Mittwoch, 25. März 2020

Wie aussagekräftig sind die Corona-Tests?

Ist der Corona-Test so zuverlässig wie oft gesagt wird? Sind die derzeitigen Zahlen zur Epidemie valide genug, um die damit einhergehenden Maßnahmen zu rechtfertigen? Eine Kollegin hat dazu einige Daten zusammengetragen und vertritt eine andere Sichtweise als die Mehrheit.

Ein aktuell zunehmend diskutiertes Problem ist die möglicherweise hohe Fehlerrate der PCR‑Tests. Eine Validierungsstudie, deren Ergebnisse ein chinesisches Forschungsteam Anfang März in der Fachpresse publizierten, ergab eine Falsch-Positiv-Rate von mindestens 50%, potenziell sogar von 80%.[1]

Bei den in Deutschland verwendeten Tests ist die genaue Fehlerrate unbekannt, da für diese keine Validierungsstudien existieren. Daher sind die Tests amtlich auch nicht validiert, sondern lediglich von miteinander kooperierenden Instituten "befürwortet" worden.2 Laut der Originalpublikation der Entwickler wurde der Test in einem Schnellverfahren in Abwesenheit originaler Patientenproben oder SARS‑CoV‑2-Isolate erarbeitet.[3] Design und Validierung wurden stattdessen durch die genetische Verwandtschaft mit dem SARS‑CoV (von 2003) ermöglicht, unterstützt durch Anwendung der synthetischen Nukleinsäuretechnologie.


Die Frage nach der Kausalität

Die nächste Hürde besteht darin, dass die PCR ein indirektes Testverfahren darstellt, welches lediglich anzeigt, ob eine Person Kontakt mit einem Erreger hatte. Dies bedeutet nicht automatisch, dass diese Person auch Krankheitssymptome entwickelt oder gar verstirbt. Was ein positiver Test also nicht beantworten kann, ist die Frage nach Ursache oder Nebensache, ob die Menschen also durch oder mit SARS-CoV-2 verstorben sind.

Dies wäre aber eine entscheidende Frage. Eine Untersuchung der medizinischen Aufzeichnungen durch das Istituto Superiore di Sanità (italienische Gesundheitsbehörde oder ISS) ergab, dass das mediane Alter positiv getesteter Verstorbener bei 80,5 Jahren liegt und es bis dato (Stand 17. März) lediglich 3 Tote (0,8%) gibt, bei denen keine anderen Pathologien beteiligt waren.4 Bei 89 dieser Personen (25,1%) bestand eine weitere Pathologie, bei weiteren 91 (25,6%) zwei Pathologien und bei den verbleibenden 172 (48,5 %) sogar drei und mehr Pathologien.

Für Deutschland sieht die Datenlage vergleichbar aus. Die bisher Verstorbenen, über die in den Medien berichtet wurde, waren durchschnittlich über 80 Jahre alt und 81% wiesen mindestens eine Vorerkrankung auf.[2] Vor einigen Tagen wurde in Schleswig-Holstein der erste Corona-Tote gemeldet. Dies war ein 78‑jähriger Mann, der mit einem Ösophaguskarzinom im Endstadium auf einer Palliativstation verstarb. Einige Tage vor seinem Tod wurde der Virusabstrich durchgeführt und nach seinem Ableben der Befund mitgeteilt, woraufhin er sofort in die Liste der Corona-Toten aufgenommen wurde, als Nr. 52 in Deutschland.[5] Wie die Liste in Italien geführt wurde, ist mir nicht bekannt.

