Sonntag, 21. Dezember 2014

Völkerrechtsverletzungen und das Narrativ deutscher Medienberichterstattung

Narrative Psychologie geht davon aus, dass Menschen ihrem Leben Sinn und Bedeutung verleihen, indem sie Erlebnisse in Form von Geschichten und Erzählungen wiedergeben. Einzelne Lebensereignisse werden so nicht − wie von selbst miteinander verbunden betrachtet: Verbindungen und Plausibilität werden vielmehr erst im Prozess der Narrativierung vom Subjekt geschaffen(Hervorhebung von mir) Ausgangspunkt für eine Erzählung sind weder die Fakten noch der Glaube daran, dass es wirklich so war, sondern die aktuelle Präsenz des erzählenden Subjektes in Raum und Zeit.Erzählungen sind sodann nicht das Ergebnis einer wie auch immer gearteten Vergangenheit, sondern der Versuch des Erzählers, aus der Perspektive des hier und jetzt eine − für den Zuhörer und sich selbst − kohärente Geschichte zu formulieren(Hervorhebung von mir) Erzählt wird dabei in drei Formen der Zeit: Das jeweilige Ereignis stammt aus der Vergangenheit, es wird mit aktuellen Zuständen der Gegenwart verknüpft und in einer Antizipation zur Zukunft gesehen. Ein besonderes Interesse innerhalb der Narrativen Psychologie gilt dabei den Erzählungen einer Person über sich selbst, also ihrer Konstruktion des Selbst und der eigenen Identität. (Narrative Psychologie, Wikipedia, Hervorhebungen von mir)


In Arabischer Frühling – Die Revolution frißt ihre Kinder (Post, 19.05.2014) habe ich ein Video aus einer Diskussionsrunde vom 06.06.2012 mit Anne Will eingebettet (Peter Scholl Latour rastet aus Syrien , Salafisten, Islam Der Talkshow Eklat). Jürgen Todenhöfer hatte wegen des suggestiven Titels abgesagt.

Einige Zitate von Peter Scholl-Latour aus der Diskussion:
»Der Titel dieser Sendung ist eine Vorwegnahme. Es ist eigentlich eine gehässige Formulierung. […] Die Zeugenaussagen sind sehr einseitig.«
»Die Freiheitskämpfer [in Libyen] benehmen sich genauso schlimm wie die Truppen Gaddhafis. […] Er ist gefoltert und gepfählt worden. Das sind die Methoden der Freiheitskämpfer. Man soll nicht so furchtbar einseitig schwarz-weiß denken und daran denken, daß der libanesische Bürgerkrieg 15 Jahre lang gedauert hat.«
»Die Jungs, die da mit Facebook rumspielen, das sind Dilettanten. […] Um eine Revolution zu machen muß man Schläger haben und Ganoven haben und nicht irgendwelche jungen Leute, Idealisten. […] Dieses humanitäre Geschwafel bin ich leid. […] Wir werden da nicht 10.000 Tote haben in Syrien, wie jetzt, sondern wie in Algerien 200.000 Tote.« (Mitte 2013 sprachen SPIEGEL und BILD übereinstimmend von 100.000 Toten in Syrien. Theo Sommer sprach in dieser Sendung noch von 160.000 Toten im Irak. Eine US-Studie 2012: 500.000 Tote, Heutiger Stand [Schätzung IPPNW]: 1,5 Millionen)
»Ich komme doch noch mal auf die Religion zurück, verdammt nochmal. Es gibt 12 Millionen Alawiten dort [in Syrien]. Das ist eine Sekte, das sind keine Schiiten, das ist sehr viel komplizierter. Und die Leute sind eingeschworen auf das Regime, die haben da die Schlüsselstellungen inne. Wenn die Salafisten siegen – das ist die Gegenkraft, […] dann werden die nicht nur ihre Posten und ihren Reichtum verlieren, die werden massakriert werden. Die Leute werden bis zum letzten kämpfen.«
Anne Will: »Ein militärisches Eingreifen – sehen Sie’s ähnlich risikolos wie Julian Reichelt?« Scholl-Latour [etwas fassungslos]: »Wir haben den Afghanistan-Krieg verloren, wir haben im Irak 'n Krieg verloren. Wir sind aus Somalia abgehauen. Was soll man noch verlieren? Das mit Libyen, das ist total schiefgegangen.«
»Wir haben das Kernproblem überhaupt nicht berührt, Frau Will! Das Kernproblem ist überhaupt nicht zur Sprache gekommen. Daß nämlich Syren das Bindeglied ist zwischen dem Iran und dem Libanon, und daß dieses Bindeglied herausgebrochen werden soll. […] Im Irak ist alles schiefgelaufen, und wir reden von einer neuen militärischen Intervention, da muß man doch verrückt sein…«
George Santayana hat einmal gesagt: »Wer sich der Geschichte nicht erinnert, ist dazu verdammt, sie zu wiederholen.«
Wir haben den Arabischen Frühling gesehen, wir haben die Kriege in Afghanistan und im Irak gesehen, wir befinden uns im Ukraine-Krieg und hören täglich Meldungen über den IS. In Libyen und in Syrien ist Krieg.
Und wenn man sich in Nachhinein ansieht, wie unsere Politiker und Journalisten in der Vergangenheit agiert und was sie gesagt haben, muß man erschrecken:

