von Satyananda
• Neulich hatten wir ein Schweige-Retreat in einem einsamen Haus an der Ostseeküste. Eine bunt gemischte Gruppe versammelte sich – Menschen aus den alten und aus den neuen Bundesländern, junge und nicht mehr ganz so junge, Karrierefrauen, gestresste Geschäftsleute, aber auch solche, die im Begriff waren, aus dein Rattenrennen auszusteigen oder die es bereits hinter sich hatten. Sie alle einte das Bedürfnis, an einem stillen Ort zu sich selbst zu kommen und sich zu entschleunigen. Nicht alle waren geübte Meditierer/innen. „Ich nehme immer wieder mal einen Anlauf“, sagte Harald, ein junger Rechtsanwalt aus Thüringen, „aber meistens hin ich abends fix und fertig, wenn ich nach zwölf Stunden Hektik in der Kanzlei nach Hause komme.“
KEIN IDYLLISCHER WELLNESS-EVENT
So wie ihm ging es auch anderen in der Gruppe. „Wer regelmäßig meditieren will,“ schlug ich vor, „sollte das morgens tun – gleich nach dem Aufwachen. Dazu gehört ein bisschen Disziplin. Aber die erste halbe Stunde des Tages gehört euch allein – dann kommen die Verpflichtungen, das Unvorhergesehene, der Stress, die Hektik, und am Abend ist man so platt, dass man nicht mehr meditieren kann.“
Als wir verkündeten, dass die Tage mit Oshos Dynamischer Meditation beginnen würden, reagierten manche mit banger Neugierde. Dynamische Meditation? Chaotisches Atmen, Toben, Schreien, Weinen, Lachen, Hüpfen…
„Die Dynamische Meditation ist das größte Geschenk, das Osho den gestressten Zivilisationsmenschen des 21. Jahrhunderts hinterlassen hat“, sagte ich.
„Ehrlich gesagt“, murrte Ulrike aus Lübeck, „habe ich ein bisschen Schiss davor.“ Verständnisvolles Gelächter. Es war jetzt klar, dass das Schweigeretreat kein idyllischer Wellness-Event sein würde. Wir mussten erst mal aus der Komfortzone austreten, um dann mit uns selbst zu experimentieren. Wer schweigt, wird unweigerlich auf sich zurückgeworfen. In der Stille begegnen wir unseren Ängsten, unseren Schwächen, unseren Illusionen. Dazu gehört Mut.
Aber schon am ersten Tag erlebten die Teilnehmer, was für ein ungeheures Potenzial im Schweigen steckt. Wenn es keine verbale Kommunikation gibt, verlagert sich der Austausch ganz von selbst auf die energetische Ebene. Ein kurzer Blick, eine kleine Geste, die Aura, die Ausstrahlung sind wichtiger als tausend Worte.
Alle hatten schon bald das Gefühl, dass sie sich auf dieser Ebene viel unmittelbarer und intensiver kennenlernten und näher kamen als mit Worten. Nicht reden heißt auch Kraft sparen. Die Kraft baut sich während des Retreats auf. Sie wird jeden Tag stärker. Man kann sie geradezu mit Händen greifen. Sie macht wach und lebendig, und schon bald mündet sie in ein überwältigendes Glücksgefühl.
Leider ging das alles an Hubert völlig vorbei. Ausgerechnet an Hubert, dem Jüngsten unter uns, Jurastudent aus Heidelberg. Gleich am Anfang hatte er in der Vorstellungsrunde gesagt, dass er ein Osho Lover sei und schon viele seiner Bücher gelesen habe. Trotzdem hatte er keinen leichten Start in der Gruppe.
WENN DAS SCHWEIGEN SCHWERFÄLLT
Er fiel auf, weil er immer wieder versuchte, andere Teilnehmer in Gespräche zu verwickeln. Die wollten sich aber lieber an die Spielregeln halten und ließen ihn abblitzen. Schließlich versuchte er in der Küche ein Gespräch mit der Köchin in Gang zu bringen. Aber auch die zeigte sieh nicht gesprächig. Zur Dynamischen Meditation kam er zu spät.
