Donnerstag, 6. März 2008

Neurobiologische und experimentelle Befunde der Zen-Meditation

Eine Übersicht

N.-U. Neumann, K. Frasch
Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik am Bezirkskrankenhaus Günzburg, Abteilung Psychiatrie II der Universität Ulm (Leitung: Prof. Dr. T. Becker)


Zusammenfassung

Schon vor mehr als 15 Jahren fanden Meditation und das meditative Moment der Achtsamkeit Einzug in psychotherapeutische Konzepte. Vornehmlich wird auf Elemente des Zen-Buddhismus zurückgegriffen. Es kommen aber auch zahlreiche andere Meditationsarten zur Anwendung. Bisher fehlt allerdings eine verbindliche und objektive Definition dessen, was Meditation in seiner psychischen und neurophysiologischen Dimension ist. Die fehlende Operationalisierung des Phänomens Meditation ist auch der entscheidende methodische Mangel der bisherigen Untersuchungen. Die Zen-Meditation (Zazen) ist eine definierte Methode mit langer Tradition. Unter dem Gesichtspunkt der neurobiologischen Grundlagenforschung finden sich nur wenige Studien und es liegt nur eine fMRI-Studie vor. Bei sehr unterschiedlichem Design liefern die EEG-Studien keine spezifischen und replizierbaren Ergebnisse. Acht Untersuchungen befassen sich mit psychischen bzw. physiologischen Effekten der Zen-Meditation unter experimentellen Bedingungen Als Ergebnisse finden sich wiederholt Verbesserung von Aufmerksamkeitsleistungen, Förderung emotionaler Stabilität und Milderung stressbedingter psycho-vegetativer Reaktionen. Die weitere experimentelle Meditationsforschung bedarf vor allem einer verbindlichen Definition dessen, was Meditation ist. Außerdem muss klar zwischen neurobiologischen und klinischen „states“ und „traits“ der Meditation unterschieden werden.

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Seit mehr als zehn Jahren befassen sich Grundlagenforschung und Therapie (Psychotherapie) mit Meditation bzw. dem Phänomen des meditativen Zustandes. Ausgehend von den Arbeiten von Kabat-Zinn (1, 2) hat z. B. das „mindfulness-based-stress-reduction“-Programm („achtsamkeitsbasierte Streßreduktion“ – MBSR) große Verbreitung erfahren. Krebskranke, chronische und akute Schmerzpatienten. Anfallskranke, Patienten mit Immunschwäche, Herzkranke, Suchtkranke, Patienten mit Angststörungen, Depression und speziellen Hauterkrankungen, aber auch die allfällig Stressgeplagten sollen von dieser Methode profitieren (3-5). Die Qualitilt der entsprechenden Therapiestudien wird allerdings auch kritisch beurteilt (6).

Insgesamt sprechen die vorliegenden Untersuchungsergebnisse dennoch für eine gewisse therapeutische Effizienz der Meditation, insbesondere auch in Hinblick auf psychische Störungen. Was die neurobiologische Grundlagenforschung betrifft, so liegen mehr als 60 Arbeiten vor, die sich mit elektrophysiologischen Parametern bei Meditierenden beschäftigten und ein Dutzend Arbeiten berichtet über die Ergebnisse bildgehender Verfahren (7).

Meditation ist ein höchst subjektives Phänomen. Die bisher vorliegenden Studien beschäftigten sich mit mehr als einem Dutzend verschiedener Meditationsarten (7, 8). Entsprechend unterschiedlich sind die Ergebnisse. Damit Forschung zu Erkenntnis führt, bedarf es aber der Replizierbarkeit und Vergleichbarkeit von Untersuchungsergebnissen. Es ist beispielsweise nicht geklärt, was genau man unter Meditation – im Hinblick auf die Art der Übung und die subjektive psychische Dimension – zu verstehen hat. Auch ist nicht verstanden, welche spezifischen neuronalen bzw. neurophysiologischen Zustände und Abläufe mit Meditation korrelieren und welche kurz- (states) und langfristigen (traits) psychischen und somatischen Effekte daraus resultieren.

Um Vergleichbarkeit der Befunde zu gewährleisten und die genannten Probleme zu erhellen. werden in dieser Übersicht nur jene Untersuchungen berücksichtigt, welche die gleiche Meditationsart, nämlich Zen-Meditation, zugrunde legten. Therapiestudien mit achtsamkeitsbasierten Methoden sind nicht Gegenstand der Arbeit.