Viele ÄrztInnen geben auch genau das immer wieder zu bedenken: es ist fast egal, in welcher Population wir testen würden, ob bei Gesunden, bei Menschen mit Schnupfen, bei Altersschwachen mit Herzinsuffizienz, bei Beatmeten oder bei bereits Verstorbenen (wie in Italien geschehen), wir werden immer auch Coronaviren finden, wenn wir speziell danach suchen, und zwar bei 7–15%. Dass Coronaviren zu diesem Anteil unter uns sind, ist in Statistiken der vergangenen Jahre vorbeschrieben.[6]


Die Frage nach der Einordnung

Bei den Zahlen, die uns die Medien tagtäglich in beängstigender Weise vor Augen führen, wird nicht zwischen Test-Positiven und Erkrankten unterschieden. Da die absolute Mehrheit der Test-Positiven keine oder nur milde Symptome entwickelt, ist es massiv irreführend, in dieser Höhe von Erkrankten zu sprechen.[7]

Der renommierte Methodiker und Public-Health-Forscher John P. A. Ioannidis, der zu den meistzitierten WissenschaftlerInnen der Welt gehört, weist ebenfalls darauf hin, dass es keine Evidenz gibt, die die aktuellen drastischen sozialen und wirtschaftlichen Einschränkungen rechtfertigen würde. Coronaviren als typische Erreger von Erkältungskrankheiten sorgen Jahr für Jahr für banale Erkältungskrankheiten, die hauptsächlich bei betagten, oft kardial und pulmonal vorbelasteten Menschen mit Komplikationen wie Pneumonien tödlich verlaufen können.[7,8] Der einzige Unterschied bei SARS-CoV-2 könnte sein, dass die Infektionsraten in der Bevölkerung bisher nie gemessen worden sind.

Als wäre hierdurch die Einordnung nicht schon schwer genug, werden uns diese Zahlen in den Nachrichten zudem nur ohne (die normalerweise in der Medizin übliche) Nennung von Bezugsgrößen angeboten, etwa positiv Getestete im Verhältnis zur Populationsgröße, beispielsweise pro 100.000. "Die mediale Berichterstattung berücksichtigt in keiner Weise die von uns geforderten Kriterien einer evidenzbasierten Risikokommunikation", beanstandet auch das Deutsche Netzwerk Evidenzbasierte Medizin (EbM) e.V. "Die Darstellung von Rohdaten ohne Bezug zu anderen Todesursachen führt zur Überschätzung des Risikos."[8] Gemeint sind hier Größen wie die Gesamttodesfälle (in Deutschland etwa 2.500 Personen pro Tag) oder die Sterberate durch andere akute respiratorische Infektionen. Auch andere Erreger akuter Atemwegsinfekte müssten eigentlich mit erhoben werden (zu den häufigsten gehören Rhinoviren, Influenza‑A und -B‑Viren, RS‑Viren und eben Coronaviren).

Zur Einordnung bräuchten wir noch eine andere Information: nämlich, wo die begrenzt verfügbaren Tests zum Einsatz gekommen sind. Wir alle wissen, dass in Krankenhäusern ein anderes Erreger-Reservoir zu erwarten ist als in einer repräsentativen Stichprobe der Allgemeinbevölkerung. Auch wissen wir, dass die Raten nosokomial und ambulant erworbener Pneumonien unter betagten Menschen deutlich höher liegen als unter jüngeren. Nun beispielsweise von Testergebnissen schwerkranker und sterbender PatientInnen auf der Intensivstation auf die Seuchengefahr in der Allgemeinbevölkerung schließen zu wollen, beinhaltet einen schwerwiegenden Bias, der unweigerlich zu massiv verzerrten Statistiken führt. "Die Frage, inwieweit es aus ethischer Sicht gerechtfertigt ist, nun in den Medien exemplarisch schwer verlaufende Einzelfälle zu berichten, ohne Einordnung in das Gesamtspektrum von Krankheit und Tod, sollte diskutiert werden", bemerkt das Netzwerk EbM weiter.[8]

mehr:
- Wie aussagekräftig sind die Corona-Tests? (Michaela S., esanum.de, 25.03.2020 – Hervorhebungen von mir)
siehe auch:
Wie sicher sind CORONA-Tests? (Grenzpunkt 0, Freitag-Community, 24.03.2020)


