Dienstag, 29. Mai 2012

Die Macht der Rating-Agenturen

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Anhand von drei Buchstaben heben oder senken die drei mächtigsten Rating-Agenturen Standard & Poor’s, Moody’s und Fitch ihre Daumen über Unternehmen, Banken bis hin zu ganzen Staatswesen und beeinflussen damit weltweit maßgeblich das Wirtschaftsgeschehen. Darüber aber, warum diese Rating-Agenturen überhaupt soviel Macht besitzen wird in der Öffentlichkeit wenig debattiert. Auch sind bislang die Informationen über die Akteure, die hinter den Rating-Agenturen stehen äußerst dürftig. Ein Gespräch mit dem Privatisierungsexperten Werner Rügemer über sein neues Buch Rating-Agenturen. Einblicke in die Kapitalmacht der Gegenwart.

► Herr Rügemer, bei der Finanzkrise 2007 haben die drei wichtigsten Rating-Agenturen Standard & Poor’s, Moody’s und Fitch nicht unbedingt ein glückliches Händchen bewiesen. Warum haben sie heute noch das Sagen? 


Werner Rügemer: Herr Jellen, wenn man von den Interessen der Agenturen und ihrer Eigentümer ausgeht, hatten sie durchaus ein glückliches Händchen. Sie haben im Vorfeld als Mitverursacher der Finanzkrise sehr viel verdient und Krisen selbst sind für sie auch sehr lukrativ. Sie haben auch heute noch das Sagen, weil sie wie die Banken, Hedgefonds, Wirtschaftsprüfer und Versicherungen zum Kern der Finanzindustrie gehören, die ja ebenfalls nach der Krise immer noch das Sagen haben, ja sogar noch mächtiger geworden sind.
▶︎ Können Sie eine Einschätzung abgeben, wie viele der weltweiten Kapitalströme die Rating-Agenturen mit ihren Bewertungen auch heute noch kontrollieren?
Werner Rügemer: Das kann ich nicht abschätzen, denn ein großer und wachsender Teil der Kapitalströme findet heute in dark pools des Schattenbanksystems (shadow banking) statt. Hier wird nicht reguliert. Da erfassen weder nationale noch internationale Finanzinstitutionen die Zahlen.
mehr:
- Die Macht der Rating-Agenturen (Reinhard Jellen, Interview mit Werner Rügemer, Telepolis, 29.05.2012)
Wer steckt eigentlich hinter den Rating-Agenturen, von denen im Zuge der Finanzkrise so oft die Rede ist? Und nach welchen Kriterien arbeiten sie?
In diesem Buch wird zum ersten Mal die Eigentümerstruktur der drei großen Agenturen offengelegt: Es handelt sich dabei um die größten Hedge- und Investmentfonds, die aus der hohen und dauerhaften Verschuldung von Unternehmen, Staaten und Konsumenten Gewinn ziehen. Ein Blick auf die Praxis der Rating-Agenturen zeigt: Ihre Macht gewinnen sie durch ihre Eigentümer, aber auch durch die staatlich und überstaatlich erteilte Wächterfunktion. Sie sind mit Fonds, Banken, Staaten, Zentralbanken, Europäischer Union und Internationalem Währungsfonds Teil der gegenwärtigen Kapitalmacht und schrecken vor suggestiven Ratings ebenso wenig zurück wie vor der Inszenierung von Krisen.
[Rating-Agenturen: Einblicke in die Kapitalmacht der Gegenwart, Leseprobe, gefunden bei kritisches-netzwerk.de]

siehe auch:
Enthemmte Wirtschaft – Krisen, Politik und Grenzen der Demokratie (Reinhard Jellen, Telepolis, Heise-Verlag 2012 – Google-Books)
- Nach uns die Sintflut (Werner Rügemer, junge Welt, 12.10.2010 – PDF,  gefunden bei Tadema)
Privatisierung als Ursache der Finanzkatastrophe (Reinhard Jellen, Gespräch mit Werner Rügemer über Cross Border Leasing, Telepolis, 28.10.2008)