Definition und Tradition der Zen-Meditation

Die Sitzmeditation (Zazen) ist seit Jahrhunderten die elementare und wichtigste Übung im Zen-Buddhismus. Wenn es im Zen überhaupt eine Regel oder Vorschrift gibt, so ist es Zazen. Die Körperhaltung – der Lotussitz (Kekka-Fusa) – und Hilfsmittel wie Sitzkissen (Zafu) und Matte (Zabuton) sind genau beschrieben. Die gesamte Zen-Philosophie und Zazen im Besonderen sind mit der abendländischen intentionalen Lebenshaltung nicht zu vergleichen. Zazen findet nicht statt, um irgendetwas zu bezwecken oder zu erreichen. Es geht „nur“ um das stille Sitzen an sich (Shikantaza). Während der Meditation kann sich ein absichtsloser, emotionsloser, zeitloser, gedankenfreier „ichloser“ Zustand einstellen. Mit der Zen-Praxis wird das Leben von (und in) Stille und Leere möglich. In diesem „gesammelten“ (stillen und leeren) Zustand kann auch eine plötzliche mystische Erfahrung – Satori eintreten. Satori kann als Erleben ursprünglicher universeller Einheit oder als die Aufhebung aller Gegensätze, insbesondere der Trennung von Subjekt und Objekt, verstanden werden (9-12).


Methode

Eine Medline-Recherche der Jahrgänge 1980 bis 2006 lieferte unter den Stichwörtern „zen-meditation, neurophysiology, neuroimaging, psychological, clinical, effects“ sechs Arbeiten zur Neurophysiologie und Bildgebung und acht Arbeiten zu klinischen Effekten, die für unsere Fragestellung verwertbar waren.


Ergebnisse

EEG-Studien

Becker und Shapiro (13) untersuchten den Zusammenhang zwischen Meditation (Transzendentale Meditation, Zen-Meditation, Yoga Mantra Meditation) und Alphawellen-Blockade bzw. Alphawellen-Habituation. In den Untersuchungsgruppen befanden sich Meditationspraktiker mit langjähriger Erfahrung. Die Probanden der beiden Kontrollgruppen wurden zum einen aufgefordert, das Ticken einer Uhr sehr bewusst zu verfolgen („pay strong attention“) zum anderen nicht zu beachten („try not to let the clicks disturb your relaxed state“). Die Meditierenden erhielten keine Anweisung. In der Ausgangssituation bestanden zwischen den Hirnstromkurven der verschiedenen Gruppen keine Unterschiede.

Auf das Experiment bezogen fanden sich Unterschiede zwischen den Kontroll- und den Meditationsgruppen einerseits, aber auch zwischen Yoga-Meditierenden und Zen-Meditierenden andererseits. Yoga-Meditierende zeigten eine vollständige Habituation (fehlende Alphablockierung), Zen-Meditierende keinerlei Habituation. Die Ergebnisse wurden dahingehend interpretiert, dass die Yoga-Meditation zu besonders konzentrierter „Versenkung“ und Abwendung von sensorischen Reizen ,,deeply immersed and removed from sensory experience“) führt und die Zen-Meditation bewirkt, „gesammelt und hellwach von Augenblick zu Augenblick“ zu sein („being more present to the ongoing moment-to-moment sensory experience“). Der „zenmeditative“ Zustand wäre also nicht von „Entrückung“, Weltabgewandtheit und sensorischer Depravation, sondern von hellwacher Präsenz gekennzeichnet. Die Ergebnisse obwohl in einer ähnlichen Studie nicht replizierbar, weisen auch auf den Umstand hin, dass Meditation nicht gleich Meditation ist (14).

Die Kasuistik on Lehmann und Kollegen (15) berichtet über einen Fall, der mittels der „low-resolution electromagnetic tomography algorithm"-Technik (LORETA) untersucht wurde. Beobachtet wurden vier verschiedene meditative Zustände: Visualisation, Mantra (verbalisation), Self-dissolution und Self-reconstruction. Die Gamma-Aktivität zeigte während der verschiedenen Zustände unterschiedliche räumliche Verteilung. In der Visualisierungs- und Verbalisierungsphase nahm das Gamma-Spektrum in der rechten hinteren Okzipitalregion und linken zentral-temporalen Regionen zu. Während der „Self-dissolution-Meditationsphase“ war eher Zunahme der Gamma-Aktivität auch im rechten oberen Frontalgyrus zu beobachten. Experimente zu cannabinoidinduzierte Depersonalisation deuten hin, dass diese Hirnregion für veränderte Beswusstseinszustände und Selbstwahrnehmung von Bedeutung ist (16, 17).