[…] hundertprozentige Genauigkeit nicht wirklich erreichbar ist. Bei der Bewertung von Virentests kommt daher zwei Kennziffern, die diesem Sachverhalt Ausdruck verleihen, entscheidende Bedeutung zu – der Sensitivität und der Spezifität:
  • Sensitivität bei diagnostischen Testverfahren weist die Wahrscheinlichkeit aus, mit der mit dem Erreger tatsächlich infizierte Personen durch den Test auch als infiziert erkannt werden.
  • Spezifität hingegen weist die Wahrscheinlichkeit aus, mit der gesunde, mit dem Erreger tatsächlich nicht Infizierte durch den Test als gesund erkannt werden. 
Für die praktische Arbeit mit Virentests wird darüber hinaus eine weitere Kennzahl benötigt – die Prävalenz. Sie erfasst die Krankheitshäufigkeit, also jenen Anteil an einer gegebenen Bevölkerung, der während einer umlaufenden Infektionserkrankung in einem bestimmten Zeitraum an dieser Infektion erkranken wird oder besser gesagt – erkranken könnte. Denn exakte Aussagen zur Krankheitshäufigkeit sind natürlich erst nach Abschluss eines Infektionsereignisses möglich, wenn alle Fallzahlen vorliegen.

Wie steht es nun um Sensitivität und Spezifität des Coronatests der Charité? Das Klinikum selbst macht dazu befremdlicherweise keine Angaben. Noch befremdlicher wirkt dies, weil der Wissenschaftsjournalist Ekkehard Sieker bei einer telefonischen Anfrage mit einem lapidaren „Das sagen wir Ihnen nicht am Telefon. Schreiben Sie uns bitte!“ abgespeist wurde. Die anschließende schriftliche Anfrage Siekers, die der Autorin vorliegt, war bis zum Abschluss dieses Beitrages noch unbeantwortet. (Diese Informationsabstinenz hält die Kassenärztliche Bundesvereinigung, KBV, allerdings nicht davon ab, der „PCR-Methode [...] zum Virusnachweis [...] Goldstandard“[20] zu attestieren.)
 

Das eigentliche praktische Problem besteht darin, dass jeder Test zwar zu einem positiven oder negativen Befund führt, dass jedoch prinzipiell nicht zu unterscheiden ist, ob es sich dabei nicht auch um falsch-positive oder falsch-negative Befunde handelt. Die wirklich Infizierten unter den ohne irgendwelche Symptome Getesteten sind auf diesem Wege – also nur mit einem einzigen Test – gar nicht zu ermitteln.

Falsch-positive Befunde erhalte man übrigens umso eher, wenn man massenhaft Menschen ohne jegliche Krankheitssymptome teste. Genau dies sei zumindest anfänglich in Italien – als vermeintliche Präventionsmaßnahme – geschehen. Mit dem bekannten Ergebnis der höchsten Anzahl von positiv getesteten Probanden außerhalb Chinas. „Die meisten von den symptomfrei positiv Getesteten dort waren wahrscheinlich – gesund.“ Weiteren Aufschluss, so Sieker, erbrächten allenfalls zusätzliche PCR-Tests und speziell Tests auf anderer mikrobiologischer Grundlage (Antikörper).[25]

DER SPIEGEL hatte über die hier skizzierten Zusammenhänge bereits vor einigen Jahren berichtet – am Beispiel eines fiktiven Scharlachtests an 20.000 Schülern in Schleswig-Holstein. Mit dem paradoxen Fazit: „Der Test zeigt mit 95-prozentiger Sicherheit eine Infektion richtig an. Und trotzdem ist nicht einmal einer von zehn positiv Getesteten tatsächlich betroffen.“[26]

[…] Darüber hinaus hat die Autorin in öffentlich zugänglichen Quellen, Robert-Koch- Institut und Medienauftritte von Prof. Drosten inklusive, keine Hinweise darauf gefunden, dass die derzeitigen Coronatests nach der RKI-Empfehlung von 2018 durchgeführt, also positive Testergebnisse mindestens einem (weiteren) Kontrolltest (etwa auf Antikörper) unterzogen werden. Eine diesbezügliche Anfrage Siekers an die Charité war bis zum Abschluss dieses Beitrages ebenfalls nicht beantwortet worden.

