Mittwoch, 23. Juli 2014

Leseempfehlungen für den 23. Juli 2014

- Daten sind nicht für alle da, denn das ist kein Spiel (Telepolis, 23.07.2014)
Tatsächlich streitet Microsoft im Interesse aller - US-amerikanischen - Bürger mit dem Staat um die Gewährleistung des Fourth Amendments auch für digitale Daten.

- "Nur eine starke Herrschaft kann die Ordnung wiederherstellen" (Telepolis, 23.07.2014)
Frankreich und die Debatte zu den Ausschreitungen bei den pro-palästinensischen Demonstrationen: Der Front National macht seinen eigenen Instrumentenkasten auf 
In Frankreichs Medien dominieren auch heute noch die Auseinandersetzungen und Überlegungen darüber, wie es zu den gewalttätigen Ausschreitungen bei den verbotenen pro-palästinensischen Demonstrationen am Wochenende kommen konnte (Demonstrationsverbot zieht Schläger an). Während wie in Deutschland auch im Nachbarland der Antisemitismus diskutiert wird, der sich bei Teilnehmern solcher Demonstrationen zeigt, die den Gazakrieg - ohne genaueres Hinsehen - als Vorwand zur Aufladung und dem hässlichen Ausagieren autohypnotischer, qualmiger Gefühlswelten nutzen, hat der Front National einen ganz eigenen Ansatz gefunden, um die Gewaltausschreitungen für seine politische Agenda zu benutzen.

- Griechenland: Der Klientilismus ist ungebrochen (NachDenkSeiten, 22.07.2014)
Das Erzübel des griechischen Klientilismus zeigt sich auf staatlicher Ebene vor allem auch beim Steuer-Opportunismus der Regierungen. Der erzwungene Rücktritt des unabhängigen Steuereintreibers Theocharis ist ein Alarmzeichen dafür, dass der griechische Klientilismus ungebrochen ist. Ob die Nachfolgerin aus dem Hause PriceWaterhouseCoopers den Kampf gegen ihre vorherige Kundschaft, nämlich gegen die „große“ Steuerhinterziehung aufnehmen wird, muss man bezweifeln. Zugleich wird die Not der kleinen Steuersünder, die die Steuereintreiber inzwischen mehr fürchten als die Schutzgeld-Mafia, immer größer.

- Kapitalismus – wat is dat denn? (NachDenkSeiten, 22.07.2014)
So würde meine aus dem Rheinland stammende Nachbarin fragen, wenn sie die Debatte der letzten Tage in den NachDenkSeiten (siehe hier, hier und hier) verfolgen würde. Ich will aber meine Hilflosigkeit nicht auf meine Nachbarin ver-schieben. Deshalb habe ich im Kreise von Freunden und Verwandten nachgefragt. Offenbar habe ich die falschen. Denn die Meisten verstehen nichts oder jeweils etwas anderes unter Kapitalismus. – Wenn ein Begriff so vieldeutig ist, macht es dann Sinn, ihn zu benutzen? Aus meiner Sicht nicht. Deshalb werden Sie, unsere Leserinnen und Leser, weder in den NachDenkSeiten noch in meinen Büchern einen Text von mir finden, in dem dieser Begriff eine Rolle spielt. Deshalb konnte ich übrigens nur selten mit Texten von Robert Kurz etwas anfangen.

- Ist der Begriff Kapitalismus wirklich ohne Sinn? (NachDenkSeiten, 23.07.2014)
Anders als Albrecht Müller begleitet mich der Begriff Kapitalismus seit ich politisch denken gelernt habe. Ich halte ihn z.B. gegenüber dem hierzulande politisch gebräuchlicheren Begriff „Marktwirtschaft“ nicht für entbehrlich. Sicher, das Wort ist vieldeutig und der Kapitalismus hat sein Gesicht vielfach verändert, gerade deshalb mein Interesse an der theoretischen Debatte darüber.

- Der Roboter hat ausgedient (der Freitag, 23.07.2014)
Medien Die Digitalisierung unserer Kommunikation verändert die Grundfesten der Gesellschaft. Und wir merken es nicht mal

- Weichenstellung zum Krieg (der Freitag, 22.07.2014)
1994 Vor 20 Jahren fällt das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe ein folgenschweres Urteil: Out-of-area-Einsätze der Bundeswehr sind mit dem Grundgesetz vereinbar