Die Arbeitsgruppe um Murata und Takahashi (18, 19) befasste sich mit Zusammenhängen zwischen EEG-Parametern, vegetativen Funktionen und Persönlichkeitsmerkmalen bei Meditationsanfängern. In der älteren Arbeit (21) wird über 22 gesunde Probanden ohne jegliche Meditationserfahrung berichtet, bei denen neben der Hirnstromkurve die Pulsvariabilität gemessen und eine Angst-Selbstbeurteilungsskala (Spielberger’s State-Trait Anxiety Inventory) angewandt wurde. Während der Meditation zeigte sich bei allen Probanden eine Abnahme langsamer Alphaaktivität in frontalen Abschnitten, eine Zunahme schnellerer Wellen und eine Abnahme des Verhältnisses langsamer zu schnellen Wellen, gepaart mit verlangsamter Pulsfrequenz. Langsamer Alpharhythmus wird als Hinweis für Entspannung, die Zunahme schneller Wellen als Hinweis für vermehrte Aufmerksamkeit interpretiert. Der Angstindex korrelierte negativ mit der prozentualen Abnahme der frontalen Alphaaktivität und positiv mit der prozentualen Zunahme schneller Wellen. Daraus ergibt sich, dass niedrige Angstscores (baseline) eher mit dem meditativen Zustand der Aufmerksamkeit und hohe Scores mehr mit dem Zustand der Entspannung korrelieren. Die psychische Grunderfassung (trait) nimmt demnach Einfluss sowohl auf neurophysiologische Parameter, die während der Zen-Meditation entstehen, als auch auf den resultierenden psychischen Status (state; mehr Aufmerksamkeit oder mehr Entspannung).

Die zweite Untersuchung (19) befasst sich ebenfalls mit jungen gesunden Probanden (n = 20) ohne Meditationserfahrung. Die EEG-Befunde wurden mit den Ergebnissen eines Persönlichkeitsfragebogens (Cloninger’s Temperament and Character Inventory) und Pulsfrequenzen in Korrelation gesetzt. Hohe „novelty seeking scores“ (NS) korrelierten mit der Zunahme frontaler Alphaaktivität (entsprechend dem Status vermehrter Aufmerksamkeit) und relativ hoher Pulsfrequenz, während hohe „harm avoidence scores“ (HA) mit der Abnahme frontaler Thetaaktivität (entsprechend dem Status vermehrter Achtsamkeit – mindfulness“) und niedrigen Pulsfrequenzen korrelierte (immer im Vergleich mit den Ausgangswerten). Die Autoren schließen aus ihren Ergebnissen, dass die subjektiven Phänomene der Achtsamkeit und Aufmerksamkeit zwei wesentliche Merkmale des meditativen Zustands – auf sehr unterschiedlichen psychophysiologischen Vorgängen und Persönlichkeitsmerkmalen basieren können Anders formuliert heißt dies, dass die subjektiven Phänomene Achtsamkeit und Aufmerksamkeit kaum objektivierbar sind.


Event-related-potential Studien

Becker und Shapiro (20) prüften in der bereits zitierten Untersuchung nicht nur EEG-Befunde, sondern – unter dem gleichen experimentellen Setting – auch akustisch evozierte Potenziale. Bezüglich der P300 Amplituden fanden sich zwischen den Gruppen (transzendentale Meditation TM, Zen-Meditation und Yoga-Meditation) keine Unterschiede. Die N100 Amplituden waren bei TM- (transzendentale Meditation) und Yoga-Meditation während der ersten 30 Stimuli erhöht, glichen sich aber nach 40 bis 50 Stimuli den in allen Gruppen gemessenen Amplituden an. Die Autoren vermuten, dass die geschärfte Aufmerksamkeit der entsprechenden Meditationsprobanden diesem vorübergehenden Phänomen größerer sensorischer Empfindlichkeit zugrunde lag (Tab. 1).

Tab. 1: Untersuchungen der Zen-Meditation mit apparativen Methoden: EEG, AEP und fMRI; Abkürzungen: EEG = Elektroenzephalografie, AEP = akustisch evozierte Potenziale, fMRI = functional Magnetic Resonance Imaging, SSTAI = Spielberger’s State-Trait Anxiety Inventory, CTCI = Cloninger’s Temperament and Character Inventory, NS = novelty seeking, HA = harm avoidance, TM = transzendentale Meditation



