Dienstag, 5. September 2017

Des SPIEGELs Zensur-Bumerang: »Finis Germania«

Wie das Skandalbuch „Finis Germania“ von der Bestsellerliste verschwand

Wer sich am Donnerstagnachmittag gegen 17 Uhr über den Stand der „Spiegel“-Bestseller, die bei Amazon angeboten werden, schlau machen wollte, fand auf der Bestenliste der Sachbücher folgende Reihenfolge vor:

Platz 1: „Heilen mit der Kraft der Natur“, Andreas Michalsen.

Platz 2: „Wunder wirken Wunder“, Eckart von Hirschhausen.

Platz 3: „Das geheime Leben der Bäume“, Peter Wohlleben.

Platz 4: „Homo Deus: Eine Geschichte von Morgen“, Yuval Noah Harari.

Platz 5: „Alexander von Humboldt und die Erfindung der Natur“, Andrea Wulf.

Auf Platz 6 klaffte eine weiße Lücke, ohne jede bibliografische Angabe. Da musste mal etwas gewesen sein, wobei nur der Raum, den das Etwas eingenommen hatte, zu sehen war. Auf Platz 7 folgte dann „Penguin Bloom: Der kleine Vogel, der unsere Familie rettete“, von Cameron Bloom und Bradley Trevor Greive.

Wer die gleiche Recherche Freitagfrüh anstellte, allerdings nicht bei Amazon, sondern bei Thalia, fand die gleiche „Spiegel“-Liste vor, nur ohne die Leerstelle auf Platz 6. Da stand ein Buch des Philosophen Rolf Peter Sieferle, der sich letzten September das Leben genommen hatte: „Finis Germania“, eine Art Nachruf auf sich selbst und die Bundesrepublik in, so der Verlag, „30 Miszellen“ über „die deutsche Lage“ im Laufe der Zeiten: „Von Deutscher Sonderweg und Siegerperspektive über Politiker und Intellektuelle bis zur Logik des Antifaschismus.“ Um das Buch hatte es in den Feuilletons große Aufregung gegeben. Die Meinungen waren extrem geteilt, für die einen war es ein „philosophisches Meisterwerk“, für die anderen ein „völkisch-antisemitisches Machwerk“. Dabei spielte es auch eine Rolle, dass Sieferle, dessen Arbeiten in renommierten Verlagen erschienen waren, sein „Nachwort“ einem Verleger anvertraut hatte, der als „Vordenker der Rechten“ gilt, Götz Kubitschek, in dessen Antaios-Verlag Bücher erscheinen, an denen sich kein anderer Verleger die Finger verbrennen möchte.

Freitagfrüh war bei Amazon auch das Loch in der „Spiegel“-Sachbuchliste verschwunden. Nichts außer einem Screenshot vom Donnerstag deutet darauf hin, dass es da kürzlich noch eine Leerstelle gab. Auf diese Weise hatten auch sowjetische Zensoren Geschichtsschreibung betrieben. Der Konterrevolutionär Trotzki wurde von Fotos wegretuschiert und die Spuren der Retusche ebenfalls beseitigt.

