Sonntag, 23. Juli 2017

Aufräumarbeiten nach dem G20-Gipfel: Was würde geschehen, wenn…

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Das Reisekönigtum war von der fränkischen Zeit bis in das Spätmittelalter hinein die übliche Form der Herrschaftsausübung durch König oder Kaiser (als Reisekönig oder Reisekaiser). Die deutschen Könige des Mittelalters regierten nicht von einer Hauptstadt aus. Sie reisten mit Familie und Hofstaat durch das Reich von einer Pfalz zur anderen. Auch in anderen europäischen Ländern war dies üblich und wurde dort zum Beispiel auf Englisch als itinerant kingshiptravelling kingdom oder auf Italienisch als corte itinerante bezeichnet.
Das alte deutsche Reich besaß keine Hauptstadt im heutigen Sinne, sondern wurde von wechselnden Orten aus regiert. Diese Orte waren meist auf Krongut errichtete Pfalzen oder aber Bischofsstädte. Die Wege, die der Hofstaat auf diesen Reisen zurücklegte, nennt man Itinerare. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Pfalzen oft in verkehrsgünstigen und auch fruchtbaren Gebieten angelegt wurden, die zur Versorgung von Königshöfen als Mittelpunkt königlicher Grundherrschaften umgeben waren. Die Königshöfe lagen dabei verstreut über das gesamte Reich. Die Zusammensetzung des Hofstaats änderte sich dabei, je nachdem, durch welches Gebiet man zog und welche Adligen sich dem Hof mit ihrem Gefolge auf dieser Reise anschlossen oder sich auch wieder von ihm entfernten.
Im Laufe eines Jahres wurden dabei erstaunliche Strecken zurückgelegt. Historiker errechneten anhand von Urkunden, dass z. B. Kaiser Heinrich VI. und sein Gefolge zwischen dem 28. Januar und dem 20. Dezember 1193 mehr als 4.000 Kilometer kreuz und quer durch Deutschland reisten. Die Rekonstruktion der Reisestationen ergab hierbei folgende chronologische Abfolge: Regensburg – Würzburg – Speyer – Hagenau – Straßburg – Hagenau – Boppard – Mosbach – Würzburg – Gelnhausen – Koblenz – Worms – Kaiserslautern – Worms – Haßloch – Straßburg – Kaiserslautern – Würzburg – Sinzig – Aachen – Kaiserswerth – Gelnhausen – Frankfurt am Main – Gelnhausen.
Das Reisekönigtum diente einerseits dem besseren Überblick über das Reich, gleichzeitig ermöglichte es aber auch die Kontrolle über lokale Fürsten und diente somit dem Zusammenhalt des Reiches. Damals wurde Herrschaft über persönliche Beziehungen ausgeübt (Personenverbandsstaat), wozu es auch erforderlich war, persönlich den Kontakt mit den Beherrschten zu suchen. Andererseits war es auch nur durch die Reisetätigkeit möglich, die wirtschaftlichen Bedürfnisse des Hofes zu stillen, da es damals aufgrund der unzureichenden Verkehrswege noch nicht möglich war, eine größere Gruppe von Menschen dauerhaft am selben Ort zu versorgen. Anstatt die Lebensmittel zum Hof zu schicken, wanderte der Hof folglich zu den Lebensmitteln. [Reisekönigtum, Wikipedia, abgerufen am 23.07.2017]

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Gut, daß ich in Urlaub war! 
Genauso, wie unsere Mainstream-Medien die Konfliktparteien in Libyen und Syrien für das mündige und unbedarfte Laienpublikum sprachlich-griffig als »prowestliche« und in der Ukraine als »prorussischen Rebellen« etikettiert, handelte es sich in Hamburg um den sogenannten »schwarzen Block«.
Und genauso reflexhaft, wie Gaddhafi, Saddam Hussein und Putin als »kleine Hitler« etikettiert wurden, sieht sich nun der politisch »linke Block« (wir stehen ja vor der Bundestagswahl) genötigt, zu betonen, daß sich Links-Sein und Gewalt ausschließen.
siehe dazu:
- Das angebliche Gewaltproblem der Linken (Post, 21.03.2015)