Bildgebende Verfahren

Mittels fMRI (functional magnetic resonance imaging) untersuchten Ritskes und Koautoren (21) elf zen-meditierende Probanden in Ruhe und während der Meditation. Ruhezustand und Meditation unterschieden sich dahingehend, dass während der Meditation eine Aktivierung im dorsolateralen präfrontalen Kortex (DLPFC), insbesondere rechts und in den bilateralen Basalganglien auftrat. DLPC-Aktivierungen sind nicht meditationsspezifisch. Sie finden sich in den verschiedensten Untersuchungen zu psychischen Funktionen (7, 22, 23). Aktivitätsminderung fand sich im rechten anterior-superioren Okzipitalgyrus und im anterioren Zingulum. Die Aktivitätsminderung im anterioren Zingulum war weniger ausgeprägt als die Aktivitätszunahme im DLPFC und wurde mit dem meditativen (psychischen) Status der Absichtslosigkeit („decreased experience of will“) in Zusammenhang gebracht. Der Befund der zingulären Aktivitätsminderung steht im Gegensatz zu den Ergebnissen nahezu aller anderen Untersuchungen mit bildgebenden Verfahren bei Meditation (7,8). Diesem Befund dürfte eher methodische als meditationsspezifische Besonderheiten zugrunde liegen (7). Aktivitätssteigerung in präfrontalen kortikalen Arealen hingegen ist ein konsistenter Befund der meisten entsprechenden Untersuchungcn (7). Präfrontale Aktivität als Ausdruck vermehrter Aufmerksamkeit (Konzentration) findet sich auch in Untersuchungen. die sich nicht mit Meditation befassten (22, 23). Untersuchungen über neuronale Korrelate willentlicher Beeinflussung emotionaler Zustände deuten auch darauf hin, dass Zusammenhänge zwischen präfrontaler Aktivierung und emotionaler Ausgeglichenheit bzw. verminderter emotionaler Reagibilität (Gleichmütigkeit) bestehen 24, 25). Gleichmütigkeit ist ein zentrales Phänomen (zen-)buddhistischer Geisteshaltung (10-12).


Untersuchungen zu physiologischen und psychologischen Effekten

Tlocznski und Mitarbeiter (26) untersuchten bei Meditationsanfängern, Meditationserfahrenen und Kontrollpersonen die Wahrnehmung optischer Täuschungen (Poggendorf- und Müller-Lyer-lllusion) und die Ausprägung ängstlicher (Taylor Manifest Anxiety Scale) und depressiver Symptome (Beck Depression Inventory). In allen Gruppen nahmen die Fehleinschätzungen mit der Anzahl vorgelegter Abbildungen – insgesamt je fünf Präsentationen – signifikant ab. Meditationserfahrene fielen der optischen Täuschung signifikant seltener zum Opfer als die Probanden der anderen Gruppen, und wenn Korrekturen bei Wiederholungen vorgenommen wurden, so fielen diese moderat aus. Schließlich wiesen die Meditationserfahrenen niedrigere Angst- und Depressionsscores auf. Es wird diskutiert, dass Langzeitmeditation die sensorische Wahrnehmung schärfen und zu emotionaler Ausgeglichenheit führen kann.

Gillani und Smith (27) prüften 59 Probanden mit mindestens sechsjähriger Praxis in Zen-Meditation und 24 Kontrollpersonen mittels verschiedener Inventare (Smith Relaxation States Inventor – SRSI, Smith Relaxation Dispositions/Motivations Inventory – SRD/MI und Smith Relaxation Beliefs Inventory – SRBI). Die Kontrollpersonen hatten die Aufgabe, 60 Minuten in Stille Zeitschriften zu lesen, die Dauer der Meditation betrug ebenfalls 60 Minuten. Danach war das SRI erneut zu bearbeiten. Die Meditierenden zeichneten sich grundsätzlich durch mehr Gelassenheit, Sorglosigkeit und Dankbarkeit aus und tendierten in der Selbsteinschätzung (SRSI) nach der Meditation zu noch mehr Ruhe, Stille, Entspannung und Gelassenheit. Die Autoren sehen durch diese Ergebnisse ihre „ABC-Relaxation Theory“ bestätigt. Diese Theorie impliziert, dass es 15 verschiedene mit Entspannung assoziierte psychische Zustände („R-States“) gibt und dass das Auftreten und die Ausprägung dieser Zustände von individuellen biologischen und psychologischen Parametern abhängt (31). Auch wird betont, dass Zen-Meditation offenbar zu emotionaler Stabilität im Allgemeinen und Entspannung und Gelassenheit im Besonderen beiträgt (Tab. 2).

Tab. 2: Experimentelle Studien zu psychischen und physiologischen Effekten der Zen-Meditation; SRSI = Smith Relaxation States Inventory, SRD/MI = Smith Relaxation Dispositions/Motivations Inventory, SRBI = Smith Relaxation Beliefs Inventory, SSTAI = Spielberger’s State-Trait Anxiety Inventory, CTCI = Cloninger's Temperament and Character Inventory, MDA = Malondialdehyd; NO = Nitratoxid











Im Hinblick auf psychische Parameter sind noch einmal die Untersuchungen von Murata, Takahashi und Kollegen (18, 19) zu erwähnen. In diesen Untersuchungen konnte bekanntlich gezeigt werden, dass einerseits bestehende Persönlichkeitsmerkmale Einfluss auf die Qualität des meditativen Zustands und neurobiologische Parameter nehmen und Meditation andererseits zumindest kurzfristig zu individuell unterschiedlichen psychischen Effekten führt.

