Dienstag, 2. September 2008

Neuer Mann, was nun?

Wie viele Traummann-Träume einer Frau hält ein Mann aus? Und wie ist er so, der Liebhaber, Partner und Vater der Zukunft? Fragen an den Männerforscher Peter Döge
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Von Britta Baas

Publik-Forum: Herr Döge, immer weniger Frauen bekommen Kinder, immer mehr sind unzufrieden mit der Balance zwischen Beruf und Familie. Sind die Männer schuld?

Peter Döge: Nein! Was für eine Frage! In der deutschen Geschlechterdebatte wird ja immer sofort mit Schuldzuschreibungen gearbeitet. Der Geschlechterforschung fehlt einfach der systemische Blick. Dieser Blick würde uns helfen zu erkennen: In einer Paarbeziehung antwortet das Verhalten des einen auf das Verhalten des anderen. Meine These: Dass das eine Paar Kinder bekommt, das andere nicht, hat mit den Wertmustern der Partner zu tun.

Publik-Forum: Heißt das: Kinder kriegen wollen Frauen nur mit einem Traummann? Und Männer nur mit einer Traumfrau?

Döge: So ungefähr. Das Problem der Männer ist dabei, dass viele Frauen Double-Binds schaffen. Ein hoher Prozentsatz sagt zum Beispiel, ein Mann in Elternzeit sei ihnen sympathisch. Aber in denselben Umfragen sagen dieselben Frauen, sie fänden einen solchen Mann nicht männlich. Ja, was wollen diese Frauen? Im Ergebnis heißt das doch: Männer können es nicht richtig machen. Ähnlich schwierig ist es für sie, Traumväter zu sein. Das Bild des Traumvaters scheint weitaus stärker sozial konstruiert zu sein als das der Mutter. Den Begriff »Traummutter« gibt es nicht – das sagt schon viel. Es sagt natürlich nicht, dass es keine traumhaften Mütter gibt! Es sagt aber, dass eine eindeutige Verbindung zwischen Frau und Kind existiert, Mutterschaft also biologisch klar erkennbar ist. Die Verbindung zwischen Mann und Kind dagegen muss seit Jahrtausenden sozial hergestellt werden. Dass jemand sich als Vater fühlt, bedeutet für ihn, sich mit Kopf und Herz zu entscheiden, diese Rolle anzunehmen.

Publik-Forum: Herr Doge, wir leben im 21. Jahrhundert. Da können Männer wissen, ob sie der Vater eines Kindes sind oder nicht.

Döge: Das sagen Sie! Aber es wird immer Männer geben, die sich zweifelsfrei als Vater von Kindern wähnen, deren biologischer Vater sie gar nicht sind.

Publik-Forum: Okay, streiten wir nicht darüber, wann Väter »richtige« Väter sind. Sagen Sie mir lieber: Wie viele Traummann-Träume einer Frau hält ein Mann aus?

Döge: Die Leidensfähigkeit der Männer ist unterschiedlich stark ausgeprägt. Aber wenn viele – einander teils widersprechende Erwartungen auf sie einströmen, reagieren Männer häufig mit Verweigerung, Das ist menschlich. Denn wie soll ein Mann zum Beispiel einerseits viel Zeit für seine Kinder haben, andererseits der Haupternährer der Familie sein? Dreißig Prozent der Männer in Deutschland sind bis zum 46. Lebensjahr kinderlos. Das ist mit Sicherheit auch eine Reaktion auf komplexe Erwartungshaltungen von Frauen.

Publik-Forum: Ja, warum wollen Männer denn immer die Familienernährer sein? Können sie das nicht mal den Frauen überlassen?

Döge: Auch da zeigen die Umfragen leider ein anderes Bild, als Sie es sich als Feministin wünschen: Frauen sagen zum Beispiel häufiger als ihr Partner selbst: »Mein Mann konnte seine Berufstätigkeit nicht der Kinder wegen unterbrechen, weil er sonst Karriere-Nachteile gehabt hätte.« Und Frauen geben auch zu erkennen, daß sie sich oft selbst gar nicht in die Rolle der Haupternähererin einer Familie hineinträumen.

