Montag, 30. März 2009

Querverbindungen – eine Baustelle

Ursprünglich sollte es ein kurzer Post werden, dann sollte es ein längerer werden, dann ein ziemlich großer, und jetzt ist das Projekt so groß geworden, daß ich ihm einen eigenen Blog gewidmet habe. Bevor ich, weil ich immer noch was Neues finde, gar nicht mehr anfange, fange ich einfach an.
Es fing an mit zwei Sartre-Biographien, dann kam eine Frau, die der Sohn dem Vater ausspannte, und nach Meinung von Ulrich Wickert (bei Frank Elstner) paßt dann der französische Premierminister gut in das »Beuteschema«.
Die Tatsache, daß es mit Weltgeschichte und großen Ideen beginnt, das Projekt, und mit dem Bäumchen-Wechsle-Dich-Spiel von Erwachsenen (?) endet, macht das Projekt vielleicht etwas fade, aber genau dies habe ich abzubilden versucht.
Also: Willkommen auf der Baustelle!

Montag, 23. März 2009

Das Ich und das Es

Heute vor 85 Jahren erschien Freuds Schrift »Das Ich und das Es«, in welcher er sein »Drei-Instanzen-Modell« erstmals ausarbeitete. Im Gegensatz zu seinem älteren »topischen Modell« zielt er hier mehr auf die Beziehung zwischen den drei Instanzen »Ich«, »Es« und »Über-Ich« ab.

Wider den Zeitgeist, Nachtrag

Es freut mich, daß Papst Benedikt nicht nur bescheuert ist, sondern im Gegenteil unter den Journalisten anscheinend das Bedürfnis wächst, hinter den erst einmal absurd und abwegig erscheinenden päpstlichen Äußerungen noch etwas Substantielles zu suchen. Und so kann man, wenn man es sich nicht zu leicht macht, schon manches an Nachdenkenswertem finden. So auch in dem Kommentar aus der heutigen HAZ:

»Spanien, das als Reaktion auf den Fauxpas des deutschen Papstes eine Million Kondome nach Afrika senden will, könnte auch eine Milliarde schicken, ohne dass sich an der Ausbreitung der Epidemie Grundsätzliches ändern würde. Im Westen wird vielerorts noch immer nicht verstanden, dass Afrika eigenen Regeln gehorcht – und Kondome hier verpönt sind. Afrikaner benutzen sie nicht deshalb selten, weil der Papst moralische Bedenken hegt, sondern weil sie sie als unmännlich empfinden. Es gibt inzwischen viele Studien, die diese Aversion belegen: Eine Frau, die den Mann um den Gebrauch eines Kondoms bittet, gilt schnell als Hure und wird mit physischer Gewalt „bestraft“. Minenarbeiter und Fernfahrer, die das HI-Virus besonders häufig in sich tragen, erklären ganz offen, dass sie ja auch nicht mit Socken baden oder Bonbons mit Papier lutschen würden. Wer dies aus Bequemlichkeit oder aus Angst, der Kritik an der afrikanischen Kultur bezichtigt zu werden, in Abrede stellt, trägt seinerseits dazu bei, dass Afrikas Aids-Problem ungelöst bleibt. In Südafrika weisen mit der Aids-Aufklärung betraute Gruppen seit Langem darauf hin, dass die große Mehrheit der Schwarzen zwar um die sexuelle Übertragung des Virus weiß, aber nur ein Bruchteil das Verhalten entsprechend ändert. Afrikaner haben in ihrem Leben vielleicht nicht mehr Sexualpartner als Weiße, aber mehr zur gleichen Zeit, was die Virusübertragung stark erleichtert. Es ist kein Zufall, dass sich allein in Südafrika an einem einzigen Tag fast ebenso viele Menschen mit dem HI-Virus infizieren wie in Deutschland in einem ganzen Jahr. Umso mehr verwundert, dass der zweite Teil der Aids-Botschaft des Papstes fast völlig unterging. Denn wenn Afrika seine Aids-Epidemie eindämmen will, braucht es in der Tat zunächst ein Wertesystem, das mehr als bisher auf Werten wie Treue, Selbstdisziplin und Eigenverantwortung fußt. Dazu zählt auch, dass Afrikaner ihren Frauen mit mehr Respekt begegnen müssen. Der Papst hat das mit seinem Appell zu einer verantwortungsvoll gelebten Partnerschaft angesprochen.«
(Wolfgang Drechsler, in »Mehr Respekt«, HAZ-Kommentar vom 23.03.2009)

Der Verfasser hat den Mut, die Afrikaner nicht einfach nur als die der Seuche ausgelieferten hilflosen Menschen zu sehen sondern als Menschen mit Emotionen und Verstand, die in bestimmten Situationen bestimmte Entscheidungen treffen und durch diese Entscheidungen bestimmte Konsequenzen hervorrufen. Und darum geht es: verantwortliches Handeln, Verantwortung übernehmen für sich selbst und Verantwortung übernehmen für den Anderen. Ein Gummi ersetzt keine Verantwortung und keine Selbstreflexion. Einfach nur auf die antiquierte Einstellung der Kirche zu zeigen bringt keinen Millimeter weiter.
Also, wer Ohren hat zu hören, Augen zu sehen und ein Hirn zum Nachdenken, der verwende, was uns der liebe Gott geschenkt hat! Die Vertreibung aus dem Paradies bedeutet nichts anderes als den Zwang, für sich selbst Verantwortung zu übernehmen.

Samstag, 21. März 2009

Fragen Sie Dr. Sommer

Nein, nicht in der BRAVO, sondern im PLAYBOY

Mittwoch, 18. März 2009

Wider den Zeitgeist

Auf einigen Internetseiten der ARD kann man zwei oder drei Sätze von Papst Benedikt als Zitat lesen. Und dann wird auch schon aufgefordert, mitzudiskutieren. Vielen hat der Papst mit dieser Vorlage in die Tiefe des Raumes ein großes Geschenk bereitet, gibt es doch die willkommene Gelegenheit, draufzuhauen. Wie wohltuend ist es doch, wenn der Bekloppte eindeutig identifizierbar und wir alle die Durchblicker sind. Massenpsychologie ist doch ein interessantes Phänomen, vor allem, wenn es bei anderen auftritt.

»Man kann das Aids-Problem nicht durch die Verteilung von Kondomen regeln« sagt Benedikt (jedenfalls von der ARD so zitiert). Hier ist nicht klar, was genau gemeint ist. Natürlich ist es eine außerordentlich nützliche Regel, bei Aids Kondome zu verwenden. Aber nur, wenn man die Absicht hat, trotz Aids sexuell aktiv zu werden. Vielleicht wäre es ja noch nützlicher, bei Aids enthaltsam zu sein. Aber was heißt das? Soll ich jetzt enthaltsam sein, wenn ich Aids habe oder soll ich enthaltsam sein, wenn die Möglichkeit besteht, daß ich Aids kriege?

Vielleicht hilft es ja dabei, weniger lange nachzudenken, wenn meine biologische Programmierung wieder am Arbeiten ist, wenn ich ein Kondom in der Tasche habe. Wenn ich als Mann also jemanden zum Flachlegen suche und in der andern Ecke des Raumes sitzt ein attraktiv erscheinender möglicher Sexualpartner, denke ich vielleicht zwanzig Minuten über einen möglichen Geschlechtsverkehr und dessen Konsequenzen nach, wenn ich kein Kondom in der Tasche habe und vielleicht fünf Minuten – oder auch überhaupt nicht –, wenn ich eins besitze. Könnte es das sein, was Benedikt gemeint hat?

