Montag, 18. November 2013

Ein Gegenüber, das sie ernst nimmt…

Nach meinem Post über Alice Schwarzers Gegenwind hatte ich ein Gespräch mit einer ehemaligen Sozialarbeiterin. Zitat: »Ich habe nie eine Prostituierte getroffen, die das gern macht. Es war immer eine Entscheidung aus Not heraus.« Eine andere Frau, die bei dem Gespräch anwesend war, meinte: »Niemand macht sich Gedanken darüber, weshalb die Frauen das machen.«

Aha, sollte Alice denn doch recht haben mit ihrem Statement, daß 90 bis 95 Prozent der Prostituierten dazu gezwungen werden? Was tun? Wo kriegt man belastbare Infos her?

Ich habe eine Freundin angeschrieben, die mit diesem Milieu Kontakt hat, und ich präsentiere – mit Freuden – ihre kernige Antwort:


Meine Einschätzung ist extremst laienhaft.

Doch ich glaube …

a) daß es mehr als 400.000 Sexworker gibt.

b) daß "gern machen" hier der falsche Ansatz ist. Nicht jeder geht gern zur Arbeit. Auch eine Krankenschweseter kann sich nicht aussuchen, wem sie den Arsch abwischen oder den Katheter aus dem Schniedel ziehen muss, auch andere Berufe sind nicht immer sauber oder seelisch auszuhalten. Ich habe mich als Betreuerin in der Psychiatrie genauso prostituiert gefühlt. Und wer bei gleichem Einkommen nicht lieber zu Hause bleiben würde, lügt oft!
Die Frage ist eher, wie viele können das als Job sehen, und warum erwarten wir, daß eine Sexworkerin mit mehr Lust an der Sache ist als ein Fleischereifachfrau?
In so fern glaube ich, daß es viele Frauen gibt, die den Job pragmatisch sehen. Und Pragmatismus war Jahrtausende lang ein veritabler Grund, um eine Ehe mit einem Mann einzugehen. Siehst du worauf ich hinaus will? Ich habe keine Ahnung, wie hoch der Anteil der Frauen es "gern" tun. "Gern tun" kann auch einfach bedeuten: Ich weiß ich kann das, ich mache das gut, ich weiß, wie es geht, und es bereitet mir nicht unbedingt Probleme, und ich bin stolz auf mein selbst erarbeitetes Geld. Ich glaube, den Prozentsatz schätze ich so auf 80%. Bei Lehrern würde ich den deutlich niedriger schätzen.

c) Was heißt Zwang? Durch ’nen Zuhälter oder dadurch Essen auf den Tisch bringen zu müssen, Stromrechnungen zu bezahlen und Kleidung tragen zu können oder gar Kinder ernähren zu müssen! JEDER Mensch ist gezwungen dazu zu arbeiten, bzw. Geld rein zu holen.
Ich glaube auch, daß eine Gesetzeslage und gesellschaftliche Lage, in welcher Frauen freier entscheiden können ob sie bei ALDI an der Kasse sitzen oder als Sexworkerin zu arbeiten, viel Zwang heraus nimmt. Auch den, soweit noch vorhandenen, Zuhältern die Zwangsmöglichkeiten nimmt!
So lange ich als Domina z.B. in 5 Stunden das verdiene, was eine Aldikassiererin in einer Woche verdient, so lange ich dann weder Kinderbetreuung brauche und meine Leistungen in Lack und Leder mehr geschätzt werden als die verächtlichen Blicke, die man bekommt, wenn man 12 Stunden an 5 Tagen die Woche schuftet und den blauen Kittel trägt.. so lange kann und will ich mich für Sexwork entscheiden. Auch das ist Zwang.

d) Wie viele würden gerne von Verkäuferin oder Büroangestellte zu was ganz anderem wechseln? Letztendlich hat jeder Mensch seine Entscheidung, und wenn der Leidensdruck nicht so hoch ist, daß ein Wechsel vorgenommen wird, warum will man ihn dann erzwingen? IN JEDEM JOB KANN MAN TOTUNGLÜCKLICH SEIN!  Der Mensch bevorzugt immer die Gewissheit von Übel vor dem Übel der Ungewissheit.
Was vermutest du, wie viele Psychotherapeuten (ausgenommen von den analfixierten Analytikern) gerne mal ihren Job wechseln würden? Vielleicht zum Fließbandarbeiter, der sich nur drauf konzentrieren muss, angebrannte Kartoffelchips aus zu sortieren?