Publik-Forum: Mit anderen Worten: Nicht die Männer, sondern die Frauen sind daran schuld, dass sich keine neue Balance zwischen den Geschlechtern einstellt? Und sie sind auch selbst schuld, wenn sie nicht herauskommen aus den eigenen vier Wänden?

Döge: Da sind wir also wieder bei der eingangs kritisierten Schuld. Nein, diese Schlussfolgerung geben die Studien nicht her. Denn es gibt bislang zu wenige Untersuchungen über Paar-Dynamiken. Also darüber, in welcher Weise genau das Verhalten eines Partners das Verhalten des anderen beeinflusst. Dass es das tut, dafür gibt es viele Indizien. Aber ebenso muss der harte Alltag im Blick bleiben. Der führt oft dazu, dass Frauen und Männer gar keine große Wahl haben, wie sie sich nun als Paar die Sorge um die Kinder, die Hausarbeit und das Erwerbsleben aufteilen. Oft müssen beide Partner Geld verdienen, damit es zum Leben reicht. Und ansonsten ändert sich nur etwas in Sachen Beteiligung der Männer an der Haus- und Familienarbeit, wenn die politischen Rahmenbedingungen stimmen. Männer haben zum Beispiel signalisiert: Wenn die Elternzeit besser finanziert wird als bisher, gehen wir auch in Elternzeit. Und das tun sie jetzt. Von den Vätern, die Elternzeit nehmen, wählen 60 Prozent zwei Monate und 25 Prozent mittlerweile zwölf Monate.

Publik-Forum: Wie sieht denn die Traumfrau des neuen Mannes aus? Also die Partnerin, mit der ein Mann eine echte Balance in der Beziehung leben will?

Döge: Die jüngste Männer-Studie – »Männer im Aufbruch« –, die unter anderem von der Männerarbeit der EKD und der katholischen Kirche unterstützt wurde, hat gezeigt, dass die sogenannten neuen Männer an Frauen eine Mischung aus Intellektualität und Feenhaftigkeit faszinierend finden. [Die Studie ist aus dem Jahr 1998. Eine Zusammfassung kann bei der Universität Wien heruntergeladen werden.] Oh sich das mittlerweile verändert hat, werden wir im November wissen, wenn die Nachfolgestudie veröffentlicht wird.

Publik-Forum: Frauen sollen intellektuelle Feen sein, Männer gute Väter, Familienernährer und Statussymbole der Frauen. Das hört sich ziemlich archaisch an. Können wir vierzig Jahre Feminismus und zwanzig Jahre Genderforschung vergessen?

Döge: Nein, Feminismus und Genderforschung haben uns weitergebracht. Allerdings kritisiere ich einen Feminismus, der jegliche biologischen Gegebenheiten leugnet und alles, was Frauen und Männer ausmacht, als ausschließlich kulturell geprägt definiert. Frauen und Männer sind biologische und kulturelle Wesen! Ob es jemals eine absolute Sicherheit darüber geben wird, in welchem Mischungsverhältnis das gilt, wage ich zu bezweifeln. Aber an den Wunschvorstellungen und den – diesen Vorstellungen teilweise widersprechenden Verhaltensweisen von Frauen und Männern lässt sich ablesen, dass die Bildet die sich die Geschlechter voneinander machen, nicht nur Kopfgeburten sind, sondern mit Emotionen zu tun haben.

Publik-Forum: Und wie muss dann eine politische Konzeption aussehen, die den Menschen das Leben leichter macht?

Döge: Die politischen Rahmenbedingungen müssen Offenheit gewährleisten, was die Möglichkeiten der Lebensgestaltung betrifft. Mein Credo lautet: So viel Freiheit wie irgend möglich für individuelle Konzepte. Was ich sehe, ist aber, dass die Geschlechter- und Familienpolitik neue Normative aufbaut. Nämlich zum Beispiel die Norm, dass Frauen nach einer Geburt möglichst schnell wieder erwerbstätig sein sollen. Da frage ich kapitalismuskritisch: Ist es wirklich sinnvoll, die Familienpolitik darauf auszurichten, die Arbeitskraft von Menschen so schnell wie möglich wieder auf dem Markt ausbeuten zu können?

