Dienstag, 24. Februar 2015

Ukrainekrise – Was sagen Psychotherapeuten dazu?

Psychotherapie wird in erster Linie mit individuellem Leid in Verbindung gebracht. Aber kann sie auch bei gesellschaftlichen Konflikten vermitteln, etwa bei der aktuellen Ukrainekrise? Ukrainische und russische Psychotherapeuten haben das vergangenes Wochenende zumindest versucht, bei einer Konferenz auf neutralem Ort: in Wien.
UKRAINEKRISE13.12.2014 Die Psychoanalyse kennt vielfältige Anwendungen: einerseits im medizinischen Bereich, andererseits als Kultur- und Gesellschaftstheorie. Das bezeugt bereits das Werk Sigmund Freuds, der im Jahr 1932 in einem Brief an Albert Einstein der Frage "Warum Krieg?" nachging. Darin äußerte er sich eher skeptisch über die Möglichkeiten Gewalt und Krieg zu beenden; einige spätere Psychoanalytiker sahen das differenzierter.

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- Ukrainekrise – Was sagen Psychotherapeuten dazu? (science.orf.at, 13.12.2014)
So der zypriotisch-amerikanische Psychoanalytiker Vamik Volkan, der gemeinsam mit Politikern und Wissenschaftlern in den 80er und 90er Jahren einflussreiche Vertreter von verfeindeten Gruppen in Krisenregionen (Nahostkonflikt, Zypernkonflikt, u.a.) zu sogenannten "inoffiziellen diplomatischen Treffen" zusammenbrachte. Auch Alfred Pritz, der Rektor der Sigmund Freud Privatuniversität und Mitorganisator der Konferenz, sieht in einem derartigen Treffen ein positives Vorbild, das für eine Annäherung der verfeindeten Gruppen auf neutralem Boden dienen kann. 

Den Standpunkt des Anderen verstehen 

"Psychotherapie kann die Menschen zum Reden bringen und zuhören. Sie hilft dabei, den Standpunkt des Anderen zu verstehen, was eine sehr wichtige Leistung ist." Denn dadurch könnten auch Konflikte zwischen Großgruppen, wie Völker oder Nationen, besser verstanden werden, meinte er am Rande der Veranstaltung. Die Konferenz solle "zeigen, dass es besser ist, mit Wörtern als mit Waffen zu konkurrieren." 

Ambitionen eine derartige Tagung ins Leben zu rufen seien im Juni entstanden, als die ukrainisch-psychotherapeutische Dachgesellschaft eine Konferenz zur Krise in der Ukraine veranstaltete. Die russischen Psychotherapeuten seien jedoch nicht gekommen, da sie die Situation als zu gefährlich einschätzten. 

So sei die Idee entstanden, die Konferenz in Wien, auf neutralem Boden, zu wiederholen. "Die offiziellen Beziehungen zwischen der Europäischen Union und Russland sind an einem derart niedrigen Punkt angekommen, wie wir es seit dem Fall des Eisernen Vorhangs nicht für möglich gehalten haben", meinte Jutta Edthofer vom Außenministerium in ihrer Eröffnungsrede. "Gerade da auf politische Ebene die Frage der Schuld im Vordergrund steht und sich die Fronten zunehmend verschärften, gilt den Beteiligten der Konferenz die volle Unterstützung."
Zitat (aus dem Beitrag von Mikhail Reshetnikov):
Die Protestbewegung, die sich anfänglich gegen die ukrainische Regierung und die Oligarchie gerichtet habe, habe sich zunehmend auf alte antirussische Feinbilder verschoben, so Reshetnikov. Drohungen, die russische Sprache als zweite Amtssprache abzuschaffen, wurden als Zerstörung der eigenen Identität aufgefasst - und das habe Forderungen nach einer autonomen Ostukraine hervorgerufen.
Die Ostukrainer hingegen meinen: "Wir wollen unsere Geschichte und unsere Identität beibehalten, so leben, wie wir es für richtig halten. Wir würden die Westukrainer auch nicht daran hindern, nach ihrer Art und Weise zu leben." Menschen in Lugansk und Donetsk hätten ein Recht auf Autonomie, so Reshetnikov.
Darum wären beidseitige Trauer um jene, die ihr Leben verloren haben, Versöhnung und ein Konsens von großer Wichtigkeit. "Wenn wir jedoch versuchen, uns gegenseitig zu beweisen, wer ein Held war und wer nicht, dann wird es keinen Frieden für drei bis fünf Generationen unserer Kinder geben. Wollen wir das?", fragte Reshetnikov.

mein Kommentar:
leider ist ja »Lügenpresse« und nicht »Putin-Versteher« zum Unwort des Jahres gewählt worden.