiserstuhl, dem Mini-Gebirge bei Freiburg im Breisgau, kommen bereits so viele Bienenfresser auf kleinem Raum vor, dass sie in Frühling und Sommer leicht zu finden sind. Gerne sitzen sie auf Leitungen oder Masten – Fernglas nicht vergessen!
MAUERLÄUFER – Tichodroma murarla
Einer der schönsten Brutvogel Deutschlands lebt ausgerechnet im Hochgebirge, meist in 1000 bis 3000 Metern Höhe. In ihrem alpinen Lebensraum sind Mauerläufer zwar weit verbreitet, aber selten. Gerade mal 200 Brutpaare soll es im deutschen Teil der Alpen geben. An unzugänglichen, feuchten Felswänden jagen die Vogel Insekten und Spinnen, wobei sie rastlos umherflattern. Disziplin herrscht im Nest, das in Felsritzen gebaut wird und zwei Öffnungen besitzt: Manche Paare nutzen die eine als Eingang und die andere als Ausgang, bei anderen sind sie jeweils dem Weibchen beziehungsweise dem Männchen vorbehalten. Der Bestand ist vermutlich stabil, eine Gefahr stellt der zunehmende Bergtourismus dar.
Beobachtung: Mauerläufer zu entdecken ist Wanderern und Bergsteigern vorbehalten, und auch die brauchen Glück, denn die Vögel sind trotz prächtiger Flügelfärbung leicht zu übersehen. Also ab und zu den Blick über eine Felswand schweifen lassen, vor allem in der Nähe von Wasserfällen – und beim Bergsteigen Rücksicht nehmen.
GROSSTRAPPE – Otis tarda
Schon gewusst, dass einer der schwersten flugfahigen Vogel der Welt in Brandenburg lebt? Männliche Großtrappen wiegen bis zu 16 Kilo und heben dennoch ab! Faszinierend ist die Gruppenbalz, bei der sie sich in wogende Schneebälle verwandeln. Früher waren Großtrappen weit verbreitet, heute sind sie fast überall in Deutschland ausgestorben. Mitte der 90er-Jahre drohte infolge der Intensivierung der Landwirtschaft auch der ostdeutsche Bestand zu erlöschen. Inzwischen hat sich die Zahl wieder mehr als verdoppelt, auf knapp über 100 Tiere. Der Erfolg ist Vogelschützern zu verdanken, die vor Ort eine Extensivierung der Landwirtschaft erreichten – und handaufgezogene Jungtrappen aussetzen.
Beobachtung: Um die Balz (April bis Mai) zu sehen, sind Fernglas, Geduld und Glück nötig. Bester Ort ist das Havelländische Luch bei Rathenow. Tipps unter www.grosstrappe.de
KLEIBER – Sitta europaea
Gute Nachrichten vom Akrobaten der Wälder: Seit den 90er Jahren wächst die deutsche Kleiber-Population um durchschnittlich 0,8 Prozent pro Jahr – bei insgesamt etwa einer Million Brutpaaren kommen also jährlich rund 16.000 Vögel hinzu. Möglicherweise ist der Zuwachs die Folge der naturnäheren Waldbewirtschaftung, denn Kleiber lieben große Laubbäume und brüten gerne in verlassenen Spechthöhlen. Vögelschutzer fürchten aber, dass sich der Trend bald umkehren konnte, da der Holzeinschlag stark zugenommen hat.
Beobachtung: In Wäldern, Parks und großen Gärten, auch im Winter. Unverkennbar ist der Kletterstil: Nur Kleiber können kopfüber einen Stamm hinunter laufen. Der Gesang setzt sich aus lauten Pfiffen oder Trillern zusammen: die Warnrufe – „twett“ oder „tschuitt“, oft zu schnellen Folgen aneinandergereiht, zahlen zu den typischen Waldgerauschen.
