Montag, 23. Juni 2014

Der Knoten im Kopf von ZEIT-Herausgeber Josef Joffe

Der Herausgeber der Wochenzeitung «Die Zeit» hat sein eigenes Weltbild. Es ist bemerkenswert einäugig.

«Die Zeit» aus Hamburg ist, der Superlativ sei riskiert, die beste Wochenzeitung im deutschen Sprachraum. Von Gerd Bucerius gleich nach Kriegsende 1946 gegründet, hat sich das Blatt neben den grossen Tageszeitungen Deutschlands – Frankfurter Allgemeine Zeitung FAZ, Süddeutsche Zeitung, Die Welt, Frankfurter Nachrichten – zum deutschen Weltblatt hochgearbeitet. Ob Politik oder Wirtschaft, Feuilleton oder Dossier, hier schreiben von den besten Journalistinnen und Journalisten deutscher Zunge. Selbst die drei Wechselseiten «Schweiz», welche bei den in der Schweiz verkauften Ausgaben der «Zeit» den ersten Bund abschliessen, zeigen regelmässig hohe Kompetenz und stehlen da, wo die NZZ der ihr nahestehenden Grossbanken wegen ein Thema unter den Teppich zu kehren versucht – etwa beim UBS-Sponsoring-Vertrag mit der Uni Zürich – dieser sogar die Show.

«Die Zeit», eine wirklich gute Zeitung, wo wenig Wünsche offen bleiben.

Wenn da nicht der jetzige Herausgeber Josef Joffe wäre.

Oft schreibt er zwar nicht, dieser Josef Joffe. Ein Herausgeber, in der internen Hierarchie dem Chefredakteur übergeordnet, hat ja andere Aufgaben als gewöhnliche Journalisten. Er muss vor allem repräsentieren. Aber wenn er schreibt, steht sein Kommentar fast immer zuvorderst, auf der Frontseite. Es muss ja gesehen werden, wenn der Boss selber in die Tasten greift.

Nur eben: Auch der Ärger des Lesers, der Leserin ist dann grösser. Oder die Enttäuschung. Oder die Wut. Es bleibt dann nicht nur beim Kopfschütteln über eine Sottise, deren es natürlich auch in der «Zeit» immer wieder hat.

mehr:
- «Die Zeit»: Wenn der Boss kommentiert (Christian Müller, Info-Sperber, Datum)
siehe auch:


Wir leben in einem ruhenden Polizeistaat, in einem schlafenden Polizeistaat – der jederzeit zum Leben erweckt werden kann.

Wer diesem Rechtsstaat in die Quere kommt, kann sich auf einiges gefasst machen. Chelsea Manning verbrachte neun Monate in Isolationshaft. Sie musste nachts ihre Kleider abgeben und morgens nackt vor der Zelle antreten. Körperliche Übungen waren ihr verboten. Das Licht brannte unablässig. Das ist der Rechtsstaat.

Und
 Selbsttäuschung war es, die viele Journalisten in Deutschland eher mürrisch auf die Wikileaks-Veröffentlichungen reagieren ließ. Der Herausgeber der Zeit, Josef Joffe, war da typisch. Er schrieb, er wünsche sich „keinen Ein-Mann-Rächer, der nach eigenem Geschmack entscheidet, was zu veröffentlichen sei. Dafür haben wir Parlamente und Gerichte, also den Rechtsstaat“. Normalerweise rechtfertigen staatliche Stellen mit solchen Worten die Knebelung der Presse. Nur zur Erinnerung: Die Folter in Abu Ghraib, das grausame Waterboarding in den Gefängnissen der CIA, das Niedermähen unbewaffneter Zivilisten in Afghanistan – all das, was die USA in gefährliche Nähe zu den Unrechtsregimen im Nahen Osten, zu China und zur untergegangenen Sowjetunion gebracht hat, ist eben nicht durch „Parlamente und Gerichte“ an den Tag gekommen, sondern durch Whistleblower. […]
In Bezug auf ihre Auffassung von Sicherheitspolitik sind die USA heute ein totalitärer Staat. Solange das so ist, haben wir eine besondere Verpflichtung, wir in Europa, wir in Deutschland. Es ist die Verpflichtung, die Flamme der Freiheit nicht ausgehen zu lassen. Es ist die Verpflichtung, jenen, die gegen diesen Totalitarismus kämpfen, Schutz zu gewähren.  
[Jakob Augstein, Vater aller Whistleblower, Laudatio zur Verleihung des Dresden-Preises an Daniel Ellsberg, in: der Freitag, 
03.03.2016 – Hervorhebungen von mir]
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Leseempfehlungen für den 23. Juni 2014