- Wie man den neuen kalten Krieg gewinnen kann (der Freitag, 20.07.2014)
Edward Lucas Zwei Bücher von Brzeziński und Lucas geben wertvolle Hinweise darauf, was die Amerikaner eigentlich in Europa beabsichtigen. Dennoch sind sie recht unterschiedlich. 
siehe dazu auch:
- Die einzige Weltmacht: Amerikas Strategie der Vorherrschaft (Wikipedia)
- Warum der Westen Russland braucht – Die erstaunliche Wandlung des Zbigniew Brzezinski (Blätter für deutsche und internationale Politik, 7/2012) 
- Edward Lucas, Der Kalte Krieg des Kreml (Perlentaucher, mit zwei Rezensionslinks aus dem Jahr 2008)
- Michail Logvinov, Der neue Kalte Krieg: Wie der Kreml Russland und den Westen bedroht (AG Friedensforschung der Uni Kassel, aus: Russische Nachrichtenagentur RIA Novosti, 2. April 2008)
- Edward Lucas, Der Kalte Krieg des Kreml - Wie das Putin-Sy stem Russland und den Westen bedroht (Rezension bei osteuropa.ch, Dezember 2008, als PDF-Dokument downloadbar)

- Vor dem Sonnenuntergang (der Freitag, 22.07.2014)
Belgien Ein Transsexueller nahm aktive Sterbehilfe in Anspruch, nachdem der Aufbau eines künstlichen Penis gescheitert war. Denn das Gesetz berücksichtigt auch psychisches Leiden

- Schon wieder ein Vorbild (der Freitag, 21.07.2014)
Politik In Schweden feiert eine linke, feministische Partei Erfolge. Trotz oder wegen der Fortschrittlichkeit des Landes?

- Snowden über Deutschland: Die Suche nach der Wahrheit wird politischen Prioritäten untergeordnet (Netzpolitik.org, 22.07.2014, gefunden über den Freitag)
Bereits am Freitagabend erschien das vollständige Transkript des Snowden-Interviews mit dem Guardian. Vorab wurden einzelne Videoausschnitte veröffentlicht (wir berichteten). Wir haben es jetzt noch einmal gelesen (das ganze Interview soll ja sieben Stunden gedauert haben) und besonders auf Inhalte überprüft, die relevant für Deutschland sind.

- Schweden: Tele2 erleidet Rückschlag im Prozess um Abschaffung der Pflicht zur Vorratsdatenspeicherung (Netzpolitik.org, 23.07.2014)
Der schwedischen Regierung fällt es, wie in Großbritannien und anderen EU-Ländern auch, schwer das Kippen der Vorratsdatenspeicherung durch den Europäischen Gerichtshof (EuGH) zu akzeptieren. Nach der Aufhebung der EU-Vorratsdatenspeicherungsrichtlinie hatten die schwedischen ISPs Tele2, Telia, Three und Bahnhof damit begonnen, die Speicherung von Kommunikationsdaten zu stoppen und teilweise zuvor erhobene Daten gelöscht. Die schwedische Post- und Telekommunikationsbehörde (PTS) berief sich auf weiterhin geltende nationale Gesetzgebung und verlangte mittels einer einstweiligen Verfügung eine Fortsetzung der Speicherung, woraufhin Tele2 sich an das Verwaltungsgericht Stockholm wandte.

- Wie Mondrian Ihr Leben verändern kann (der Freitag, 23.07.2014)
eine interessante Linkliste zu nachdenkenswerten und -denklichen Artikeln und Videos über Balance, Bedürfnisse, Verzicht und Minimalismus

Weniger ist mehr - Harald Welzer vs Robert Pfaller - SRF 05.01.2014 [54:58]



- Früher Widerstand – Die antifaschistische Einheitsfront in Italien ab 1922 (junge Welt, 23.07.2014)
In der Reihe »Basiswissen« des Kölner PapyRossa Verlags erscheint in diesen Tagen der Band »Die Resistenza« zum italienischen antifaschistischen Widerstand von seiner Formierung in den 1920er Jahren bis in die Nachkriegszeit. jW veröffentlicht einen leicht gekürzten Auszug aus dem hier in der Unterzeile genannten Kapitel.

- Wohnungen, die es nicht gibt (junge Welt, 23.07.2014)
Willkürlich niedrige Mietobergrenzen bei Hartz IV: Verein Tacheles wehrt sich 
Gerade einmal 138,83 Euro bekommen alleinstehende Hartz-IV-Bezieher fürs Essen, 32,68 Euro für Strom und Instandhaltung, 24,62 Euro für Nahverkehr: Der monatliche Regelsatz von 391 Euro ist eng bemessen. Doch viele der bundesweit rund 3,33 Millionen von Hartz IV oder Grundsicherung betroffenen Haushalte müssen daraus zusätzlich einen Teil für die Miete abzwacken. Denn während Wohnkosten steigen, sind anerkannte Mietobergrenzen über Jahre gleichgeblieben. Ob in Wuppertal (Nordrhein-Westfalen) oder Magdeburg (Sachsen-Anhalt): Hartz-IV-Bezieher sollen Bleiben suchen, die es nicht gibt – oder sparen und zuzahlen.

