Montag, 8. Juni 2015

Deutsche Chefredakteure als Kanzleramtsmitarbeiter

Mal wieder Zeit für eine traurige Nachricht – die Nachricht vom Tod des unabhängigen Journalismus in Deutschland. Offiziell wurde er noch nicht zu Grabe getragen, aber der Leichenduft erfüllt die ganze Republik.
Aktuell tritt er etwas deutlicher zutage und erfüllt die Kommentarspalten im Internet mit Spott und Hohn über eine außerordentlich einseitige Berichterstattung zum Thema Ukraine, zudem erleben wir Erscheinungen in der deutschen Presselandschaft, die man sonst nur in autokratischen Ländern gewohnt ist … wie zum Beispiel Russland.

Die Gleichschaltung der deutschen Presse – und damit der Tod des bundesdeutschen Journalismus und das Ende der “Vierten Gewalt” – ist öffentlich bestätigt worden: hätte es noch eine freie, unabhängige Presse gegeben, wäre ein Aufschrei durch die Republik gegangen: wie ein russischer Autokrat hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel die Chefs des deutschen – bezahlten – Journalismus zusammengerufen und sie auf eine gemeinsame Linie eingeschworen. Ähnliches erlebt man sonst in Bananenrepubliken, wenn Putschisten die Radiosender besetzen, um IHRE Wahrheit unters Volk zu bringen. Anstatt eines Aufschreis deutscher Journalisten gab es jedoch … nur Stille und regierungskonforme Berichterstattung. Erinnern wir uns noch mal daran, wie der Skandal nebenbei erwähnt wurde, siehe Jakob Augstein im Freitag:

Ein paar Monate zuvor, am 8. Oktober 2008, hatte es ein sonderbares Treffen gegeben, das in diesem Zusammenhang Erwähnung finden soll. Die Bundeskanzlerin hatte an jenem Tag die bedeutenden Chefredakteure der bedeutenden Medien eingeladen. Es war die Zeit, in die der Ausbruch der großen Finanzkrise fiel. Man findet keinen ausführlichen Bericht über dieses Treffen, der veröffentlicht worden wäre und überhaupt nur wenige Erwähnungen in den Archiven, nur hin und wieder einen Nebensatz, eine knappe Bemerkung. An einer Stelle liest man in dürren Worten, worum es an diesem Abend im Kanzleramt ging: Merkel bat die Journalisten, zurückhaltend über die Krise zu berichten und keine Panik zu schüren.

mehr:
- Der Tod des bundesdeutschen Journalismus (Eifelphilosoph, ZeitZeitung, 08.06.2015)
siehe auch:
- Wozu noch Journalismus. Beitrag zu einer Serie (Jakob Augstein, Freitag-Community, 15.02.2010)
Zitat:
»Wir Journalisten sollten eine Religion der Ungläubigkeit predigen! Ein Heiliger Orden der Ungläubigen, das sollten wir sein. Wir sollten unseren Dienst in Klöstern der Wahrheit tun, über die Schriften gebeugt. Und diese Klöster sollten weit, weit weg sein von den Palästen.« (Guy Talese)
Zitat:
»Aber das “besondere” Handwerk … bedarf spezieller Ausbildung, über die auch ganz offen gesprochen wird – zum Beispiel bei der Kölner Journalistenschule:
Das Sponsoringkonzept der Kölner Journalistenschule gibt Unternehmen die Möglichkeit,
  • schon während der Ausbildung Kontakt zu den angehenden Politik- und Wirtschaftsjournalisten der Kölner Journalistenschule zu knüpfen;
  • ihre Öffentlichkeitsarbeit, die Entwicklung ihrer Branche und ihre Unternehmensstrategie den Kölner Journalistenschülern vorzustellen;
  • die Ausbildung, einzelne Ausbildungselemente oder die technische Ausstattung der Kölner Journalistenschule finanziell zu unterstützen.

Hier können sich Unternehmen schon während der Ausbildung genehme Journalisten kaufen, mieten oder warm halten, hier kann man angehende Meinungsbildner in Deutschland “von der Pike auf” formen, damit es später keine bösen Überraschungen gibt. Den Service nehmen folgende Unternehmen in Anspruch: Bayer, Ergo, RWE, Henkel, Telekom, BP und einige andere hochrangige Konzerne in Deutschland. Der Fettdruck wurde von der Schule selbst vorgenommen – und sagt genug aus. Hier kauft man sich als Konzern Politik- und Wirtschaftsmeinung.

Die Ukrainekrise hat gezeigt, wie erfolgreich die Züchtung von “Systemjournalisten” betrieben worden ist: 2014 ist es gar nicht mehr notwendig, das die Kanzlerin die Chefredakteure zur Befehlsausgabe ruft – das Meinungsbildungspersonal wird gezielt geschult und schon im Vorfeld selektiert.

Es kommt auch zu gezielten “Säuberungen” – wie bei Zeit-online, wo freie Journalisten diszipliniert (“gefeuert”) werden, die früher mal für “den Feind” geschrieben haben (siehe den aktuellen Fall von Alisa Bauchina bei Heise
[Neue Feindsender?, Telepolis, 25.04.2014], – oder den Fall Moritz Gathmann, ebenfalls bei Heise [Chaos bei Zeit Online: Mal gilt der Ethik-Kodex, mal gilt er nicht, Marcus Klöckner, Paul Schreyer, Telepolis, 20.03.2014]) …. obwohl es im Prinzip zum “Lebenselixier der Demokratie” gehört, bei jeder Art von Konflikt die Interessen BEIDER SEITEN herauszuarbeiten.« 
Alisa von Faces of Ukraine auf der Montagsmahnwache am Brandenburger Tor in Berlin am 05.05.14 [4:29]

Veröffentlicht am 06.05.2014

dazu siehe auch:
- Freischreiber-Vorsitzender Benno Stieber wirft David Schraven schlechten Stil vor: "Es grenzt an Rufmord" (Bülend Ürük, Newsroom, 12.03.2014)

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