»Ihre Benutzung verschlimmert vielmehr das Problem … die Lösung liegt vielmehr in einem spirituellen und menschlichen Erwachen.« Was? Wachwerden? Was soll das, ich lese doch die Nachrichten im Internet. Könnte ich ja nicht, wenn ich schlafen würde. Was will der Kerl? Soll ich vielleicht nachdenken? Bei der Finanzkrise hat das Nachdenken auch nicht geholfen. Wieso dann bei Aids? Dann doch lieber ein Kondom und ran an den Speck. Und dann auch noch spirituelles Erwachen. Als ob der liebe Gott helfen würde, wenn ich geil bin. Meine biologische Programmierung ist stärker als Gott. Meine biologische Programmierung verschafft mir einen Orgasmus. Den hat mir Gott noch nie besorgt. Der hat auch nix gegen die Finanzkrise getan und gegen die Judenverfolgung und die vielen Kündigungen jetzt überall. Und dann soll ich auch noch auf das Schönste im Leben verzichten. Die spinnen die Päpste. Die Ackermänner sind zwar Arschlöcher, aber sie spinnen nicht. Aber der spinnt ganz eindeutig. Statt zu bumsen soll ich spirituell erwachen. Was für ein Quatsch. Lieber eine heiße Nummer und ein toller Orgasmus als dieses Warmduscher-Enthaltsam-Sein und spirituell Erwachen. Das Leben ist kurz und »we don’t just want a bread, wo want the whole bakery, and that now!« (Jim Morrison)

Also, nicht lange nachdenken Leute, Kondome gibt’s genug, tun ja auch was für die Konjunktur, und die Wissenschaft wird schon noch bald was finden, damit wir auch ohne Kondome nicht nachdenken und »spirituell aufwachen« müssen. So’n Scheiß. Schweigen wir ihn doch einfach tot. Das mit Aids muß irgendwie geregelt werden, weil, das mit der biologischen Programmierung läßt sich ja nicht regeln. Und warum auch, macht doch’n Riesen-Spaß! Die einen hamm’ halt Pech und die anderen Glück – und hoffentlich Kondome. So ist das Leben! Kann man nix tun, iss so! Gib mal’n Bier rüber, wie hat eigentlich Hannover gespielt? Ist dieser DingsDa, weiß schon, ist der noch verletzt?

Wenn man will, mag man in folgendem Text des bestimmt nicht moralinsauren Micha Hilgers Parallelen finden:

»Zahlreiche Paare haben die stillschweigende Übereinkunft, es nicht so genau wissen zu wollen, ob der andere hier und da untreu wird. Damit gewähren sich die Partner zwar einen gewissen Freiraum, verhindern jedoch die intensive Auseinandersetzung über das, was sie bewegt, zumindest in manchen Bereichen. Das Paar läuft dann Gefahr, aus Konfliktscheu nach und nach immer weitere Bereiche des Dialogs seiner Beziehung preiszugeben. Sexuelle Attraktion über lange Zeiträume lebt jedoch gerade von den immer neuen Konflikten und Differenzen des Paars: Wo man sich als unterschiedlich erlebt, wachsen Neugier und sexuelle Spannung.
Das oft große Aufsehen einer eventuell kurzfristigen Affäre steht in merkwürdigem Gegensatz zu einer etablierten und in ihrem gewaltigen Ausmaß weitgehend tabuisierten Form: der alltäglichste, traurig-banale Seitensprung ist der Gang zur Prostituierten. Täglich nehmen in Deutschland rund 1,2 Millionen sogenannte Freier ihre Dienste in Anspruch. Die häufigste Variante der Nebenbeziehung findet im Puff statt, augenzwinkernd und verbunden mit sexistischen Herabsetzungen der rund 400.000 beteiligten Prostituierten. Mit bigotter Selbstverständlichkeit endet der Lärm um Treue und Einzigartigkeit der Liebesbeziehung für einen beträchtlichen Prozentsatz der Partnerschaften beim regelmäßigen Bordellbesuch der männlichen Partner.
Gelingt es dem Paar, über lange Zeiträume sexuelles Begehren aufrechtzuerhalten, bleibt dieses Verlangen nicht nur auf den Partner beschränkt. Sexuelle Vitalität kennt keine Ausschließlichkeit. Damit gerät jede verbindliche Partnerschaft in ein grundsätzliches Dilemma: Gegenseitiges Begehren setzt sexuelles Interesse beider Partner voraus, das sich jedoch wenigstens in der Phantasie immer auch auf potentielle Andere richtet. Der bewußte Verzicht, dieser Neigung nachzugehen, unterscheidet sich vom bloßen Befolgen moralischer Gebote. Denn das Begehren eines anderen wird zwar anerkannt und akzeptiert, jedoch nicht ausgelebt, um die bestehende Partnerschaft zu schützen.
Diese Verzichtsleistung geht immer mit Trauer über das Versäumte und Verpaßte einher, eventuell auch mit einer Portion Ärger auf den Partner, der eben jene begehrten Eigenschaften des attraktiven anderen nicht oder mit zunehmendem Alter nicht mehr besitzt. Der bewußte, nicht moralingesteuerte Verzicht kann, wenn das Verlangen immer wieder neu in den verbalen und sexuellen Dialog des Paars eingebracht wird, die Beziehung dauerhaft lebendig halten. Demgegenüber führt das Erlahmen sexuellen Interesses rasch zum Stillstand der Beziehung. Verbindliche sexuelle Intimität setzt daher bewußte Opfer voraus, die am Ende dauerhaftes gegenseitiges Verlangen am Leben halten.
Doch das Unbehagen, von dem Sigmund Freud angesichts kultureller Errungenschaften und Verzichtsleistungen sprach, bleibt.«

aus Micha Hilgers, Leidenschaft, Lust und Liebe


Montag, 16. März 2009

Finanzkrise verständlich gemacht

Auf Yürgen Osters Goldgrube-Blog gibt es einen Post, der die Vorgänge um die geplatzte Finanzblase sehr schön auf den Punkt bringt.

Freitag, 13. März 2009

Sie haben einfach nicht mitgemacht

Die eigensinnigen Gebirgler von Le Chambon ließen sich ihre Überzeugung von keiner noch so blutigen Hetzjagd austreiben

bei Publik-Forum

Während der Zeit der deutschen Besatzung Frankreichs und in Zusammenarbeit mit dem Vichy-Regine wurden rund 77.000 – etwa ein Fünftel – der in Frankreich lebenden Juden in Polen ermordet oder starben in der Gefangenschaft: Deportation nach Auschwitz im Mai 1941.


Gedenkwand für die 11.000 von den Nazis aus Frankreich verschleppten und ermordeten jüdischen Kinder im Mémorial de la Shoah in Paris









Organisatoren des leisen Widerstands: Pfarrer Andrés und Magda Trocmé


Im gesamten Dorf vor den Nazis und ihren Kollaborateuren versteckt: eine Gruppe der geretten jüdischen Kinder


















Rettung vor dem sicheren Tod: Heute erinnert eine Gedenktafel
an den Mut der Christen von LeChambon.

Nur gestürzt?

Mittwoch, 11. März 2009

Erklärung Seiner Heiligkeit des Dalai Lama zum 50. Jahrestag des tibetischen Volksaufstandes

Heute begehen wir den 50. Jahrestag des friedlichen Aufstands des tibetischen Volkes gegen die Unterdrückung in Tibet durch das kommunistische China. Seit vergangenem März sind in weiten Teilen von ganz Tibet friedliche Proteste ausgebrochen. Die meisten der daran Beteiligten waren junge Leute, die nach 1959 geboren und aufgewachsen sind und die ein freies Tibet selbst nicht mehr gekannt oder erlebt haben. Doch die Tatsache, dass sie geleitet waren von der von Generation zu Generation weitergegebenen festen Überzeugung, der Sache Tibets zu dienen, ist wirklich etwas, worauf wir stolz sein können. Es wird auch für diejenigen in der internationalen Gemeinschaft, die sich engagiert für die Tibetfrage einsetzen, eine Quelle der Inspiration sein. Unsere Hochachtung und unsere Gebete gelten all denen, die seit Beginn unseres Kampfes und auch während der Krise des vergangenen Jahres ihr Leben für die Sache Tibets ließen und Folter und unermessliche Not erleiden mussten.

Etwa 1949 begannen kommunistische Truppen nach Nordost- und Osttibet (Kham und Amdo) einzudringen, und 1950 schon waren über 5’000 tibetische Soldaten umgekommen. Mit Blick auf die herrschende Situation entschloss sich die chinesische Regierung zu einer Politik der friedlichen Befreiung, die 1951 zur Unterzeichnung des 17-Punkte-Abkommens und seines Anhangs führte. Seitdem steht Tibet unter der Herrschaft der Volksrepublik China. Das Abkommen sieht jedoch ausdrücklich vor, dass Tibets einzigartige Religion und Kultur sowie seine traditionellen Werte geschützt werden sollen.