In dem ganzen Interpretations-Trubel, in dem verzweifelt versucht wird, anhand der Meinungshoheit Gut und Böse ausfindig zu machen (besser: nicht ausfindig machen, sondern Gutmenschen-Religion-adäquat zuzuweisen), geht zwangsläufig die inhaltliche Diskussion über die Globalisierungskritik unter. 
auch wenn’s langweilt:
- TTIP-Verhandlungen: Angeblich Demokratie und Transparenz (Post, 07.12.2014)

So was Dummes auch! Und da wir uns seit den Zeiten von Baader-Meinhof auf das Gewaltmonopol des Staates geeinigt haben, fällt die Tatsache, daß es auch so etwas wie strukturelle Gewalt gibt, unter den Tisch.

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„Strukturelle Gewalt ist die vermeidbare Beeinträchtigung grundlegender menschlicher Bedürfnisse oder, allgemeiner ausgedrückt, des Lebens, die den realen Grad der Bedürfnisbefriedigung unter das herabsetzt, was potentiell möglich ist.“ [Stukturelle Gewalt, Der Ansatz von Galtung, Wikipedia, abgerufen am 23.07.2017]
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mein Kommentar:
Angesichts der beeindruckenden Schwarmintelligenz großer Menschenmassen 
(=> Vergesst Trump, lest Spitzer!, Post, 10.05.2017) 
dürfte das Adjektiv »vermeidbar« in Galtungs Definition diskussionswürdig sein!

zur strukturellen Gewalt des Westens:
- Jean Ziegler: „Geierfonds - Quintessenz krimineller Bankenaktivitäten“ (Post, 09.10.2014)

Das Wichtigste scheint mir der Versuch zu sein, die Bevölkerung ruhig zu halten und hinter der Fahne zu sammeln! 
Merke:
Putin muß nicht nur der Böse sein,
wir brauchen ihn als Personalisierung des Bösen, wogegen wir zu kämpfen haben.
Aus diesem Grund auch die markigen Sprüche von der Bekämpfung der Fluchtursachen.
Beim AltermannBlog bin ich auf folgenden Link gestoßen:
- Flüchtlinge: EU schränkt Export von Schlauchbooten nach Libyen ein (ZON, 17.07.2017)
Für Beschränkte wie mich:
Die EU-Außenminister sehen mit einen Grund, weshalb sich so viele Leute übers Mittelmeer wagen, in der Anzahl der zur Verfügung stehenden Schlauchboote.
… aber anscheinend nicht 
- im Leerfischen von Westafrikas Küstengewässern oder
- im illegalen Deponieren von Giftmüll (auch Nuklearabfall – siehe Areva:
AREVA, Kernkraft und Profiteure: verschwundene Milliarden…, Post, 29.10.2016) 
- im Erzwingen von Knebelverträgen (siehe EPA:
EPA – TTIP für Arme und die Werte des »alten Europa«, Post, 23.09.2015)
oder
- im Überschwemmen des westafrikanischen Marktes mit subventionierten Geflügel-Abfällen!
siehe dazu:
- Westafrika: Europa erzeugt die Flüchtlinge selbst (Post, 02.08.2016)

Was wäre wohl geschehen, wenn eine Woche nach dem G20-Gipfel bekannt geworden wäre, daß die Polizei die Vorgaben für die Anwendung von Reizgas nicht beachtet hat?
- G20-Krawalle: Polizisten ignorierten Reizgas-Vorgabe des Hamburger Einsatzchefs (Ansgar Siemens, SPON, 16.08.2017)
- G20-Polizeieinsatz: Polizisten sollen Reizgas-Vorgabe ignoriert haben (ZON, 16.08.2017)