- Spanien rettet Bank (junge Welt, 23.07.2014)
Moderne Unternehmenssanierung: Vor der Pleite mit Steuergeld gerettet, aufgepäppelt und jetzt ­privatisiert. Zwölf Milliarden Euro Kosten zu Lasten der Allgemeinheit 
Spaniens Staat hat sich einmal mehr als wahrer Heger notleidender Unternehmen erwiesen. Speziell die Finanzbranche hat es den jeweils Verantwortlichen in Madrid angetan. Und die Regierung kann stolz auf Erfolge verweisen: In der Nacht zum Dienstag meldete der Bankenrettungsfonds FROB die erfolgreiche Reprivatisierung des einstigen Sorgenkindes Catalunya Banc. Das nun sanierte und wieder marktfein aufgeputzte Geldinstitut wird vom Finanzriesen BBVA (Banco Bilbao Vizcaya Argentaria) übernommen, dem nach Santander zweitgrößten spanischen Finanzkonzern.

- Hohe Diäten: Steuerzahler müssen Partei-Apparate zwangsfinanzieren (Deutsche WirtschaftsNachrichten, 22.07.2014)
Die Diäten der Abgeordneten sind so hoch, weil der Steuerzahler über die Diäten auch noch die Parteien finanzieren muss. Jeder Mandatar zahlt einen Zwangsbeitrag. Was mit den Steuergeldern konkret geschieht, erfahren die Bürger in der Regel nicht.

- Pariser Industrie-Boss: „Frankreichs Wirtschaftslage ist katastrophal“ (Deutsche WirtschaftsNachrichten, 22.07.2014)
Der Chef des französischen Unternehmer-Verbandes schlägt Alarm: Frankreichs Wirtschaft sei in einem katastrophalen Zustand. Es gebe kaum noch Investitionen und Neu-Einstellungen in den Unternehmen. Die Entwicklung in Frankreich kann Auswirkungen auf ganz Europa haben.

- Deutschland stimmt Verkauf von französischem Kriegsschiff an Russland zu (Deutsche WirtschaftsNachrichten, 22.07.2014)
Außenminister Steinmeier hat der umstrittenen Auslieferung eines französischen Kriegsschiffes an Russland zugestimmt. Die EU berät über ein Rüstungsembargo gegen Putin, dieses gelte aber nur für die Zukunft, so Steinmeier. Ein Platzen des Rüstungs-Deals für das wirtschaftlich angeschlagene Frankreich könnte die Euro-Zone finanziell destabilisieren.
Mein Kommentar: Es geht um zwei Hubschrauber-Träger und einen Deal von 1,2 Millliarden, der die Euro-Zone finanziell destabilisieren könnte, wenn er platzt. Wie schlecht muß es Frankreich gehen!

- Mistral-Deal: Frankreich bildet russische Soldaten aus [0:57]

- Banken-Abgabe: Sparkassen wollen nicht für Großbanken haften (Deutsche WirtschaftsNachrichten, 22.07.2014)
Der Deutsche Sparkassen- und Giroverband will nicht den Ausputzer für die Großbanken spielen. Die europäische Bankenabgabe begünstige große Institute, klagt der Präsident des Verbandes, Georg Fahrenschon. Die kleinen und risikoarmen Institute müssten für die „Gefahrguttransporter unter den Banken“ zahlen. 
Mein Kommentar: klein gegen groß, war da wohl gewinnt…