Ich rufe in Erinnerung:
»Mossadegh dachte, wenn er die Briten verjagte und den Amerikanern mit der russischen Vorherrschaft Angst machte, wären wir sofort da. Er hatte gar nicht so unrecht.« (John H. Stutesman, ein US-Diplomat, der Mossadegh gut kannte und 1953 als Beamter des Außenministeriums für die Iran-Politik zuständig war)
„Ich sehe nicht ein, warum wir nichts tun und zusehen sollten, wie ein Land durch die Unverantwortlichkeit seines eigenen Volkes kommunistisch wird. Die Angelegenheiten sind viel zu wichtig, als dass sie den chilenischen Wählern zur Entscheidung überlassen werden könnten.“ (Henry Kissinger, Putsch in Chile 1973, Zitate, Wikipedia)
»Die Demokratie muss gelegentlich in Blut gebadet werden, damit sie fortbestehen kann.« (General Augusto PinochetPutsch in Chile 1973, Zitate, Wikipedia) 
…für eine weitgehende Gleichschaltung der öffentlichen Meinung war gesorgt. Die Buchautoren Mira Beham und Jörg Becker[10] haben 31 PR-Agenturen erfasst, die für alle nichtserbischen Kriegsparteien tätig waren. Allein Kroatien gab mehr als fünf Millionen US-Dollar an US-Agenturen, um die öffentliche Meinung in seinem Sinn zu beeinflussen. Propaganda-Ziele dieser Agenturen waren unter anderem: Darstellung der Serben als Unterdrücker und Aggressor, wobei sie mit den Nazis gleichzusetzen und entsprechend emotional geladene Begriffe zu etablieren sind; Darstellung der Kroaten und Bosnier als unschuldige Opfer, wobei die Eroberung der serbischen Krajina als legal hinzustellen ist;   (Frieden muss gestiftet werden – Exempel Kosovokrieg oder: das Völkerrecht als Gegner (Daniela Dahn, Blätter für deutsche und internationale Politik, November 2014
»[…] weil die Maßgeblichen wollten, dass es zu einem NATO-Einsatz kommt.«  (Horst Grabert, ehemaliger Chef des Bundeskanzleramts und Botschafter in Österreich, Jugoslawien und Irland in: Kosovo – Gewalt löst keine Probleme Interview mit Horst Grabert, Wissenschaft und Frieden, 2000)
Die Mitgliedstaaten hatten der OSZE eine außerordentlich schwierige Mission übertragen. Und sie haben dann die Organisation fallen lassen. Es wurden keine Anstrengungen unternommen - von seltenen Ausnahmen abgesehen - um die OSZE zu unterstützen, indem ihr rasch Personal und Material überlassen wurden. […]
Ich schließe [die Absicht, dass man die OSZE absichtlich scheitern ließ, um dann die NATO in der Rolle eines "Retters" ins Spiel zu bringen] nicht aus, selbst wenn ich deren Existenz nicht beweisen kann. Es ist jedoch besonders frappierend festzustellen, dass Stimmen aus den USA sehr schnell von einem Scheitern der OSZE gesprochen und die Idee einer militärischen Lösung propagiert haben. So haben die Amerikaner am 1. Februar 1999 innerhalb des Ständigen Rats der OSZE Maßnahmen für einen raschen Rückzug der internationalen Beobachter in Verbindung mit den Androhungen von militärischen Schlägen gefordert. […]
im Lauf der Zeit sind die USA zu einer Rolle übergegangen, die nicht nur dirigierend, sondern auch dominierend war. Sie bestimmten die Orientierung und die Geschwindigkeit des Entscheidungsprozesses in den Organen der NATO. Eine erhöhte Frequenz der Sitzungen dieser Organe hat es ihnen erlaubt, den Gang der Beschlussfassung zu beschleunigen. […]
Der Einfluss der Europäer war sehr beschränkt. Die Vereinigten Staaten spielten absolut die erste Rolle. Die amerikanische Außenministerin [Madeleine Albright, Wikipedia-Link von mir] beherrschte souverän das Terrain. Sie setzte sich in allen wesentlichen Fragen durch. Das gilt sowohl für die Entscheidungen, die innerhalb der NATO getroffen worden sind, wie für die Verhandlungen von Rambouillet.  (Brigadegeneral a.D. Heinz Loquai in Un général allemand accuse l'OTAN, Humanité, 09.06.2000, Übersetzung in: Heinz Loquai: Ein vermeidbarer Krieg – Interview mit dem Brigadegeneral a.D., AG Friedensforschung, 2000)
„Das ist eines der Probleme, wenn man in einer modernen Kommunikations- und Informationsgesellschaft Krieg führt. Uns war klar, dass diese Bilder auftauchen und eine instinktive Sympathie für die Opfer bewirken würden.“ (Tony Blair in einem Interview mit der BBC vom 12. März 2000, in welchem er erklärte, der Angriff auf den RTS [Kosovokrieg, NATO-Militärintervention in der Bundesrepublik Jugoslawien, Kriegsgeschehen, Luftschläge auf zivile Infrastruktureinrichtungen, Wikipedia, Link von mir eingefügt] sei notwendig geworden, weil auch westliche Sender die vom Sender RTS ausgestrahlten Videos von zivilen Opfern übernommen hätten. Quelle: Die Bombardierung der RTS-Studios, Le Monde Diplomatique, 14.07.2000)
  • die allmähliche Aufrüstung der NATO in Osteuropa
"Noble Jump" heißt die Übung, mit der die Nato in Polen Flagge zeigt. Kritiker sehen das als Provokation gegen Russland. Doch Bündnis-Oberbefehlshaber Breedlove rechtfertigt die geplante Verlagerung schwerer Waffen nach Osteuropa. (Manöver "Noble Jump": Nato-General verteidigt Aufrüstung in Osteuropa, SPON, 18.06.2015)
  • die erschreckende Zunahme des US-amerikanischen »Verteidigungshaushaltes«
Laut SIPRI brachten die Vereinigten Staaten von den weltweiten Verteidigungsausgaben im Jahr 2008 43 % auf, gefolgt von der Volksrepublik China mit 6,6 %, Frankreich mit 4,2 % und dem Vereinigten Königreich mit 3,8 %.[2]
Die untere Tabelle gibt die Schätzung des Stockholmer Friedensforschungsinstituts über den Verteidigungsetat 2008 der 15 Staaten mit den größten Verteidigungsetats der Welt wieder.[4] (Verteidigungsetat, Weltweite Entwicklung, 2008, Wikipedia, Hervorhebung von mir)
zur Aktivtität des US-amerikanischen Militärisch-Industriellen Komplexes:
- Ein Meisterstück der Propaganda des militärisch-industriellen Komplexes: Die Raketenlücke (Post, 15.03.2015)