Am zweiten Tag war dann Schluss. Eine Teilnehmerin kam zu mir und flüsterte aufgeregt: „Hubert reist ab!“
Ich machte mich auf die Suche nach Hubert und fand ihn vor der Tür des Hauses im Mantel und mit gepacktem Koffer – abreisebereit.
„Du willst abreisen?“, fragte ich und spürte, dass er furchtbar aufgeregt war.
„Ich halte das nicht länger aus! Ich kann nicht mehr.“
„Was hältst Du nicht aus?“
„Das Schweigen, Mann! Das ist einfach zu viel für mich. Ich hin hier hergekommen, weil ich meditieren wollte. Auf Schweigen habe ich keinen Bock. Ich will mich austauschen mit anderen Menschen, die auch meditieren.
„Aber du wusstest doch, dass das ein Schweige-Retreat ist, oder?“
„Nee, das ist irgendwie an mir vorbeigegangen. Vielleicht habe ich es auch verdrängt. Jedenfalls habe ich mir das Retreat anders vorgestellt.“
„Wie denn?“
„Na, jedenfalls nicht so, dass man sieh gegenseitig anschweigt. Besonders bei den Mahlzeiten … diese bedrückende Stille. Es kommt mir so vor, als wenn meine Eltern nicht mehr mit mir reden.“
„Aha“, dachte ich, „jetzt wird es spannend.“
„Soll ich dir mal eine Erfahrung aus meinem eigenen Leben erzählen?“, fragte ich Hubert.
„Was denn?“, fragte er etwas irritiert zurück.
„Ich habe immer nur in schwierigen Situationen etwas dazugelernt. Wenn es mir gut ging, wenn ich auf der Erfolgswelle surfte, hatte ich keine Lust, etwas in meinem Leben zu verändern. Ich war schon Fünfzig, als ich endlich begriffen habe, dass ich mich aus der Komfortzone herausbewegen muss, wenn ich mich innerlich entwickeln will.“
Hubert winkte ab: „Da bin ich schon drüber raus. Und weißt du was? Ich bin der Neue Mensch! Ich meditiere wie Buddha und genieße wie Zorba. Ich mache grundsätzlich nur noch das, was mir Spaß macht!“
Ich nahm Hubert in den Arm und sagte: „Okay, Junge, dann wünsche ich dir viel Glück und eine gute Heimreise. Schade, dass du gehst. Komm wieder …!“
KEIN IDYLLISCHER WELLNESS-EVENT
So wie ihm ging es auch anderen in der Gruppe. „Wer regelmäßig meditieren will,“ schlug ich vor, „sollte das morgens tun – gleich nach dem Aufwachen. Dazu gehört ein bisschen Disziplin. Aber die erste halbe Stunde des Tages gehört euch allein – dann kommen die Verpflichtungen, das Unvorhergesehene, der Stress, die Hektik, und am Abend ist man so platt, dass man nicht mehr meditieren kann.“
Als wir verkündeten, dass die Tage mit Oshos Dynamischer Meditation beginnen würden, reagierten manche mit banger Neugierde. Dynamische Meditation? Chaotisches Atmen, Toben, Schreien, Weinen, Lachen, Hüpfen…
„Die Dynamische Meditation ist das größte Geschenk, das Osho den gestressten Zivilisationsmenschen des 21. Jahrhunderts hinterlassen hat“, sagte ich.
„Ehrlich gesagt“, murrte Ulrike aus Lübeck, „habe ich ein bisschen Schiss davor.“ Verständnisvolles Gelächter. Es war jetzt klar, dass das Schweigeretreat kein idyllischer Wellness-Event sein würde. Wir mussten erst mal aus der Komfortzone austreten, um dann mit uns selbst zu experimentieren. Wer schweigt, wird unweigerlich auf sich zurückgeworfen. In der Stille begegnen wir unseren Ängsten, unseren Schwächen, unseren Illusionen. Dazu gehört Mut.
