Montag, 9. Juli 2018

Ein Kleinod deutscher Fernsehkultur: Doktor Murkes gesammeltes Schweigen

Doktor Murkes gesammeltes Schweigen {10:17}

Bela van Mechelen
Am 17.09.2018 veröffentlicht 
Doktor Murkes gesammeltes Schweigen
Satire nach Heinrich Böll
von und mit Dieter Hildebrandt


Quelle: Kabarettist Dieter Hildebrandt: Er stotterte, haspelte - und war bissig, stern.de, gefunden über web.archive.org
siehe auch:
Doktor Murkes gesammeltes Schweigen (krimiserien.heimat.eu, undatiert)
Doktor Murkes gesammeltes Schweigen / Dr. Murkes gesammelte Nachrufe – Kritik (dvd-sucht.de, undatiert)
BÖLL-FERNSEHSPIEL Fall X, I (SPIEGEL, 29.09.1965)



Gründlich missverstanden und verharmlost

„Doktor Murkes gesammeltes Schweigen“ gehört seit 1956, seit BBC London (!) im Mai jenes Jahres die erste Lesung der Satire ausgestrahlt hat (in englischer Sprache), zu den populären Radiostücken. Gelesen unter anderem von Joseph Offenbach, Gert Westphal, Dieter Hildebrandt oder Heinrich Böll selbst. Fürs HR-Fernsehen inszeniert von Rolf Hädrich (vgl. FK-Kritik) und fürs ZDF von Per Berglund (ZDF). Als Hörspiel in Szene gesetzt von Hermann Naber (vgl. FK-Kritik). Seit Jahrzehnten ins öffentlich-rechtliche Programm gehievt, gründlich missverstanden und verharmlost als humoristisch-feuilletonistische Kritik an den Zuständen des Rundfunks der 1950er Jahre.

Aus der Zeit heraus verstanden, in der die Erzählung geschrieben wurde, und auf die Verhältnisse heute übertragen, ist „Doktor Murke“ immer noch ein Paradigma dafür, was in den Köpfen derer steckt, die im öffentlich-rechtlichen Rundfunk Programmverantwortung tragen. Wenn Heinrich Böll Schwendling sagen lässt: „Muckwitz verfeaturt die Taiga“, Murke diesen Faden aufnimmt: „Was macht Fenn?“, die Antwort lautet: „Der verfeaturt die Tundra“, die Frage folgt: „Und Weggucht?“, woraufhin Schwendling antwortet: „Weggucht macht ein Feature über mich, und später mache ich eins über ihn nach dem Wahlspruch: Verfeature du mich; dann verfeature ich dich“, dann ist das mehr als der seit Jahrzehnten zitierte Kalauer. Der Dialog wirft die Frage nach Distanz und Nähe auf. Wer protegiert wen und weshalb?

[Herbert Hoven, Böll – was bleibt? – Ein Rückblick auf Sendungen zum 100. Geburtstag: Heinrich Böll und die Medien, medienkorrespondenz.de, 23.03.2018]

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