Sonntag, 5. Juni 2016

Ungestört in Dresden: Hochsicherheitszone für die Bilderberger

Versammlungsverbot wegen Treffen der Machteliten rund um das Hotel Taschenbergpalais 

Ob hoch oben auf 1300 Meter über dem Meeresspiegel oder in der Dresdner Innenstadt: Wo auch immer die Bilderberg-Konferenz stattfindet, die Abschirmung nach außen ist ihr gewiss. Während sich im vergangenen Jahr Machteliten der westlichen Welt im von den Tiroler Alpen umgebenen Interalpen-Hotel getroffen haben, um für vier Tage über Themen wie die "Europäische Strategie", "Künstliche Intelligenz" oder die "US-Präsidentschaftswahlen" zu diskutieren, geht es nun ins Zentrum der sächsischen Landeshauptstadt (Bilderberg-Konferenz: Schäuble, von der Leyen und de Maizière nehmen Einladung an).
mehr:
- Ungestört in Dresden: Hochsicherheitszone für die Bilderberger (Markus Klöckner, Telepolis, 04.06.2016)
siehe auch:
- Bilderberger, Oligarchen und der Kampf um die Deutungshoheit (08.06.2015)
- David Rothkopf, Die Macht-Elite (Jürgen Schönstein, Focus online, 30.07.2008)
Das globale System, das keiner Steuerung durch eine Regierung unterliegt, überlässt viele Entscheidungen und Vorgaben einer kleinen Gruppe von super-mächtigen Individuen. Diese Individuen handeln in ihrem eigenen Interesse und verstärken somit noch die ungleiche Verteilung von Einkommen und Macht, zu Lasten anderer Klassen. Und darum finde ich den Begriff der „Klasse“ auch angebracht, obwohl wir dachten, mit dem Ende der Sowjetunion 1991 seien auch alle Klassenfragen gelöst worden. […] Und viel wichtiger als die Größe dieser Gruppe ist, dass es andererseits drei Milliarden Menschen auf der Welt gibt, die praktisch keinerlei Einfluss auf ihr eigenes Schicksal haben. […]Alle Mitglieder dieser Gruppe haben etwas gemeinsam – das geradezu monomanische Streben nach irgendeiner Art von Erfolg. [David Rothkopf, Autor von Die Super-Klasse: Die Welt der internationalen Machtelite, 2008]
Es handelt sich um ein privates, also geheimes Treffen selbsternannter Entscheidungseliten im Sinne einer neoliberalen Wertegemeinschaft. In der Politik würde man das Klüngelrunde nennen. Da treffen sich Entscheidungsträger aus der Wirtschaft mit handverlesenen und ideologiegeprüften Vertretern der Politik und diskutieren eine politische Agenda. Das ist eine absolut vordemokratische Veranstaltung. Demokratie braucht Transparenz und Legitimation. Beides geht der Bilderberg-Konferenz komplett ab. Das ist vollkommen inakzeptabel.  
[Rico Gebhardt, Die Linke, im Interview: Bilderberg-Konferenz: "Das ist eine absolut vordemokratische Veranstaltung", Marcus Klöckner, Telepolis, 20.04.2016] 

siehe auch:
- "Es ist eine Privatisierung und Re-Oligarchisierung der Politik zu beobachten" (Marcus Klöckner im Interview mit Björn Wendt, Telepolis, 08.06.2015)
Ralf Dahrendorf, Daniel Bell, Zbigniew Brzezinski oder Joseph Nye waren etwa bei Bilderberg, um nur vier prominente Beispiele zu nennen. Dieses Involviert-Sein der Sozialwissenschaften auf der einen Seite und ihr Desinteresse an der wissenschaftlichen Thematisierung der Bilderberg-Konferenz im öffentlichen Raum auf der anderen Seite, erschien mir erklärungsbedürftig. Auch für die an der Bilderberg-Konferenz teilnehmenden Journalisten und Politiker lässt sich dieser Zusammenhang von Involviert-Sein und Nicht-Thematisierung nachzeichnen. Die Summe dieser Nicht-Thematisierungen erzeugt ein Vakuum im öffentlichen Diskurs zur Thematik, das seit den 1970er Jahren vermehrt durch verschwörungstheoretische Deutungsversuche gefüllt wurde. [Sozialwissenschaftler Björn Wendt in obigem Interview]