Zwischen 1954 und 1955 traf ich in Peking mit den meisten der hochrangigen chinesischen Führungspersonen der Kommunistischen Partei, der Regierung und des Militärs unter der Führung des Vorsitzenden Mao Zedong zusammen. Als wir darüber sprachen, wie die soziale und wirtschaftliche Entwicklung Tibets gestaltet und dabei das religiöse und kulturelle Erbe Tibets bewahrt werden sollte, erklärten sich Mao Zedong und alle anderen führenden Leute einverstanden, statt einer Militärverwaltungskommission lieber einen Vorbereitenden Ausschuss einzusetzen, der den Weg für die Errichtung einer Autonomen Region ebnen sollte, wie es im Abkommen vorgesehen war. Ab 1956 jedoch, als in Tibet eine ultralinke Politik eingeführt wurde, wendete sich die Lage zum Schlechteren. Das führte dazu, dass die Zusagen, die übergeordnete Staatsorgane gegeben hatten, vor Ort nicht eingehalten wurden. Die gewaltsame Durchführung der so genannten „demokratischen Reform“ in den tibetischen Regionen Kham und Amdo, die nicht im Einklang mit den Gegebenheiten vor Ort stand, führte zu Chaos und Zerstörung großen Ausmaßes. In Zentraltibet verstießen chinesische Beamte gewaltsam und absichtlich gegen die Bestimmungen des 17-Punkte-Abkommens, und ihre Politik der harten Hand verschlimmerte sich von Tag zu Tag. Diese aussichtslose Entwicklung ließ dem tibetischen Volk keine andere Wahl als sich am 10. März 1959 friedlich zu erheben. Die chinesische Staatsmacht reagierte darauf mit beispielloser Gewalt, was in den folgenden Monaten dazu führte, dass Zehntausende Tibeter getötet, verhaftet und eingekerkert wurden. Deshalb floh ich in Begleitung einer kleinen Gruppe von tibetischen Regierungsbeamten, darunter einige Kalons (Minister), ins Exil nach Indien. In der folgenden Zeit flohen fast hunderttausend Tibeter ins Exil nach Indien, Nepal und Bhutan. Während der Flucht und in den Monaten danach litten sie unvorstellbare Not, die noch heute im tibetischen Gedächtnis lebendig ist.

Nach der Besetzung Tibets führte die chinesische kommunistische Regierung eine Reihe repressiver und gewaltsamer Kampagnen durch wie die „demokratische Reform“, den Klassenkampf, die Kommunen, die Kulturrevolution, die Verhängung des Kriegsrechts sowie in jüngerer Zeit die patriotische Umerziehung und die Kampagne des Hart-Zuschlagens. Dies stürzte die Tibeter in so tiefes Leid und Elend, dass sie buchstäblich die Hölle auf Erden erlebten. Das unmittelbare Ergebnis dieser Kampagnen war der Tod von Hunderttausenden von Tibetern. Die Kontinuität des buddhistischen Dharma wurde unterbrochen. Tausende religiöser Zentren – Mönchs- und Nonnenklöster und Tempel – wurden dem Erdboden gleich gemacht. Historische Gebäude und Denkmäler wurden zerstört, Naturschätze rücksichtslos ausgebeutet. Heute ist Tibets empfindliche Umwelt verschmutzt worden, Wälder wurden massiv abgeholzt und die Tierwelt, etwa die wilden Yaks und die tibetischen Antilopen stehen vor dem Aussterben.

Diese 50 Jahre haben dem Land und dem Volk von Tibet unermessliches Leiden und Zerstörung gebracht. Noch heute leben die Tibeter in Tibet in ständiger Angst, und die chinesische Regierung begegnet ihnen nach wie vor mit ständigem Misstrauen. Heute sind die Religion, die Kultur, die Sprache und die Identität, die Generationen von Tibetern höher geschätzt haben als ihr Leben, von Auslöschung bedroht; kurz gesagt: die Tibeter werden wie Verbrecher angesehen, die den Tod verdienen. In der Petition der 70’000 Zeichen, mit der sich der verstorbene Panchen Rinpoche 1962 an die chinesische Regierung wandte, hat er die Tragödie des tibetischen Volkes dargelegt. Noch einmal brachte er sie kurz vor seinem Tod 1989 in Shigatse zur Sprache, als er sagte, das, was wir unter der chinesischen kommunistischen Herrschaft verloren haben, wiege weit schwerer als das, was wir gewonnen haben. Viele besorgte und unvoreingenommene Tibeter haben sich ebenfalls zu den Nöten des tibetischen Volkes geäußert. Selbst der Sekretär der Kommunistischen Partei, Hu Yaobang, gab bei seiner Ankunft in Lhasa 1980 diese Fehler unumwunden zu und bat die Tibeter um Vergebung. Viele Infrastrukturmaßnahmen wie Straßen, Flughäfen, Eisenbahnenlinien usw., die scheinbar den Fortschritt in tibetische Gebiete gebracht haben, sind in Wirklichkeit mit dem politischen Ziel unternommen worden, Tibet zu sinisieren und dafür den hohen Preis der Zerstörung der tibetischen Umwelt und Lebensweise in Kauf zu nehmen.

Was die tibetischen Flüchtlinge betrifft, so ist es uns, ungeachtet vieler anfänglicher Probleme wie großer klimatischer und sprachlicher Umstellungen und der Schwierigkeit, den Lebensunterhalt zu verdienen, gelungen, uns im Exil neu zu etablieren. Dank des Großmutes unserer Gastländer, vor allem Indiens, konnten die Tibeter in Freiheit und ohne Angst leben. Wir konnten unseren Lebensunterhalt verdienen und unsere Religion und Kultur bewahren. Wir konnten unseren Kindern sowohl die traditionelle als auch eine moderne Erziehung bieten und uns dafür einsetzen, die Tibetfrage zu lösen. Es gab auch noch andere positive Ergebnisse. So hat sich ein besseres Verständnis des tibetischen Buddhismus mit seiner Betonung des Mitgefühls in vielen Teilen der Welt positiv ausgewirkt.

Sofort nach unserer Ankunft im Exil begann ich an der Förderung der Demokratie in der tibetischen Gemeinschaft zu arbeiten und richtete zu diesem Zweck 1960 das tibetische Parlament-im-Exil ein. Seitdem sind wir auf dem Weg zur Demokratie Schritt für Schritt vorangekommen, und heute hat sich unsere Exilverwaltung zu einer voll funktionierenden Demokratie mit einem eigenen geschriebenen Statut und einer Legislative entwickelt. Das ist wirklich etwas, worauf wir alle stolz sein können.

Seit 2001 haben wir ein System institutionalisiert, mit dem die politische Führung der Tibeter im Exil durch Verfahren, ähnlich denen anderer demokratischer Systeme, direkt gewählt wird. Gegenwärtig läuft die zweite Amtsperiode des direkt gewählten Kalon Tripa (Vorsitzender des Kabinetts). Dadurch haben sich meine täglichen administrativen Pflichten verringert, und ich befinde mich heute in einem Zustand des Halb-Ruhestands. Doch für die gerechte Sache Tibets zu arbeiten ist die Pflicht eines jeden Tibeters, und solange ich lebe, werde ich diese Pflicht erfüllen.

Als Mensch ist mein Hauptanliegen die Förderung menschlicher Werte; darin sehe ich den wesentlichen Faktor für ein glückliches Leben auf individueller, familiärer und gesellschaftlicher Ebene. Als ein religiöser Praktizierender ist mir als Zweites die Förderung interreligiöser Harmonie ein Anliegen. Und mein drittes Anliegen ist natürlich die Tibetfrage. Das hat in erster Linie damit zu tun, dass ich ein Tibeter mit dem Namen „Dalai Lama“ bin; wichtiger aber ist, dass es mit dem Vertrauen zu tun hat, das die Tibeter innerhalb wie auch außerhalb Tibets in mich gesetzt haben. Dies sind die drei wichtigen Anliegen, derer ich stets gewärtig bin.

Außer der Aufgabe, sich um das Wohl der tibetischen Gemeinschaft im Exil zu kümmern – eine Aufgabe, die sie recht gut erfüllt hat – besteht die Hauptaufgabe der Zentralen Tibetischen Verwaltung darin, auf eine Lösung der Tibetfrage hinzuarbeiten. Nachdem wir 1974 unsere für beide Seiten vorteilhafte Politik des Mittleren Weges formuliert hatten, waren wir bereit, auf das Gesprächsangebot einzugehen, das Deng Xiaoping 1979 machte. Es wurden viele Gespräche geführt und Erkundungsdelegationen entsandt. Dies brachte jedoch keinerlei konkrete Ergebnisse, und die formellen Kontakte brachen schließlich 1993 ab.