WALDSCHNEPFE – Scolopax rusticola
Meist führen Waldschnepfen ein heimliches Waldleben, leichtsinnig werden die Männchen wie so viele Vogel nur bei der Balz: Dann fliegen sie abends an Waldrändern ihre Runden und geben Grunzlaute mit einem explosiven Abschluss von sich, etwa so:" „oart-oart-oart-PISSP!“ Dieser „Schnepfenstrich“ fasziniert die Weibchen, auf dem Waldboden kommt es daraufhin zum One-Night-Stand. Übrigens: Deutsche Jäger schossen im Jahr 2006 genau 15.612 Waldschnepfen, meist Zugvögel. Diese Praxis unterscheidet sich durch nichts von der heftig kritisierten Singvogeljagd in Italien.
Beobachtung: Im Wald scheucht man die gut getarnten Vögel allenfalls zufällig auf. Bessere Sichtungschancen bei der Balz (April bis Mai).
STEINKAUZ – Athene noctua
Auch die kleine Eule mit dem strengen Blick ist ein Opfer der industriellen Landwirtschaft. Das einst geschlossene Verbreitungsgebiet zerfällt zunehmend, es gibt noch rund 7400 Brutpaare, meist in Nordrhein-Westfalen und Hessen. In den östlichen Bundeslandern dagegen kollabierte der Bestand: 1980 brüteten dort noch rund 740 Paare, heute nur noch 40. Denn die Art liebt offene, aber strukturreiche Landschaften mit kleinen Bauernhöfen und Obstgärten. Wo aber Viehweiden in Acker verwandelt werden und Obstwiesen in Neubaugebiete, verschwinden auch die Steinkauze. Also: Apfelsaft aus Streuobst kaufen!
Beobachtung: Weil sie teilweise tagaktiv sind und gerne von exponierter Warte nach Insekten, kleinen Vogeln oder Amphibien spähen, sind Steinkäuze relativ häufig zu sehen. Der wellenförmige Flug ähnelt dem von Spechten.
KIEBITZ – Vanellus vanellus
Der Kiebitz steht hier stellvertretend für eine Reihe von Wiesenvögeln, deren Populationen dramatisch abnehmen. Vielerorts ist die Art verschollen, nur in Gebieten mit intensivem Naturschutz sowie an der Küste konnten sich größere Bestände halten (bundesweit rund 85.000 Brutpaare). Nach der Trockenlegung der Niedermoore, ihres ursprünglichen Lebensraumes, besiedelten die Kiebitze im 19. Jahrhundert das Kulturland aber mit der industriellen Landwirtschaft von heute kommen sie nicht klar. Der Kiebitz-Schwund kann gestoppt werden, indem man Auen renaturiert und trockengelegte Feuchtwiesen „wiedervernässt“. Zudem brauchen die Vögel ungestörte Ruhezonen.
Beobachtung: Kiebitze kehren schon im März aus Südeuropa zuruck und zählen so zu den ersten Frühlingsboten. Es lohnt sich, balzende Kiebitze mit dem Fernglas zu beobachten: Sie fliegen wilde Manöver bis hin zu Loopings und lassen dabei lustige Quak- und Quietschlaute ertönen.
ROHRDOMMEL – Botaurus stellaris
Diese bizarren Reiher leben in ausgedehnten Schilfbeständen und beherrschen eine perfekte Camouflage: Bei Gefahr recken sie Hals und Kopf kerzengrade empor, sodass ihr gestreiftes Gefieder optisch mit den Halmen verschmilzt, und lassen sich in dieser „Pfahlstellung“ wie im Wind hin und her schwingen. Allerdings sind geeignete Schilfgebiete in denen die Vogel ihr Nest bauen und Fische, Frosche und Insekten jagen – selten geworden: zudem werden Rohrdommeln oft durch Freizeitaktivitäten gestört. In Deutschland brüten nur noch rund 500 Paare, die Art ist vom Aussterben bedroht.
Beobachtung: An schilfigen Ufern, etwa in Mecklenburg-Vorpommern, kann man im Frühling den dumpfen Balzruf kilometerweit hören. Die Männchen geben, mehrfach wiederholt, ein nebelhornartiges „whuump“ von sich – einen der tiefsten Laute im Vogelreich.
aus greenpeace magazin 5.07