Pressemitteilung der Freien Ärzteschaft vom 10.02.2014
Elektronische Gesundheitskarte: Ärzte sind keine Hilfspolizisten
Die elektronische Gesundheitskarte (eGK) steht mit dem Rücken zur Wand. Nach Bekanntwerden des vernichtenden Rechtsgutachtens der Kassenärztlichen Bundesvereinigung ist die neue Karte als Versicherungsnachweis gescheitert und stellt ein Sicherheitsrisiko für Patienten und Ärzte dar. Das erklärte die Freie Ärzteschaft (FÄ) am Montag in Essen. „Dass die Karten als Schlüssel zu hochsensiblen Patientendaten gar nicht geeignet sind, weil die Kassen die Identität der Versicherten nicht prüfen, war bisher nur Insidern bekannt. Nun ist diese Bombe geplatzt“, teilte Wieland Dietrich, Vorsitzender der FÄ, mit.
Der Umgang mit individuellen Sozial- und Medizindaten erfordere einen sehr hohen Sicherheitsstandard. Wie bei der Ausstellung eines Personalausweises müsse beim Ausstellen der eGK jeder Bürger zum Nachweis seiner Identität persönlich und zweifelsfrei authentifiziert werden. Das sei 2004 auch Grundlage für das eGK-Projekt gewesen. Die Krankenkassen hätten dies aber systematisch versäumt.
„Mit diesen ungeprüften Karten können die Ärzte auch keine Versichertenstammdaten abgleichen, denn die Identität des Trägers ist nicht sicher“, erläuterte Dietrich. „Und Personalausweise ständig zu überprüfen, ist keine ärztliche Aufgabe.“ Erstens seien Ärzte nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs keine Beauftragten der Krankenkassen – also auch keine Hilfspolizisten. Zweitens ändere die Prüfung des Personalausweises nichts an einem falschen Inhaber der elektronischen Gesundheitskarte. „Wenn die Zuordnung der Person zur Karte nicht stimmt, bleibt die Karte in jedem Fall ein Sicherheitsrisiko – für den falschen Träger hinsichtlich seiner Gesundheit, für den Arzt in Sachen Haftung.“
Mit freundlichen Grüßen,
Der Vorstand der Freien Ärzteschaft e.V.
Wieland Dietrich, Dr. Silke Lüder, Dr. Axel Brungraber, Dr. Christian Scholber, Dr. Heinz-Jürgen Hübner
V.i.S.d.P: Wieland Dietrich, Freie Ärzteschaft e.V., Vorsitzender, Gervinusstraße 10, 45144 Essen, Tel.: 0201-45859851, E-Mail: mail@freie-aerzteschaft.de, www.freie-aerzteschaft.de
Als Kasper beim Arzt sitzt, traut er seinen Augen nicht: Im Computer
seines Arztes stehen alle Krankheiten, die er jemals hatte. Denn seine
Medizindaten werden irgendwo zentral gespeichert. Dort stillen auch
Unternehmen ihren Datenhunger. Und das kostet Kasper den Job. – So
jedenfalls erlebt es die Hauptfigur in dem Videoclip „Kasper und die
elektronische Gesundheitskarte“, den junge Künstler für die Aktion
„Stoppt die e-card“ hergestellt haben. „Das mag heute noch wie eine
Fiktion klingen, könnte aber bittere Realität werden, wenn Medizindaten
außerhalb von Praxen und Kliniken gespeichert werden“, sagte Dr. Silke
Lüder, Sprecherin der Aktion, heute in Hamburg.
Das Zwei-Minuten-Video informiert die Bürger auf unterhaltsame Weise
über die Hintergründe des bereits zehn Jahre andauernden Projekts
elektronische Gesundheitskarte (eGK) und zieht die Versprechen von
den sicheren Daten in Zweifel. „Die NSA hat vorgemacht, wie schnell
Daten zu entschlüsseln sind“, betonte Dr. Manfred Lotze, Vertreter
der Ärzteorganisation IPPNW in dem Bündnis. „Das sollte auch den
letzten Sicherheitsgläubigen eines Besseren belehren. Wer Medizindaten
braucht, holt sie sich – illegal durch Datendiebstahl oder legal mit
Hilfe von kurzfristigen Gesetzesänderungen. Das geben wir mit dem
Kurzfilm beispielhaft und für jedermann verständlich zu bedenken.“
Denn die Geheimdienste sind mit ihrem Latein noch nicht am Ende:
Nun will die NSA hochverschlüsselte Daten knacken. Berichten der
Washington Post zufolge entwickelt der US-Geheimdienst derzeit
Quantencomputer. Auch in Europa wird daran gearbeitet. Der
eGK-Sicherheitsarchitektur liegt das mehr als 35 Jahre alte
RSA-Verfahren zugrunde. Quantencomputer ermöglichen ein noch
schnelleres Knacken der RSA-Funktionen. Es ist also nur eine
Frage der Zeit, bis sich auch die Medizindaten auf den
zentralen Servern ausspähen lassen.
„Diese Entwicklung stellt die Sicherheitsarchitektur der geplanten
Telematik-Infrastruktur in unserem Gesundheitswesen in Frage“,
sagte Kai-Uwe Steffens, Informatiker und Sprecher des „Arbeitskreises
Vorratsdatenspeicherung“. Patientenvertreterin Gabi Thiess aus Hamburg
dazu: „Das Mammutprojekt eGK verschlingt nicht nur Unmengen von Geld,
das in der Patientenversorgung viel dringender gebraucht würde, sondern
könnte in Zukunft auch dem Datenmissbrauch Tür und Tor öffnen. Das
müssen die Bürger wissen.“ Auch Kasper ist jetzt schlauer: „Meine
Daten gehören mir“, betont er am Ende des Films.
„Stoppt die e-card“ ist ein breites Bündnis von 54 Bürgerrechts-
organisationen, Datenschützern, Patienten- und Ärzteverbänden.
Unter anderem gehören dazu: Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung,
Digitalcourage, Chaos Computer Club, IPPNW, Freie Ärzteschaft e.V.,
NAV-Virchowbund, Deutsche AIDS-Hilfe. Das Bündnis lehnt die eGK ab
und fordert, das milliardenschwere Projekt einzustampfen.
Pressekontakt: Dr. Silke Lüder, mobil 0175 1542744
V.i.S.d.P.: Dr. Silke Lüder, Grachtenplatz 7, 21035 Hamburg
Montag, 10. Februar 2014
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