Dann führten wir 1996–97 unter den Tibetern im Exil eine Meinungsumfrage durch und holten, wo immer das möglich war, auch Anregungen aus Tibet ein. Es ging dabei um Vorschläge zu einem Referendum, mit dem das tibetische Volk den künftigen Kurs unseres Freiheitskampfes zu seiner vollen Zufriedenheit bestimmen sollte. Aufgrund des Ergebnisses der Umfrage und der Anregungen aus Tibet beschlossen wir, die Politik des Mittleren Weges fortzusetzen.

Seit der Wiederaufnahme der Kontakte im Jahre 2002 haben wir die Strategie verfolgt, auf einer einzigen offiziellen Schiene und mit einer einzigen Agenda vorzugehen, und haben acht Gesprächsrunden mit der chinesischen Regierung geführt. Daraufhin legten wir ein Memorandum über echte Autonomie für das tibetische Volk vor, in dem wir dargelegten, wie die in der chinesischen Verfassung festgeschriebenen Bedingungen für regionale Autonomie durch volle Anwendung der Autonomiegesetze erfüllt werden können. Das chinesische Beharren darauf, dass wir akzeptieren sollen, dass Tibet seit jeher ein Teil Chinas gewesen sei, ist nicht nur wahrheitswidrig, sondern auch unvernünftig. Wir können die Vergangenheit nicht ändern, ganz gleich, ob sie gut oder schlecht war. Verfälschung der Geschichte zu politischen Zwecken ist unzulässig.

Wir müssen in die Zukunft blicken und zu unserem beiderseitigen Wohle arbeiten. Wir Tibeter suchen nach einer gesetzlich verankerten und echten Autonomie, nach einer Regelung, die es den Tibetern möglich macht, im Rahmen der Volksrepublik China zu leben. Wenn China dem Wunsch des tibetischen Volkes nachkommt, wird es in der Lage sein, Stabilität und Einigkeit zu verwirklichen. Wir unsererseits stellen keine geschichtlich begründeten Forderungen. Rückblickend betrachtet, gibt es heute kein Land auf der Welt – China eingeschlossen – dessen territorialer Status über alle Zeiten unverändert geblieben ist und auch in Zukunft unveränderlich ist.

Unser Bestreben, dass alle Tibeter unter einer einzigen autonomen Verwaltung zusammengefasst werden, steht im Einklang mit dem eigentlichen Sinn des Prinzips nationaler regionaler Autonomie. Es befriedigt auch die Grundbedürfnisse des tibetischen und des chinesischen Volkes. Die chinesische Verfassung und andere einschlägige Gesetze und Regelungen stellen dem nichts in den Weg, und viele führende Vertreter der chinesischen Zentralregierung haben dieses aufrichtige Bestreben akzeptiert. Als er das 17-Punkte-Abkommen unterzeichnete, erkannte Premierminister Zhou Enlai dies zwar als berechtigte Forderung an, doch sei es nicht der richtige Zeitpunkt, sie umzusetzen. Als 1956 das Vorbereitende Komitee für die „Autonome Region Tibet“ gebildet wurde, deutete Vizepremier Chen Yi auf eine Landkarte und sagte, wenn man Lhasa zur Hauptstadt der Autonomen Region Tibet, die alle tibetischen Gebiete in den anderen Provinzen mit einschlösse, machen könnte, dann wäre das ein Beitrag zur Entwicklung Tibets und zur Freundschaft zwischen der tibetischen und der chinesischen Nationalität – eine Ansicht, die vom Panchen Rinpoche und vielen anderen tibetischen Führungskräften und Wissenschaftlern geteilt wurde. Wenn die chinesischen Führer irgendwelche Einwände gegen unsere Vorschläge haben, dann hätten sie die Gründe dafür nennen und uns Alternativen zur Erörterung vorschlagen können, aber das ist nicht geschehen. Ich bin enttäuscht darüber, dass die chinesische Regierung nicht in angemessener Weise auf unsere aufrichtigen Bemühungen eingegangen ist, das Prinzip einer authentischen nationalen und regionalen Autonomie für alle Tibeter entsprechend der Verfassung der Volksrepublik China durchzusetzen.

Ganz abgesehen davon, dass der gegenwärtige Verlauf des sino-tibetischen Dialogs keine konkreten Ergebnisse gebracht hat, sind die tibetischen Proteste, die ganz Tibet seit März letzten Jahres erschüttert haben, brutal niedergeschlagen worden. Deshalb wurde im November 2008 eine Sonderversammlung von Exil-Tibetern einberufen, auf dem die öffentliche Meinung über unser weiteres Vorgehen erkundet werden sollte. Man hat sich auch bemüht, nach Möglichkeit Vorschläge von Tibetern in Tibet einzuholen. Das Ergebnis dieses Prozesses war, dass eine Mehrheit der Tibeter die Fortsetzung der Politik des Mittleren Weges voll unterstützt. Daher betreiben wir diese politische Linie jetzt mit größerer Zuversicht und werden uns weiterhin um eine echte nationale regionale Autonomie für alle Tibeter bemühen.

Seit undenklichen Zeiten sind das tibetische und das chinesische Volk Nachbarn. Auch in Zukunft werden wir miteinander leben müssen. Deshalb ist es für uns äußerst wichtig, in Freundschaft miteinander zu koexistieren.

Seit der Besetzung Tibets haben die chinesischen Kommunisten ein verzerrtes Propagandabild von Tibet und seinem Volk verbreitet. Deshalb gibt es in der chinesischen Bevölkerung nur wenige Menschen, die ein wahres Verständnis von Tibet haben. Es ist für sie tatsächlich sehr schwer, die Wahrheit zu finden. Auch gibt es ultralinke chinesische Führer, die seit dem letzten März enorme propagandistische Anstrengungen unternommen haben mit dem Ziel, das tibetische und chinesische Volk auseinander zu bringen und Feindschaft zwischen ihnen zu säen. Das hat leider dazu geführt, dass bei einigen unserer chinesischen Brüder und Schwestern ein negativer Eindruck von den Tibetern entstanden ist. Deshalb möchte ich, wie ich es auch früher schon wiederholt getan habe, ein weiteres Mal an unsere chinesischen Brüder und Schwestern appellieren, sich von solcher Propaganda nicht beeinflussen zu lassen, sondern stattdessen unvoreingenommen zu versuchen, Tatsachen über Tibet herauszufinden, so dass es nicht zu Entzweiungen zwischen uns kommt. Die Tibeter sollten sich ebenfalls um Freundschaft mit dem chinesischen Volk bemühen.

Wenn wir auf 50 Jahre im Exil zurückblicken, so haben wir viele Höhen und Tiefen erlebt. Aber die Tatsache, dass die Tibetfrage lebendig ist und die internationale Gemeinschaft zunehmendes Interesse daran zeigt, ist wirklich ein Erfolg. So gesehen zweifle ich nicht daran, dass die Rechtmäßigkeit der Sache Tibets sich durchsetzen wird, wenn wir weiterhin dem Weg der Wahrheit und der Gewaltlosigkeit folgen.

Wenn wir jetzt 50 Jahre im Exil begehen, dann ist es dringend geboten, den Regierungen und den Völkern der verschiedenen Gastländer, in denen wir leben, unsere tiefe Dankbarkeit auszusprechen. Wir befolgen nicht nur die Gesetze dieser Gastländer, sondern wir verhalten uns auch so, dass wir zu einer Bereicherung dieser Länder werden. In gleicher Weise sollten wir in unserem Bemühen um die Sache Tibets und um den Erhalt seiner Religion und Kultur unsere Zukunftsvision und Strategie gestalten, indem wir aus unseren Erfahrungen der Vergangenheit lernen.

Ich sage immer, wir sollten das Beste hoffen und auf das Schlimmste vorbereitet sein. Ob wir es von globaler Warte aus betrachten oder im Kontext der Ereignisse in China, es besteht Grund für uns, auf eine baldige Lösung der Tibetfrage zu hoffen. Doch wir müssen uns aber auch für den Fall gut vorbereiten, dass der tibetische Kampf noch für lange Zeit andauert. Dazu müssen wir unser Augenmerk vor allem auf die Erziehung unserer Kinder und die Ausbildung von Fachkräften auf verschiedenen Gebieten richten. Wir müssen auch das Bewusstsein für Umwelt und Gesundheit schärfen und das Verständnis für gewaltfreie Methoden und ihre Anwendung in der tibetischen Bevölkerung verbessern.

