Freitag, 3. Januar 2020

USA ermorden mit gezielter Tötung General Soleimani

Als Reaktion auf die Belagerung der US-Botschaft wurden der Kommandeur der Quds-Brigaden und ein Kommandeur der Al-Haschd asch-Schabi-Milizen mit 10 weiteren Menschen getötet
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US-Außenminister Mike Pompeo veröffentlichte auf seinem Twitter-Account ein Video, das zeigen soll, wie sich eine Gruppe von Menschen vermutlich in Bagdad über die Ermordung von Qassem Soleimani, Kommandeur der iranischen Quds-Brigaden, der Eliteeinheit der Revolutionsgarde, freut. Pompeo interpretiert das so: "Iraker - Iraker - tanzen in der Straße für die Freiheit; sie sind dankbar, dass General Soleimani nicht mehr lebt." Offensichtlich sind es aber nur wenige Menschen, natürlich ist die Präsenz der Iraner im Irak nicht bei allen, vor allem nicht bei den Sunniten, erwünscht. Pompeo suggeriert, dass das US-Militär, das mit einem Kampfhubschrauber die Insassen von zwei Fahrzeugen gezielt tötete, die vom Flughafen von Bagdad in die Stadt fuhren, praktisch als verlängerter Arm "der Iraker" handelte.

Zunächst war von amerikanischen Luftangriffen am vergangenen Samstag auf Stellungen der schiitischen Miliz Kata'ib Hezbollah im Irak und in Syrien die Rede, die verantwortlich für einen Raketenangriff am 27. Dezember gemacht wurde, bei dem ein amerikanischer "Contractor" getötet wurde. Die amerikanischen Angriffe, bei denen nicht nur schiitische Milizen, sondern auch irakische Soldaten und Polizisten getötet wurden, führten wiederum zu Protesten vor der amerikanischen Botschaft, die von der US-Regierung als vom Iran gesteuert bezeichnet wurden (Irak: Die nächste Fehleinschätzung der USA).

US-Präsident Donald Trump habe wieder als Reaktion darauf persönlich die Ermordung von Soleimani angeordnet, sagte das Pentagon und fügte an, die Quds-Brigade sei eine Terrororganisation. Neben Mitreisenden und Bodyguards wurde auch der stellvertretende Kommandeur der Al-Haschd asch-Schabi-Milizen, Abu Mahdi al-Muhandis, getötet. Man muss davon ausgehen, dass Soleimani, der als zweitwichtigster und -mächtigster Mann im Iran galt, schon lange im Visier des Pentagon war, da er mit seinen Revolutionsgarden und den schiitischen Milizen zwar im Irak wesentlich beteiligt war an der Niederschlagung des IS, er aber eben auch den Widerstand gegen die amerikanischen Truppen im Irak und in Syrien mitschürte. Er war als Kommandeur gefürchtet, leitete die Auslandseinsätze der Revolutionsgarden im Irak und in Syrien und war eine zentrale Figur der iranischen (Militär)Außenpolitik, die wahrscheinlich von Teheran kaum ersetzbar ist.

Nachträglich dürfte die im April 2018 von Washington erfolgte Aufnahme der Revolutionsgarden als Terrororganisation bereits eine Vorbereitung gewesen sein. Es war schon damals eine Kriegserklärung, einen Teil des Militärs eines Staats als Terrororganisation zu bezeichnen. Der Irak reagierte reziprok und bezeichnete das Centcom, das für die Militäreinsätze im Nahen Osten zuständig ist, als Terrororganisation und die amerikanische Regierung als Terrorunterstützer, so der Oberste Nationale Sicherheitsrat (Trump listet mit den iranischen Revolutionsgarden erstmals eine Streitkraft als Terrororganisation).

mehr:
- Eskalation: USA ermorden mit gezielter Tötung General Soleimani (Florian Rötzer, Telepolis, 03.01.2020)