Was wäre wohl geschehen, wenn eine Woche nach dem Tod von Benno Ohnesorg herausgekommen wäre, daß die Steinewerfer vom Abend des 2. Juni 1967 – herbeigesehnter Anlass für den Wunsch vieler in Kompaniestärke in die Bereitschaftspolizei übernommenen Wehrmachtsangehöriger, den langhaarigen Studenten mal so richtig die »Birne weichzuklopfen« [Zitat aus dem Benno-Ohnesorg-Film] – gegenüber der Deutschen Oper Polizisten in Zivil waren? 
siehe dazu:
- Demonstration am 2. Juni 1967 in West-Berlin, Vor der Deutschen Oper (Wikipedia, abgerufen am 23.07.2017)
- Heute vor 50 Jahren – 2. Juni 1967: Benno Ohnesorg wird erschossen (Post, 02.06.2017)

Was wäre wohl passiert, wenn der Papst (oder der Dalai Lama oder eine große, angesehene Organisation wie der IPPNW) wenige Tage nach dem unseligen Auftritt von Colin Powell vor dem UN-Sicherheitsrat im Februar 2003 aufgestanden wäre und öffentlich verkündet hätte, daß Powells Einlassungen eine Lüge seien?
siehe dazu:
- Powell: „Schandfleck meiner Karriere“ (FAZ, 09.09.2005)
- Irak-Krieg: Saddam Hussein hatte keine Verbindungen zu al-Quaida (Süddeutsche Zeitung, 07.12.2008)

Die aufgeregte Post-G20-Medien-Quasselei mit reflexhaften Schuldzuweisungen und Rücktrittsforderungen macht auch die Vorkommnisse in Genua 2001 vergessen (ist ja auch schon eine halbe Generation her):
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Der G8-Gipfel in Genua war ein Treffen der Gruppe der Acht in der italienischen Stadt Genua. Der 27. G8-Gipfel fand vom 18.bis zum 22. Juli 2001 statt. Er wurde von schweren Auseinandersetzungen zwischen der italienischen Polizei und Globalisierungskritikern überschattet, bei denen Carlo Giuliani von einem Polizisten erschossen und hunderte Personen verletzt wurden. Besondere Aufmerksamkeit erregte der Einsatz von Folter und Misshandlungen durch italienische Sicherheitskräfte. Die juristische Aufarbeitung dauert bis heute an.
Seit dem Gipfel und verstärkt nach den Terroranschlägen am 11. September 2001 gilt nach dem Summit policing der Grundsatz, für G8/G20-Gipfel einen Ort zu wählen, der möglichst abgelegen ist und gut abgesichert werden kann. Laut Tony Blair soll verhindert werden, dass die publizistische Wirkung von Protesten den Gipfel in den Augen der Öffentlichkeit ruiniert.[1] [G8-Gipfel in Genua 2001, Wikipedia, abgerufen am 23.07.2017]
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Im sogenannten Bolzaneto-Prozess wurden Misshandlungen an Demonstranten durch Polizisten und Wachpersonal im Rahmen des G8-Gipfels in Genua (Italien) in der Polizeikaserne Bolzaneto verhandelt. […]
m 14. Juli 2008 sind 15 Angeklagte wegen brutalen Vorgehens gegen Demonstranten zu Gefängnisstrafen von fünf Monaten bis fünf Jahren verurteilt worden, während 30 Angeklagte freigesprochen worden.[2] Die Höchststrafe erhielt dabei der für die Sicherheit in dem Gefängnis verantwortliche Beamte Antonio Biagio Gugliotta.
Es gab noch mehrere andere Verfahren, die sich mit Vorwürfen über Polizeiwillkür im Umfeld des G8-Gipfels befassten, z. B. mit der Klärung der Vorkommnisse an der Scuola Diaz[3]. [Bolzaneto-ProzessWikipedia, abgerufen am 23.07.2017]
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siehe auch:
- Polizei in Italien bestätigt Folter bei G8-Gipfel 2001 (Neues Deutschland, 19.07.2017)

