Samstag, 10. November 2018

Die Katastrophe von Flug MH17 und der Ukraine-Konflikt

Die Katastrophe von Flug MH17 und der Ukraine-Konflikt müssen gemeinsam betrachtet werden.

Der niederländische Politikwissenschaftler Kees van der Pijl hat ein Buch zum Abschuss des Verkehrsflugzeugs MH17 im Jahr 2014 über der Ostukraine geschrieben. Zumindest könnte man das beim Blick auf Titel und Buchcover glauben. Tatsächlich spielt der Abschuss des zivilen Jets mit knapp 300 Todesopfern darin eher eine Nebenrolle. Trotzdem ist das Buch höchst empfehlenswert — enthält es doch die bislang beste Gesamtdarstellung des Ukraine-Konflikts in deutscher Sprache. Van der Pijl liefert eine umfassende Analyse, die sich jeglicher politischer Naivität enthält.

Sowohl für Russland als auch für die USA gibt es andere Prioritäten als die Wahrheit über MH 17 zu enthüllen. Sehr schnell räumt Kees van der Pijl in seinem Buch „Der Abschuss“ mit der Hoffnung auf, in diesem Werk eine Antwort auf die seit Jahren schwelende Frage nach den Tätern zu erhalten. Die militärischen Aufklärungsdienste beider Staaten wissen zwar definitiv, wer das malaysische Linienflugzeug am 17. Juli 2014 über der Ostukraine abgeschossen hat. Jedoch behalten sie dieses Wissen für sich. Für alle anderen Aufklärer verschleierte der „Nebel des Propagandakriegs“ unmittelbar nach dem Verbrechen die entscheidenden Details.

Van der Pijl, der lange Jahre Internationale Beziehungen an der University of Sussex in Großbritannien lehrte, verweist auf das US-Militär, das am Tag des Abschusses exakt über der Region einen Satelliten positioniert hatte. Dieser ist Teil der US-Raketenabwehr und sei speziell zur Feststellung und Aufzeichnung von Raketenstarts konstruiert. Der damalige US-Außenminister John Kerry betonte drei Tage nach dem Abschuss in mehreren Fernsehinterviews, dass die USA die entscheidenden Satellitenbilder besitzen (1).

Während das US-Militär jedoch in anderen Situationen hochaufgelöste Satellitenfotos von russischen Truppenkonzentrationen an der ukrainischen Grenze veröffentlichte, warten Aufklärer auf die Bilder des MH-17-Abschusses bis heute vergeblich (2).

„Obwohl die US-Überwachung in der Lage ist, alles zu überblicken und zu wissen, was in den entferntesten Ecken und Winkeln der Welt passiert, schweigt Washington beharrlich und weigert sich, eigene Informationen herauszugeben“, schreibt van der Pijl.

Die NATO, deren AWACS-Flugzeuge ebenfalls den ukrainischen Luftraum überwachten, behauptete, MH 17 sei zum Zeitpunkt des Abschusses schon außerhalb deren Beobachtungsbereichs gewesen.

Geopolitische Überlegungen sind wichtiger


Doch auch die russische Regierung habe „eine seltsame, Misstrauen erregende Position“ bei der bisherigen Auseinandersetzung mit dem Verbrechen eingenommen, schreibt der niederländische Politikwissenschaftler. Moskau legte selbst keine überzeugenden Gegenbeweise vor und überließ die Angelegenheit vor allem dem Rüstungskonzern und BUK-Raketen-Hersteller Almas-Antei sowie privaten Quellen. Van der Pijl vermutet, Russland wolle der NATO durch eine Herausgabe eigener Bilder nicht ermöglichen, Rückschlüsse über russische Radarkapazitäten zu ziehen.

Zudem habe Moskau seine eigene Unfähigkeit erkannt, die internationale Nachrichtenlage so zu beeinflussen, wie dies der Westen kann, erläutert der Autor. Diese „offenkundige Überlegenheit des Westens im Nachrichtenmanagement“ habe der MH-17-Fall deutlich dokumentiert. Klar ist letztlich: Beide Mächte hätten zwar die Möglichkeit, alle Spekulationen um MH 17 auf einen Schlag zu beseitigen, doch für sie sind geopolitische Überlegungen weitaus wichtiger als die Aufklärung des Abschusses, der womöglich hinter den Kulissen als Druckmittel eingesetzt werden kann.

Warfen westliche Akteure und Flugunfallermittler des Dutch Safety Boards (DSB) Russland gern Manipulationen an einigen vom Militär gelieferten Bildern vor, so hatten dieselben Leute kein Problem damit, dass die ukrainische Regierung solche Informationen überhaupt nicht vorlegte.

Die reguläre Luftabwehr der Ukraine war am 12. Juli, also wenige Tage vor dem Abschuss, in Alarmstufe 1 versetzt worden, unterstreicht van der Pijl. Trotzdem behauptete Kiew, dass kein ukrainisches militärisches Radar an diesem Tag aktiv gewesen sei. Dies widerspreche jedoch sämtlichen Beweisen und selbst den eigenen Befehlen, so der Wissenschaftler. Das zivile Radar der ukrainischen Flugsicherung sei übrigens ebenfalls ausgeschaltet gewesen — wegen Wartungsarbeiten.

Ukrainisches Vetorecht — ein „erstaunlicher Vorgang“


Da sich kein staatlicher Akteur mit Beweisen beteiligen will, sind Aufklärer des Verbrechens stark auf Plausibilitäten und Schlussfolgerungen angewiesen. So sei es beispielsweise ein „erstaunlicher Vorgang“ und eine „Neuheit in der modernen Luftfahrtgeschichte“, dass die Ukraine ein Vetorecht in den internationalen Strafermittlungen des Joint Investigation Teams (JIT) erhalten habe, schreibt van der Pijl. Dabei dürfte die Ukraine eigentlich nicht einmal an diesem Gremium beteiligt sein (3).

