Sonntag, 2. Dezember 2012

Einsam aber nicht allein

Solitude, 1933

Tief in Gedanken versunken, sitzt links ein Mann in einer verlassenen Landschaft vor den Toren der Stadt. Gehüllt in seinen Gebetsschal hält er eine rote Thorarolle fest im Arm. Nacht, Nebel und schwarze Rauchschwaden umfangen ihn. Neben ihm liegt eine weiße junge Kuh mit goldenen Hörnern. Eine sich selbst spielende goldene Geige liegt an ihrem Kinn. Zusammen mit einem kleinen weißen Engel am oberen Bildrand bilden der Mann und die Kuh eine Art weißes Dreieck vor der düsteren Kulisse der kleinen Stadt. In ihrer Mitte leuchten einzig die im Rot der Liebenden gemalte Thora und die goldene Geige. 

 Auch in diesem Bild sind es wieder die roten und goldgelben Farbtöne, die die monochrome Komposition aufbrechen und auf eine andere Dimension verweisen. Es scheint, dass die Thora und die goldene Geige die Kraft haben, die dunklen Nebel zu lichten und neue Klarheit zu schaffen: über dem Mann, dem Engel und der Kuh reißen die Rauchschwaden auf und geben den Blick auf einen sanften blauen Himmel frei. 

 Chagall malt ein Seelenbild von beredter Stille und großer Sammlung und Intensität. Es entsteht im Jahr 1933 – als die Nationalsozialisten die Macht in Deutschland ergriffen. Das Werk wird häufig als schwermütig bezeichnet und als dunkle Vision der heraufziehenden Todesschatten der Shoah. Für mich ist es zugleich ein Bild nachdenklicher Hoffnung, die stärker ist als die Todesschatten. Die Drei sind einsam, aber nicht allein. Sie werden zur Gemeinschaft, weil sie miteinander einen kostbaren geistigen Proviant bewahren, um das Leben zu verstehen und zu bestehen. 

 Links, auf der Herzseite, das Wort und die Weisung Gottes. Dass sie dem Mann buchstäblich am Herzen liegen, darf wohl als Hinweis darauf gewertet werden, dass es hier nicht um den Erhalt einer abstrakten Lehre gebt, sondern um das ganz konkrete Leben, das, was jeden Menschen unbedingt, unmittelbar und persönlich angeht und Halt gibt. Rechts der unerschöpfliche Vorrat an Kreativität und künstlerischer Kraft im Spiel der goldenen Geige und der Gegenwart der weißen Kuh. Sie weisen darauf hin, dass das Wort nicht Wort bleiben, sondern Wirklichkeit werden will. 

 Nach der jüdischen Legende spielt die musizierende Kuh auf die nahe Ankunft des Messias an. Einsamkeit ist für mich deshalb auch ein Bild von Aufmerksamkeit: Was liegt mir eigentlich am Herzen? Welche Nebel sind bei mir zu lichten? Wie schaffe ich Klarheit in meinem Leben?



Wenn dein Kind dich morgen fragt 

Wie ist dein Lebenstraum. der dir zu Herzen geht, 
von Horizonten weit — und Freiheitsatem weht, 
der über dich hinausgeht und weit in die Zukunft ragt, 
sagt, wofür wir leben wollen, wenn dein Kind dich morgen fragt.

In welchem Lebensraum ist jemand, der dich hält, 
mit dir an Grenzen geht bis an das Ende der Welt, 
der über dich hinausgeht und weit in die Zukunft ragt, 
sagt, warum wir glauben können, 
wenn dein Kind dich morgen fragt. 

Mit welchem Lebensziel kannst du glaubwürdig sein — 
und in dem, was du tust, zieht ein Stück Himmel ein, 
der über dich hinausgeht und weit in die Zukunft ragt, 
sagt, wie wir denn handeln sollen, 
wenn dein Kind dich morgen fragt. 

Fritz Baltruweit 




Heute vor 30 Jahren – 2. Dezember 1982: Erstes künstliches Herz eingesetzt

Ein kaltes Herz soll das Weiterleben sichern 

 Der pensionierte Zahnarzt Barney Clarke war 61 Jahre alt und todkrank, als er entschied, sich das Herz herausnehmen und durch eine künstliche Pumpe ersetzen zu lassen. Vor 30 Jahren, am 2. Dezember 1982, implantierte der US-amerikanische Chirurg William DeVries dem herzkranken Clarke das erste künstliche Herz, »Jarvik 7«. Es war über Schläuche mit einem Kompressor verbunden, der das Implantat mit Druckluft antrieb. 

Doktor William DeVries am Bett von Barney Clarke, 1982

 Die Operation gelang und sorgte weltweit für Aufsehen. Für den Patienten begann eine Zeit des Martyriums: 112 Tage lebte er mit Jarvik 7, einige seiner Organe versagten, er litt unter Schlaganfällen, Krämpfen, Infektionen und Halluzinationen. Das Herz schlug zwar weiter, aber am Schluss war für Clarke der Tod eine Erlösung. Vier weitere künstliche Herzen setzte DeVries noch ein: In allen Fällen endete das Experiment ähnlich grauenhaft, sodass die zuständige US-Behörde die Versuche schließlich verbot. Die Idee aber wurde weiter verfolgt. Moderne Kunstherzen halten heute Patienten unter annehmbaren Umständen jahrelang am Leben. 

 Was am 2. Dezember noch geschah: 
 1804: Napoleon Bonaparte krönt sich in Anwesenheit von Papst Pius VII. eigenhändig zum Kaiser der Franzosen.
 Brockhaus - Abenteuer Geschichte 2012

Adventsrätsel (das Zweite von vierundzwanzig)

Als Handwerkszeug liegt es bereit,
doch ohne Kopf hat es wenig Zeit.
Auflösung zu Nr. 1