siehe zum Kosovokrieg:
- NATO bombing of the Radio Television of Serbia headquarters (engl. Wikipedia)
- No justice for the victims of NATO bombings (Amnesty International, 23.04.2009) 
- Frieden muss gestiftet werden – Europas Sündenfall: der Kosovo-Krieg (Post, 24.11.2014)
- Bombardierung der RTS-Studios war völkerrechstwidrig – Ein Bericht von amnesty international (Der Artikel erschien am 14. Juli in der taz-Beilage Le monde diplomatique,  gefunden bei der AG Friedensforschung)
- Scharping-Lügen haben kurze Beine (Thomas Deichmann, Novo Argumente, 01.03.2000)
- Medienrealität im Kosovo-Krieg (Elvi Claßen, Telepolis, 30.10.1999)
Aber auch in dem Kampf um die 'Lufthoheit' über die Herzen und Hirne der massenmedial vernetzten 'Weltgesellschaft' wurde die Wahrheit nicht erschlagen und unauffindbar verscharrt. Sie wurde bloß verleugnet, unterdrückt, deformiert, verstümmelt und bis zur Lächerlichkeit verkleidet auf den Umschlagplätzen des globalen Nachrichtenmarktes herumgetragen. 
Die westlichen Führer sind intensiv damit beschäftigt, die Geschichte umzuschreiben, um das Desaster der Bombardierung des Balkans zu rechtfertigen. Der Wandel in der Informationspolitik, in der Rhetorik und in den Begründungen, seit die Bombardierungen am 24. März begannen, lähmt buchstäblich die Sinne. So sehr sie sich auch davor fürchteten, haben sie ein wirklich dunkles Kapitel der Geschichte aufgeschlagen und sehen sich jetzt in der Gefahr, dass ihnen die Kontrolle über die Entwicklungen entgleitet. Eine Möglichkeit, das Versagen als Erfolg darzustellen, ist die Konstruktion einer mächtigen Medienrealität und die Dekonstruktion der realen Realität. Das ist die Essenz des Medienkrieges, und das ist, was gerade geschieht.
Trotzdem war und ist sie immer noch da, doch nur die wenigsten wollten oder konnten sie sehen. Während im März/April die Propagandamaschine im Kriegsgebiet und an der "Heimatfront" auf Hochtouren lief, etablierte sich im World Wide Web, in Newsgroups und über E-Mail-Verteiler ein weltweites friedenspolitisches Informationsnetz. Dies macht die Differenz zwischen den 'offiziellen' Interpretationen der Kriegsursachen, Kriegsfolgen und Kriegszielen sowie dem, was in Wahrheit geschah oder geschehen sein könnte, so offensichtlich und öffentlich zugänglich, wie noch niemals in einem Krieg zuvor. Die Hauptakteure im Kampf um die Definitionsmacht über das, was, warum und wie in diesem Krieg geschah, waren die Regierungen und Militärs, die Medien und die Friedensbewegung. […]
Als die Vorsitzende des internationalen Kriegsverbrechertribunals in Den Haag, Gabrielle Kirk McDonald, am 5. November letzten Jahres Jugoslawien zum "Schurkenstaat" erklärte1845, übernahm sie eine Diktion aus der US-Presidential Decision Directive/PD zur US-Atomkriegsstrategie von 1997. Die PD No. 60 sieht den Einsatz taktischer nuklearer Waffen gegen "Schurkenstaaten" (rogue states) vor, wobei unter Schurkenstaaten Staaten zu verstehen sind, "die schlechte politische Beziehungen mit Washington haben".1846 In diesem Fall ist der Schurke Slobodan Milosevic
Allerdings musste eines der klassischen Instrument der Kriegspropaganda - die Dämonisierung des Feindes und die Rechtfertigung seiner Vernichtung aus moralischen Gründen - diesmal nicht nur die US-amerikanische Öffentlichkeit überzeugen, sondern insbesondere auch die der Bundesrepublik Deutschland. Von dieser hatte der ehemalige Verteidigungsminister Volker Rühe noch 1992 gesagt, dass sie aufgrund ihrer "Instinkte zehn Jahre (brauche), bis sie psychologisch für Kampfeinsätze gewappnet" sei.1847Nicht zuletzt die willfährige Übernahme der Milosevic-Hitler-Analogie durch die neue Bundesregierung hat dafür gesorgt, dass es dann doch etwas schneller ging mit dem ersten Kriegseinsatz nach Ende des 2. Weltkrieges. So nutzte Verteidigungsminister Rudolf Scharping Anfang des Jahres den erstmaligen Besuch einer Abordnung der Bundeswehr in Auschwitz, um diesen Einsatz moralisch zu begründen: "Darum ist die Bundeswehr in Bosnien" und darum wird sie "wohl auch in den Kosovo gehen". Scharpings Hasstiraden ("Mordmaschinerie von Milosevic", "bestialische" Verbrechen, "Völkermord", "Schlachthaus", "ethnische Säuberung", "Selektierung", "KZ", "Blick in die Fratze der deutschen Vergangenheit")1848 und die gleichzeitige Diskreditierung derjenigen, die den Bonner Kriegskurs kritisierten - z. B. Joseph Fischer: "Weißwäscher eines neuen Faschismus"1849 - sollten die Koordinaten für den gesellschaftlichen Diskurs über die Unausweichlichkeit des Krieges liefern. 


Scharpings Lüge liefert Kriegsgrund für völkerrechtswidrigen Einsatz in Kosovo [6:51]

Veröffentlicht am 05.07.2015
Rudolf Scharping lügt einen Kriegsgrund für den völkerrechtswidrigen Kosovo-Einsatz, für den sich US-Army längs vorbereitet hatte. Joschka Fischer lügt den Rest. 
Das Video in voller Länge https://www.youtube.com/watch?v=ZtkQY...
»Wir haben es diesmal mit einer deutschen Regierung zu tun, die willentlich und mit Überzeugung in diesen Krieg gegangen ist. Und in dieser Situation erreicht der Propaganda-Apparat eine neue Qualität. Ich habe noch keinen Verteidigungsminister erlebt, der wie Herr Scharping mit Fotos vor die Presse gegangen ist und uns aufforderte, genau das zu beschreiben, was auch er daraus erkenne. Der in Interviews keine Zwischenfragen mehr zulassen will. Als müsse er sich selbst von dem überzeugen, was er da sagt.« (M – Menschen machen Medien, 7/99, S.16ff, zitiert in obigem Artikel)
"Es begann mit einer Lüge" - Doku über NATO-Einsatz in Jugoslawien, ARD 2001‬‏ [43:02]

Hochgeladen am 08.12.2011
Wie die NATO im Krieg um Kosovo Tatsachen verfälschte und Fakten erfand. Monitor-Autoren enthüllen Fälschungen in der Berichterstattung zum Kosovo-Krieg.

"Es begann mit einer Lüge", ein Film von Jo Angerer und Mathias Werth für den WDR. Ausgestrahlt in der ARD am 8. Februar 2001.