mehr:
- Literatur: Die Lücke auf Platz 6 von Amazon (Henryk M. Broder, n24, 22.07.2017)
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siehe auch:
- „Die ominösen sechs Millionen“ (Jacob S. Eder, taz, 05.09.2017)
- "Das Ende Deutschlands" ("Finis Germania") von Rolf Peter Sieferle: Das Ungeheuerliche hat immer einen Namen! (Harald Martens, Lokalkompass, Bochum, 03.09.2017)
Finis Germania: Warum das umstrittene Buch von der Spiegel-Bestsellerliste geflogen ist (Markus Decker, Berliner Zeitung, 28.07.2017)
Finis Germania (VorsichtGlosse, 27.07.2017)
Spiegel zensiert eigene Bestsellerliste: „Finis Germania“ verschwunden – Statement schürt Verkauf (Steffen Munter, Epoch Times, 27.07.2017)
- Kritik an mangelnder Transparenz: Spiegel löscht umstrittenes Sachbuch „Finis Germania“ aus Bestseller-Liste (IngoPlewa-Der Nach(t)denker, 27.07.2017)
Der legendäre Satz von „Spiegel“-Gründer Rudolf Augstein, mit dem sich das Nachrichtenmagazin heute noch manchmal schmückt, lautet: „Sagen, was ist.“ Der aktuelle Werbespruch des “Spiegel” lautet: „Keine Angst vor der Wahrheit.“
Aber der „Spiegel“ traut sich nicht zu sagen, was ist. Der ganze Artikel ist ein Dokument der Angst.
Und dies zu einem Zeitpunkt, an dem es ohnehin nicht mehr darum ging, ob die Wahrheit rauskommt. Zu diesem Zeitpunkt, an Tag fünf der Eskalation, hätte der „Spiegel“ nur noch beweisen können, dass er der Wahrheit nicht ausweicht. Dass er sich ihr stellt. Mit einer offenen, schonungslosen, selbstkritischen, auch selbstbewussten Analyse des Debakels.
Nicht einmal das hat er gewagt. Er veröffentlicht einen Artikel, der kein „Spiegel“-Artikel ist, sondern ein Stück trauriger PR-Verdruckstheit, das sich nicht einmal traut, die heiklen Fragen zur Kenntnis zu nehmen.
Der „Spiegel“ scheut die Öffentlichkeit. Das klingt irre, aber es ist so. Ausgerechnet das traditionsreiche deutsche Nachrichtenmagazin misstraut der Möglichkeit, dem Publikum Dinge erklären zu können. Nicht nur mitzuteilen, sondern zu erklären – sich zu erklären. […]
Man mag die Aufregung um diese Liste für übertrieben halten, aber sie trifft eine zentrale Unterstellung der „Lügen“- oder „Lückenpresse“-Rufer. Sie vermuten geheime Manipulationen der „Wahrheit“, und sei es nur der „Wahrheit“ einer Bestseller-Liste. Und plötzlich stellt sich raus: Solche Manipulationsversuche gibt es tatsächlich. [Manipulierte Bestsellerliste: Der „Spiegel“ und seine Angst vor der Wahrheit (Stefan Niggemeier, ÜberMedien, 26.07.2017]
Gabriele Krone Schmalz über NATO in Zivil in der Ukraine, Russland und Medienpropaganda1 [13:24]

Veröffentlicht am 13.09.2014

Zitat Gabriele Krone-Schmalz:
»Das macht mir insofern Sorge: Wenn Menschen nicht mehr glauben, was in den Medien informiert wird, wenn Menschen auch Politikern nicht mehr glauben, dann fliegt uns unser wunderschönes System Demokratie früher oder später um die Ohren.« (Video ab 8:00)

- „Finis Germania“: Der Spiegel rechtfertigt Eingriff in seine Bestseller-Liste und macht alles nur noch schlimmer (Meedia, 26.07.2017)
In eigener Sache "Finis Germania" und die SPIEGEL-Bestsellerliste (Susanne Beyer, SPON, 25.07.2017)
- "Finis Germania": Wie ein rechtsextremes Buch von der Bestsellerliste verschwand (Claudia Tieschky, Süddeutsche Zeitung, 25.07.2017)
- Rauswurf für rechtsradikales Buch – Bestsellerliste ohne „Finis Germania“ (Christian Schröder, Tagesspiegel, 25.07.2017)
- „Finis Germania“ von Sieferle : Warum der „Spiegel“ das Skandal-Buch aus seiner Liste streicht (FAZ.net, 25.07.2017)
Mats Schönauer "Finis Germania" Der rechte, rechte Platz ist frei: „Spiegel“ löscht heimlich Skandalbuch aus Bestsellerliste (ÜberMedien, 22.07.2017)

»Die einzige Art, gegen die Pest zu kämpfen, ist die Ehrlichkeit.« [Albert Camus]

Liberalismus vs. Autoritarismus

• Zu den fünf wichtigsten Themen, die die Teilnehmer des SZ-Projekts "Democracy Lab" ausgewählt haben, gehört die Frage nach Werten.