Aber schon am ersten Tag erlebten die Teilnehmer, was für ein ungeheures Potenzial im Schweigen steckt. Wenn es keine verbale Kommunikation gibt, verlagert sich der Austausch ganz von selbst auf die energetische Ebene. Ein kurzer Blick, eine kleine Geste, die Aura, die Ausstrahlung sind wichtiger als tausend Worte.
Alle hatten schon bald das Gefühl, dass sie sich auf dieser Ebene viel unmittelbarer und intensiver kennenlernten und näher kamen als mit Worten. Nicht reden heißt auch Kraft sparen. Die Kraft baut sich während des Retreats auf. Sie wird jeden Tag stärker. Man kann sie geradezu mit Händen greifen. Sie macht wach und lebendig, und schon bald mündet sie in ein überwältigendes Glücksgefühl.
Leider ging das alles an Hubert völlig vorbei. Ausgerechnet an Hubert, dem Jüngsten unter uns, Jurastudent aus Heidelberg. Gleich am Anfang hatte er in der Vorstellungsrunde gesagt, dass er ein Osho Lover sei und schon viele seiner Bücher gelesen habe. Trotzdem hatte er keinen leichten Start in der Gruppe.
WENN DAS SCHWEIGEN SCHWERFÄLLT
Er fiel auf, weil er immer wieder versuchte, andere Teilnehmer in Gespräche zu verwickeln. Die wollten sich aber lieber an die Spielregeln halten und ließen ihn abblitzen. Schließlich versuchte er in der Küche ein Gespräch mit der Köchin in Gang zu bringen. Aber auch die zeigte sieh nicht gesprächig. Zur Dynamischen Meditation kam er zu spät.
Am zweiten Tag war dann Schluss. Eine Teilnehmerin kam zu mir und flüsterte aufgeregt: „Hubert reist ab!“
Ich machte mich auf die Suche nach Hubert und fand ihn vor der Tür des Hauses im Mantel und mit gepacktem Koffer – abreisebereit.
„Du willst abreisen?“, fragte ich und spürte, dass er furchtbar aufgeregt war.
„Ich halte das nicht länger aus! Ich kann nicht mehr.“
„Was hältst Du nicht aus?“
„Das Schweigen, Mann! Das ist einfach zu viel für mich. Ich hin hier hergekommen, weil ich meditieren wollte. Auf Schweigen habe ich keinen Bock. Ich will mich austauschen mit anderen Menschen, die auch meditieren.
„Aber du wusstest doch, dass das ein Schweige-Retreat ist, oder?“
„Nee, das ist irgendwie an mir vorbeigegangen. Vielleicht habe ich es auch verdrängt. Jedenfalls habe ich mir das Retreat anders vorgestellt.“
„Wie denn?“
„Na, jedenfalls nicht so, dass man sieh gegenseitig anschweigt. Besonders bei den Mahlzeiten … diese bedrückende Stille. Es kommt mir so vor, als wenn meine Eltern nicht mehr mit mir reden.“
„Aha“, dachte ich, „jetzt wird es spannend.“
„Soll ich dir mal eine Erfahrung aus meinem eigenen Leben erzählen?“, fragte ich Hubert.
„Was denn?“, fragte er etwas irritiert zurück.
„Ich habe immer nur in schwierigen Situationen etwas dazugelernt. Wenn es mir gut ging, wenn ich auf der Erfolgswelle surfte, hatte ich keine Lust, etwas in meinem Leben zu verändern. Ich war schon Fünfzig, als ich endlich begriffen habe, dass ich mich aus der Komfortzone herausbewegen muss, wenn ich mich innerlich entwickeln will.“
Hubert winkte ab: „Da bin ich schon drüber raus. Und weißt du was? Ich bin der Neue Mensch! Ich meditiere wie Buddha und genieße wie Zorba. Ich mache grundsätzlich nur noch das, was mir Spaß macht!“
Ich nahm Hubert in den Arm und sagte: „Okay, Junge, dann wünsche ich dir viel Glück und eine gute Heimreise. Schade, dass du gehst. Komm wieder …!“