24. März 1999: Im italienischen Piacenza starten deutsche Kampfjets gegen Jugoslawien. Es ist der erste Kriegseinsatz deutscher Soldaten nach dem Zweiten Weltkrieg. Nur aus einem Grund durften deutsche Soldaten am Krieg teilnehmen und der hiess: Abwendung einer humanitären Katastrophe. Verteidigungsminister Rudolf Scharping lieferte die Argumente für den Kriegseinsatz: Bilder von Massakern an der Zivilbevölkerung, von zerstörten Dörfern. Die Serben hätten zur Vertreibung der Kosovaren den Operationsplan "Hufeisen" entwickelt, so das Verteidigungsministerium. Nach diesem Plan wollten die Serben die Kosovo-Albaner aus dem Land treiben. Zum Beleg lieferte Scharping den Journalisten die passenden Fotos. Die Bilder gingen durch die Presse und sorgten für Stimmung für einen deutschen Kriegseinsatz. 78 Tage führte die NATO dann Krieg gegen Jugoslawien - nicht nur mit Bomben. Von Beginn an ging es auch darum, wer die 'richtigen' Begriffe besetzte und die 'besseren' Bilder besaß.

Mit Bildern aus Kriegsgebieten hatten die Monitor-Redakteure Mathias Werth und Jo Angerer ihre Erfahrungen. Bereits in der Berichterstattung zum Golfkrieg konnten sie für Monitor Fälschungen aufdecken. Über zehn Jahre arbeiten die beiden als Team zu Themen der Verteidigungs- und Sicherheitspolitik. Als der Kosovo-Konflikt sich zuspitzte, berichtete Jo Angerer in Deutschland, Mathias Werth konnte in Moskau die russische Sicht der Dinge verfolgen. Es gab unterschiedliche Wahrnehmungen und unterschiedliche Betroffenheit. Auf zahllosen Pressekonferenzen informierten Politiker und Militärs die Öffentlichkeit. Bereits während des Krieges gab es erste Zweifel am Wahrheitsgehalt dieser Stellungnahmen.

- Das vollständige Manuskript -
http://www.ag-friedensforschung.de/th...

Original: http://www.youtube.com/watch?v=ZCxZJq...


Die vom damaligen deutschen Verteidigungsminister Rudolf Scharping vorgebrachte Begründung für die Bombardierung, es existiere ein serbischer Plan, der darauf abziele, die Albaner zu vertreiben (von deutscher Seite Hufeisenplan, von serbischer Seite laut westlicher Angabe „Potkova“ genannt), wurde nie öffentlich belegt und rief anhaltende Kontroversen über Aussagen zum Krieg innerhalb der NATO hervor.[91] Auch für den Zwischenfall in Račak, der vom OSZE-Missionsleiter William G. Walker unvermittelt als „Massaker“ der Serben an unbewaffneten Kosovo-albanischen Zivilisten, somit als Beleg für eine „ethnische Säuberungs“-Absicht gemäß dem angeblichen Hufeisenplan dargestellt und für den Angriff der NATO als Begründung herangezogen worden war, sind starke Zweifel an der Objektivität der Vorwürfe gegen die Serben laut geworden, insbesondere durch die Aussagen von Helena Ranta, der Leiterin eines mit der forensischen Untersuchung betrauten Teams.[92][93][94]  (Kosovokrieg, NATO-Militärintervention in der Bundesrepublik Jugoslawien, Mobilisierung der Jugoslawischen Armee (VJ), Wikipedia)

- Je suis Charlie?! Mi smo RTS? (Daniel Kerekeš, Balkan21, Die Freiheitsliebe, 30.04.2015)


Public Relation (PR)-Agenturen im politischen Bereich sind in den USA zum Beispiel die Agentur Hill & Knowlton, die eine Falschaussage mit der Kuwaiterin Nijirah al-Sabah vor dem US-Kongress über angebliche irakische Gräueltaten während der irakischen Kuwait-Invasion inszenierte und damit erfolgreich Stimmung für den Zweiten Golfkrieg machte.[12] (Spin-Doctor, Beispiele strategischer Kommunikation in Politik und Wirtschaft, Wikipedia)
Sowohl im Ablauf der Konflikte, die in den Einsatz militärischer Gewalt mündeten wie auch in der Medienberichterstattung finden wir sich wiederholende Vorgänge. Dazu gehört, daß der Westen eine Bedrohung propagiert, auf die unbedingt reagiert werden muß. Vornehmlich handelt es sich um böse Menschen, die Menschenrechte mit Füßen treten (in Jugoslawien Karadžić und Milošević, im Irak-Krieg Saddam Hussein, in Libyen al-Gaddafi, in Syrien al-Assad), ein undemokratisches System aufrechterhalten und ihre Bevölkerung unterdrücken.

Dabei ist so ziemlich jedes Mittel recht, diese Diktatoren in ein möglichst schlechtes Licht zu rücken. Man erinnere sich an die vielzitierte Äußerung von Mahmud Ahmadinedschad:
»Israel muß von der Landkarte getilgt werden.« (Mahmūd Ahmadī-Nežād, Wikiquote)
Nahost: Irans Präsident will Israel von der Landkarte tilgen, SPIEGEL, 26.10.2005)
Irans Präsident Mahmud Ahmadinedschad hat zur Zerstörung Israels aufgerufen. Es ist das erste Mal seit Jahren, dass ein hoher iranischer Politiker öffentlich die Auslöschung Israels gefordert hat. Seine Äußerungen lösten internationale Empörung aus.
Teheran - Ahmadinedschad forderte in einer Rede auf einer Konferenz mit dem Titel "Die Welt ohne Zionismus" in Teheran die "Tilgung Israels von der Landkarte". Er kündigte die Zerstörung des Staates durch palästinensische Anschläge an. "Es gibt keinen Zweifel: Die neue (Anschlags-)Welle in Palästina wird das Stigma im Antlitz der islamischen Welt ausradieren", sagte Ahmadinedschad vor Studenten.

- Drohender Kriegsschauplatz Iran – An die Bundeszentrale für Politische Bildung (Offener Brief, Arbeiterfotografie, 17.01.2008, also zweieinhalb Jahre später)
Zitat: Wir haben uns intensiv mit der Quellenlage auseinandergesetzt und sind zu dem (vorläufigen) Ergebnis gekommen, daß diese Formulierung nicht dem entspricht, was er tatsächlich gesagt hat. Aber wir wollen nicht ausschließen, daß wir etwas übersehen haben. Deshalb möchten wir Sie herzlich bitten, uns die Ihren Ausführungen zugrunde liegende Quelle zu benennen. Es ist unseres Ermessens der Wichtigkeit angemessen, der Sache auf den Grund zu gehen.
"Von der Landkarte tilgen" – Bundeszentrale für politische Bildung mußte falsche Wiedergabe einer Äußerung von Irans Präsidenten korrigieren (junge Welt, 19.06.2008, wiedergegeben bei AG Friedensforschung)
Seit 1948 wurde Palästina Schritt für Schritt von der Landkarte getilgt. Doch im Bewußtsein der allermeisten Menschen hält sich ein ganz anderer, seit Oktober 2005 tausendfach wiedergegebener Satz: »Israel muß von der Landkarte getilgt werden.« Er soll angeblich von Mahmud Ahmadinedschad, Präsident des Iran, ausgesprochen worden sein. Und dieser Satz spielt eine zentrale Rolle bei der Unterstellung, der Iran plane, Israel mittels Atomwaffen auszulöschen.