Peng und Koautoren (29) untersuchten, welchen Einfluss unterschiedliche Atemtechniken (während der Meditation) auf die Herzfrequenz nehmen. Pulsfrequenz und Atemexkursionen der zehn meditationserfahrenen Probanden wurden simultan aufgezeichnet. Die verschiedenen Atemtechniken waren „relaxation response“ (RR), „breath of fire“ (BF) und „segmented breathing“ (SB). „RR“ und „SB“ sind langsame, gleichmäßige und sehr konzentrierte Atemtechniken, die der für Zen-Meditation typischen Atmung entsprechen. Puls- und Atemaufzeichnungen waren bei RR und SB nahezu identisch. Die Frequenzen nahmen ab, die respiratorische Arrhythmie und die kardiorespiratorische Synchronisation nahmen zu. Unter BF nahm die Herzfrequenz zu und die Puls-Atem-Synchronisation deutlich ab. Änderungen der Atemtechnik während der Meditation nehmen also Einfluss auf Herzfrequenz, Sinusrhythmus und kardiorespiratorische Synchronisation. Nicht die Art der Meditation, sondern die Atmung bestimmt diese Parameter und Zusammenhänge.

Eine ähnliche Studie führten Cysarz und Bussing (30) durch. Auch sie untersuchten den Einfluss der Zen-Meditation auf die kardiorespiratorische Synchronisation und die respiratorische Sinusarrhythmie (RSA). Die Versuchspersonen (n = 9) hatten keine Meditationserfahrung. EKG-Ableitung und Atemfrequenzbestimmung erfolgten simultan unter vier verschiedenen Bedingungen: Spontanatmung, mentale Aufgabe, Sitzmeditation (Zazen) und Gehmeditation (Kinhin). Während der Sitz- und Gehmeditation kam es, neben einer deutlichen Abnahme von Puls- und Atemfrequenz, auch zu einer ausgeprägten Synchronisation von Herzschlag und Atmung. Mit Verlangsamung der Atemfrequenz nahm die respiratorische Arrhythmie zu. Eine kardiorespiratorische Synchronisation ebenso wie Puls- und Atemverlangsamung stellen sich offenbar während der Zen-Meditation auch bei Ungeübten rasch ein.

Kim und Kollegen (31) prüften den Einfluss der Zen-Meditation auf die Serum-Nitratoxid-Aktivität (NO) und den oxidativen Stress (Lipidperoxidation). Es wurden zwei nach Alter und Geschlecht angeglichene Gruppen (n = 20) – eine mit erfahrenen Meditationspraktikern und eine mit Kontrollpersonen gebildet. Im Serum der Meditierenden fanden sich signifikant höhere Nitrat- und Nitritkonzentrationen und niedrigere Malondialdehydkonzentrationea (MDA) als bei den Kontrollen. Hohe MDA- und niedrige NO-Konzentrationen als Folgen des oxidativen Stress gelten unter anderem als Risikofaktoren für Alterungsprozesse und kardiovaskuläre Erkrankungen. Die Befunde deuten darauf hin, dass Zen-Meditation zur Risikominimierung (Prävention) von Alterungsprozessen, Krebserkrankungen und Herz-Kreislauferkrankungen beitragen könnte.


Diskussion

Zur experimentellen Meditationsforschung und zu Untersuchungen mit elektrophysiologischen und bildgebenden Verfahren im Allgemeinen liegen mehrere Publikationen vor (7). Der spezifische meditative Zustand wird ganz allgemein auch als veränderter Bewusstseinszustand („altered state of consciouness“) bezeichnet (32-36). Mit dieser Umschreibung sind die Besonderheiten des „meditativen Status“ (der meditativen Erfahrung) jedoch nicht hinreichend charakterisiert. Seit jeher wird betont, dass sich die psychische Dimension der meditativen Erfahrung der Beschreibung mit bekannten Begriffen entzieht. Es heißt, Zen-Meditation kann nur subjektiv erfahren, nicht objektiv dargestellt werden (10, 11, 35, 36). Zen-Meditation ist die am wenigsten untersuchte der verschiedenen Methoden. Zen-Meditation ist ein uraltes, spirituelles Ritual. Dass dieses Verhalten mit spezifischen zumindest speziellen – neuronalen Funktionen und einer besonderen Wahrnehmung des Selbst und der Außenwelt einhergeht, scheint selbstverständlich und bedürfte an sich nicht der wissenschaftlichen Überprüfung. Wissenschaftliche Überprüfung kann jedoch zu Erkenntnisgewinn führen und eventuell können diese Erkenntnisse für medizinische Zwecke nutzbar gemacht werden. Es sei aber – noch einmal – darauf hingewiesen, dass solche Überlegungen in keiner Weise dem Geist der Zen-Philosophie entsprechen. Zazen ist absichtsloses „nur Sitzen“. Es geht dabei nicht um Heilung, Besserung, Erkenntnis, Erfahrung oder irgendeine Absicht (9, 10, 35, 37). Die Meditation, während der ein spezifischer Bewusstseinszustand (meditative Erfahrung) eintreten kann, muss – jahrelang – geübt werden. In diesem Punkt scheinen sich alle Meditationsexperten, gleich welcher spirituellen Richtung sie angehören, einig zu sein. Allerdings ist mit nichts belegt, dass Einzelne nicht schon nach kurzer Zeit zur „meditativen Erfahrung“ gelangen können. So kann das zentrale Phänomen des „Satori“ (Erleuchtung) nach Zen-buddhistischer Überzeugung nicht nur in vollkommener Meditation, sondern in jedem beliebigen Augenblick erfahren werden (11, 35). Für wissenschaftliche Fragestellungen sollte bei der Auswahl der Probanden allerdings auf langjährige Meditationserfahrung geachtet werden (38). Wenn man auf neurofunktioneller und psychischer Ebene nach dem „Spezifischen“ des meditativen Zustandes sucht, wird man es nur finden, wenn es tatsächlich vorliegt.