• Hier haben wir einige Thesen versammelt, die - ohne Anspruch auf Vollständigkeit - zeigen, entlang welcher Linien über das große Thema Werte hierzulande diskutiert wird.

Eine Frau, älter als 80 Jahre, nicht mehr gut auf den Beinen, bietet eine Breze an. "Sie sehen aus, als hätten sie Hunger", sagt sie, nimmt das Gebäck aus ihrer Papiertüte. "Ich kann ja gleich nochmal gehen, ich habe Zeit." Dann erzählt sie unvermittelt, wie sie als Jugendliche Musik gemacht hat, mit dem Akkordeon. Wie sie geübt hat, wie viel Spaß sie hatte und wie diszipliniert sie dabei gewesen sei. Kurze Pause. Disziplin sei wichtig gewesen damals. Nochmal Pause. Das habe auch an der Führung gelegen. Und dann: "Bös' hat er es ja nicht g'meint, der Adolf."

Das war ein Gespräch über Werte. Über Hilfsbereitschaft und Disziplin. Es zeigt, wie kompliziert das Thema, wie wichtig die Perspektive ist und welche Fallstricke vorhanden sind. Die Frau hat mit uns während der Deutschlandtour des Democracy Lab gesprochen (hier dazu mehr). Während dieser Tour haben wir Themen gesammelt, die das Land bewegen. Überall sprachen die Menschen die Frage nach den Werten an.

Im Netz gibt es von fast allem lange Listen, auch solche, die Werte aufführen, von A wie Abenteuer und Abgeklärtheit bis Z wie Zuverlässigkeit und Zweckmäßigkeit. Das Thema ist ein philosophisches, ein politisches, ein soziologisches. Das Thema ist schwer zu fassen.

Hier dennoch ein - notwendigerweise - unvollständiger Versuch, einige wichtige Thesen, entlang derer aktuell in Deutschland über das komplexe Themenfeld Werte und Demokratie diskutiert wird, darzustellen.

mehr:
- Democracy Lab – Der entscheidende Kampf: Liberalismus vs. Autoritarismus (Sebastian Gierke, Süddeutsche Zeitung, 04.09.2017)

siehe auch:
- Die Gutmenschen-Diktatur: Gleichheit, Brüderlichkeit! – Wo bleibt die Freiheit? (Post, 04.09.2017)
- Eine Lethargie liegt auf dem Land – Das Merkel-Syndrom (Post, 03.09.2017)

Mainstream gegen rechts: Die notwendige Auseinandersetzung

Streit ist der bessere Weg: Thomas Wagner plädiert für einen unverkrampften Umgang mit den „Neuen Rechten“.

Schon wieder ein Buch über die sogenannten Neuen Rechten. Kaum ein Thema wird derzeit auf dem Buchmarkt so häufig beackert, eher selten erfährt man dabei Neues. Thomas Wagner legt dagegen ein Werk vor, das sich in einem Punkt wohltuend unterscheidet und so zum Erkenntnisgewinn beiträgt: Er redet mit den Protagonisten der Szene, und er liest ihre Schriften, bevor er über sie schreibt. Das klingt banaler, als es ist, denn noch immer gilt in der Bundesrepublik der Bannfluch: Mit „Rechten“ spricht man nicht. Den jüngsten Eiertanz dazu führte ausgerechnet das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ auf, das seine Bestsellerliste manipulierte, um seine Leser vor dem Buch „Finis Germania“ zu bewahren, geradezu so, als seien diese nicht zu einem selbständigen Urteil in der Lage.