Jedesmal geben die US-Amerikaner den Ton an, haben sofort einen bösen Schuldigen parat, und jedesmal winken wirtschaftliche oder machtpolitische Interessen der USA im Hintergrund. Und jedesmal (wenn sie überhaupt mitbekommen, was läuft – siehe Iran 1953 und Chile 1973) machen uns die Medien die Alternativlosigkeit zur militärischen Option weis. Jedesmal verteidigen wir mit mehr oder weniger großer Begeisterung die westlichen Werte von Freiheit, Demokratie, Marktwirtschaft und Humanität. 

Und wir stolpern jedesmal »in das Blut und in die Scheiße« (der französischen General Massu, zitiert von Peter Scholl-Latour, siehe: Der Ukraine-Konflikt 1 – Westliche Aufgeregtheit und staatliches Gedächtnis, Post, 04.03.2014).

Schon Ende September verfasste Christiane Hoffmann, stellvertretende Leiterin des Berliner Spiegel-Büros, einen kurzen Kommentar (Kommentar zum Sturz von Despoten: Diktatur kann erträglicher sein als Anarchie, SPIEGEL, 29.09.2014):
»Diktatur kann erträglicher sein als Anarchie.«
Darin argumentiert auch sie aus westlicher Zweckrationalität und geht auf gescheiterte politische Zielsetzungen ein. Nach dem schnellen Sturz von Diktatoren könne Demokratie allein nicht unbedingt eine Ordnung herstellen.
»Und wenn das nächste Mal eine Intervention ansteht, sollte vorher gefragt werden, was auf den Diktator folgt.«
An der mit dem Kommentar verbundenen Leserbefragung nahmen innerhalb eines Monats über 30.000 Menschen teil. Nur 13 Prozent unterstützten ungeteilt den von Europa beförderten Tyrannensturz. Die deutliche Mehrheit plädierte, weitestgehend im Einklang mit dem Völkerrecht, gegen die gewaltsame Einmischung in die inneren Angelegenheiten. Fast ein Drittel sah hinter der neuen Konjunktur des Interventionismus gar "naives Wunschdenken". (Die libysche Katastrophe, Malte Daniljuk, Telepolis, 21.12.2014)

Auf eine solche Überlegung habe ich seit dem Irak-Krieg gewartet. Aber was passiert in der Ukraine? Die USA mit so viel Blut an den Händen beten mantra-artig Putins Verletzung des Völkerrechts herunter, und der größte Teil unserer Qualitäts-Journalisten schließt sich ihnen an.

In unserer Anbetung unserer freiheitlich-demokratischen Religion ignorieren wir zum Beispiel, wie wir in Deutschland noch vor 50 Jahren mit Homosexuellen umgegangen sind. (In den späten 70er Jahren war ich in meiner Heimatstadt mit einem schwulen Architekten befreundet: er hatte sein Architekturbüro zumachen müssen, weil er keine Aufträge bekam. Wahrscheinlich dachten die Leute, daß schwule Häuser schneller einstürzen…) Selbstgefällig meinen wir dann, mit Fingern auf Putin deuten zu dürfen, weil er angeblich etwas gegen Schwule hat. Das ist sowas von ignorant!

Wir sind von unserer Lebens- und Denkweise dermaßen überzeugt, daß wir glauben, die ganze Welt damit beglücken zu dürfen. Und weil unsere Denkweise den anderen so haushoch überlegen ist, meinen wir, andere damit beglücken zu dürfen. Gestern noch begegnete mir beim Zappen ein amerikanischer Prediger im Bibelkanal, der euphorisch auf der Bühne hin und her lief, mit beiden Händen auf seinen Bauch faßte und seinem gläubigen Publikum erzählte, wie der Heilige Geist Maria befruchtet habe. Und man stelle sich vor, was passieren würde, wenn bei einer Olympiade in den USA ein chinesischer Goldmedaillengewinner auf dem Siegertreppchen seine Goldmedaille gegen seinen Bauch hält, um gegen einen solchen Unsinn zu protestieren…


Wir finden uns so toll, daß wir glauben, darüber entscheiden zu dürfen, wann das Völkerreicht zu beachten ist und wann nicht. Wenn es dem US-amerikanischen Militärisch-industriellen Komplex gefällt, ein Land im Hindukusch in die Steinzeit zurückzubomben, weil ein ehemaliger CIA-Protegé aus dem Ruder gelaufen ist oder zur Aufrechterhaltung seines kapitalistischen Systems seine Energieversorgung zu sichern müssen glaubt, dann legen unsere Medien los…

Weil Putin seinem Volk einen starken Macker präsentieren muß, glauben wir, dahinter narzißtische Befriedigungsgelüste sehen zu dürfen. Auf keinen Fall einen halben Meter weiterdenken und versuchen zu verstehen, was da abgeht. Wir sind die Guten, dürfen EU und NATO nach Osten ausdehnen und dann Angst zelebrieren, weil uns die Russen jetzt so bedenklich nahe sind, daß die Vorwarnzeiten ziemlich kurz werden.

Ständig werden wir mit Propaganda in Atem gehalten, damit wir vor den bösen Russen Angst haben und bereit sind, uns hinter der amerikanischen Flagge zu sammeln. Und die Aufgeregtheits-Journaille macht mit – und merkt es nicht einmal. Während in Russland vielleicht (!) mißliebige Oppositionelle Journalisten umgebracht werden, werden sie bei uns gekauft (oder ausgegrenzt).

Nur dieses Mal ist es anders als in Jugoslawien!
Dieses Mal kommt Gegenwind. Dieses Mal habt ihr zu dick aufgetragen, Leute!
Dieses Mal kommt Ihr damit nicht durch. Immer mehr Leute glauben Euch nämlich nicht mehr. Dieses Mal ist das Internet wirklich ein Segen. Wenn Ihr über den Aufruf der 60, die Aachener Rede von Krone-Schmalz oder die bescheuerte Resolution 758 des amerikanischen Kongresses nicht berichtet: Es zirkuliert im Internet. Die Informationen, die wir von Euch nicht erhalten, bekommen wir an anderer Stelle.

