Gleich drei fehlbare Chefärzte am Zürcher Universitätsspital sorgen für Schlagzeilen: Der Direktor der Gynäkologie, Daniel Fink, liess sich für Operationen an Privatpatientinnen eintragen und bezahlen, obwohl er nicht vor Ort war. Der Chefarzt der Herzchirurgie, Francesco Maisano, weil er wissenschaftliche Publikationen geschönt, nicht zugelassene Implantate eingesetzt und erst noch im Solde von Firmen stand, die Implantate herstellen. Und der Direktor der Kieferchirurgie, Martin Rücker, weil er die Weiterbildung von Assistenzärzten fingiert und sich Patienten in die eigene Praxis überwiesen hat. Diese Vorfälle werfen ein schiefes Licht auf die Ärzteschaft. Natalie Urwyler, Anästhesistin und Leitende Ärztin am Spital Wallis CHVS und Trägerin des Prix Courage 2018 hat Erfahrung mit Machtstrukturen: Sie wurde als aufstrebende Ärztin und Forscherin vom Inselspital Bern entlassen. Ihre Klage auf Diskriminierung des Geschlechts wurde vom Gericht gutgeheissen und das Inselspital verurteilt.
Die Zürcher Gesundheitsdirektorin, Natalie Rickli, ortet ein Problem mit der Kultur in verschiedenen Kliniken am Universitätsspital. Was ist das Problem an der «Kultur» in der Spitzenmedizin?
Natalie Urwyler: Die Strukturen in Spitälern verhindern eine effiziente und effektive Kontrolle. Das schafft Gelegenheiten – und die sind offenbar oft verführerisch. Auch herrscht oft eine sehr hierarchische Kultur: Was der Chef sagt, wird gemacht. Ich finde es gut, dass Regierungsrätin Rickli da nun durchgreifen will.
Ein Herzchirurg entwickelt Implantate, setzt sie selber ein, ist an den Firmen beteiligt und macht auch gleich noch die wissenschaftlichen Arbeiten dazu. Wie kann es sein, dass da niemand eingreift?
Urwyler: Das ist ein Systemproblem. Wie ich schmerzlich lernen musste, ist Wissenschaft nicht primär da, um «Wissen zu schaffen», sondern um mehr Macht und Geld zu erlangen. Das müssen wir in Zukunft besser organisieren. Die Problematik zeigt sich jetzt sehr deutlich in Bezug auf einen Impfstoff gegen eine Infektion mit SARS-CoV-2.
mehr:
- «Wer schweigt, kriegt auch ein bisschen vom Kuchen» (Monique Ryser, Info-Sperber, 06.06.2020)
siehe auch:
Medizinerinnen und Mediziner weisen empirisch belegt eine höhere Suizidrate auf als die Allgemeinbevölkerung auf. Die Selbsttötungsraten sind nach den Ergebnissen von 14 internationalen Studien 1,3-3,4-fach höher, die für Medizinerinnen sogar 2,5-5,7-fach höher als bei vergleichbaren Nichtmedizinerinnen. Die Geschlechterverteilung bei den Ärztinnen und Ärzten ist interessanterweise "ausgewogen", während sich in der Allgemeinbevölkerung Männer 2,5 mal häufiger suizidieren als Frauen.
In einer norwegischen Studie gab ein Viertel der Medizinerinnen und Mediziner an, manchmal oder häufig das Gefühl zu haben, das Leben sei nicht mehr lebenswert. Jeder Zehnte der Befragten hatte sogar ernsthafte Suizidabsichten. Eine deutsche Studie erbrachte noch erschreckendere Ergebnisse: Die Hälfte der Medizinerinnen und Mediziner gab an, in ihrem Leben bereits Suizidabsichten gehabt zu haben, zwei Drittel halten es für möglich, dass sie sich in Zukunft suizidieren.
[Melanie Hüttemann, Suizidalität bei Medizinerinnen und Medizinern, Thieme, 08.06.2011]
- Kapitalismus, Soziale Marktwirtschaft und das Versorgungsstärkungsgesetz (Post, 07.02.2015)
mein Kommentar:
Der Prix Courage für Frau Urwyler hört sich gut an! Die andere Seite: Ich bin gespannt, welcher Klinikchef einer solchen Ärztin eine Stelle anbieten wird…
mein Kommentar:
Der Prix Courage für Frau Urwyler hört sich gut an! Die andere Seite: Ich bin gespannt, welcher Klinikchef einer solchen Ärztin eine Stelle anbieten wird…
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