Dienstag, 6. November 2018

Neuer Tötungsgrund in den USA: Bockigkeit

Nach der Tat soll er sich selbst getötet haben. Die Geschichte schreckte deswegen auf, weil die Gewalt nicht von außen durch Ausländer geschah, wie im Wahlkampf propagiert, sondern weil das Böse wieder einmal mitten in der Gesellschaft aufbrach

Es ist eine Nachricht, die sich schnell in allen amerikanischen und internationalen Medien verbreitete. Schließlich ist innerfamiliäre Gewalt höher als die gerade in den USA von Trump - oder in Deutschland von der AfD - beschworene Gewalt durch illegale Einwanderer. Aber das lässt sich politisch im Wahlkampf kaum ausschlachten, ohne potentielle Wähler abzuschrecken.

Aber Medien sehen dennoch offenbar, dass die Meldung Aufmerksamkeit erzeugt - und vermutlich Angst verbreitet. Müssen jetzt Großeltern und Eltern vor ihren Enkeln oder Kindern Angst haben, wenn sie diese zu etwas auffordern, was sie nicht machen wollen? Ist man zu aufdringlich, kommen die Kinder, holen sich die Schusswaffen, die man im Haus hat, um Eindringlinge abzuwehren, und töten. Gleichwohl spiegelt das Ereignis den Gewaltpegel, der im Land herrscht. Überall kann die Gewalt ausbrechen, noch dazu in einer Gesellschaft, die in Schusswaffen schwimmt.

In dem Fall hat eine 65-jährige Großmutter in einem Ort bei Phoenix, Arizona, offenbar ihren Enkel am vergangenen Samstag damit belästigt, dass sie ihn mehrmals aufgefordert hatte aufzuräumen. Das ging dem Jungen offenbar gegen den Strich – die Polizei schreibt, er sei "bockig" gewesen – , so dass er sich um 17 Uhr eine Schusswaffe, die seinem Großvater gehört und an die er problemlos herankam, nahm und die Großmutter von hinten erschoss, als sie vor dem Fernsehgerät saß. Das klingt weniger nach einer verzweifelten Tat, der Junge scheint nicht die Beherrschung verloren zu haben und ausgerastet zu sein, er holte sich erst einmal die Schusswaffe und exekutierte seine Großmutter cool.

mehr:
- USA: Elfjähriger soll seine Großmutter aus "Bockigkeit" erschossen haben (Florian Rötzer, Telepolis, 06.11.2018)
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Mein Kommentar:
Vorsicht Hobbypsychologie:
Wenn ein Elfjähriger nicht ausrastet, sich eine Schußwaffe holt und dann die Großmutter erschießt, hört sich das nicht nach einer Verzweiflungstat und nicht nach dem Verlust der Selbstbeherrschung an. 
Die Tatsache, daß der Elfjährige seinem Leben danach selbst ein Ende setzt, zählt nicht. 
Setzen! Eins plus!

Die Barbarisierung der deutschen Gesellschaft

Die Schlagzahl der schlechten Nachrichten begräbt manches unter sich, was nicht begraben sein sollte. Ein Kommentar

"Innehalten" ist so ein schönes Wort, das von Protestanten und Entspannungstrainern gern benutzt wird. "Innehalten" verheißt Einsicht beim Urlaub von der Geschwindigkeit. Aber das ist gar nicht so einfach, weil man dann manchmal sieht, was man bei höherer Geschwindigkeit einfach links liegen lassen könnte.

"Komplex Lacrima"

Kennen Sie den "Komplex Lacrima"? Ende September dieses Jahres berichtete Frontal 21, dass offenbar ein V-Mann des Berliner Verfassungsschutzes im Sommer 2015 einem damals 16-Jährigen die Reise nach Syrien zum IS finanziert hat. Flugticket und Geld waren vorhanden, der V-Mann brachte den Jugendlichen sogar zum Flughafen Tegel.

Erst an der syrischen Grenze würde der Möchtegern-Gotteskrieger von den türkischen Behörden geschnappt und nach Berlin abgeschoben. Über den V-Mann hat er heute folgende Meinung: "Er schickt Jugendliche, Kinder in den Tod. Ich weiß nicht, ob er weiß, was es heißt, wenn eine Mutter oder ein Vater ein Kind verliert. Das ist unmenschlich und kriminell, was er gemacht hat."

Wie er für sein Himmelfahrtskommando aufgeputscht und angeworben wurde, beschreibt er in dem Bericht von "Frontal 21". Wundert es einen noch, dass dies nur ein Detail aus dem "Komplex Lacrima" ist?

