Wenn Antidepressiva, statt zu helfen, die seelische Not eines Menschen noch größer machen, ist das nicht nur eine Absurdität, es kann tödlich enden. Der Autor erlitt durch das Versagen von Big Pharma einen unwiederbringlichen Verlust: Seine Frau beging nach der Einnahme von Psychopharmaka Suizid. Ein Risiko, über das Ärzte und Packungsbeilagen bis dahin geschwiegen hatten. Man sollte meinen, dass es leicht wäre, die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen und Ähnliches in Zukunft zu verhindern. Nicht aber, wenn der Gegner ein mächtiges Kartell ist: die Pharmaindustrie, gegen die Politik und Gerichte kaum aufzubegehren wagen.
Die deutsche Arzneimittelaufsichtsbehörde, das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) entstand Anfang der 90er Jahre aus dem Bundesgesundheitsamt (BGA). Damals in den 80er Jahren – die älteren Leser werden sich hieran sicher erinnern – erschütterte ein Arzneimittelskandal die Republik und führte zur Auflösung der alten und zum Entstehen der neuen Aufsichtsbehörde. Es ging um Blutkonserven, die mit dem HIV-Virus verseucht waren. Sie wurden Blutern verabreicht, die infolgedessen an Aids erkrankten und vielfach daran verstarben.
Ende September 1993 erfuhr der damalige Bundesgesundheitsminister Horst Seehofer, dass das Bundesgesundheitsamt schon seit Mai 1993 von HIV-positiven Blutplasmakonserven der Firma UB Plasma wusste, aber nichts unternommen hatte (1). Wenige Tage später entließ er den damaligen BGA-Präsidenten Dieter Großklaus. Im Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestages wurde festgestellt, „dass rund 60 Prozent der durch kontaminierte Blutprodukte ausgelösten HIV-Infektionen hätten verhindert werden können“.
Ferner wurde kritisiert, „dass es dem Bundesminister nicht gelungen ist, den nach der Contergan-Katastrophe für Arzneimittel-Großrisiken geschaffenen Pharmapool zu Leistungen an die Stiftung (für durch Blutprodukte HIV-infizierte Personen) heranzuziehen (…) (obwohl) der Pool mit über 800 Millionen DM über mehr als ausreichende Mittel verfügt“ (2).
In die Zeit des Übergangs von der alten Aufsichtsbehörde BGA hin zur heutigen Aufsichtsbehörde BfArM fiel auch die Zulassung zahlreicher Antidepressiva, der so genannten Selektiven Serotonin Wiederaufnahmehemmer – Selektive Serotonin Reuptake Inhibitors –, kurz SSRI-Antidepressiva.
mehr:
- Tödlicher Ernst Die Pharmaindustrie ist eines der gefährlichsten Kartelle der Welt. Teil 2/2. (Lothar Schröder, Rubikon, 22.08.2018)
- Link zum ersten Teil dieser Artikelreihe
siehe auch:
- Tagesdosis 25.6.2018 – Freibrief für Kinderdroge Ritalin (Susan Bonath, Tagesdosis, 25.06.2018)
- Big Data: Die Pharmaunternehmen buhlen um Daten (FAZ, 06.03.2018)
- Nach fünf Jahrhunderten von Kolonialismus und Plünderung des Planeten steht die Menschheit an einem Wendepunkt. (Heiko Flottau, NachDenkSeiten, 28.02.2018)
- "Kontraste"-Recherche: Fragwürdige Geschäfte der Pharmakonzerne (Tagesschau, 08.02.2018)
- Wissenschaft: frei oder nicht frei? (Post, 05.10.2017)
- Das Ende von Big Pharma (Sven Böttcher, Rubikon, 31.05.2017)
- Glyphosat: Wissenschaft im Kapitalismus (Post, 28.04.2017)
- Das neoliberale Narrativ: Wir sind verkehrt! (Post, 05.10.2016)
- Ist die Psychopharmakologie verrückt geworden? – Kapitalismus-infizierte Wissenschaft (Post, 31.01.2016)
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Donnerstag, 23. August 2018
Syrien: Britische Regierung kürzt Unterstützung für oppositionelle Polizisten
Das nicht-humanitäre Programm für die "Free Syria Police" sei angesichts des bevorstehenden Angriffs der syrischen Armee auf Idlib zu riskant geworden
Die Süddeutsche Zeitung schreibt noch von "Rebellen". Im Zusammenhang mit Befürchtungen der Bundesregierung angesichts kommender Angriffe der syrischen Regierungstruppen mit ihren Verbündeten und russischer Unterstützung auf Idlib ist die Rede vom "letzten Stützpunkt der Rebellen".