Publik-Forum: Das klingt ungemein innovativ. Aber mittelbar bedienen Sie damit die Protagonisten alter Muster. Denn irgendwer muss das Geld ranschaffen für die Familie. Das macht dann also weiter der Mann, weil die Frau daheim die Kinder nährt und hütet?

Döge: Nein, darauf muss es nicht hinauslaufen. Wenn ich sage: Ich will neue Freiheiten für Männer und Frauen, dann ist damit auch gemeint, Männern mehr Freiheit für die Familie zu geben. Es muss ja nicht die Frau sein, die allein in der Haus- und Familienarbeit tätig ist, während der Mann Karriere macht. Ach ja, Karriere! Das ist ja auch noch so ein Thema …

Publik-Forum: Wieso?

Döge: Weil ein Klischee besagt, Frauen säßen daheim, während Männer Karriere machten. Aber die meisten Männer machen keine Karriere. Sie verdienen Geld, und manchmal macht ihnen das nicht mal Spaß. Karrieren werden nicht primär entlang der Geschlechtergrenze gemacht, sondern von großbürgerlichen Eliten, die ihre Netzwerke so eng stricken, dass von außen nur selten jemand hineinkommt. Das belegen unter anderem die Studien des Soziologen Michael Hartmann. Mit anderen Worten: Wir sollten Acht geben, dass wir uns nicht an der falschen Front verkämpfen und Frauen und Männer als Gegenspieler deuten. Die Milieuzugehörigkeit spielt für Werdegänge von Menschen eine größere Rolle als ihr Geschlecht.

Publik-Forum: Welche Väter werden wir in Zukunft haben? Welche Mütter?

Döge: Welche Chancen Frauen und Männer in Zukunft haben werden, hängt stark von sozialen und von ökonomisch-technischen Entwicklungen ab. Hätten Sie diese Frage vor hundert Jahren gestellt, hätte ich Ihnen nicht sagen können, dass die Menschen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts in der Lage sein würden, Sexualität und Fortpflanzung sicher zu trennen. Das ist ja eine wesentliche Voraussetzung dafür, dass sich unsere Gesellschaft so entwickelt hat, wie wir sie jetzt vorfinden. Ich kann also nur Vermutungen anstellen, Es ist wahrscheinlich, dass die Entwicklung der westlichen Industriestaaten es immer besser ermöglicht, dass Frauen und Männer offen miteinander aushandeln, wie sie leben wollen. Kinderlernen heute jedenfalls schon, dass es normal ist, dass Frauen und Männer erwerbstätig sind. Und sie lernen, dass Frauen und Männer Hausarbeit machen und sich um Kinder kümmern. Diese Entwicklung wird sich nicht mehr zurückschrauben lassen. •

Peter Döge
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geboren 1961, ist promovierter Politikwissenschaftler und Mitbegründer des Instituts für Innovations- und Zukunftsforschung in Berlin. Dort hat er unter anderem die Zeitverwendung von Männern analysiert (Männer – Paschas und Nestflüchter? Budrich 2006).


aus Publik-Forum 12•2008





Im Buch von Friedrich Hacker über Aggression habe ich den Satz gefunden: »Gewalt ist das Problem, als dessen Lösung sie sich ausgibt.«


Wenn man sich die Fragen in diesem Interview genau ansieht, wird man zu einem ähnlichen Schluß kommen: Die Männer müssen was anders machen, dann haben die Frauen mehr Raum, und alles wird gut. Zur Traumfrau des Mannes: Er will also eine echte Balance in der Beziehung leben … weitere Gedanken überlasse ich dem LeserIn…

Ein paar Links zu den Arbeiten des erwähnten Soziologen Michael Hartmann:
- beim Manager-Magazin
- bei der FAZ
- beim Stern
- bei ZEIT Online