Die verschiedenen elektrophysiologischen Untersuchungen haben ein völlig unterschiedliches Design und unterschiedliche Fragestellungen, entsprechend unter schiedlich sind die Ergebnisse. An psychologischen und physiologischen Besonderheiten liefern die Studien, dass Zen-Meditation mit akzentuierter Vigilanz (13, 18, 19) bzw. mit erhöhter Aufmerksamkeit einhergeht und – in einem Fall – Gammawellenaktivität über einer Hirnregion produziert wurde, die – wie aus anderen Untersuchungen bekannt – bei veränderten Bewusstseinszuständen aktiv sein soll (IS). Die Studien von Murata, Takahashi und Koautoren (18, 19) lassen Schlüsse über die Zen-Meditation nur bedingt zu, da ausschließlich Meditationsnovizen untersucht wurden. Zumindest kann über „traits“ der Meditation nichts gesagt werden. Die gefundenen „states“ decken sich mit den Ergebnissen von Becker und Shapiro (13) insofern, als dominierender Alpharhythmus offenbar mit dem psychischen Status vermehrter Aufmerksamkeit korrespondiert. Erstaunlicherweise scheinen Persönlichkeitsmerkmale Einfluss auf die Qualität des meditativen Status, die damit einhergehende Hirnstromkurve und die Herzfrequenz zu nehmen.

Hohe Angst-Spannungs-Scores führten während der Meditation eher zu Entspannung, schnelleren EEG-Wellen und Pulsverlangsamung, niedrige Scores zu verstärkter Aufmerksamkeit, ausgeprägtem Alpharhythmus und Pulsbeschleunigung. Auch die Merkmale „novelty seeking“ und „harm avoidance“ wirkten sich auf den psychischen Status, das EEG und die Herzfrequenz aus. „NS“ soll während der Meditation eher mit geschärfter Aufmerksamkeit, höherer Ausprägung des Alpharhythmus und schnellerer Pulsfrequenz, „HA“ mit Abnahme frontaler Thetaaktivität, Achtsamkeit („mindfulness“) und Pulsverlangsamung korrelieren. Die subjektive Wahrnehmung während der Meditation war durchgehend bei allen Probanden von Wachheit, Aufmerksamkeit und Entspannung charakterisiert, obwohl sich Hirnstromkuren und Herzfrequenzen zum Teil deutlich unterschieden. Subjektives Empfinden kann demnach von sehr unterschiedlichen objektiven Messgrößen begleitet werden. Diese Ergebnisse sprechen unter anderem dafür, dass die psychische Dimension der meditativen Erfahrung sehr schwer zu operationalisieren ist. Auf dieses Problem haben auch Cahn und Polich in ihrer umfangreichen Übersichtsarbeit hingewiesen (7). In der fehlenden Definition dessen, was Meditation ist, sehen sie die entscheidende Schwäche der bisherigen Meditationsforschung, „given the wide range of possible meditation methods and resulting states, it seems likely that different practices will produce different psychological effects and that different psychological types will respond with different psychobiological alterations“ (7).