Lass dich nicht von der Sozialarbeiterin umschubsen. Vor allem nicht, wenn soziale Entrüstung im Spiel ist.

Was nämlich alle gerne vergessen: Prostituierte können denken!  Die brauchen keine Helden und gönnerhaften Frauen die sie retten. Sondern ein Gegenüber, das sie ernst nimmt. Als Mensch.  So wie jeder.



[…]


In diesem Licht fand ich den Artikel ganz lustig…..

http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/silke-burmester-ueber-alkohol-und-drogeneinfluss-a-933799.html


Ich sehe den Zusammenhang in genau dem Misch Masch. In der Einmischung eines väterlichen/mütterlichen Staates/Öffentlichkeit, die uns die freie Entscheidung abspenstig macht und sich anmaßt zu wissen, was gut für jeden ist. Und dieses Bild wird, wie die Amis sagen, mit einem so breiten Pinsel gemalt, daß alle wichtigen Individuen/Einzelheiten verloren gehen.

Wenn ein Staat nicht aushalten kann, daß seine Bürger Individuen sind mit eigener Meinung, dann ist es eine Diktatur.

»Rauch nicht, sauf nicht, prostituier dich nicht, nimm keine Drogen.«

Als Erwachsene möchte ich diese Entscheidung gern selbst treffen. Vor allem wenn die "Mutter"/der "Vater" Staat so inkonsequent ist und manche Vergehen anders bewertet als andere. Besonders auch wenns Lieblingskinder gibt… ;)




Noch Fragen?
Vielen Dank!

Geschichtsfrage

Was bezeichnet der Begriff »Merkantilismus«?


die Gesellschaftsform des europäischen Mittelalters
die ständische Organisation von Handwerkern
das Wirtschaftssystem des Absolutismus

Heute vor 275 Jahren – 18. November 1738: Polnischer Thronfolgekrieg beendet

König von ausländischen Gnaden 

Nach dem Aussterben der Jagiellonen-Dynastie wurde Polen 1572 eine Wahlmonarchie. Wenn der Adel den König wählte, versuchten stets auch ausländische Mächte, ihre Interessen einzubringen. Als König August II., der Starke, der Sachsen und Polen in Personalunion regierte, 1733 starb, unterstützten Russland, Preußen und Österreich die Thronfolge seines Sohnes Friedrich August. Frankreich und Schweden hingegen favorisierten Stanislaus I. Leszczynski, der schon 1706-09 kurzfristig als Gegenkönig amtiert hatte. 
 
Einzug des französischen Botschafters zu Friedensverhandlungen in Wien 1738,
Gemälde, um 1740

Stanislaus I. wurde 1733 erneut zum König gewählt, konnte sich aber im anschließenden Thronfolgekrieg nicht durchsetzen; russisch-sächsische Truppen zwangen ihn, nach Frankreich zu fliehen. Da viele Mächte in diesen Konflikt involviert waren, fanden auch einige militärische Auseinandersetzungen in Europa statt. Der Thronfolgekrieg endete faktisch 1735 in einem Vorfrieden zwischen Frankreich und Österreich in Wien, endgültig und formal am 18. November 1738 durch den Frieden von Wien. Der sächsische Kurfürst Friedrich August II. erhielt als August III. die polnische Krone. Stanislaus Leszczynski wurde mit den Herzogtümern Bar und Lothringen antschädigt.

August II., der Starke (1670-1733)
Kurfürst von Sachsen seit 1694
König von Polen, 1697-1706 und 1709-33
trat für die polnische Krone zum Katholizismus über

Brockhaus – Abenteuer Geschichte 2013