Das ist ein politisches Landschaftsbild aus einer verträumten Spätromantik. Die Rebellenzone ist hier sehr ungenau ausgeführt; es kommt ganz auf den Eindruck an, den die Farbtupfer auf den weitentfernten Betrachter ausübt. Die oder der denkt, stimuliert von den hierzulande noch immer wirksamen Traditionen des vorletzten Jahrhunderts, Gutes von den Rebellen.
Präzisere Zeichnungen des Geländes in Idlib - wie z.B. die Abbildung "Factional Control" im Überblick des französischen Historikers Matteo Puxton (zur Beruhigung: Er ist eindeutig kein "Assadist") - zeigen Herrschaftsgebiete von bewaffneten Milizen, die mal mehr, mal weniger unbedingt, brutal oder radikal einen religiösen Staat zum Ziel haben.
Al-Qaida-Verbündete und - Sprösslinge sind, sind, wie Puxton ausführt, in der "Dschhadistenzone" wieder stärker vertreten. Eine Hauptrolle unter den Milizen in Idlib spielt Hayat al-Tahrir al-Sham (auch, korrekter, mit "asch-Scham" transkribiert), ein Abkömmling der al-Nusra-Front, die sich zwar von der Organisation al-Qaida distanzierte, nicht aber von deren ideologischen Kernpunkten, die direkt mit Herrschaftsformen verknüpft sind, welche Rebellen im Geiste dessen, was hierzulande mit dem Begriff verbunden wird, das pure Grauen einjagen müsste.
Möglich, dass eine Spur des Grauens nach London gelangt ist. Wahrscheinlicher ist aber, dass man sich auch dort an die großen politischen Tableaus hält. Und auf dem syrischen Großtableau ist die Opposition der Verlierer, ohne Aussichten, dass sich das doch noch ändern könnte.
mehr:
- Syrien: Britische Regierung kürzt Unterstützung für oppositionelle Polizisten (Thomas Pany, Telepolis, 21.08.2018)
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Die Süddeutsche Zeitung schreibt noch von "Rebellen". Im Zusammenhang mit Befürchtungen der Bundesregierung angesichts kommender Angriffe der syrischen Regierungstruppen mit ihren Verbündeten und russischer Unterstützung auf Idlib ist die Rede vom "letzten Stützpunkt der Rebellen".
Das ist ein politisches Landschaftsbild aus einer verträumten Spätromantik. Die Rebellenzone ist hier sehr ungenau ausgeführt; es kommt ganz auf den Eindruck an, den die Farbtupfer auf den weitentfernten Betrachter ausübt. Die oder der denkt, stimuliert von den hierzulande noch immer wirksamen Traditionen des vorletzten Jahrhunderts, Gutes von den Rebellen.
Präzisere Zeichnungen des Geländes in Idlib - wie z.B. die Abbildung "Factional Control" im Überblick des französischen Historikers Matteo Puxton (zur Beruhigung: Er ist eindeutig kein "Assadist") - zeigen Herrschaftsgebiete von bewaffneten Milizen, die mal mehr, mal weniger unbedingt, brutal oder radikal einen religiösen Staat zum Ziel haben.
Al-Qaida-Verbündete und - Sprösslinge sind, sind, wie Puxton ausführt, in der "Dschhadistenzone" wieder stärker vertreten. Eine Hauptrolle unter den Milizen in Idlib spielt Hayat al-Tahrir al-Sham (auch, korrekter, mit "asch-Scham" transkribiert), ein Abkömmling der al-Nusra-Front, die sich zwar von der Organisation al-Qaida distanzierte, nicht aber von deren ideologischen Kernpunkten, die direkt mit Herrschaftsformen verknüpft sind, welche Rebellen im Geiste dessen, was hierzulande mit dem Begriff verbunden wird, das pure Grauen einjagen müsste.
Möglich, dass eine Spur des Grauens nach London gelangt ist. Wahrscheinlicher ist aber, dass man sich auch dort an die großen politischen Tableaus hält. Und auf dem syrischen Großtableau ist die Opposition der Verlierer, ohne Aussichten, dass sich das doch noch ändern könnte.
mehr:
- Syrien: Britische Regierung kürzt Unterstützung für oppositionelle Polizisten (Thomas Pany, Telepolis, 21.08.2018)
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