Europa driftet nach rechts: Systemfrage Mensch

Europa driftet nach rechts. Das liegt nicht am System, sondern am Menschen. Eine Polemik
Ganz knapp haben rund 30.000 Österreicher einen rechten bis rechtsradikalen Bundespräsidenten verhindert. Ein Glück. Aber die Wahl zeigte auch, wie weit der braune Sumpf sich in die bürgerliche Mitte vorgedrängt hat. Für die (faktisch vorhandenen) Verfehlungen der Politik machen Linke wie Rechte wieder mal das böse System verantwortlich und gehen unangenehme rhetorische Allianzen ein. Dabei sind die eigentlichen Probleme mitnichten systematisch - sondern allzu menschlich. Nichts demonstriert das besser als der grassierende Rechtsruck.


"Lechts und rinks", dichtete Erich Jandl 1966, "kann man nicht / velwechsern. / werch ein illtum." Das Gedicht dürften die meisten noch aus der Schule kennen. Es hat an Aktualität nichts eingebüßt. Die klassischen Themen der Linken besetzen heute die Rechten wieder - auf perfide Weise. Die Ablehnung des Systems, des Establishments, der Lobby-Republik, der katastrophalen Sozialpolitik. Und so weiter. All das steht bei Pegida neben ausländerfeindlichen Parolen auf den Fahnen, in ähnlich aggressivem Ton wie bei manch linker Demo. Wenn gegen TTIP aufmarschiert wird, versammeln sich Zehn- bis Hunderttausende, die Antifa ist ebenso darunter wie die NPD und Pegida-Anhänger. Wie geht das zusammen?
mehr:
- Rinks und Lechts: Systemfrage Mensch (Gerrit Wurstmann, Telepolis, 04.06.2016)

mein Kommentar:

Wenn von heute auf morgen Antibiotika verboten würden, würden wohl ebenso Antifa-, NPD- und Pegida-Anhänger zusammen auf die Straße gehen. Da würde sich keiner wundern. 
Könnte es deshalb sein, daß es den Menschen aller politischen Couleur gegen den Strich geht, Chlorhühnchen oder genmanipulierte Lebensmittel vorgesetzt zu bekommen oder eine flächendeckende Wasserprivatisierung erleben zu müssen? (Nur, weil dadurch irgendwelche Lebensmittel oder Verbrauchsgüter 2 bis 3 Prozent billiger werden)
„We do not use Germany as a launching point for unmanned drones as part of our counter-terrorist activities. I know that there have been some repors here in Germany that that might be the case. It is not.“ [Obama: Deutschland nicht Startpunkt der Drohnen-Einsätze, Das Erste, Panorama, 19.06.2013]
siehe dazu auch:
Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Agnieszka Brugger, Omid Nouripour, Katja Keul, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 18/237 – Hinweise auf völkerrechtswidrige Praktiken der USA von deutschem Staatsgebiet aus und die diesbezüglichen Kenntnisse der Bundesregierung, Vorbemerkung der Fragesteller, [23.12.2013, dip21.bundestag.com]

Und noch eine Frage:
Wenn, wie mehrere Zeitungsartikel berichten, der Drohnenkrieg der USA z.B. in Pakistan über Ramstein gesteuert wird, die Bundesregierung untätig bleibt und parlamentarische Anfragen abschlägig beantwortet,
könnte es sein, 
daß dies für Deutsche jeglicher politischen Couleur unerträglich ist?
siehe dazu:
- Ramstein und der US-amerikanische Drohnenkrieg (Post, 26.04.2015)
- Berlin ignoriert Beweise für Drohnensteuerung in Ramstein  (Post, 26.04.2015)
- Willy Wimmer über Deutschland als Kolonialgebiet (Post, 26.04.2015) 
Egon Bahr: Drei Briefe und ein Staatsgeheimnis (Post, 27.05.2015)
- Hans-Peter Kaul in seinem letzten Interview "Deutschland hat sich von der amerikanischen Bevormundung gelöst" (Friederike Bauer im Gespräch mit Hans-Peter Kaul, Tagesspiegel, 05.08.2014)
In seinem letzten posthum im Tagesspiegel publizierten Interview, erklärte Kaul, er sei im Laufe seines Lebens zum Pazifisten geworden, denn der „Einsatz bewaffneter militärischer Gewalt [...] führt fast automatisch zu Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen. Es gibt keinen Militäreinsatz ohne Verbrechen“.[14] [Hans-Peter Kaul, Aktivitäten, Wikipedia]