Ich möchte diese Gelegenheit auch benutzen, um der Staatsführung und dem Volk von Indien sowie der Zentralregierung und den Regierungen der Bundesstaaten meinen tief empfundenen Dank auszusprechen. Sie haben den Tibetern im Exil über die letzten 50 Jahre ungeachtet aller Probleme und Hindernisse unschätzbare Unterstützung und Hilfe geleistet. Ihre Freundlichkeit und Großzügigkeit lässt sich nicht ermessen. Ich möchte auch den führenden Politikern, den Regierungen und Völkern der internationalen Gemeinschaft sowie den verschiedenen Tibet-Unterstützungsgruppen meinen Dank für ihre großmütige Unterstützung aussprechen.

Mögen alle fühlenden Wesen in Frieden und Glück leben.

Der Dalai Lama
10. März 2009

Samstag, 7. März 2009

Faschismus und Spiritualität

Damals, als ich in Gießen studierte, gab es da eine recht eindrucksvolle Sannyas-Szene. Viele Lehramts-Studenten, viele im Referendariat. Und – wie das bei uns Menschen nun mal so ist – es gab auch den sogenannten Gruppendruck. Gruppendruck halt auf rot mit Mala und auf dem Weg zur Erleuchtung. Der Weg ist halt das Ziel. Auch wenn es rot ist. Und das Referendariat war kein Zuckerschlecken. Lehrjahre sind halt keine Herrenjahre, waren sie noch nie. Auch zur Zeit, als es noch keine Globalisierung und keine Bankenkrise gab. Und, um es in dem damaligen Sannyas-Slang auszudrücken: die auf dem Weg zur Erleuchtung befindlichen roten Referendare »dropten« reihenweise. Der Weg in die Bürgerlichkeit stand halt im Widerspruch zum Weg zur Erleuchtung, jedenfalls sah das damals ganz so aus. Damals gab es auch Stempel auf den Briefen aus Poona. (Ganz so, wie ich keine Lust habe, die Rechtschreibreform mitzumachen, habe ich auch keine Lust, die neue Schreibweise »Pune« mitzumachen. Aufs mitmachen hatte ich noch nie viel Lust. Wahrscheinlich bin ich da nicht besser als viele andere, die versuchen irgendwelchen Bildern, die sie im Kopf haben, zu entkommen.) Simmt: Die Briefe kamen inzwischen aus Oregon, von der Ranch. Und diese Stempel auf den Briefen sagten »Let Go«, und waren so, daß man es auch als »Let Go Ego« lesen konnte. Und wie man das Ego loslassen konnte, jedenfalls in der Ansicht der vielen Roten, die keine Ahnung aber umso mehr Meinungen davon hatten, was sie sich unter Erleuchtung vorzustellen hatten (zur Rechten eines nicht existierenden Gottes zu sitzen, der der Scheiße, die hier ablief, einfach zu sah, war halt nicht besonders attraktiv), also nach Meinung der Roten war es der spirituellen Entwicklung förderlich, wenn man möglichst viele Sachen losließ oder dropte: Haus, Lebensgefährte, Ausbildung bzw. Beruf. Und in dieser Gießener Sannyas-Gruppe war man halt angesehen, wenn man alles mögliche dropte.

Ich war damals in der Sannays-Szene nicht besonders angesehen. Weil, einerseits kam ich mit dem Studium nicht gut zurecht, andererseits war ich für meine Studienkommilitonen ein absoluter Exot (um es gelinde auszudrücken) und zuguterletzt hielt ich als gut dressiertes Bürgersöhnchen auch noch an diesem Studium, unter dem ich so litt, auch noch fest, als alle um mich herum dropten. Und wenn dann nach dem neusten World-Festivel sämtliche Sannyas-Center auf der Welt für etwa einen Monat funktionsunfähig waren, weil mal wieder alle möglichen Leute neue Liebhaber gefunden hatten, mit denen sie zusammenleben wollten und alle möglichen Leute mit Trennungsschmerz und Umzug beschäftig waren und in allen Sannyas-Centern auf der Erde die Waschmaschinen rauchten, weil es neue Color-Cards mit den neuen angesagten Rot-Tönen gab und alle sich die Kleider umfärbten, saß ich in meinem Stübchen und büffelte und litt vor mich hin. Wie Danny Glover in »Lethal Weapon« »zu alt für den Scheiß’« war, hatte ich dafür einfach keine Zeit.

Und weil die Gießener Commune langsam den Bach runter ging – das vegetarische Restaurant lief nicht, die Osho-Disco in einer ehemaligen Schwulenkneipe war einfach zu klein, und das Investitionsrisiko für eine größere Räumlichkeit zu groß – und man dann trotzdem noch irgendwie in Kontakt mit der großen Gemeinde der auf dem roten Weg zur Erleuchtung sich befindlichen bleiben wollten, fuhren viele Gießener ab und zu zu Treffen nach Wiesbaden in eine große Sannyas-Disco, in der man dann regelmäßig die aktuellsten Meldungen von der Ranch zu hören bekam.

Alle wußten, daß die Ranch in Schwierigkeiten war, auch in politischen Schwierigkeiten. Die Rednecks konnten mit diesen Roten, die in the middle of nowhere eine riesige Kommune aus dem Boden stampften, nichts anfangen, im Gegenteil: sie waren ihnen äußerst suspekt.

Und Sheela, die schon seit Jahren die Organisation der Kummune in Händen hielt – nach Oshos Worten blicken Frauen im Leben einfach besser durch (und ich glaube, er hat sich immer die richtigen Leute ausgesucht) – war auf den Gedankan gekommen, die Umstände, unter denen die dortigen Kommunalwahlen stattfanden, zu ihren Gunsten zu verändern, indem man unter dem Deckmantel der Fürsorglichkeit Obdachlose aus ganz Nordamerika auf die Ranch einlud und so die Zahl der Stimmberechtigten drastisch erhöhen konnte. Mir war sofort klar, um was es ging, aber zu der damaligen Zeit gab es noch einen anderen Gruppendruck: außer »fallenlassen« ging es auch um »surrender«. Eine Art spiritueller Weichmacher für dieses starrsinnige Ego, das an einem klebte wie die Fliege auf der Scheiße und am Erleuchtet-Werden hinderte. Und wenn man den Meister wirklich liebte, dann gab man sich auch hin. Was Hingabe war, war auch nicht so ganz klar. (Für viele bedeutete es Selbstaufgabe.) 1983 in Alpbach auf dem Kongreß »Andere Wirklichkeiten« saß die »Botschafterin« Oshos für Europa, Ma Latifa – ich habe mir das von jemandem erzählen lassen, war also selbst nicht dabei – mit einigen Vortragenden – ich glaube, es handelte sich um Rupert Sheldrake und Morris Berman – abends beim Bier und entblödete sich nicht, den Anwesenden zu eröffnen, diese ganzen Diskussionen, wie irgendwas zu sehen und zu verstehen sei, habe sie eingestellt, ihren »Mind« habe sie schon vor ein paar Jahren weggeschmissen. (Ma Latifa war auch mit dafür verantwortlich, daß sich die Sannyasins auf diesem Kongreß bis auf die Knochen blamierten, aber das ist eine andere Geschichte.) Und genauso wie die »Mamas« (so wurden die Sannyas-Frauen in Führungspositionen genannt) ihre »Minds« wegschmissen, so schmissen auf dem Weg zur roten Erleuchtung auch viele Sannyasins ihre Verantwortung weg, ihr kritisches Denken und ihre Fähigkeiten, einen einmal eingeschlagenen Weg trotz aller Widrigkeiten fortzusetzen. Surrender und Dropen waren Freifahrtscheine fürs Vermeiden von Unannehmlichkeiten und erlaubten die graue Masse oberhalb der Nasenwurzel mit gutem Gewissen abzuschalten.