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In den ersten Tagen nach den Anschlägen wurden hunderte Muslime, Araber oder arabisch aussehende und Turban tragende Menschen, oft Sikhs, in den USA beleidigt, angegriffen, bedroht und einige ermordet. Auch wurden Brandanschläge auf islamische Einrichtungen verübt.[51] US-Präsident Bush besuchte daraufhin am 17. September 2001 eine Moschee, verurteilte die Angriffe, unterschied den Islam vom Terror und rief zu Toleranz gegenüber muslimischen US-Bürgern auf.[52]
[Terroranschläge am 11. September 2001, Erstreaktionen in den USA, Wikipedia, abgerufen am 03.01.2020]
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siehe auch:
Gezielter Enthauptungsschlag – Staatsterror (Lutz Herden, der Freitag, 03.01.2020 – Beachte die Kommentare!)
Der Mörder-Trump Deutsche Medien faseln von Tötung (Ulli Gellermann, Rationalgalerie, 03.01.2020)
18 Monate vor seinem Tod richtete Soleimani eine öffentliche Warnung an Donald Trump, die sich nun bewahrheiten könnte – wenn auch nicht in dem von ihm intendierten Sinne: „Mr. Trump, der Spieler, ich sage Ihnen, Sie sollten wissen, dass wir Ihnen an dem Ort nahe sind, an dem Sie das nicht vermuten“, so Soleimani. „Sie werden den Krieg beginnen, doch wir werden ihn beenden.“
[Michael Safi|The Guardian, „Wichtiger als der Präsident“, Übersetzung: Holger Hutt, der Freitag, 03.01.2019]
Atomabkommen mit dem Iran: Die Tagesschau informiert nicht ordentlich (Post, 15.11.2019)
Si tacuisses… – Was ist nur los mit ihnen? (Post, 24.09.2019)
Reichstags-9/11: Vom Neocon-Putsch zur weltweiten Überwachung (Post, 10.08.2019)
USA: Die verrückten Neocons und ihr Putsch (Post, 02.03.2019)
Die kontinuierliche Verschwurbelung des US-Imperialismus (Post, 23.04.2019)
Aufmerksamkeitsmanagement: Immer neue Bedrohungsszenarien und immer wieder Aufrüstung – Wozu? (Post, 23.02.2019)
- Ramstein und der US-amerikanische Drohnenkrieg (Post, 26.04.2015)
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Mehr als regressiver Kitsch und falsche Idylle

Warum es geboten ist, sich mit dem Begriff "Heimat" auseinander zu setzenx
"Heimat" gehört zu den sentimental aufgeladenen Vokabeln, die uns das 19. Jahrhundert reichlich beschert hat. Heimat als handfester Besitz an Gut und Boden wurde seinerzeit umgemünzt in Wert des Gefühls. Zunächst hingegen war mit dem Begriff nur ein einfacher Sachverhalt gemeint: Heimat, so heißt es beispielsweise im Grimmschen Wörterbuch, sei das Land oder auch nur der Landstrich, in dem man geboren ist oder auch nur bleibenden Aufenthalt hat.
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Das, so meint der Publizist Jörg Magenau, war einmal. Denn "in der globalen Welt, in der die einen, strotzend vor Mobilität, von Flugplatz zu Flugplatz jetten und andere in überfüllten Fischerbooten hocken oder barfuß durch den Schnee nach Europa marschieren, gibt es Heimat entweder nur für die Glücklichen, die schon da sind, wo sie immer waren, oder man bringt die Heimat mit im Fluchtgepäck und schafft sie sich neu in der Fremde. Heimat ist, wie andere Rohstoffe auch, zu einem knappen Gut geworden, um das weltweite Verteilungskämpfe stattfinden. Wie viele Fremde verträgt sie denn, und was wird dann aus ihr?"
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Heute wird weithin ein "Heimatschwund" konstatiert und beklagt, ohne dass freilich die wechselhafte, ja launische Begriffsgeschichte groß beachtet würde. Im Ersten Weltkrieg wurde das Heimatgefühl von den Nationalisten und dann von den Nazis für ihre Zwecke usurpiert. Heimat hieß dann "Heim ins Reich", und alles Fremde wurde tendenziell ausgemerzt. Und dass nach dem II. Weltkrieg die sogenannten "Heimatvertriebenen" - und ihr Beharren auf das Wiedererlangen verlorener Territorien - die Debatte bestimmten, hatte zur Folge, dass der Terminus Heimat in der Bundesrepublik alsbald verbraucht war und eher gemieden wurde.

mehr:
- Mehr als regressiver Kitsch und falsche Idylle (Robert Kaltenbrunner, Telepolis, 26.12.2019)
siehe auch:
- Idar-Oberstein und seine Geschichte – Metropole der Edelsteine (Post, 11.03.2018)
Edgar Reitz’ Deutschland-Chronik bei Arte (Post, 27.08.2015)
- Kinoempfehlung: Die andere Heimat von Edgar Reitz (Post, 10.11.2013)
- Das Kino der Zukunft (Florian Rötzer im Gespräch mit Edgar Reitz, Telepolis, 14.02.1997)
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Peter Handke, Prügelknabe im Dienste des Narrativs…

Kein Platz für Aber-Sager: Die Debatte um Peter Handke und den Jugoslawien-Krieg ist zu einem Glaubenskampf verkommen
Nun hat Peter Handke also den Nobelpreis für Literatur bekommen. Was die einen freut, regt die anderen auf. Wochenlang tobte der Meinungskampf, der übrigens seit 1996 regelmäßig wieder aufflammt, wenn Handke einen Literaturpreis bekommt.

