Mittwoch, 20. Juni 2007

Politischer Mord

Als am 12. März 2003 der serbische Ministerpräsident Zoran Djindjic Opfer eines Attentats wurde, waren Täter und Tathergang schnell bekannt. Anläßlich der Verurteilung der Mörder – meistenteils Milizionäre und frühere Geheimdienstler – spürt Dunja Melcic den Hintergründen eines politischen Kriminalfalls nach, in den Sicherheitsdienste, Gerichtsbarkeit, Mafia und höchste Staatsstellen verstrickt waren. Das Puzzle der Befehlskette läßt sich weitgehend rekonstruieren, aber auf welche Hintermänner deuten die Indizien?

Nach den Schüssen auf Djindjic kümmern sich Leibwächter um den serbischen Ministerpräsidenten (Fernsehaufnahme)

Trauerzug zur Beerdigung von Zoran Djincjic am 15.3.2003

zu einem Ausschnitt aus dem Artikel in der neu erschienenen Lettre Nr. 77


Die Verfasserin des Artikels, Dunja Melcic, ist 1950 in Kroatien geboren. Die Philosophin und freie Autorin lebt seit 1974 in Frankfurt/Main, wo sie über Heidegger promovierte. Sie widmet sich Themen der Philosophie und solchen der internationalen Politik mit Fokus auf Südosteuropa.

zu einem Artikel von Frau Melcic in der FAZ vom 16.6.2006
zu ihrem Aufsatz »Ausharrendes Fragen, beständiges Scheitern – Grundlegendes schaffen, Das Heidegger-Syndrom« (wahrscheinlich aus dem Jahr 2005)
zu ihrem Aufsatz »Die Tragödie des Zoran Djinjic« (2004)


Ein Insider erzählt von den Machenschaften des chinesischen Regimes im Ausland

von Tsewang Lhadon, ehemaliger Direktor des Tibetischen Zentrums für Menschenrechte und Demokratie

Es war beeindruckend, Chen Yonglin, einen ehemaligen chinesischen Diplomaten, auf einem öffentlichen Forum sprechen zu hören, das von der China Research Association an der Universität von Toronto organisiert und vom China Rights Network finanziert wurde.

Chen Yonglin, ehemals Erster Sekretär im chinesischen Konsulat in Sydney/Australien, machte Schlagzeilen, als er sich im Mai 2005 aus dem Konsulat absetzte. Chen sprach offen über die Manöver des Regimes, um die Wahrnehmung Chinas im Westen durch chinesischsprachige Medien im Ausland zu beeinflussen und zu diesem Ziel auch Studentengruppen und chinesische Landsleute einzuspannen, die als Verbände an der Front operieren sollen. Ihr Zweck sei, so sagte er, die fünf „Gifte“, also die anvisierten Gruppen der Exiltibeter, Taiwanesen, moslemischen Uighuren, Demokratieverfechter und Falun Gong Praktizierenden, in Verruf zu bringen.

Chen berichtete auch von den Bemühungen des chinesischen Regimes, die internationalen Medien durch direkte Investitionen zu kontrollieren, um Einfluß auf den Inhalt der Publikationen zu gewinnen, was er eine Infiltration mit der Ideologie der Kommunistischen Partei nannte. Der Hauptzweck dabei sei, die Menschenrechtsverletzungen des Regimes zu legitimieren. Chen zufolge ist die kommunistische Partei ziemlich instabil, weswegen die Außenpolitik Chinas von Erwägungen politischer Stabilität dominiert wird. Die Hauptfunktion der chinesischen Vertretungen im Ausland sei, Dissidenten zu beobachten und sie zum Schweigen zu bringen, und dies wiege schwerer als alle anderen Funktionen zusammen.

Laut Chens Aussage arbeiten in jeder chinesischen Botschaft zwei Mitarbeiter des Geheimdienstes. Alle kommunistischen Einrichtungen werden als Eigentum des chinesischen Staates betrachtet, einschließlich lokaler chinesischer Institutionen im Ausland. Die chinesischen Konsulate formen Dachverbände, aus denen handverlesene Mitglieder zu Leitern der Vertretungen bestimmt werden. Diese haben dann die Aufgabe, die kommunistische Ideologie unter den Auslandschinesen zu verbreiten. Zum Zweck der besseren Überwachung bestehen diese Gruppen aus maximal zehn Personen. Chen berichtete auch, daß die Propagierung der Lehre des Konfuzius, wie es neuerdings Vertreter Chinas zu tun pflegen, um Vertrauen und gute Beziehungen auf hoher Ebene zu schaffen, widersinnig sei, weil der Konfuzianismus seinem eigentlichen Wesen nach im Widerspruch zum Kommunismus stehe.

Chen führte weiter aus, daß der Großteil der jüngeren Generation in China heutzutage keine nennenswerten Geschichtskenntnisse besitze. Das sei der Einführung der vereinfachten chinesischen Schriftzeichen anzulasten, denn kaum jemand könne heute noch die maßgeblichen Lehrtexte lesen. Mit anderen Worten, die jüngere Generation weiß nur das, was das Regime ihnen zu lernen gestattet: Die Geschichte wird entstellt, um den Erfordernissen des Regimes Genüge zu tun.

Als er in bezug auf die Problematik Tibets gefragt wurde, was er von den fünf Gesprächsrunden zwischen den tibetischen Exil-Vertretern und der chinesischen Regierung halte, malte Chen ein sehr düsteres Bild, indem er das ganze Unterfangen als eine „Taktik Chinas“ bezeichnete. Ohne zu zögern sagte er ganz offen: „Der Dalai Lama hat keine einzige Trumpfkarte in der Hand, mit der er verhandeln könnte“, und er fügte hinzu „von der chinesischen Seite gibt es überhaupt keine Aufrichtigkeit. Es ist unmöglich, daß ihr ein befriedigendes Resultat aus den Verhandlungen bekommt“.

Wie Chen sagte, ist das kommunistische Regime versessen darauf, die politische Stabilität aufrechtzuerhalten – zu seinem eigenen Vorteil. Jiang Zemin, der die Verfolgung von Tausenden von Falun-Gong-Mitgliedern anordnete, weiß nur zu gut, daß man ihm das niemals verzeihen wird. Zum brutalen Vorgehen des Staates gegen die Demonstrationen der Studenten von 1989 und die Ausrufung des Kriegsrechts in Lhasa im April desselben Jahres, als Hunderte von Tibetern getötet wurden, sagte Chen: „An Hus Händen klebt das Blut der Tibeter.“

Nach Chen Yonglins Ansicht ist der Zusammenbruch des kommunistischen Regimes unvermeidbar. Er mahnte die westlichen Nationen jedoch, sehr vorsichtig zu sein, denn der „Große Bruder“ kenne keine Grenzen. Das also ist Chens Botschaft.

Nach der Diskussion ging ich auf Chen zu und dankte ihm, daß er seine Gedanken mit uns teilte und so mutig handelte. Als ich bemerkte, ich sei Tibeter, meinte er: „Der Dalai Lama muß Tibet besuchen. Er muß einen Weg dazu finden.“ Es wäre sinnlos gewesen, weiter zu argumentieren, denn er schien zu wissen, was er sagte. Es war Zeit zu gehen. Viele Gedanken gingen mir durch den Kopf, als ich den Raum verließ.

übermittelt durch Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM), Arbeitsgruppe München