Wie gesagt, wir Gießener Unerschütterlichen, die noch Kontakt zur großen roten Karawane aufrechtzuerhalten versuchten, machten uns also alle paar Wochen auf nach Wiesbaden ins dortige Center. Und bei einer dieser Veranstaltungen im Herbst 1984 bekamen dann etwa 500 Rotgewandete von jemandem, der gerade von der Ranch zurückgekommen war, mit glänzenden Augen erzählt, uns Sannyasins ginge es ja jetzt gut, und wir würden nun im Rahmen des »Share a Home«-Programmes die Obdachlosen aus der ganzen USA auf die Ranch rufen, um ihnen sie Errungenschaften der Roten Gemeinde zukommen zu lassen. Als jemand aus dem Publikum fragte, wie denn das mit den bevorstehenden Kommunalwahlen sei und daß in der deutschen Presse sehr wohl Überlegungen angestellt würden, daß es eine seltsame Koinzidenz gebe von »Share a Home« und Kommunalwahlen, und wie sich denn die Ranch zu diesen Überlegungen und Verdächtigungen in der Presse stellen würde (ich freute mich, und dachte: endlich fragt hier mal einer kritisch nach), schlug die wohlig warme Wir-Haben-Uns-Alle-Lieb-Stimmung plötzlich um. Um es kurz zu machen: Der Frager wurde vor versammelter Mannschaft ordentlich rund gemacht, er habe ja schon seit Jahren Schwierigkeiten zu Surrendern und mit seinem Mindfuck solle er doch die anderen nicht durcheinandermachen, und er solle doch jetzt einfach mal endlich vertrauen. Und in diesem Moment fragte ich mich, was ich da verloren hatte. War ich jetzt nach Poona gefahren, hatte zweifelnd an meinem Medizinstudium festgehalten und meinen größten Meister aller Zeiten mit seinen Ideen allen Nicht-Durchblickern mehr oder (meist) weniger geduldig erklärt und war dafür mit der Aura des Bekloppten belohnt worden, um mir nun in einer roten Faschisten-Gemeinde die Segnungen irgendwelcher größenwahnsinnigen Mamas vor Erleuchtungs-Seligkeit besoffen reinzutun und das Maul zu halten, wenn jemand da einfach fertiggemacht wurde? Was unterschied denn dann uns Rote von irgendwelchen anderen Gruppierungen? – Und das war für lange Jahre mein letzter Kontakt mit einer größeren Anzahl von Sannyasins. Ob die Faschisten rot, schwarz oder braun sind, damit wollte und will ich nichts zu tun haben.

Osho hat mal gesagt, wir Deutschen könnten froh sein, Hitler gehabt zu haben. Und hat, wie so oft, damit in ein Wespennest gestochen. In unserer deutschen – vielleicht auch westlichen – Pressekultur gibt es ja auch einen Gruppendruck: Kein Statement darf über die Länge einer Bildzeitungsschlagzeile hinausgehen, und wer das, was er sagt, so formuliert, daß jemand, der weniger als 20 Sekunden lang drüber nachdenkt, es mißverstehen kann, der ist verkehrt. Und die Presse fiel dann einmütig über diesen indischen Sex-Guru her und meinte, Osho habe damit sagen wollen, er finde Hitler gut. Was Osho meinte, war, daß wir Deutschen, die wir auf Hitler reingefallen sind, so viel Scheiße gebaut haben, daß die Schuld und die Scham darüber so groß ist, daß die Wahrscheinlichkeit, daß wir sowas in den nächsten Tausend Jahren nochmal tun, ziemlich gering ist. Wir Deutschen sind für sowas nach Hitler sensibilisiert. Deshalb auch die Proteste gegen die deutsche Wiederbewaffnung in den Fünzigern (Gustav Heinemann, späterer Bundespräsident und Mitbegründer der CDU trat 1952 aus Protest aus seiner Partei aus und in die SPD ein). Und genauso, wie wir Deutschen froh sein können, daß wir mit der Scham und der Schuld über Hitler nun gezwungen sind, wach zu bleiben, genauso kann sich die christliche Kirche über die Hexenverfolgung freuen. Auch die hat das Augenöffnen erzwungen. Wie schwierig es ist – und wir Deutschen haben das ja gewiß nicht freiwillig getan (das Mitscherlich-Buch über die Unfähigkeit zu Trauern wurde nicht umsonst geschrieben) – der eigenen Schuld ins Auge zu blicken, sehen wir an der Art, wie die Franzosen mit ihrem Napoleon und ihrer Kolonialgeschichte umgehen, die Russen mit Stalin, die Türken mit ihrem Genozid an den Armeniern und die Amis mit Bush (da wird ja hoffentlich noch einiges kommen).

Für mich ist Osho der einzige Meister, der noch zu Lebzeiten seinen Schülern die Möglichkeit gegeben hat, in die Scheiße zu springen – und wie auch hochintelligente Leute das mitmachen, haben wir auf der Ranch gesehen. Und da im offiziellen Sannyas-Diskurs darüber kaum geredet wird, ist Satyanandas Artikel mal wieder eine Wohltat. Aus Dummheiten lernen wir, und je größer die Dummheit, desto größer die Möglichkeit, für sich da was rauszuziehen. Das erzeugt unter anderem auch Demut. Viel effektiver, als wenn das nur auf einem Stück Papier steht und man sich wieder bauchpinseln kann, wie sanft man sein Ego, wenn man’s schon nicht loswerden kann, wieder hingebogen hat. Und weil der Alte den Mut hatte, seine ganze Community – und auch sich selbst – dermaßen vor den Augen der Weltöffentlichkeit bloßzustellen, unter anderem deshalb ist er für mich der Größte.

So jemand wie Ma Latifa wird auf absehbare Zeit in der Sannyas-Szene keinen Boden unter die Füße mehr kriegen, und egal, wie weh es getan hat, zu sehen, wie sich die Roten unsterblich blamieren, ich glaube, besser kann man nicht lernen. Ich jedenfalls habe nie mehr wieder jemandem begreiflich zu machen versucht, daß es nichts besseres gibt als Sannyas. Ich habe viele Leute auf dem spirituellen Weg getroffen, die meisten haben einen ziemlich kleinen Geist, egal wie sie ihn anstreichen, und ich habe viele Leute getroffen, die ich richtig klasse finde, und es ist mir völlig egal zu wem sie beten und welche Lieder sie singen. Ich habe ziemlich viel verloren auf dem Weg, wo ich doch hoffte viel zu gewinnen, aber von den Dingen, die ich verloren habe, hat sich häufig herausgestellt, daß der Schmerz des Verlustes es wert war. Es hat nur häufig ziemlich lange gebraucht, bis ich es merkte und mir eingestehen konnte. Und wie diese Sannyas-Dinosaurier über die Dummheiten ihrer Jugend reden, ist sehr erfrischend. Manches lernen wir spät und manches nie, das liegt in unserer Natur und in der Natur der Dinge. Und wenn wir das begreifen, dann haben wir was wichtiges gelernt auf unserem Weg, egal, was der für eine Farbe hat. Holz hacken, Wasser tragen, erleuchtet werden, holz hacken wasser tragen…

Mittwoch, 4. März 2009

Von den guten alten Zeiten

"Geldgeschäfte auf den Finanzmärkten werden von psychischen Stromstößen beherrscht: Gier, Wunschdenken, Eitelkeit, Neid, Minderwertigkeitskomplexe, Egomanie, Misstrauen und vor allem – Angst. Deshalb finde ich das Börsenspiel so interessant. Es spiegelt die menschliche Natur wider und du kannst deine eigenen psychischen Impulse beobachten."



Klartext

Und was ist aus der Erleuchtung geworden?

Ein Kamingespräch über das ferne Nirvana

von Satyananda

Neulich hatten wir Besuch von Freunden aus alten Zeiten. Mit den alten Zeiten verbinde ich vor allem Erinnerungen an Pune 1 und an die Ranch in Oregon. Lang, lang ist’s her! Und doch sind die Erinnerungen so frisch. Wenn ich Freunde aus dieser Zeit wiedersehe, bin ich erst mal verblüfft: Wie schnell wir uns verändert haben – dreißig Jahre sind nicht spurlos an uns vorübergegangen!
Devi zum Beispiel war gerade mal zwanzig Jahre alt, als wir uns in Pune begegneten. Hübsch, knackig und lustig, war sie besessen von der Idee, erleuchtet zu werden. So stürzte sie sich hoch motiviert und furchtlos in eine Selbsterfahrungsgruppe nach der anderen.
Jetzt saß sie mit uns vor dem Kamin, eine reife Frau mit interessanten Fältchen im Gesicht und grauen Strähnen im Haar. Als ich sie fragte, womit sie ihr Geld verdient, sagte sie lachend: „Ich versuche, Manager wieder aufzurichten, die in der Finanzkrise ihren Halt verloren haben.“ Coaching nennt man das heutzutage.