Wagner, der als Autor unter anderem für „Zeit“, „Süddeutsche Zeitung“, „Freitag“ und „Junge Welt“ arbeitet, nähert sich der Materie weitgehend unbefangen und geht noch einen Schritt weiter: 1968, so seine These, war nicht nur der Ursprung eines linksliberalen Gesellschaftsmodells, sondern auch der Neubeginn der politischen Rechten. Die pflegte fortan nicht nur das Feindbild der Achtundsechziger, sondern lernte zunehmend auch von deren Aktionsformen. So verabreden sich ihre Vertreter heute zu Sitzblockaden vor dem Eingang der CDU-Bundeszentrale, sie lassen Losungen („Sichere Grenzen – sichere Zukunft“) vom Brandenburger Tor herunter oder platzen spontan in Lesungen und Theateraufführungen. „Es ist wie ein Déjà-vu. Nur mit umgekehrten Vorzeichen“, schreibt Wagner. „Heute sind es nicht mehr elitäre Kulturkonservative, sondern egalitär gesinnte Linksliberale, die auf den alten Sponti-Trick hereinfallen.“

mehr:
- AfD und Pegida : Raus aus der Bunkermentalität (Stefan Locke, FAZ.net, 04.09.2017)

Heute vor 40 Jahren – 5. September 1977: Die RAF entführt Hanns Martin Schleyer

Am 5. September 1977 hatte ein Kommando der Roten Armee Fraktion (RAF) in Köln Schleyers Auto gestoppt, seinen Fahrer sowie drei Sicherheitsbeamte erschossen und den Arbeitgeberpräsidenten gekidnappt. Es war der spektakulärste einer ganzen Reihe von Terrorakten, mit denen die Gruppe seit Anfang der 1970er Jahre den Staat herausgefordert hatte. Es begannen sechs dramatische Wochen: der "Deutsche Herbst", der das Land für immer veränderte.

Die Polizei begann die bis dahin größte Fahndungsaktion, um das Versteck zu finden, in das die Terroristen Schleyer verschleppt hatten. Erstmals sah man Beamte mit Maschinenpistolen und gepanzerte Polizeifahrzeugen auf den Straßen, überall gab es Kontrollen. Der Bundestag verschärfte im Eilverfahren Sicherheitsgesetze.

mehr:
- RAF-Terror 1977: Was ist ein Leben wert? (Ludwig Greven, ZON, 11.03.2017)

siehe auch:
- 40 Jahre Deutscher Herbst – Spurensuche im "Volksgefängnis" der RAF (Christian Wernicke, Süddeutsche Zeitung, 06.09.2017)
- Schleyer-Entführung 1977: "In Erfüllung seiner Pflicht" (Jürgen Dahlkamp, SON, 05.09.2017)
- Hinrichtung am Straßenrand – Als die RAF Hanns Martin Schleyer entführte (Rüdiger Franz, Bonner Generalanzeiger, 05.09.2017)
- Schleyer-Entführung vor 40 Jahren: So veränderte der Terror-Herbst die Republik (Südkurier, 05.09.2017)
- Vor 40 Jahren: Hanns Martin Schleyer in Köln entführt (Dominik Reinle, WDR, 05.09.2017)
- Ein Herbst wie kein anderer (Lilian Häge, FAZ, 05.09.2017)

Die Geschichte der RAF - Teil 4: Der Deutsche Herbst das Jahr 1977 {43:37}

Veröffentlicht am 01.02.2015
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Die Geschichte der RAF - Teil 4: Der Deutsche Herbst das Jahr 1977
28 Jahre lang versetzte die Rote Armee Fraktion die deutsche Politik und Wirtschaft in Angst und Schrecken. Vor 45 Jahren gegründet, wollten die Männer und Frauen der RAF die Bundesrepublik radikal verändern. Dieses Ziel haben die Linksextremen nicht erreicht - doch mit ihren Taten brachten sie den Staat an seine Grenzen.
Die so genannte zweite Generation der RAF prägte mit kaltblütigen Morden einen weiteren Mythos dieser Terror-Organisation: Niemand in Staat und Wirtschaft konnte sich mehr sicher fühlen. Christian Klar und Brigitte Mohnhaupt galten als die Führungsfiguren dieser zweiten Generation.