Die Amerikaner haben es im in Jugoslawien, im Irak, in Afghanistan und in Libyen geschafft, dieses Mal nicht.






zuletzt aktualisiert am 05.01.2015


Libyen und die Logik europäischer Außenpolitik

Wer etwas über den Irrationalismus europäischer Außenpolitik lernen will, muss sich mit Libyen beschäftigen. Ein Rückblick auf Libyen im letzten Jahr der Gaddafi-Herrschaft
Im März 2011 startete der Westen eine internationale Intervention in Libyen. Innerhalb eines halben Jahres wurde der autoritär verfasste Sozialstaat in Nordafrika zerstört. Seitdem befindet sich das Land in einer zivilisatorischen Abwärtsspirale. Wie auch im Sudan, bekriegen sich inzwischen die ehemaligen Alliierten aus der Allianz, die der Westen gegen den unliebsamen Herrscher bewaffnete.

Nach drei Jahren Bürgerkrieg lässt sich im libyschen Bürgerkrieg nur ein Gewinner ausmachen. Die verschiedensten islamistischen Bewegungen, darunter auch ihre jüngste Metamorphose, der "Islamische Staat", kontrollieren inzwischen große Teile des Landes. Die Schwierigkeit, mit dieser Entwicklung rational umzugehen, illustrieren Meldungen der Tagesschau.

Am 22. November 2014 veröffentlichte die Redaktion zwei Beiträge über Libyen. Volker Schwenck fragte aus dem ARD-Studio in Kairo: "Erstarken die alten Gaddafi-Anhänger?" Am selben Tag berichtete Peter Steffe, ebenfalls ARD-Studio Kairo: "Terrormiliz Islamischer Staat macht sich in Libyen breit." Gemeinsam werfen beide Beiträge ein bezeichnendes Licht auf die Verbündeten des Westens: Ehemalige Funktionäre der Gaddafi-Regierung und islamistische Extremisten.

Der Leidtragende der Entwicklung ist die libysche Bevölkerung. Aus dem Osten des Landes mussten nach Angaben der UNO in den vergangenen sechs Monaten etwa eine halbe Million Menschen flüchten. Seit dem Sommer bekämpfen sich die Fraktionen aus dem ehemaligen Nationalen Übergangsrat, zwei verschiedene Regierungen beanspruchen die Macht für sich. Die staatlichen Angestellten erhalten schon seit Monaten keine Löhne mehr.

mehr:
- Die libysche Katastrophe (Malte Daniljuk, Telepolis, 21.12.2014)

Udo Jürgens ist tot

Überraschend ist der Komponist und Entertainer Udo Jürgens gestorben. Während eines Spaziergangs versagte sein Herz. Er wurde 80 Jahre alt.
Der Sänger und Komponist Udo Jürgens ist tot. Der Interpret von Liedern wie Griechischer Wein und Merci Chérie starb bei einem Spaziergang in der Schweiz, wie sein Management mitteilte. Der 80-Jährige sei in Gottlieben im Kanton Thurgau bewusstlos zusammengebrochen. Trotz sofortiger Wiederbelebungsmaßnahmen sei der Künstler im Krankenhaus von Münsterlingen um 16.25 Uhr an Herzversagen gestorben.

mehr:
- Udo Jürgens ist tot (ZEIT, 21.12.2014)

siehe auch:
Musiklegende: Udo Jürgens ist tot (SPIEGEL, 21.12.2014)
- "Das konnte er gar nicht richtig" – Jürgens-Vetter: "Udo hat die Menschen nicht geliebt" (Focus, 01.01.2015)
Udo Jürgens - Bis ans Ende meiner Lieder 2013 [5:25]

Veröffentlicht am 15.11.2013
Udo Jürgens - Bis ans Ende meiner Lieder 2013

Auftritt bei der Bambiverleihung für sein Lebenswerk

Seit vielen Jahren sitz' ich hier
und schlage Töne an
Bin Rufer in der Wüste
Ich ruf' so laut ich kann
Und wenn's auch manchmal klüger wär'
ich wäre einfach still
Ich kann nicht anders als bisher
Weil ich zu vieles will
Ich will den Text, der sich was traut
Ich will das Wort so wie ein Schwert
Das in aller Herzen trifft
Das tröstet und verstört
Ich will die Unbequemlichkeit
und auch die Schwärmerei
Ich will verdammt sein zur Revolte
Und zum Träumen frei
Das will ich, und ich will es immer wieder
Bis ans Ender meiner Lieder

(Instrumental)

Ich will, dass dir zum Heulen ist
Beim Elend dieser Welt
Ich will die Heuchler jagen
Durchs eig'ne Minenfeld
Ich will den Hoffnungsschimmer
Sei er noch so gering
Ich will, was unerreichbar ist
erreichen, wenn ich sing'
Ich will die grosse Melodie
die über alle Grenzen geht
Aus der neues Morgenrot
und Zuversicht entsteht
Ich will, dass du mein Singen hörst
und dass es dich berührt
Ich will, dass es dich zur Vernunft
und Unvernunft verführt
Ich will alles sein, nur niemals brav und bieder
Bis ans Ende meiner Lieder

Und weil's ja nicht gelingt,
versuch ich's immer wieder
Bis ans Ende meiner Lieder
k

aktualisiert am 12.04.2016

Berliner Politiker fordern spezielle Schwimmzeiten für Transsexuelle

Badetage für Frauen gibt es schon lange. Auch für Kinder, Familien oder Sportler sind oft Zeiten in Schwimmbädern reserviert. Nun soll es auch einen Schwimmtag nur für Transsexuelle geben.
Weil transsexuelle und intersexuelle Menschen sich in öffentlichen Schwimmbädern diskriminiert fühlen, sollen sie in Berlin mehr eigene Schwimmzeiten erhalten. Durch „geschützte Räume“ könnten „misstrauische Blicke und abfällige Bemerkungen“ gegen diese Menschen vermieden werden, argumentierten SPD und Grüne im Bezirk Tempelhof-Schöneberg am Dienstag.
Das Stadtbad Schöneberg solle daher jeden Monat zwei Stunden nur für inter- und transsexuelle Menschen öffnen. Das Bad sei wegen seiner Nähe zum homosexuellen Kiez besonders geeignet.