Was ist aus ihnen geworden?
Auch Khoji ist kaum wiederzuerkennen. Als ich ihn zum ersten Mal traf, erschien er mir in seinem langen roten Kleid wie eine biblische Gestalt. Schlank, hochgewachsen, schulterlanges dunkles Haar, wallender Bart, sanfte Bewegungen, strahlender Blick aus hellblauen Augen … Er war mit einem VW-Bus aus Deutschland nach Pune gekommen – ein Hippie mit Gitarre, Hasch-Pfeife und einer wunderschönen Freundin, die aber schon bald in den Armen eines Group-Leaders landete.
Dreißig Jahre später ist Khoji ein erfolgreicher Macher in der IT-Branche, immer noch schlank, aber ohne Bart. Verheiratet mit einer Ärztin, hat er drei Kinder, spielt Golf und Tennis und engagiert sich für ein Hilfsprojekt in Afrika.
Wir tranken Tee und unterhielten uns über andere Veteranen aus alten Sannyas-Zeiten. Was ist eigentlich aus Astha geworden? Und aus Rammurti? Und aus Chaitanya Hari? Während wir über sie sprachen, tauchten wir ein in die Welt, die Osho damals für uns hervorgezaubert hatte – eine Welt der Hingabe, der Ekstase, der schmerzvollen Begegnungen mit uns selbst und unserem Ego, der spirituellen Höhenflüge und der seelischen Abstürze. Es war eine wunderbar romantische Welt. Während Osho seine lectures hielt und wir ihm in stiller Versenkung lauschten, tobten mitunter Affen-Rudel über das Wellblechdach der Buddhahalle, und im Herbst ließen sich im Koregaon Park ganze Schwärme von bunten Wellensittichen in den ausladenden Kronen der Mangobäume nieder. Vorbei … vorbei …
Was hat uns damals hauptsächlich beschäftigt? Osho natürlich!
„Für mich war er der Über-Vater“, sagte Devi. „Ich liebte ihn abgöttisch. Es war ein tolles Gefühl, ihn fragen zu können, wenn ich Rat brauchte. Er sagte mir, wo es lang ging und ich fühlte mich bei ihm geborgen. Manchmal verstand ich ihn nicht. Aber das war mir egal. Für mich war er unfehlbar.“

Ein Geschmack von Faschismus
„Kam dir das nicht manchmal ein bisschen riskant vor?“, fragte ich.
„Erst viel später kam mir das riskant vor“, sagte Devi. „Als es mit der Ranch vorbei war und plötzlich FBI-Agenten und Staatsanwälte auftauchten. Da waren angeblich ein paar schräge Dinge passiert. Wir hatten keine Ahnung. Aber ich fragte mich plötzlich: ‚He Devi! Hast du gepennt, oder wolltest du nichts wissen?“
Khoji, etwas mürrisch: „Machst du dir etwa Selbstvorwürfe?“
„Ich versuche nur, meine Erfahrungen auf der Ranch richtig einzuordnen. Osho hat uns ja immer wieder eingeschärft, dass Hingabe und totales Vertrauen für die Arbeit mit einem spirituellen Meister absolut nötig sind. Also habe ich vertraut, auch wenn mir das auf der Ranch nicht immer leicht fiel.“
„Auf der Ranch gab es ja auch eine ganz einfache Regel“, warf ich ein. „Wer nicht JA sagt, ist negativ. Und Negativität ist das Schlimmste, was du Osho und der Kommune antun kannst.“
Khoji: „Für mich ist das Faschismus!“
„Ich erinnere mich an eine Lecture in Oregon“, sagte ich, „in der ich Osho sagen hörte: ,I gave you a taste of fascism!‘ (Ich habe euch einen Geschmack von Faschismus gegeben). Für mich war dieser Satz wie ein Erkenntnisblitz.“
„Das leuchtet mir total ein“, rief Devi. „Es ging auf der Ranch doch vor allem um Bewusstseins-Entwicklung unter Laborbedingungen. Dazu gehörte zum Beispiel auch, zwischen totalem und blindem Vertrauen zu unterscheiden. Wenn du Faschismus witterst, sagst du nicht JA, sondern du sagst ein klares NEIN. Osho ist wahrscheinlich der erste spirituelle Meister, der von seinen Schülern erwartet, dass sie auch NEIN sagen.“

Blindes Vertrauen
„Ich war damals echt sauer auf Osho“, sagte Khoji. „Ich fand, dass er mich verarscht hatte. Was ist denn der Unterschied zwischen totalem und blindem Vertrauen? Ich habe auch heute noch keine Lust dazu, mich für den Scheiß verantwortlich zu fühlen, den Sheela damals angerührt hat.“
Devi: „Dann gehörst du wohl auch zur Gemeinde der ‚Ranch-Geschädigten‘, die noch heute ihre Wunden in Chat-Foren lecken?“
„Ach was“, konterte Khoji. „Ich hab mich natürlich längst abgeregt. Heute kann ich sehen, dass die Ranch in Oregon das schärfste Experiment in Sachen Selbsterfahrung gewesen ist, das es je gegeben hat.“
Das Kaminfeuer knisterte und wir schwiegen eine Weile. Plötzlich sagte Devi: „Was ist denn eigentlich aus der Erleuchtung geworden?“
Fröhliches Gelächter.
Khoji: „Erleuchtung? Tolle Idee! Gut, dass du mich daran erinnerst!“
Devi: „In Pune gab es ja überhaupt kein anderes Thema als Erleuchtung. Könnt ihr euch erinnern? Osho redete fast jeden Tag von Erleuchtung und wir alle waren unheimlich scharf darauf.“

Fokus Meditation
Khoji: „Ich weiß noch, dass ich damals auf Tantra gesetzt habe. Ich fand Oshos These ‚Vom Sex zum kosmischen Bewusstsein‘ unwiderstehlich. Im Klartext hieß das für mich: durch Vögeln zur Erleuchtung! Ein tolles Konzept. Ich habe es unermüdlich ausprobiert, aber letztendlich war der spirituelle Gewinn gleich Null (lacht). Irgendwas muss ich da wohl missverstanden haben.“
Devi: „Ich habe auch vieles missverstanden. Zum Beispiel habe ich geglaubt, dass er für meine Erleuchtung sorgen würde, wenn ich nur brav zu seinen Füßen sitze und ihn anhimmele. Das hat er zwar nicht gesagt, aber ich habe ihn so verstanden.“
Khoji: „Als ich nach dem Abenteuer von Oregon in die real existierende Welt zurückkehrte, habe ich die Erleuchtung erst mal von meiner Prioritätenliste gestrichen. Ich hatte einfach keine Zeit mehr dafür. Zu viel Tempo, Lärm und Chaos. Wir leben in einem globalen Irrenhaus. Wenn man da erleuchtet werden will, braucht man einen starken Fokus und eine relativ stabile materielle Grundlage. Osho hat oft gesagt, dass man nicht meditieren kann, wenn man ständig ums tägliche Brot kämpfen muss. Das entspricht meiner Erfahrung.“
Wir sprachen eine Weile über Geld und Sicherheit. Wie viel braucht man, um sich sicher zu fühlen? Ein interessantes Thema, über das man stundenlang reden könnte. Aber es lohnt sich eigentlich nicht, denn Sicherheit ist sowieso eine Illusion. Also blieb die Frage: Wie kann man sich in dieser Welt des Wahnsinns auf Meditation fokussieren?
Dabei kamen wir wieder auf Oregon zu sprechen, und Devi fragte: „Vielleicht ist das Experiment gar nicht gescheitert? Wir machen einfach weiter! Die Themen, die uns damals beschäftigt haben, sind doch zeitlos. Und unsere Vision ist so aktuell wie noch nie!“

www.hierjetzt.de

bevor der Text wieder weg ist, »Klartext« aus der aktuellen Osho-Times

Dienstag, 3. März 2009

ORGASMUS-STUDIE: Geld macht geil

Frauen, die mit reichen Männern Sex haben, kommen häufiger zum Höhepunkt. In einer Studie mit 1534 Frauen bestand eine deutliche Korrelation zwischen dem Einkommen des Mannes und der von den Frauen selbst angegebenen Orgasmus-Häufigkeit. Die britischen Forscher gehen davon aus, das es sich um ein Evolutionsphänomen handelt, das Frauen bei der Partnerwahl hilft. Vielleicht könnte man das Studienergebnis auch dazu heranziehen, Ulla Schmidt von der Notwendigkeit der Erhöhung der Ärztehonorare zu überzeugen.
Evolution and Human Behavior; doi:10.1016/j.evolh umbehav.2008.11.002
aus MMW – Fortschritte der Medizin Nr. 5/2009

Wie würde Dr. House sagen: Alle Patienten lügen!