- Erfolgreiche Ungleichheitsbekämpfung an der Wiege der westlichen Kultur? (Telepolis, 22.06.2014)
Wie in Athen und Sparta angeblich die eskalierende Ungleichheit bekämpft wurde und wie daraus die mächtigsten Staaten der Antike entstanden 
Während über die Details sicherlich gestritten werden kann, steht außer Zweifel, dass die Ungleichheit im Westen erheblich zugenommen hat und drängende ökonomische und damit soziale Probleme verursacht. In der Neuzeit steht ein eskalierender Unterschied zwischen Reich und Arm (wie er etwa um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert und zur Zeit des Wall Street-Crashs von 1929 verzeichnet wurde) im Zusammenhang mit Zeiten, in denen diese Ungleichgewichte teils krisenhaft und teils sehr langsam und durch zufällige historische Entwicklungen abgebaut wurden.

- Ukraine: Inszenierung eines Waffenstillstands (Telepolis, 23.06.2014)
Poroschenko handelt verunsichert, in der Ukraine haben wie im Irak oder in Syrien Banden oder Milizen das Sagen 
Seit Freitagabend gilt der vom ukrainischen Präsidenten Poroschenko einseitig für eine Woche bis zum 27. Juni verordnete Waffenstillstand, den die Separatisten allerdings abgelehnt haben. Sie sehen darin einen Schachzug zu ihrer Entmachtung, obgleich Poroschenkos "Friedensplan" große Schritte in Richtung Dezentralisierung vorsieht. Allerdings will er die militanten Separatisten nicht in eine Friedenslösung einbeziehen, sondern sieht für sie eine Amnestie oder die "Auswanderung", eine Art von ethnischer "Säuberung", nach Russland durch "sichere Korridore" vor, auch wenn Poroschenko nur von russischen "Söldnern" spricht, die ihre Waffen niedergelegt bzw. hinterlassen haben. Und er droht bereits mit einer Alternative B, falls der Frieden in seinem Sinne nicht wiederhergestellt werden kann, verrät aber nicht, was er dann über die Fortführung der "Antiterroroperation" hinaus zu tun beabsichtig.

- Obamas leiser Krieg (Telepolis, 23.06.2014)
Die USA setzen bei der Bekämpfung von Krisen und der Durchsetzung von Sanktionen zunehmend auf eine bisher wenig bekannte Abteilung des US-Finanzministeriums. Nach eigener Aussage ein Instrument "einzigartiger" Machtdemonstration in der Welt 
"Amerika muss immer führen", sagte Obama in seiner West-Point Rede Ende März ("Amerika muss immer führen". Das Militär wäre dafür weiterhin zentral, gleichwohl machte Obama aber deutlich, dass sein Land militärisch nur noch selektiv eingreifen werde, das heißt, wenn es die US-Kerninteressen erfordern wie gegenwärtig bei der Offensive der ISIS im Irak.

- Tic Tac Tic Tac Tic Tac (Telepolis, 22.06.2014)
Das unermüdliche Ticken einer Uhr oder eines Metronoms erscheint oft als Symbol für den Wettlauf mit der Zeit. Ein Wettlauf mit der Zeit? Ist das überhaupt möglich? 
Was ist Zeit eigentlich? Spätestens seit dem 1997 erschienenen Band Eine Landkarte der Zeit von Robert Levine wurde auch einer breiteren Öffentlichkeit bewusst, dass die Vorstellung von Zeit vom Lebensumfeld (und damit auch von der Kultur des Einzelnen) abhängig ist. In den industrialisierten Ländern wird die Zeit zumeist als Zeitstrahl verstanden, während in Asien ein zirkulares Zeitverständnis vorherrscht. Aber selbst in Europa hat eine Zeitangabe nicht in allen Regionen das gleiche Gewicht. Ein berühmtes Beispiel, das so manchen Kontinentaleuropäer zur Verzweiflung treiben kann, ist die sogenannte irish time. Eine Verabredung für Sonntag um 15:00 heißt: Man trifft sich entweder irgendwann am Sonntag oder irgendwann um 15:00.