Der heißt so, weil das Bundeskriminalamt die Beobachtung der Gruppe, aus der später der Breitscheidplatz-Attentäter Anis Amri hervorging, als "Gefahrenabwehrvorgang Lacrima" bezeichnete. Der Kindersoldatenwerber Emanuel P. wurde laut "Frontal 21" vom Berliner Verfassungsschutz auf genau diese Gruppe angesetzt. Wundert es einen noch, dass der Berliner Verfassungsschutz weiterhin existieren darf?

"Frontal 21" berichtete also. Der Tagesspiegel, n-tv, rbb und andere berichteten auch, alle mit Berufung auf "Frontal 21", alle am gleichen Tag.

Dann ging dieser spezielle Aspekt des "Komplexes Lacrima" nicht in einem Meer von Tränen, sondern von Gleichgültigkeit unter. Das Publikum hatte offenbar nicht viel Interesse daran, dass der Berliner Verfassungsschutz dem Islamismus Unterstützung gewährte, den es angeblich bekämpfte. Die Todsünde, zu diesem Zweck Minderjährige einzusetzen, änderte daran nichts.

mehr:
- Halb versteckte Anzeichen für die Barbarisierung in der deutschen Gesellschaft (Marcus Hammerschmitt, Telepolis, 06.11.2018)

Unveräußerliche Rechte – Angriff auf unsere Werte?

In der November-Ausgabe ihrer Kolumne „Unter Tieren“ ist Hilal Sezgin es Leid, in Sachen Tierrechte für dogmatisch gehalten zu werden.

Die (Groß)Demonstration als Protestform hat dieses Jahr ein Revival erlebt, auch unter Linken. Es gingen nicht mehr nur die Fremdenfeinde massenhaft auf die Straße, sondern auch solidarische Menschen gegen Rechts, die Verteidiger des Hambacher Forsts und diejenigen, die es befürworten, Flüchtlinge vor dem Ertrinken zu retten. Auch Veganer und Veganerinnen, Tierrechtler und Tierrechtlerinnen demonstrierten mit; und zusätzlich marschierten sie in vielen deutschen (und europäischen) Städten für die Schließung von Schlachthöfen und für die Rechte der Tiere.

Was aber sind eigentlich Tierrechte: moralische Rechte? Oder gesetzlich garantierte? Zum Teil verdankt sich die Verwirrung schlicht der Tatsache, dass es zwei Ebenen gibt, die sich auch im allgemeinen Sprachgebrauch widerspiegeln. Wenn man sagt: Tiere haben Rechte, ist eher gemeint: in moralischer Hinsicht. Auf der Ebene der Argumente. „Tiere brauchen Rechte“ weist darauf hin, dass diese Rechte erst noch gesetzlich verankert werden müssen.

Moralisch gesehen, besitzen Tiere das Recht auf ihr eigenes Leben. Um ihrer selbst willen. Der Wert ihres Leben erklärt sich nicht durch seinen „Nutzen“ für andere, insbesondere für menschliche Zwecke. Alle fühlenden Lebewesen haben ein eigenes Lebensrecht und leben, kantianisch ausgedrückt, ihren eigenen Zwecken.

Daraus folgt unter anderem, dass ein solches Lebewesen nicht per Gesetz zum Eigentum eines anderen erklärt werden darf. Denn wie könnte sich ein Individuum, das seinen eigenen Willen und sein eigenes Wohlergehen hat, im Besitz von jemand anderem befinden und seiner Verfügungsgewalt unterstehen?

mehr:
- Unter Tieren – Unveräußerliche Rechte (Hilal Sezgin, Frankfurter Rundschau, 06.11.2018)

Artikel von Hilal Sezgin bei der taz

siehe auch:
- Vorwurf der Tierquälerei in Brandenburg – Rinder in Bio-Schlachthof offenbar nicht fachgerecht betäubt (09.11.2018)
- VEREINE FILMEN ILLEGAL IM SCHLACHTHOF – Das sagen Landwirte zur Tierschutz-Debatte im Landtag (Lars Laue, Nordwest-Zeitung, 08.11.2018)
mein Kommentar: 
Wieso Video-Aufnahmen, die ein Verbrechen dokumentieren, illegal sein sollen, erschließt sich mir nicht
- Deutsches Tierschutzbüro erstattet Strafanzeige gegen Rinderschlachthof in Oldenburg und fordert sofortige Schließung - Videomaterial belegt Tierquälerei (Presseportal, Deutsches Tierschutzbüro, 06.11.2018)
- Tierschutz will schockierende Schlachthof-Szenen aus Oldenburg zeigen  (News38, 06.11.2018)
- Tierschutz: Warum sollten wir uns selbst ans Bein pinkeln? und die Relativität von Moral (Post, 02.03.2018)
- Tierquälerei, Emotionen, Nicht-Wissen und der Rechtsstaat (Post, 16.02.2018)
- Gastbeitrag: Tierschutz und Agrarlobby (Post, 22.10.2017)
- Buddhist gegen Tierleid (Post, 28.09.2015)
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