Mittwoch, 14. Oktober 2020

Die Drosten-Dissertation – manche sind halt gleicher als gleich…

Seit Wochen kursieren in diversen Verschwörungstheorie-Blogs Gerüchte, die bislang nicht verifiziert, aber auch nicht komplett ausgeräumt werden konnten. Ein Kommentar

Kommentar:

Es begann am 30.06.2020 mit der Frage in einem YouTube-Video: "WO ist nur die Doktorarbeit?" Gemeint war jene von keinem Geringeren als Christian Drosten. Am 12.08.2020 wurde ein weiteres Video auf YouTube eingestellt, das beweist, dass die Doktorarbeit nunmehr gefunden wurde.

Bereits am 07.07.2020 berichtete die österreichische Fakejäger-Plattform Mimikama, dass die Doktorarbeit existiere. Die Meldung, dass sie nicht auffindbar sei, sei also Fake News.

"Es gibt eine Doktorarbeit. Aber nicht aus dem Veröffentlichungsjahr!"

Plagiatsgutachten

Interessanterweise hat auch Mimikama nicht genau genug hingesehen: Zu dem Zeitpunkt der Recherche war die Doktorarbeit von Christian Drosten zwar schon entlehnbar, aber sie war noch taufrisch. Sie wurde in der Tat erst im Jahr 2020 produziert und in die Bibliotheken aufgenommen, sowohl an der Universität Frankfurt am Main, an der Herr Drosten im Jahr 2003 promoviert wurde, als auch in der Deutschen Nationalbibliothek. Es könnte also durchaus sein, dass frühere Rechercheure sie noch nicht gefunden haben. Mimikama interessierte sich nicht für die Bibliothekssignatur der Exemplare. Ich habe in meinem "Blog für wissenschaftliche Redlichkeit" am 07.10.2020 berichtet:
Es gibt eine Doktorarbeit. Aber nicht aus dem Veröffentlichungsjahr! Die Signaturen der Dissertation von Christian Drosten beweisen, dass neue gebundene Exemplare der Doktorarbeit im Jahr 2020 in die Bibliotheken aufgenommen wurden. Zwei Exemplare an der Universitätsbibliothek Frankfurt am Main tragen die Signaturen "D 126/1286" und "D 126/1342". Wie ein einfacher Vergleich zeigt (siehe etwa für das Jahr 2020 hier und für das Jahr 2013 hier), ist die fortlaufende Nummer "D 126" eine, die auf das laufende Jahr verweist. Die PPC und die MARC21-Darstellung des Katalogeintrags zeigen ebenfalls deutlich, dass der Datensatz im laufenden Jahr angelegt und abgeändert wurde.

Das im Frankfurter Bibliothekseintrag verlinkte PDF-File mit Deckblatt und Inhaltsverzeichnis der Dissertation wurde am 08.06.2020 mit der Software ABBYY FineReader 12 erstellt. Den Nachweis, dass auch das Exemplar der Deutschen Nationalbibliothek erst in diesem Jahr der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde, hat Markus Kühbacher ja bereits erbracht.

All dies verwundert bei einer Dissertation aus dem Jahr 2001 und gibt Anlass für Verschwörungstheorien. Eine Dissertation kann doch nicht knapp 20 Jahre später neu gedruckt und abgegeben werden? Sind die Exemplare von 2020 und 2001 vollkommen identisch? Wo sind die alten Exemplare geblieben? Gab es sie überhaupt?"

Stefan Weber
Und ab diesem Punkt gibt es zwei Wirklichkeiten: die offizielle Version und jene der Verschwörungstheoretiker:
mehr:
siehe auch:

Eine Schieflage: Gutachter beurteilen ihre eigenen Arbeiten

Das größte Kuriosum einer medizinischen Promotionsschrift Drostenscher Art ist aber wohl, dass Begutachter ihre eigenen Arbeiten bewerten (ähnlich hier). Der Erstgutachter der Dissertation von Christian Drosten, W. K. Roth, war auch Ko-Autor aller drei Papers, die die Basis der Dissertation bildeten, in einem Fall sogar Erstautor.

W.K. Roth benotete also Arbeiten, die er selbst schon für sehr gut befunden haben muss, sonst hätte er ja kaum mitgearbeitet. Eine etwaige Ehrenautorschaft ist zumindest bei jenem Paper, bei dem er als Erstautor genannt ist, auszuschließen.

Ich komme zum Schluss: Ich weiß nicht, wann und warum und wo das medizinische Promotionswesen in Deutschland eingeführt wurde. Aber zumindest der Fall Drosten zeigt alle Probleme dieses Promotionswesens auf und warum man es wohl in dieser Form besser abschaffen sollte.  

[Stefan Weber, Aus Anlass der „Drosten-Papers“: Gedanken zur mutmaßlichen Unsinnigkeit des medizinischen Promotionswesens in Deutschland, Blog für wissenschaftliche Redlichkeit, 13.10.2020]

 

Die Seiten 2 und 3 der Promotion wiederum geben an, dass die mündliche Prüfung am 22.3.2003 erfolgte  
[VG, Dissertation von Prof. Christian Drosten erst seit Sommer 2020 im Bestand der Deutschen Nationalbibliothek, corona-transition.org, 28.09.2020]  


mein Kommentar:
Das wundert mich. Das ist das erste Mal, daß ich von einer mündlichen Prüfung höre, die an einem Samstag stattfindet… 
Aber: Ist vielleicht nur ein Schreibfehler, kann ja mal vorkommen… 
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