mehr:
- Geschlechterdebatte – Berliner Politiker fordern spezielle Schwimmzeiten für Transsexuelle (FAZ, 12.11.2014)

Russland und die Ukraine - der Westen öffnet dem Nationalismus Tür und Tor

Der Westen nimmt mit seiner Sanktionspolitik eine Eskalation der wirtschaftlichen Lage in beiden Ländern hin und stärkt damit nationalistische Kräfte
Es ist unfassbar, aber wir erleben gerade, wie der Westen das Ende dessen vorantreibt, woran er selbst einige Jahrzehnte lang hartnäckig gearbeitet hat: Die Schaffung eines offenen, globalen Wirtschaftssystems. Was derzeit in Russland und der Ukraine geschieht, wird sich bitter rächen, weil der Westen mit seiner Sanktionspolitik in Verbindung mit dem Rückgang des Ölpreises und dem dramatischen Fall des Rubelkurses eine Eskalation der Lage hinnimmt, die sich in beiden Ländern nur in einer unkontrollierbaren Explosion des Nationalismus entladen kann.

mehr:
- Russland und die Ukraine - der Westen öffnet dem Nationalismus Tür und Tor (Heiner Flassbeck, Telepolis, 19.12.2014)

siehe auch:
- Russland stürzt ins Finanzchaos – (2/2) Der Pyrrhussieg des Westens (Jens Berger, NachDenkSeiten, 19.12.2014)
Als der russische Präsident Wladimir Putin gestern in einer speziellen Pressekonferenz zu den jüngsten Währungsturbulenzen und deren Folgen für Russland Stellung bezog, übte er sich in Zweckoptimismus – schon im nächsten Jahr solle die russische Wirtschaft wieder wachsen. Die russische Zentralbank geht stattdessen von einer Schrumpfung in Höhe von 4,5 bis 4,7 Prozent und einer steigenden Inflation aus. Im Finanzkrieg gegen Russland hat der Westen zwar einen Sieg errungen. Ihre vermeintlichen Ziele werden die EU und die USA dadurch aber nicht erreichen. Im Gegenteil – durch seine aggressive Politik treibt der Westen Russland in die Isolation. Gleich dem Zauberlehrling hat man Geister gerufen, die man sobald nicht mehr loswerden wird. Aber vielleicht ist dies ja durchaus gewollt?

Tut mir leid, dass man dich als Vergewaltiger abstempelte - aber hey, es ging doch um wichtige Dinge!

Lena Dunhams Buch führt zu Kontroversen. Schlampiger Umgang mit (veränderten) Identitäten und eine Nonchalance hinsichtlich der fatalen Folgen dieses Umgangs lassen Kritik laut werden, die von der Autorin jedoch abprallt.

Lena Dunham gilt als künstlerisches Wunderkind. Die heute gerade einmal 28jährige ist nicht nur Schauspielerin, sondern auch Drehbuchschreiberin, Produzentin und Regiesseurin, erhielt bereits acht Nominierungen für den "Serien-Oscar", den Emmy und bekam zwei Golden Globes für die Serie "Girls", die sie selbst schuf und umsetzte (und bei der sie die Hauptrolle spielt).

Frau Dunham bezeichnet sich selbst als Feministin. 2012 unterzeichnete sie einen Vertrag für das 2014 erschienene Buch "Not That Kind of Girl: A Young Woman Tells You What She's "Learned" (Nicht so ein Mädchen: Eine junge Frau erzählt (euch), was sie gelernt hat).

Genau dieses Buch brachte ihr und dem Verlag nunmehr Kritik ein. Hierbei muss zunächst einmal angemerkt werden, dass in vielen Büchern Fakt und Fiktion ineinanderfließen, was durchaus legitim ist, wenn dies klar kommuniziert wird. Auch werden Namen oft verändert, Hobbys werden vertauscht usw. um die Personen zu schützen – aber auch hier gilt: es sollte, so es nicht aus dem Buch selbst klar hervorgeht, wenn Fiktion dargestellt wird, klar gekennzeichnet sein, wenn die Personen real sind oder nicht.

Im Buch der Frau Dunham wurden zwar einzelne Personen extra mit einem Hinweis diesbezüglich versehen – bei einem jedoch fehlte dieser Hinweis, was dazu führte, dass eine unbescholtene Person sich plötzlich mit dem Vorwurf, ein Vergewaltiger zu sein, auseinandersetzen musste.

mehr:
- Tut mir leid, dass man dich als Vergewaltiger abstempelte – aber hey, es ging doch um wichtige Dinge! (Bettina Hammer, Telepolis, 19.12.2014)


Ihre Fernsehserie heißt "Girls", doch ihr Lieblingsthema sind Boys. Ein Gespräch mit der Mädchenikone Lena Dunham über Jungs im Allgemeinen, ihren Freund im Speziellen - und die Waffe "Blond".
Sie ist auf eine sehr amerikanische Art nett. Zur Begrüßung kreischt Lena Dunham angesichts eines bombastischen Hip-Hop-Halsschmucks "Ich liiieeebe deine Kette". Die 28-jährige New Yorkerin mit dem imposanten Karriere-Portfolio (Regisseurin, Schauspielerin, Drehbuchautorin, Schriftstellerin, Ikone der Generation Y) ist nach Berlin gekommen, um ihr Buch "Not that kind of girl" vorzustellen, das in den USA bereits ein Bestseller ist. Darin geht es um Lena Dunhams manchmal bizarr-lustige, manchmal geradezu verstörende Erfahrungen mit der Männerwelt. Anhängerinnen der von ihr entwickelten Serie "Girls" werden auf fast allen Seiten des autobiografischen Werks mühelos Hannah, die Heldin der Fernseh-Sendung, wiedererkennen, die Dunham selbst spielt. Höchste Zeit für ein Gespräch mit dem Mädchenidol über echte Männergeschichten.
[Julia Hackober, "Männer zwischen 20 und 30 sind alle Monster", WELT, 15.12.2014]

Pegida: Latenznazis und Demonstrationstouristen?