FEINSTAUB: Länger leben in guter Luft

Ein Rückgang der Luftverschmutzung zahlt sich für die Bevölkerung aus – durch gewonnene Lebensjahre. Eine Studie zeigte, dass die Lebenserwartung in 51 US-Städten von 1980 bis 2000 um fast drei Jahre angestiegen ist. Ein signifikanter Anteil von fünf gewonnenen Lebensmonaten geht nach den Autoren allein auf die Tatsache zurück, dass die Luft in den untersuchten Städten in den letzten Jahren kontinuierlich verbessert werden konnte. Es wird vermutet, dass die sauberere Luft insbesondere zu einem Rückgang kardiovaskulärer und kardiopulmonaler Erkrankungen geführt hat.
N Engl J Med vom 22.1.2009
aus MMW – Fortschritte der Medizin Nr. 5/2009

AKUPUNKTUR BEI KOPFSCHMERZ: Wirksam, wo auch immer die Nadeln treffen?

Akupunktur wirkt prophylaktisch gegen Spannungskopfschmerzen und Migräne. Dabei ist es gleichgültig, ob die Nadeln an den der traditionellen chinesischen Medizin entsprechenden Akupunkturpunkten gesetzt werden oder nicht. Zu diesem Schluss kommt eine Metaanalyse der Cochrane Collaboration, die 33 Studien mit 6736 Patienten auswertete. In dieser Studie war die Akupunktur sogar einer medikamentösen Prophylaxe überlegen.
www.cochrane.org
aus MMW – Fortschritte der Medizin Nr. 5/2009

FASTENKUREN: Warum sich Frauen dabei schwerer tun

Abnehmen fällt Frauen schwerer als Männern. Warum das so ist, fand jetzt eine US-Studie heraus, die 13 Frauen und zehn Männer mittels Positronenemissionstomografie (PET) untersuchte. Den Probanden wurde ihre Lieblingsspeise vorgesetzt, an der sie zwar riechen, aber nicht kosten durften. Beim zweiten Versuch waren die Probanden auf den Verzicht vorbereitet. Wie die PET zeigte, waren dabei in Männerhirnen allerlei inhibitorisch wirksame Regionen aktiv, in Frauenhirnen nicht.
Proc Natl Acad Science, im Druck
aus MMW – Fortschritte der Medizin Nr. 5/2009

Montag, 2. März 2009

Wie ungesund ist das Musizieren?

Seit 1974 geistert der Cellistenhoden durch die medizinische Fachliteratur. Dieses Leiden soll durch die Reibung des Instruments an der empfindlichsten Körperstelle der ausübenden Musiker entstehen. Beschrieben wurde das Krankheitsbild von einem gewissen John Murphy im British Medical Journal. Die Arbeit wurde immer wieder zitiert, wenn es um Berufskrankheiten bei Musikern ging. Jetzt hat John Murphy's Frau, Elaine Murphy, Mitglied des House of Lords und Ärztin, gestanden, das Krankheitsbild frei erfunden zuhaben. Inspiriert worden sei sie durch einen Artikel im British Medical Journal, der den Gitarristennippel beschrieb. Bei Gittarenspielern könne es zu einer Reizung der Brustwarzen kommen, wenn sie ihr Instrument in Brusthöhe hielten, hieß es da. Die Murphys hielten das für einen Scherz und erfanden ihrerseits den Cellohoden. Das British Medical Journal reagierte mit dem Hinweis, dass Fälscherei in der Wissenschaft eine ernste Sache sei, die man keineswegs gutheißen könne. In diesem Fall sei aber wohl kein nennenswerter Schaden entstanden. Ob das stimmt? Auffallend ist schon, dass das Cello in den meisten großen Orchestern von Frauen gespielt wird. Haben die Murphys vielleicht dem einen oder anderen Mann den Weg in eine große Musikerkarriere verbaut? Sollte man mal untersuchen.
BMJ 2009;338:b288, doi: 10.1136/bmj.b288Murphy JM. Cello scrotum. BMJ 1974;ii:335.
aus MMW – Fortschritte der Medizin Nr. 6/2008

Vielleicht reibt das Cello ja bei den Frauen an den Brustwarzen…
Und Cellisten sollte man vielleicht empfehlen, etwas gegen Prostatakrebs zu unternehmen… (siehe drei Posts weiter)


Multivitamine ohne Wert

Welchen Einfluss hat die Einnahme von Multivitaminpräparaten auf das Risiko für Krebs oder kardiovaskuläre Erkrankungen? Bei über 160.000 postmenapausalen Frauen ging man im Rahmen der Women's Health Initiative dieser Frage nach. Die gute Nachricht: Vitamine erhöhen das Risiko für diese Krankheiten nicht. Die schlechte: Sie vermindern es auch nicht. In der Studie waren die Teilnehmerinnen, von denen die Hälfte regelmäßig Vitamine einnahm, im Schnitt acht Jahre lang verfolgt worden. Dabei zeigte sich kein Zusammenhang zwischen Vitaminzufuhr und dem Auftreten von Malignomen oder KHK. Auch die Gesamtmortalität unterschied sich nicht in den beiden Gruppen.
Arch Intern Med. 2009;169(3):294-304
aus MMW – Fortschritte der Medizin Nr. 8/2009

Dicke Mütter in chaotischen Haushalten

Nach Daten der Centers for Disease Control and Prevention sind 32% aller US-Amerikaner adipös. 41% aller Mütter schleppen übermäßige Pfunde mit sich herum. Das Risiko, adipös zu werden, ist für Mütter in chaotischen Haushalten besonders hoch, ergab nun eine Studie des New York Obesity Research Center. Als instabile bzw. chaotische Haushalte galten Familien, die mit ungesichertem Einkommen in ärmlicher Umgebung lebten. In 40% der Fälle handelte es sich um alleinerziehende Mütter mit einem Durchschnittsalter von 28 Jahren. 48% dieser Mütter waren adipös. Im Vergleich dazu waren in stabilen Haushalten (finanziell abgesichert in guter Umgebung) nur 38% der Mütter übergewichtig. Die Adipositas der Mütter spiegelte sich nicht im Gewicht der jungen (im Durchschnitt drei Jahre alt) Kinder wieder.
Journal of Health Care for the Poor and Underserved 20:122-133, 2009
aus MMW – Fortschritte der Medizin Nr. 8/2009

Sonntag, 1. März 2009

Erhöht sexuelle Aktivität das Krebsrisiko?

Bisher galt: Regelmäßige bis häufige sexuelle Betätigung schützt Mann vor Prostatakrebs. Im British Journal of Urology wurde nun eine Studie veröffentlicht, deren Ergebnisse – zumindest bei jüngeren Männern – eher in die andere Richtung zeigen: Männer zwischen zwanzig und dreißig, die häufig masturbieren oder anderweitig sexuell aktiv sind, hatten gegenüber enthaltsameren Geschlechtsgenossen ein signifikant erhöhtes Risiko, an Prostatakrebs zu erkranken. Ab dem 50. Lebensjahr wirkt sich eine gesteigerte sexuelle Aktivität dann allerdings wieder positiv aus: Das Risiko sinkt deutlich.
BJU International 2009;103:778-85
aus MMW – Fortschritte in der Medizin Nr. 9/2009

Kaffeetrinkerinnen rührt seltener der Schlag

Gute Nachricht für Kaffeetanten: Regelmäßiger Kaffeegenuss führt nicht zu einem erhöhten Schlaganfallrisiko. Frauen, die täglich mehrere Tassen Kaffee trinken, erleiden sogar etwas seltener einen Schlaganfall. Der Schutzeffekt macht sich allerdings nur bei Nichtraucherinnen bemerkbar, wie eine Analyse der Nurses' Health Study mit über 50.000 Teilnehmerinnen zeigt. Damit gibt es eine weitere Entwarnung für das „schwarze Gift“. Andere Studien haben kürzlich gezeigt, dass Kaffee auch das KHK-Risiko nicht steigert und möglicherweise vor Diabetes schützt.
Circulation, online 16. Februar 2009
aus MMW – Fortschritte in der Medizin Nr. 9/2009