Die EEG-Befunde bei Zen-Meditation decken sich im Wesentlichen mit denen, die bei anderen Meditationstechniken gefunden wurden. Konsistente Befunde sind Zunahme von Theta- und Alphaaktivität und generell verstärkte Ausprägung langsamer Frequenzen (7). Meditationsspezifisches ist damit nicht erfasst, denn diese Muster finden sich typischerweise auch in der Einschlafphase (38, 39). Ein Unterschied besteht freilich im Bereich der psychischen Dimension schläfrig versus hellwach, während sich die neurophysiologischen Parameter (Hirnstromkurven) erstaunlicherweise nicht unterschieden. Vermutlich ist die feine Differenzierung und Lokalisation (topograhic mapping) der Frequenzen zwischen Meditations-EEG und Einschlaf-EEG noch nicht gelungen (7).

Die Ergebnisse der fMRI-Studie von Ritskes und Mitarbeitern (21) lassen mit Sicherheit keine Verallgemeinerungen zu. Aber auch, wenn man die Ergebnisse aller Studien (mit bildgebenden Verfahren) der verschiedensten Meditationstechniken betrachtet, ist festzustellen, dass kein Ansatz die neurophysiologischen Besonderheiten charakterisiert und identifiziert hat, die verständlich machen würden, wie und warum Meditation die (Selbst-)Wahrnehmung verändert (7). Meditationsspezifische neuronale Aktivitätsmuster konnten mit Hilfe bildgebender Verfahren bisher nicht identifiziert werden. Als konsistenter Befund ist vermehrte präfrontale Aktivität beschrieben worden (7, 8). Dieser Befund, der mit dem psychischen Status der Aufmerksamkeit korreliert, ist aber nicht nur bei Meditation, sondern auch bei anderen psychischen Funktionen zu beobachten (23-25). Das neuronale Muster der „typischen meditativen Erfahrung“, nämlich verändertes Bewusstsein („Erleuchtung“), Grenzenlosigkeit, Zeitlosigkeit und Ichlosigkeit ist damit nicht identifiziert.

Die Ergebnisse der experimentellen Untersuchungen zu psychologischen und physiologischen Aspekten tendieren vor allem in die Richtung, dass Zen-Meditation mit Parametern der psycho-vegetativen Entspannung (state) korreliert (18, 19, 27, 29, 30). Langjährige Übung scheint daräberhinaus mit grundsätzlich niedrigen Angst- und Depressionsscores (trait) zu korrelieren. Die Ergebnisse der Studie von Tlocznski und Kollegen (26) sind mit denen von Becker und Shapiro vergleichbar (13). Geschärfte sensorische Wahrnehmung und geschärfte Aufmerksamkeit scheinen nicht nur ein „state“ der Zen-Meditation zu sein, sondern auch ein „trait“.

Design und Fragestellung der Arbeiten von Kim und Kollegen (31) sind spezieller Natur. Dass Meditation Einfluss auf biochemische Parameter des oxidativen Stress nimmt, erscheint nachvollziehbar und eröffnet prinzipiell therapeutische Aspekte mit Blick auf Herz-Kreislauferkrankungen. Die Ergebnisse wurden jedoch nicht repliziert und bedürfen einer Überprüfung.

Zen-Meditation korreliert erwartungsgemäß mit einigen typischen, aber nicht spezifischen neurophysiologischen und physiologischen Effekten und Messgrößen. Ganz allgemein gelingt bisher aber weder mit Hilfe elektrophysiologischer noch bildgebender Verfahren eine Differenzierung zwischen meditativem Status und Einschlafphase bzw. meditativem Status und Aufmerksamkeit (7). Dies überrascht, da Zen-Meditation weder etwas mit Schläfrigkeit noch mit Aufmerksamkeit und Konzentration (zumindest sind diese nicht beabsichtigt) zu tun hat. Man würde also vermuten, dass sich Zen-Meditation sehr wohl von Schläfrigkeit differenzieren lässt und in bildgebenden Verfahren würde man eine Abnahme neuronaler Aktivität in Arealen erwarten, die mit bewusstseinsnahen intentionalen – motorischen und psychischen – Vorgängen korrespondieren. Die bisherigen Untersuchungsbefunde entsprechen diesen Erwartungen jedoch nicht.

