Nach Freud sind Träume der Königsweg zum Unbewußten. Manchmal allerdings auch Anstoß, eine Bestechung zuzugeben. Falls also Clown Silvio Berlusconi (Steinbrück bekommt inzwischen sogar von Bernhard Paul Feuer) nicht wieder hinter der italienischen Polit-Betonmauer Schutz findet, die ihm Immunität (letzter Absatz) gewährt, könnte es jetzt – endlich – eng für ihn werden. Annähernd 30 Prozent der Italiener haben nach 10 Jahren Berlusconis göttlicher Kommödie anscheinend immer noch nicht die Nase voll von ihm, der Vater von Mitte-Links-Politiker Sergio De Gregorio schon: Der erschien nämlich seinem Sohn im Traum und spornte ihn an, sich von seinen Bürden zu befreien. Papa hatte einen guten Grund, den Münchener Aloisius einige Zeit allein frohlocken zu lassen.
Sohn Sergio war nämlich klar geworden, daß einige Parlamentsabgeordnete eine Art »Nürnberg für Politiker« fordern würden. (Ich weiß ja nicht, was in diese Abgeordneten gefahren ist.) Die Staatsanwaltschaft Neapel ermittelt nämlicht neben Silvio Berlusconi auch gegen Sergio De Gregorio wegen Korruption und illegaler Parteienfinanzierung. Und da er »nicht in die Geschichte eingehen [wollte] als Senator, der in Handschellen aus dem Palazzo Madama abgeführt wird«, hat Sohn Sergio nun gegenüber der Zeitung La Stampa zugegeben, von Berlusconi im Jahr 2006 insgesamt 3 Millionen Euro erhalten zu haben. (Voraussetzung: Dieses Geständnis ist nicht wieder eine erneute Lüge.) Dieses Geld bewog De Gregorio dazu, Mitglied der Partei Popolo della Libertà (PdL) zu werden. (Volk der Freiheit… Freiheit für wen?) Und das wiederum hatte zur
Folge, dass die damalige Mitte-links-Koalition unter Romano Prodi
zusammenbrach. Nachdem nämlich De Gregorio einige Zeit dem Verteidigungsausschuss im
Mitte-links-Bündnis vorgestanden hatte, wechselte er ins Oppositionslager
zu Berlusconi. Und aus der darauf folgenden Wahl ging Berlusconi mit
Abstand als Sieger hervor. (Copy & Paste aus SPIEGEL Online)
Ob damals Papa De Gregorio seinem Filius Sergio im Traum geraten hat, das Bestechungsgeld anzunehmen, weil dieser damals hoch verschuldet war, darüber ist nichts bekannt. Auch gehören Vermutungen, daß Papst Benedikt XVI. sich mit De Gregorios Vater ins Benehmen gesetzt hat, um dessen Sohn zu diesem Geständnis zu bewegen, ins Reich der Spekulation. Jedenfalls hat Sergio De Gregorio, dem Beispiel Jesus’ folgend, getan, was sein Vater sagte. Es ist zur Zeit noch nicht klar, für wen sich De Gregorio opfert – möglicherweise steckt er ja wieder in finanziellen Nöten… Auch hat sich Peer Steinbrück noch nicht darüber geäußert, wie er De Gregorio titulieren will. Da zur Zeit kein Besuch eines hochrangigen italienischen Ministers ansteht, hat er eigentlich freie Wahl.
Was die Italiener dazu sagen, daß Träume im politischen Geschehen der Republik eine große Rolle spielen, darüber darf auch spekuliert werden. Solche Äußerungen hätte ich bis zur Lektüre dieses Artikels nur schwarzafrikanischen, südamerikanischen oder fundamentalistischen islamischen Politikern zugetraut. Anscheinend habe ich mich da geirrt. Ich jedenfalls wäre gespannt darauf, was solche alten Haudegen wie Helmut Schmidt oder Peter Scholl-Latour zu Politikern zu sagen haben, die ihre Geständnisse durch Träume von Familienmitgliedern begründen. Ehrlich gesagt: wahrscheinlich nichts…
In seiner vielkritisierten Rede zitierte Papst Benedikt XVI. Kaiser Manuel II. Palaeologos mit den Worten »Nicht vernunftgemäß handeln ist dem Wesen Gottes zuwider.« Benedikt läßt auch nicht unerwähnt, daß es in der christlichen Kirche unterschiedliche Strömungen in der Beurteilung der Vernunft im Verhältnis zu Gott gab und gibt. Welches Verhältnis De Gregorio zur Vernunft hat, und welches Verhältnis die Menschen zur Vernunft haben, die er hofft, mit einer solchen Begründung erreichen zu können, ist mir unklar. Aber diese Art von Vernunft, die mir da aus der Lektüre des SPIEGEL-Artikels entgegenspringt, macht mich zusammenzucken. Und ich fürchte, daß da auch weder Beten noch Meditieren hilft.
Anscheinend haben die Alpen in der Euro-Zone doch eine größere Bedeutung als ich bisher dachte. (Vielleicht muß man da auch die Sonnenstrahlung in die Überlegungen miteinbeziehen.) Das Geständnis von De Gregorio bzw. seine Begründung gibt mir sehr zu denken über das Ausmaß von Vernunft, dem sich südeuropäische Politiker verpflichtet fühlen und was sie ihren Wählern vorsetzen zu können glauben. Und ich muß wohl auch vorsichtiger sein in meiner Einschätzung der Menschen, denen man so etwas erzählen kann und denjenigen, die diesen Bongo-Bongo-Chauvi nochmals gewählt haben. Wer solche Partner in der Euro-Zone hat, braucht sich um Feinde keine Gedanken zu machen. Und wenn dann in einigen Jahren die Türkei in die EU aufgenommen wird, werden wir uns möglicherweise nach solchen Zeiten wie der jetzigen sogar zurücksehnen.
Samstag, 2. März 2013
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