Ausländerfeinde und Anti-Islamisten wagen sich aus der Deckung. Das ist ein Zeichen der deutschen Krise. Es geht gar nicht um Zuwanderung - sondern um Angst und Armut in einem kälter werdenden Land.
In Dresden waren es nun schon 15.000! Sie folgten am vergangenen Montag einem Aufruf der sogenannten "Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes". Als Pegida drücken sie diesem Winter des deutschen Missvergnügens ihren Stempel auf.
In ganz Deutschland wächst der Protest. Medien und Politik reagieren: Sie wollen "verstehen" und "erklären". Das ist ein Fehler. Erstens ist Rassismus kein Problem der Erkenntnis, sondern eines der Moral. Und zweitens geht es weder um die Zuwanderer noch um den Islam. Es geht um den schwindenden Konsens und die zunehmende soziale Kälte in einem ungerechten Land.

mehr:
- Märsche der Anti-Islamisten: Null Toleranz für Pegida (Jakob Augstein, SPIEGEL, 18.12.2014)
siehe auch:
- Pegida: Nichts sehen, nichts hören, viel sagen (SPIEGEL, 17.12.2014)
Auf Facebook hat Pegida Zehntausende Anhänger. Sind die alle dumm? Sicher nicht. Aber genau das ist Teil des Problems. 
Pegida ist eines der bisher wenigen Politphänomene in Deutschland, die Online wie Offline funktionieren. Zum Zeitpunkt des "9. Abendspaziergangs" in Dresden am 15. Dezember mit rund 15.000 Teilnehmern hatte die Facebook-Seite mehr als 50.000 Fans, sie wächst derzeit täglich um rund 10.000 Anhänger und hat erstaunlich hohe Interaktionsraten. 
Mit den sozialen Medien ist eine neue Beobachtungsperspektive entstanden. Es lassen sich Gespräche, Kommentare, Meinungen nachvollziehen, die zuvor zwischen Kantinen, Stammtischen und Hausfluren undokumentiert verhallten. Obwohl inzwischen fast 30 Millionen Personen in Deutschland auf Facebook aktiv sind, ergibt sich natürlich nicht automatisch ein repräsentatives Bild. Aber es lassen sich wiederkehrende Denkmuster erkennen. Das ist hier auch notwendig, denn durch Politik und Medien zieht sich ein verzerrtes Bild von Pegida.

- Plötzlich berühmt – Interview mit Edwin Utrecht, dem „mutigen Holländer“, über sein Engagement bei PEGIDA (Castor Fiber Albicus, 18.12.2014)
Wie die offiziellen Medien ihre Stars und Prominenten haben, so beginnt auch das Internet, seine Helden hervorzubringen. Einer von ihnen ist seit wenigen Wochen Edwin Utrecht. Er wurde bekannt am Rande der Hogesa-Veranstaltung in Hannover als er, noch aufgewühlt von dem Geschehen dort, einigen Kamerateams vors Objektiv lief. Eine Sequenz davon verbreitete sich im Internet und wurde tausendfach geteilt. Darin spricht Edwin Utrecht darüber, warum er dabei sei. Dort bekam er auch sein Etikett: Der mutige Holländer. Auf der vorletzten PEGIDA-Veranstaltung in Dresden sprach er dann schon als einer der Hauptredner von der kleinen Bühne. Castorfiberalbicus sprach mit ihm über sein Engagement.

- Pegida (NachDenkSeiten, 19.12.2014)

Unsere Medien werden immer peinlicher: Bekloppte Undercover-Journalisten

Wie sich ein RTL-Journalist vor ARD-Kameras als falscher Demo-Teilnehmer ausgab und andere Verwirrungen im Sammelbecken
Pegida ist, was man aus Pegida macht. Das demonstrierte der junge Mann, der in dem ARD-Panorama-Beitrag mit dem ironischen Titel: Kontaktversuch: "Lügenpresse" trifft Pegida auftrat und seine Befürchtungen in die Kamera sprach. "Zu viele Türken auf der Straße", "Was passiert in Syrien, das macht mir Sorgen und da muss man halt aufpassen, ob das nicht in Deutschland auch bald so sein wird" , "Wir sollten aufpassen, dass Deutschland noch Deutschland bleibt."

Wie die ARD in einem Korrektur-Nachtrag zum Begleitartikel der Sendung informiert, hatte sich der junge Mann später noch einmal bei der Redaktion gemeldet, sich als Reporter von RTL zu erkennen gegeben "und beteuert, dass er eigentlich anderer Ansicht sei und dass diese Aussagen nicht seiner Meinung entsprechen".

Warum aber hat er diese Meinung dann geäußert? Und was hat ihn bewogen, sie anschließend zurückzunehmen?

mehr:
Pegida: "Sind wir noch deutsch in Deutschland?" (Thomas Perry, Telepolis, 20.12.2014)
siehe auch:
- Undercover-Reporter bei Pegida für Team Wallraff unterwegs (Thomas Pany, Telepolis, 20.12.2014)
Laut RTL sollte der Mann, der sich gegenüber dem NDR als Pegida-Demo-Teilnehmer ausgab, "Stimmungen aufgreifen"
Ein RTL-Statement beantwortet ein paar Fragen, die sich durch das Auftreten eines Mannes bei einem Panorama-Beitrag und seinem späteren Outing als Journalist stellen (siehe Pegida: "Sind wir noch deutsch in Deutschland?").
Der Undercover-Mann fasste seine Aufgabe anscheinend ähnlich auf, wie dies von FBI-Agenten im Umkreis von bestimmten Moschee-Gemeinden berichtet wird: Er gab Statements ab, die auf Sympathien bei radikaleren Anhängern stoßen sollten und ihnen Aussagen entlocken, die bestimmten Vorannahmen entsprechen. Im RTL-Statement heißt es:

Da Pegida-Anhänger bisher nicht oder kaum mit Journalisten reden, hat sich ein Reporter des Landesstudio Ost, welches für RTL aus der Region berichtet, verdeckt auf die Pegida-Demo am vergangenen Montag in Dresden begeben, um Stimmungen und Aussagen für eine spätere Berichterstattung aufzugreifen.

»Das macht mir insofern Sorge: Wenn Menschen nicht mehr glauben, was in den Medien informiert wird, wenn Menschen auch Politikern nicht mehr glauben, dann fliegt uns unser wunderschönes System Demokratie früher oder später um die Ohren.« (Gabriele Krone Schmalz über NATO in Zivil in der Ukraine, Russland und Medienpropaganda1, Youtube-Video ab 8:00)

mein Kommentar: 
Unser wunderschönes System ist gerade dabei, uns um die Ohren zu fliegen.

Adventsrätsel, das Einundzwanzigste von vierundzwanzig


In das Ende eines Seiles,
schling’ ein kleines »s« hinein,
alsdann wird es wie durch Zauber
eine große Menge sein.