Diese Vereinbarung, nichts gegen den Willen Kiews zu veröffentlichen, sei so „dubios“, dass die niederländische Regierung die Abmachung erst Monate später öffentlich bestätigte. Die ukrainische Nachrichtenagentur Unian sah darin sogar eine Art indirektes Schuldeingeständnis. So viel Plausibilität darf sein.

Und so sei das Vetorecht zu einem beträchtlichen Teil dafür verantwortlich, dass die Ermittlungseinrichtungen bislang nur eins zu eins die Vorwürfe von einer russischen BUK als Tatwaffe wiederholten, die der ukrainische Innenminister Arsen Awakow und sein berüchtigter Mitarbeiter Anton Geraschtschenko (4) bereits unmittelbar nach dem Abschuss des Flugzeugs verbreiteten.

Auch seien die großen westlichen Medien zu keinem Zeitpunkt von dieser Version abgerückt, betont van der Pijl. „Die Mainstream-Medien schlossen die Untersuchung ab, lange bevor das offizielle Urteil veröffentlicht wurde.“ Exemplarisch erwähnt er eine vergleichende Studie der Universität Stockholm, die die Einseitigkeit von CNN in der Berichterstattung über den Ukraine-Konflikt belege.

mehr:
- Der Abschuss (Stefan Korinth, Rubikon, 10.11.2018)

Mein Kommentar:
Von der Ukraine hört man viel Erstaunliches.
Erstaunlich, wenn ein gepanzerter russischer Konvoi die Grenze zur Ukraine durchbricht, bei einem Feuergefecht »teilweise zerstört« wird, erstaunlich, wenn die britischen Journalisten, die dabei sind, es nicht schaffen, davon Bilder zu machen,
erstaunlich, wenn NATO-Generalsekretär Rasmussen und der ukrainische Präsident Poroschenko den Vorfall bestätigen – und wenige Tage später dieser Vorfall aus sämtlichen Medien verschwunden ist – als ob es ihn nie gegeben hätte. 
(Wahrscheinlich HAT es ihn NIE gegeben!)
- Ukraine-Konflikt: Wenn Hysterie brandgefährlich wird (Christian Neef, SPON, 16.08.2014)
Ukraine 15 – Die – zumindest teilweise – Vernichtung eines gepanzerten russischen Phantom-Konvois (Post, 15.08.2014)

Erstaunlich, wenn die »prorussischen Separatisten« ein Flugzeug abschießen – jeder auf dem internationalen Parkett versucht, eine gute Figur zu machen – erstaunlicherweise mit einer Rakete, die sie angeblich gar nicht haben. Es ist erstaunlich, wenn die Separatisten vor laufenden Kameras die toten Absturzopfer beklauen und ihre Kommandeure triumphierend Spielzeug getöteter Kinder hochhalten – wieder vor laufenden Kameras.
Dazu – und noch einiges mehr:
- Unsere Qualitätsmedien: Das sind keine Irrtümer; das sind Lügen, Propaganda und Zensur! (Post, 09.12.2014)

Es erstaunt, wenn der ukrainische Verteidigungsminister Walerij Geletej Journalisten gegenüber behauptet, der Flughafen der ostukrainischen Stadt Luhansk sei möglicherweise mit nuklearen Gefechtsköpfen von einem Granatwerfer des Typs "2S4 Tjulpan" beschossen worden. 

Das stellte sich erstaunlicherweise innerhalb kürzester Zeit als Fehlinformation heraus!
- Kiews Verteidigungsminister erntet Spott für Bericht über Atomschlag (SPON, 22.09.2014)

Es erstaunt ebenfalls, daß – nach Auskunft der Ukraine – am Tag des MH17-Unglücks das ukrainische militärische Radar inaktiv war und auch das zivile Radar der ukrainischen Flugsicherung – wegen Wartungsarbeiten – ausgeschaltet war.
Mich beeindruckt die Parallele:
Ist es nicht erstaunlich, daß beim Anschlag vom 11. September die US-Luftabwehr versagte?
Und ist es nicht erstaunlich, daß gerade am 11. September ein halbes Dutzend ziviler und militärischer Notfallübungen durchgeführt wurden, unter anderem »Vigilant Guardian«, weswegen auf den Radarschirmen der nördlichen USA zeitweilig nicht zwischen virtuellen (im Rahmen der Übung erzeugten) und realen Flugzeugen unterschieden werden konnte? 
Dazu:
- 9/11 – Die Planspiele am 11. September – Spekulation und Wirklichkeit (Post, 31.03.2019)

Abgesehen von den nie von irgend jemandem vorgelegten Original-Satellitenbildern muß es erstaunen, wenn die Länder, die beim Joint Investigation Team mitmachen, sich darauf verständigen, daß jedes Mitglied – also auch die möglicherweise als Mitverantwortliche infrage kommende Ukraine – ein Veto-Recht bezüglich des Abschlußberichts hat.

Dann zu den Medien und der Politik:
Es ist erstaunlich, daß sowohl nach dem Anschlag auf die Berliner Diskothek La Belle wie auch nach dem 9/11-Anschlag, dem MH17-Unglück und der Vergiftung von Tochter und Vater Skripal innerhalb kürzester Zeit der Öffentlichkeit die Schuldigen präsentiert wurden – und alle Leitmedien die Schuldzuweisungen »schluckten«… und weiterverbreiteten.