Heute vor 100 Jahren – 23. Juni 1914: Pancho Villa siegt gegen mexikanische Truppen

Ein Volk erhebt sich 

Krasse soziale Ungerechtigkeit prägte zu Beginn des 20. Jahrhunderts die Situation in Mexiko. Entscheidend für den Ausbruch der Mexikanischen Revolution war die enorme Konzentration des Landbesitzes während der Diktatur von Porfirio Diaz. Bei Ausbruch der Revolution 1910 waren 90% der Landbevölkerung landlos, während 1% der Bevölkerung über 96% des Bodens verfügte. Dies wollten die landlosen Bauern nicht länger hinnehmen, mit ihren Forderungen nach »Land und Freiheit« und einer Agrarreform waren sie die treibende Kraft der Revolution. 

Pancho Villa (3. von rechts) und seine Männer, Juni 1919

Unter der Führung von Pancho Villa (1877-1923) im Norden und Emiliano Zapata im Süden kämpften die Bauern für eine Landreform. Zwischen 1910 und 1921 herrschte im Land ein anarchistischer Zustand. Überall brachen Kämpfe aus, in denen die Revolutionstruppen vorübergehend Erfolge erzielten. Villa siegte gegen die Truppen des Machthabers Victoriano Huerta in der Schlacht bei Zacatecas am 23. Juni 1914, heute vor 100 Jahren. Dennoch konnten die Revolutionäre ihre weitgehenden Forderungen nicht umsetzen. Immerhin trat 1917 eine liberale Verfassung in Kraft, deren Bodenreform allerdings nicht umgesetzt wurde. 

Was am 23. Juni noch geschah: 
1924: Der Massenmörder Fritz Haarmann wird in Hannover verhaftet. 

Harenberg - Abenteuer Geschichte 2014 


Pancho Villa on the border [4:11]
Veröffentlicht am 24.01.2013
The American Army under the direction of General Pershing went to Mexico in response to Panch Villa's raid on Columbus. President Wilson sent 5,000 men of the U.S. Army under General John Pershing into Mexico to capture Villa. Employing aircraft and trucks for the first time in US Army history, Pershing's force chased Villa until February 1917.[28] The search for Villa was unsuccessful.[3] However, some of Villa's senior commanders (Colonel Candelario Cervantes, General Francisco Beltrán, Beltrán's son and Villa's second-in-command Julio Cárdenas) and a total of 190 of his men were killed during the expedition.[29]

The Mexican population were against US troops in Mexican territories. There were several demonstrations of their opposition to the Punitive Expedition and that counted towards the failure of that expedition. During the expedition, Carranza's forces captured one of Villa's top generals, Pablo Lopez; he was executed on June 13, 1916.

Camera crews recorded the war.

Source:  http://en.wikipedia.org/wiki/Pancho_V...
siehe: Mexikanische Expedition [Wikipedia]

Verschollene Filmschätze E33: 1916. Pancho Villa – Tot oder lebendig! Doku (2014) [26:11]
Veröffentlicht am 03.11.2015
Im Jahr 1914 befand sich Mexiko seit vier Jahren im Bürgerkrieg. In den USA und in Europa rühmt die Presse die Verdienste des Revolutionsführers Pancho Villa und bezeichnet ihn als „mexikanischen Robin Hood“. Die Regierung in Washington hätte Pancho Villa gerne als Präsidenten Mexikos gesehen. Zwei Jahre später kam alles anders: Im März 1916 überfiel Pancho Villa die kleine Stadt Columbus in New Mexico. Fazit: 15 Tote auf amerikanischer Seite. Dieser Angriff einer ausländischen Guerillatruppe auf amerikanischem Territorium ist für die Öffentlichkeit ein gewaltiger Schock. Auf Befehl von Präsident Woodrow Wilson wird militärische Verstärkung an die Grenzen geschickt – insgesamt fast 15.000 Mann. Die Truppen machen sich im Norden Mexikos an die Verfolgung von Pancho Villa. Für die Presse bietet diese „Verbrecherjagd“ Gelegenheit, einen großen Feldzug und womöglich sogar Schlachten zu filmen. Die Reporter hoffen vor allem, über die Verhaftung des Verräters Pancho Villa berichten zu können. Doch wozu eine solche Machtdemonstration der Amerikaner? Diente dieser Feldzug vielleicht noch einem anderen Zweck? Und wie wurde Pancho Villa, der gefeierte Medienstar, den die amerikanische Regierung zunächst unterstützt hatte, zum Staatsfeind Nummer eins?

siehe auch:
- Der mexikanische Bürgerkrieg 1910-1934 (Post, 08.01.2016)
aktualisiert am 08.01.2016