- G8-Gipfel 2001: Gericht verurteilt Italien wegen Folter (ZON, 22.06.2017)
G8-Gipfel I (2001) - Gipfelstürmer – Die blutigen Tage von Genua (Beste TV-Dokumentation 2002) (Pyromania Arts Foundation, youtube, veröffentlicht am 22.12.2015, Deutscher Fernsehpreis für die beste Dokumentation 2002 "Die Story - Gipfelstürmer" des WDR vom 24. Juli 2002)

Wer da nicht an die Schah-Proteste 1967 in Berlin denkt, dem kann ich auch nicht helfen!
übrigens:
- »Der größte Einzelerfolg der CIA« (Post, 01.05.2012)

Was würde geschehen, wenn  der Dreck, den Gladio am Stecken hat, innerhalb kurzer Zeit Allgemeinwissen würde?


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Aldo Moro (Audio-Datei / Hörbeispiel anhören?/i; * 23. September 1916 in MaglieApulien; † 9. Mai 1978 in Rom) war ein italienischer Politiker der Democrazia Cristiana. 1963–1968 und 1974–1976 war er Ministerpräsident seines Landes. Er wurde von der Terrororganisation Rote Brigaden entführt und von Mario Moretti ermordet. [Aldo MoroWikipedia, abgerufen am 23.07.2017]
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dagegen:

- Politische Morde (4) Der Fall Aldo Moro (Ein Film von Michael Busse und Rosa Maria Bobbi, 3sat, 07.10.2004, Zitat aus der Sendungsankündigung:)
"Es gibt stichhaltige Indizien, dass auch die Geheimdienste bei der Entführung dabei waren", so die Untersuchungskommission "Terrorismus und Massaker", welche von 1994 bist 2000 unter dem Vorsitz von Giovanni Pellegrino die Entführung erneut beleuchtete. […] Mit neuen Fakten und Zeugenaussagen belegt der Film […] die mörderische Verstrickung des Staates in den Fall Moro.
- Dossier: Mein Blut komme über euch – Der ungeklärte Fall Aldo Moro (Jessica Kraatz Magri, Bruno Frankeschini, Deutschlandfunk, 02.05.2008)
- Inszenierter Terror (Reinhard Jelen, Telepolis, 25.09.2008)
- Terrorgruppe der NATO (Gerhard Feldbauer, junge Welt, 21.02.2013, zu finden bei AG Friedensratschlag)
- Aldo Moro: Mordfall wird neu aufgerollt (Marcel Ludwig, kurier.at, 19.06.2013)
- Geheimarmeen in Europa: Die Strategie der Spannung, Gladio und die Nato (Silvia Cattori im Interview mit Daniele Ganser, free21, 07.04.2016)
zum Verhältnis von Wikipedia mit Daniele Ganser siehe:
- Die dunkle Seite der Wikipedia (Post, 18.07.2016)

Schauen wir also zu, daß vorhandene Unklarheiten baldmöglichst sprachlich bereinigt werden, damit die Kiste endlich zugemacht werden kann und wieder alternativlose Ruhe herrscht!
… und wenn dann weiterhin noch irgendwas stinkt, sperren wir es für 120 Jahre weg (vier Generationen müßten genügen)!
siehe dazu:
- Verfassungsschutz will NSU-Bericht für 120 Jahre wegschließen (Thomas Moser, Telepolis, 16.07.2017)

siehe auch:
- Die Floskeln der Macht – Wie wir durch Sprache manipuliert werden (Post, 01.04.2016)
- Wie Realität hergestellt wird: Sprachverdrehungen, scheinbare Gewissheiten und Geschichtsklitterung (Post, 05.11.2016)