PICO IYER, INFORMATIONSEXPLOSION
DIE GRÖSSTE Veränderung des letzten
Vierteljahrhunderts hat sich zweifellos im privaten und nicht im öffentlichen
Bereich ereignet. So gut wie jeder Leser einer Zeitschrift hat heute mit seinem
Laptop Zugang zu Informationen, die früher allenfalls einigen wenigen zugänglich
waren, wenn überhaupt. Wie oft bemerkt, wird die Datenmenge, welche die gesamte
Geschichte hindurch bis zum Jahr 2003 hervorgebracht wurde, heute alle zwei Tage
erzeugt. Bald wird sie alle zehn Minuten produziert werden.
Die Veränderung, der
wir uns alle gegenübersehen, ist der Wandel von zuwenig Information hin zu
zuviel, von zu wenigen Wahlmöglichkeiten zu zu vielen, vom deutlichen
Bewußtsein der eigenen Unwissenheit zu einem täuschenden Gefühl des Bescheidwissens.
Das hat vielleicht eine gewisse Ähnlichkeit mir dem, was den Ostdeutschen beim
Fall der Mauer passiert ist, trifft jedoch insbesondere für die vielen Leser einer
Zeitschrift zu, die sich 1988 nicht unterprivilegiert oder eingesperrt fühlten,
sondern den Eindruck hatten, so viel Information, Wahlmöglichkeiten und
Zerstreuung zu haben, wie sie brauchten.
Es ist einfach, auf
Krieg und Terroranschläge und Persönlichkeiten zu verweisen, die das letzte
Vierteljahrhundert stark geprägt haben, doch im Guten wie im Bösen hat es Kriege
und Terroranschläge und Persönlichkeiten schon immer gegeben. Es ist möglich,
auf Kräfte wie den Klimawandel zu verweisen, auf große, globale Entwicklungen,
mir denen wir uns jetzt alle befassen müssen, was wir 1988 noch nicht getan
haben. Doch der Wandel, der so viele von uns betrifft, in jedem Augenblick, in
dem wir wach sind – und manchmal auch, wenn wir schlafen –, hat mit der
plötzlichen Datenexplosion, der Beschleunigung und Fragmentierung unseres
Lebens zu tun.
Die Buchstaben www kamen 1989 in die Welt. Zehn Prozent
aller Photographien, die seit Bestehen der Menschheit gemacht wurden, wurden
2011 aufgenommen. 1986 waren sechs Prozent der weltweiten Daten digital, heute
sind es über 99 Prozent. Die meisten von uns sind aus einem behaglichen Zuhause
in eine verrückte, rund um die Uhr geöffnete Shopping-Mall gezogen, mit
Bildschirmen und Monitoren, die uns von allen Seiten entgegenleuchten.
Einem großartigen
Diktum Ralph Waldo Emersons zufolge wird die Welt nie von Menschen erneuert
werden, die sich nicht die Zeit genommen haben, sich selbst zu erneuern. Und
unsere globale Umgebung wird nicht verwandelt werden, bevor einige von uns
versucht haben, sich selbst zu verwandeln. Vielleicht stellt uns also der große
Wandel der letzten 25 Jahre vor die Frage, wie wir uns selbst verändern werden:
indem wir nicht zur Geisel all der Zerstreuungen werden, die uns heute zur
Verfügung stehen – der durchschnittliche Amerikaner verbringt achteinhalb
Stunden täglich vor einem Bildschirm –, und indem wir nicht unsere jüngsten
Spielzeuge auf Kosten aller unserer ältesten Wahrheiten hochjubeln. Nicht weit
von dem Ort, an dem ich dies schreibe, hat eine Teenagerin 300 000 Textnachrichten
in einem Monat verarbeitet – mit anderen Worten: zehntausend am Tag oder zehn
in jedem wachen Moment ihres Lebens während eines Monats. 1988 gab es keine
Textnachrichten.
Wenn Sie glauben, daß
die Welt, die wir sehen, zu einem gewissem Grad das Produkt unseres Denkens
ist, dann lassen Sie unsere Gedanken über mögliche Veränderungen – im letzten
Vierteljahrhundert und im nächsten – im Inneren beginnen. ◆
aus dem Englischen von Florian Wolfram
PICO IYER geb. 1957 in England. Der indischstämmige Essayist und Reisereporter studierte in Oxford und Harvard. Über zwanzig Jahre war er Korrespondent für Time. Heut ist er als freier Autor auf allen Kontinenten unterwegs und entdeckt zwischen Globalisierung und Mystik, Flughafen und Kloster immer neue Facetten seiner selbst. Auf seiner langjährigen Freundschaft mit dem Dalai-Lama beruht eine Biographie über den Tibeter. Er bezeichnet sich selbst als global village on two legs und lebt in Kalifornien und Japan.
Frank Rieger
EFFIZIENZWAHN
Zur Konkurrenz von Mensch und Maschine im digitalen Kapitalismus
Leseprobe
Was it a huntsman or a player
That made you pay the cost
That now assumes relaxed positions
And prostitutes your loss?
Were you tortured by your own thirst
In those pleasures that you seek
That made you Tom the curious
That makes you James the weak?
And you claim you got something going
Something you call unique
But I've seen your self-pity showing
As the tears rolled down your cheeks
Soon you know I'll leave you
And I'll never look behind
'Cos I was born for the purpose
That crucifies your mind
So con, convince your mirror
As you've always done before
Giving substance to shadows
Giving substance ever more
And you assume you got something to offer
Secrets shiny and new
But how much of you is repetition
That you didn't whisper to him too