Damals hatte der Schriftsteller nach seiner Serbien-Reise das Buch "Eine winterliche Reise zu den Flüssen Donau, Save, Morawa und Drina" veröffentlicht, und damit im Feuilleton das ausgelöst, was man heute in den sozialen Netzwerken einen Shitstorm nennt. Schon damals hatte sich gezeigt, was im Kontext der Nobelpreisverleihung erneut sichtbar wurde: tertium non datur.

Mit wenigen Ausnahmen fanden und finden sich in der massenmedialen Aufregung um Handke und Jugoslawien, unterfüttert durch Verkürzungen und losgelöst von der Beschäftigung mit Primärwerken, nur noch zwei Positionen. Man ist entweder für oder gegen Peter Handke. Ein "Aber" existiert nicht mehr.

Denn wer "aber" sagt, relativiere die Verbrechen, relativiere das Leid und verhöhne die Opfer, sagen die Kritiker. "Peter Handke leugnet den Genozid von Srebrenica." "Nein, aber er rückt ihn in den Kontext des Krieges." "Er verhöhnt die Opfer." "Nein, aber es gab Opfer auf allen Seiten." "Handke relativiert die serbischen Verbrechen." "Nein, aber es gab auch kroatische und bosnisch-muslimische Kriegsverbrecher."

Wer in der Handke-Debatte versucht, so zu argumentieren, hat bereits verloren. Denn das "Aber" ist, darauf weisen Kritiker zu Recht hin, ein Zugang, dessen sich auch Holocaust-Leugner bedienen. "Die Nationalsozialisten haben sechs Millionen Juden umgebracht." "Aber die Alliierten haben auch Verbrechen begangen, zum Beispiel durch die Bombardierung Dresdens." Die unterstellte Behauptung: Beide Seiten haben Verbrechen begangen, also sind auch beide schuldig, am liebsten gleichwertig.

Am Beispiel des Zweiten Weltkriegs kann man sehen, wie absurd diese Unterstellungen sind, wie verkürzt und damit unlogisch diese vermeintliche Logik auftritt. Kein Verbrechen einer Seite kann ein anderes relativieren, solange man sachlich und nüchtern die Fakten festhält.

Fakten statt Emotionen

Doch weil Letzteres viel zu wenig geschieht, steckt die Handke-Debatte in einer Sackgasse, aus der sie vermutlich so rasch nicht mehr herauskommen wird. Denn der Zugang zum Thema ist von beiden Seiten fast nur noch darauf beschränkt, die eigene Position als richtige und die gegnerische als falsche zu charakterisieren. Das ist die Schwarz-Weiß-Logik einer Debatte, die zum Glaubenskampf verkommen ist.

Ein beliebtes Muster ist hier, Täter und Opfer ethnisch zu definieren. Dadurch erreicht die Seite, welche die meisten Opfer aufzuweisen hat, pauschalen Opferstatus, während die Gegenseite als Tätervolk definiert wird.

Dabei zeigten die Fakten, dass Menschen aller Ethnien Täter und Opfer in den Jugoslawien-Kriegen wurden. Rund zwei Drittel (64.036) der 97.207 Getöteten im Bosnien-Krieg waren Muslime, zirka ein Viertel (24.905) waren Serben und acht Prozent (7.788) waren Kroaten. Im Kosovo-Krieg waren die meisten Opfer Albaner (10.527), proportional zum Bevölkerungsanteil starben ähnlich viele Serben (2.170) sowie Angehörige anderer Minderheiten. Über serbische Opfer zu sprechen, relativiert nicht das Leid auch nur eines einzigen Angehörigen der über 8.000 Toten des Genozids von Srebrenica.

Dass Peter Handke allerdings seine Stimme den serbischen Opfern und nicht grundsätzlich allen vom Krieg betroffenen Menschen geliehen hat, kann man zu Recht kritisieren. Dass er 1996 im bosnischen Pale Radovan Karadžić getroffen hat, wird ihm ebenfalls vorgeworfen. Dass er dem politischen Leader der bosnischen Serben damals eine Liste mit vermissten Muslimen überreicht hat, wird hingegen oft übersehen, auch wenn seine Haltung von einer gewissen politischen Naivität geprägt war.

mehr:
- Zur Causa Handke: Wenn Journalisten Geschichte schreiben wollen (Kurt Gritsch, Telepolis, 01.01.2020)
siehe auch:
Die Kampagnen gegen Peter Handke gehen weiter (Post, 11.11.2019)
Peter Handke, der Nobelpreis und die Meute der Guten (Post, 16.10.2019)
- Gewähltes Trauma und die Unfähgkeit zu trauern (Post, 09.12.2014)