Nick Hanauer: »Ich sehe Mistgabeln«

In Zeiten wo Menschen wie Du und ich über die Plutokratie träumen, liegt der Rest des Landes, die 99,9%, weit im Rückstand. Die Kluft zwischen arm und reich wird immer schlimmer. Und sie wächst schnell. Im Jahr 1980 kontrollierten die Top 1 etwa 8% des US-Volkseinkommens. Heute kontrollieren die Top 1 rund 20%. Aber das Problem ist nicht die Ungleichheit an sich, Diese ist immer untrennbar mit jeder kapitalistischen Wirtschaft verbunden. Das Problem ist, dass dies Ungleichheit auf einem historischem Hoch angelangt ist und von Tag zu Tag schlimmer wird. Unser Land entwickelt sich von einer kapitalistischen Wirtschaft zu einer feudalen Gesellschaft. Wenn sich unsere Politik nicht dramatisch ändert, wird die Mittelschicht verschwinden und wir werden wieder im späten 18. Jahrhundert in Frankreich sein. Vor der Revolution.
Uns so habe ich eine Botschaft für meine steinreichen Kollegen und Kolleginnen und alle, die in dieser Blase leben: Wachen Sie auf ! Es wird nicht mehr lange dauern. Wenn wir nicht bald etwas tun um die eklatanten Ungerechtigkeiten in dieser Wirtschaft zu beheben, werden die Mistgabeln zu uns kommen. Keine Gesellschaft kann diese Art von wachsender Ungerechtigkeit auf Dauer aufrechterhalten. Es gibt in der Tat kein einziges Beispiel in der Geschichte der Menschheit, wo Reichtümer wie diese angesammelt wurden und nicht irgendwann Mistgabeln gekommen sind. Am Anfang ist es ein Polizeistaat, dann kommen die Aufstände.
Viele von uns denken, sie wären etwas Besonderes, weil „Das ist Amerika“. Wir denken, wir sind immun gegen diese Kräfte wie den arabischen Frühling, die französische oder russische Revolution. Ich weiß, dass die 0,01% dazu neigen, diese Art von Argumenten zurückzuweisen. Viele von euch sagten mir schon ins Gesicht, ich sei verrückt. Ich sage euch, ihr lebt in einer Traumwelt. Jeder Geschichtsstudent weiß, wie es passiert. Revolutionen, Konkurse kommen nach und nach. Und dann plötzlich setzt jemand etwas in Brand und dann kommen tausende Menschen auf die Strassen und bevor man sich versieht, steht das ganze Land in Flammen. Und dann werden wir keine Zeit mehr haben zum Flughafen zu fahren, in unsere Gulfsream V zu steigen und nach Neuseeland zu fliegen. Wenn die Ungleichheit weiter so zunimmt, wird es passieren. Wir werden nicht in der Lage sein, vorherzusagen wann es passiert. Aber wenn es passiert wird es schrecklich. Vor allem für uns.
[mehr: Ich sehe Mistgabeln. – Offener Brief des US-Milliardärs Nick Hanauer an seine reichen Freunde – Deutsche Übersetzung, Independant24, 03.07.2014 – Hervorhebung von mir]

Die Menschheitsgeschichte kennt natürlich auch Perioden monopolaren Zustandes und des Strebens nach Weltherrschaft. Alles war schon mal da in der Geschichte der Menschheit. Aber was ist eigentlich eine monopolare Welt? Wie man diesen Terminus auch schmückt, am Ende bedeutet er praktisch nur eines: es gibt ein Zentrum der Macht, ein Zentrum der Stärke, ein Entscheidungs-Zentrum.
Es ist die Welt eines einzigen Hausherren, eines Souveräns. Und das ist am Ende nicht nur tödlich für alle, die sich innerhalb dieses Systems befinden, sondern auch für den Souverän selbst, weil es ihn von innen zerstört.
Das hat natürlich nichts mit Demokratie gemein. Weil Demokratie bekanntermaßen die Herrschaft der Mehrheit bedeutet, unter Berücksichtigung der Interessen und Meinungen der Minderheit.
Nebenbei gesagt, lehrt man uns - Russland – ständig Demokratie. Nur die, die uns lehren, haben selbst, aus irgendeinem Grund, keine rechte Lust zu lernen.
Ich denke, dass für die heutige Welt das monopolare Modell nicht nur ungeeignet, sondern überhaupt unmöglich ist. Nur nicht, weil für eine Einzel-Führerschaft in der heutigen, gerade in der heutigen, Welt weder die militärpolitischen, noch die ökonomischen Ressourcen ausreichen. Aber was noch wichtiger ist – das Modell selbst erweist sich als nicht praktikabel, weil es selbst keine Basis hat und nicht die sittlich-moralische Basis der modernen Zivilisation sein kann. […]
[Quelle: russland.ru, veröffentlicht bei der AG Friedensforschung, Kassel: "Ich denke, dass für die heutige Welt das monopolare Modell nicht nur ungeeignet, sondern überhaupt unmöglich ist" – Rede des russischen Präsidenten Wladimir Putin auf der 43. Münchner "Sicherheitskonferenz" in deutscher Übersetzung – Hervorhebung von mir]
mehr zur Putin-Rede:
Der Ukraine-Konflikt 3 – Westliche Naivität oder westliche Machtpolitik? (Post, 15.08.2017)

siehe auch:
Prof. Michael Hartmann: Die wirkliche Lage der Vermögensverteilung (27. Pleisweiler Gespräch) (Post, 15.08.2017)
Aufräumarbeiten nach dem G20-Gipfel: Was würde geschehen, wenn… (Post, 23.07.2017)
"Der Status quo ist der ideale Zustand für die 0,1 Prozent der Eliten" (Post, 28.05.2017)