Das Forschungsproblem liegt sicher nicht nur darin, geeignete Untersuchungstechniken zu finden, sondern vor allem in der schwierigen Definition dessen, was unter Meditation aus phänomenologischer Sieht zu verstehen ist. Meditation ist nicht in dem Sinne zu objektivieren wie andere psychische Zustände oder geistige Leistungen. Der Untersucher kann sich nicht sicher sein, ob das untersuchte Individuum im „meditativen Zustand“ ist, was auch immer aus subjektiver Sicht darunter verstanden mit. Möglicherweise gibt es auch sowohl aus Sicht subjektiver Erfahrung als auch aus Sicht identifizierbarer neuronaler Aktivität verschiedene meditative Zustände. Die Untersuchung der Zen-Meditation muss nicht zwangsläufig zu den Ergebnissen führen. wie z. B. die Untersuchung der Kriya Yoga-, Raj Yoga-, Sahaja Yoga- und Kundalini Yoga-Meditation oder der transzendentalen Meditation. Spezielle (aber nicht spezifische) Muster neuronaler Aktivität und spezielle physiologische Parameter der Körperperipherie, z. B. der Atmung und Herzfrequenz, finden sich bei allen Meditationsarten, deren genaue Bedeutung unter therapeutischen Gesichtspunkten ist jedoch nicht geklärt (7). Dennoch sind Meditation und Elemente zen-buddhistischer Lebenspraxis (Achtsamkeit) schon seit längerer Zeit wesentliche Bestandteile westlicher verhaltenstherapeutischer Methoden (1, 2, 4, 41-43). Die (neuro)biologische Grundlagenforschung der Meditation hinkt hinter der empirisch basierten therapeutischen Implementierung her und bedarf weiterer kluger Untersuchungen.

Literatur




























aus Nervenheilkunde 3/2008
(die Rechtschreibung habe ich vorsichtig verbessert)

Es tut sich was: Als ich 1987 bei den Lindauer Psychotherapiewochen in einer Veranstaltung das Wort Meditation erwähnte, guckten mich Leiter und Teilnehmer an, als ob ich ein Junkie wäre, der sich unberechtigterweise reingeschlichen hätte. Damals wurde Meditation einzig als Regressionsversuch verstanden: Weltflucht, zurück in den Uterus, unendliche Glückseligkeit als Versuch, der Verantwortung für sich selbst zu entfliehen. Wiewohl es nach so vielen Jahren gar nicht mehr der Punkt ist: Wenn durch ein EEG (fehlende Habituation, siehe oben unter EEG-Studien) nachgewiesen werden kann, daß der Bewußtseinszustand des Probanten »hellwach« ist, kann man ihm nicht mehr Trancegier oder sonst eine »Republikflucht aus der Realität« vorwerfen. Es wird auch deutlich, daß sich auf unbekannte Phänomene, die Angst hervorrufen, unter dem Deckmantel von Wissenschaftlichkeit beliebige Etiketten draufkleben lassen, um sich nicht mit ihnen beschäftigen zu müssen. Eine alte Regel bewahrheitet sich: Die Alten müssen aussterben, damit das Neue seinen Platz findet. Die Leute, mit denen damals zu diskutieren war, hatten in ihren Koordinatensystemen keinen Platz und keine Kriterien für das Neue. Jetzt sind andere Leute da. In einem Interview sagte Satyananda über Osho: »Er ist seiner Zeit um mindestens 50 Jahre voraus. Aber immer mehr Menschen sehen in ihm das, was er von Anfang an war: einen Weisen, der die Antworten auf viele existenzielle Fragen unserer Zeit hat. Seine Bücher erzielen weltweit Millionenauflagen. Sein Gesamtwerk ist vor zwei Jahren in die Bibliothek des indischen Parlaments aufgenommen worden - eine Ehre, die bisher nur noch Mahatma Gandhi zuteil geworden ist. Ein deutliches Zeichen dafür, dass Osho zumindest in Indien angekommen ist und ernst genommen wird.« (Osho Freiburg & Regio)

So hilflos obiger Artikel auch erscheinen mag, er ist mutig dahingehend, etwas mit Hilfe der zur Verfügung stehenden wissenschaftlichen Kriterien bewerten zu wollen und nun nicht den alten Weg geht, darin einen Mangel des Untersuchungsobjekts zu sehen, sondern die Eingeschränktheit der wissenschaftlichen Kriterien konstatiert. Das nenne ich Wissenschaft: Mutig genug zu sein, seine Hilflosigkeit zugeben zu können. Das ist klares Denken, das ist Objektivität! Unser Denken hat sich der Realität anzupassen und nicht umgekehrt.

Anfang der 80er nadelte mich ein inzwischen verstorbener Gießener Orthopäde wegen einer schon seit drei Monaten andauernden therapieresistenten Achillodynie. Nachdem er die Nadeln nach einer Viertelstunde aus meinem Bein rausgezogen hatte, hüpfte ich lachend im Therapiezimmer herum: sämtliche Beschwerden waren wie weggeblasen (und blieben es auch). Daraufhin er: »Erzählen Sie’s nur nicht weiter, Herr Kollege!«


Das Wirken der Natur zu kennen, und zu erkennen, in welcher Beziehung das Menschliche Wirken dazu stehen muss: Das ist das Ziel.

Tschuang Tse (Zhuangzi)
chinesischer Philosoph und Schriftsteller, daoistischer Heiliger (ca. 365 – 290 v. Chr.)
(angeregt zu dem Zitat hat mich konfusius, Danke!)