[…] Wenn sich die Ergebnisunsicherheit von PCR-Tests im Hinblick auf den Erreger Sars-CoV-2 aber im praktischen Umgang so darstellt, wie hier skizziert, dann muss man sich fragen, warum die offenbar signifikant unklare tatsächliche Verbreitung des Erregers Sars-CoV-2 von der Politik hierzulande und anderswo zum Anlass für Gegenmaßnahmen genommen worden ist, die quasi einen Ausnahmezustand herbeigeführt haben (Stilllegung ganzer Wirtschaftszeige, landesweite Kita- und Schulschließungen, flächendeckende Verbote öffentlicher Veranstaltungen, Abschottung ganzer Staaten nach außen und dergleichen mehr).

Eine logisch klingende Antwort könnte lauten, dass Sars-CoV-2 ein ganz besonders gefährlicher Erreger sei, der außergewöhnlich zahlreich zum Tode führe. Drosten rechnete öffentlich ja mit möglicherweise 56 Millionen Infizierten allein in Deutschland, was bei einer Mortalität von etwa 0,5 Prozent zu 278.000 Corona- Todesopfern führen würde.[33] Sein Berufskollege Alexander Kekulé, Direktor des Instituts für Medizinische Mikrobiologie des Universitätsklinikums Halle (Saale), widersprach ihm zwar heftig und kam seinerseits auf „nur“ bis zu 40.000 Tote.[34] Dafür verbreitete er sein ganz persönliches Horrorszenario: „Ein an Corona erkranktes Kind, das acht Wochen nicht erkannt wird, steckt rund 3000 Menschen an. Davon müssen 200 bis 300 auf die Intensivstation, etwa 15 sterben.“[35] Selbst Bundeskanzlerin Angela Merkel hat Drostens Prognose, 60 bis 70 Prozent der Bevölkerung würden an Covid-19 erkranken [36], übernommen.[37]

Ein anderer Autor, der Zeithistoriker und Publizist René Schlott, resümierte: „Mit atemberaubender Geschwindigkeit und mit einer erschütternden Bereitwilligkeit seitens der Bevölkerung werden Rechte außer Kraft gesetzt, die in Jahrhunderten mühsam erkämpft worden sind: das Recht auf Versammlungsfreiheit, die Religionsfreiheit, das Recht auf Bildung, das Recht auf Freizügigkeit, die Freiheit von Lehre und Forschung, die Freiheit der Berufsausübung, die Gewerbefreiheit, die Reisefreiheit. [...] Wenn man es nicht besser wüsste, ließe sich das Procedere der letzten Tage wie das Drehbuch einer rechtspopulistischen Machtübernahme lesen. [...] Es ist alarmierend, wie rasch Wissenschaft, Kunst und Kultur, Sport, ja sogar die Bildung der Kinder für verzichtbar erklärt werden. Nichts offenbart das wahre Gesicht unseres Gemeinwesens besser als die Tatsache, dass einzig Wirtschaft, Konsum und Börsen aufrechterhalten werden sollen, als sei dies der einzige Daseinszweck unserer fortschrittlich geglaubten Gemeinschaft. [...] Der Fatalismus, mit dem sämtliche Einschränkungen der offenen Gesellschaft hingenommen werden, ist besorgniserregend. [...] Was, wenn wir eines Morgens in einer Gesundheitsdiktatur aufwachen?“[78]

[Gabriele Muthesius, Die Coronakrise – Aspekte abseits des Mainstreams, NachDenkSeiten, 15.03.2020 – PDF]

- Wie tödlich wird das Coronavirus? Überarbeitete Version (sciencemediacenter.de, 10.03.2020)
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