Dienstag, 24. September 2019

Si tacuisses… – Was ist nur los mit ihnen?

Für Angela Merkel, Emmanuel Macron und Boris Johnson ist bereits vor dem Abschluss der Untersuchungen "klar, dass Iran die Verantwortung für den Angriff trägt"

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel, der französische Staatspräsident Emmanuel Macron und der britische Premierminister Boris Johnson haben nach einem Treffen vor der UN-Generaldebatte in New York eine gemeinsame Erklärung veröffentlicht, in der sie befinden, es sei "klar, dass Iran die Verantwortung für den Angriff [auf die saudischen Ölanlagen Abqaiq und Churais am 14. September 2019] trägt". Es gebe dafür nämlich "keine andere plausible Erklärung".

Etwas zurückhaltender äußerte sich die deutsche Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (die nicht zusammen mit Angela Merkel, sondern mit einer eigenen Sondermaschine in die USA geflogen war) nach einem Treffen mit dem amerikanischen Verteidigungsminister Mark Esper. "Der Verdacht, dass es sozusagen in welcher Form auch immer eine iranische Beteiligung gibt", wird ihrer Ansicht nach "international geteilt". Anders als Merkel verwies Kramp-Karrenbauer auch darauf, dass die Untersuchungen an den Tatorten noch nicht abgeschlossen sind.

Unterschiedliche Meinungen zu Verpflichtungen aus dem bestehenden Abkommen

In der Erklärung der drei Staats- und Regierungschefs wird der Iran dagegen schon jetzt vor weiteren "Provokation" gewarnt, da die Attacken zwar "gegen Saudi-Arabien gerichtet gewesen sein mögen", aber "alle Staaten betreffen" und "das Risiko eines schwerwiegenden Konflikts erhöhen" würden. Außerdem müsse Teheran "seine Entscheidung revidieren, die Vereinbarungen [aus Barack Obamas Atomabkommen] nicht mehr im vollen Maße einzuhalten, und diesen Verpflichtungen wieder vollumfänglich nachzukommen".

Der Iran steht hier bislang auf dem Standpunkt, dass ihn das Abkommen nicht mehr an Anreicherungshöchstgrenzen und andere Verpflichtungen bindet, weil die Europäer nach dem Verhängen neuer amerikanischer Sanktionen mit Drittwirkung ihre eigenen wirtschaftlichen Verpflichtungen daraus nicht einhalten (vgl. Sanktionsstreit: Iran droht mit leistungsfähigeren Uranzentrifugen und "Das größte Problem ist, eine Bank zu finden, über die legale Iran-Geschäfte abgewickelt werden können").

Anlass für die neuen amerikanischen Sanktionen ist, dass US-Präsident Donald Trump das von seinem Amtsvorgänger ausgehandelte Atomabkommen für unzureichend hält. Konkret stört ihn daran, dass Inspektoren der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) militärische und nicht als Forschungseinrichtungen deklarierte Anlagen erst dann inspizieren dürfen, wenn sie vorher einen Antrag stellen, den die iranischen Behörden zwei Wochen lang prüfen dürfen.

Verweigern sie den Zugang, entscheidet eine gemeinsame Kommission innerhalb einer weiteren Woche. Das, so Trump, gibt den Persern ausreichend Zeit, eventuelle Beweise für Vertragsverstöße ab- und danach dort oder anderswo wieder aufzubauen. Außerdem kritisiert der US-Präsident, dass der Atomwaffen-Entwicklungsstopp auf 15 Jahre begrenzt ist und dass das Abkommen dem Iran die Möglichkeit lässt, atomwaffenbestückbare Mittelstreckenraketen zu bauen (vgl. Hin und Her um ein Treffen von Trump und Rohani).

mehr:
- "Keine andere plausible Erklärung" für die Zerstörung saudischer Ölanlagen (Peter Mühlbauer, Telepolis, 24.09.2019)
«Die USA vollzogen nicht den ‹Ausstieg› aus einem Abkommen, sondern verletzten einen Beschluss des Sicherheitsrats, der rechtlich bindend ist. Und nicht nur das: Sie drängten zudem alle andern UN-Mitgliedstaaten dazu, den Beschluss ebenfalls zu verletzen, zu deren Einhaltung sie sich gemäss Artikel 25 der UN-Charta verpflichtet haben.»
[A rules-based or US-based international order for Iran?, Hans Blix, europeanleadershipnetwork.org, 08.07.2019 – Google-Übersetzer]
Der JCPOA ist für sich genommen zwar kein völkerrechtlicher Vertrag i.S.v. Art. 2 der Wiener Vertragsrechtskonvention (WVRK), wohl aber eine – rechtsverbindlich gewordene – Vereinbarung zwischen Staaten. Insoweit ließen sich die allgemeinen völkerrechtlichen Regeln über die Beendigung von Verträgen29 – zumindest analog – anwenden.

Auch dann scheidet ein unilaterales Rücktrittsrecht der USA aus dem JCPOA nach Maßgabe des Art. 54 WVRK schon aus formalen Gründen aus, da es sich bei der im JCPOA vereinbarten „Zehnjahresfrist“[30] um eine abschließende „Vertragsbestimmung“ i.S.v. Art. 54 lit. a) WVRK handelt.[31] Das Abkommen ist nach dem Willen der Beteiligten auf zehn Jahre ange- legt und soll den Konflikt um das iranische Nuklearprogramm dauerhaft lösen. Eine vorzeitige Aufkündigung widerspräche daher dem Sinn und Zweck des JCPOA.[32]
Eine Beendigung des JCPOA nach Maßgabe des Art. 60 WVRK käme nur dann in Betracht, wenn dem Iran eine erhebliche Verletzung des JCPOA nachzuweisen wäre (vgl. dazu 2.2.).
[Pkt 3.1 Unilaterale Vertragsbeendigung nach den allgemeinen Vorschriften über das Recht der Verträge in: Völkerrechtliche Bewertung der Aufkündigung des Iran-Nuklearabkommens durch die US-Administration, Wissenschaftliche Dienste, Deutscher Bundestag, Az: WD 2 - 3000 - 074/18, 05.06.2018 – PDF]
siehe auch:
Unsere Mainstream-Medien sind transatlantische Speichellecker! (Post, 19.08.2019)
Der Fall Skripal: Die Gift-Lügen (Post, 18.08.2019)
Heimat der Tapferen (Post, 23.07.2019)
Porton Down: Was geschieht hinter den Türen des streng geheimen Labors? (Post, 13.06.2019)
Was die Medien im Konflikt zwischen den USA und Iran übersehen (Post, 23.05.2019)
Medien: aufdecken oder offizielle Narrative verbreiten? (Post, 26.11.2018)
- Der Fall Skripal: Lügen ohne Ende (Post, 07.10.2018)

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