Mittwoch, 19. September 2012

»Denk ich an Deutschland in der Nacht…«




»Der Engländer liebt die Freiheit wie sein rechtmäßiges Weib, er besitzt sie, und wenn er sie auch nicht mit absonderlicher Zärtlichkeit behandelt, so weiß er sie doch im Notfall wie ein Mann zu verteidigen…
Der Franzose liebt die Freiheit wie seine erwählte Braut. Er glüht für sie, er flammt, er wirft sich zu ihren Füßen mit den überspanntesten Beteuerungen, er schlägt sich für sie auf Tod und Leben, er begeht für Sie tausenderlei Torheiten.
Der Deutsche liebt die Freiheit wie seine alte Großmutter.«

Heinrich Heine, 18



Heinrich Heine (1797-1856), eine der großen deutschen Dichter, Schriftsteller und Journalisten des 19. Jahrhunderts, hatte mit dem Reisebericht »Harzreise« (1826) seinen ersten großen Publikumserfolg erzielt und war 1827 mit dem Gedichtband »Buch der Lieder« zu Ruhm gelangt. Dann begab er sich auf Reisen nach England und Italien. Einem »Gespräch auf der Themse« entstammt die zitierte Charakterisierung des Verhältnisses der Engländer, Franzosen und Deutschen zur Freiheit.

Heine war begeisterter Anhänger der Ideen und Errungenschaften der Französischen Revolution und litt an den vergleichsweise beschaulichen und verschlafenen politischen Verhältnissen in Deutschland. Er brach die zitierten Ausführungen – wie üblich – ironisch auf und fuhr im Text mit der Einsicht fort, in Deutschland schliefen die Menschen zwar und träumten nur von der Freiheit, doch das sei nicht dramatisch, den auch die Tyrannen schliefen und träumten nur von der Tyrannei. Zudem werde der deutsche »seine alte Großmutter nie ganz vor die Türe stoßen, er wird ihr immer ein Plätzchen am Herde gönnen, wo sie den horchenden Kindern ihre Märchen erzählen kann«.

Brockhaus – Abenteuer Geschichte 2012


und noch ein Zitat:

„Im Allgemeinen werden die Bewohner Göttingens eingetheilt in Studenten, Professoren, Philister und Vieh; welche vier Stände doch nichts weniger als streng geschieden sind. Der Viehstand ist der bedeutendste. Die Namen aller Studenten und aller ordentlichen und unordentlichen Professoren hier herzuzählen, wäre zu weitläuftig; auch sind mir in diesem Augenblick nicht alle Studentennamen im Gedächtnisse, und unter den Professoren sind manche, die noch gar keinen Namen haben. Die Zahl der göttinger Philister muß sehr groß seyn, wie Sand, oder besser gesagt, wie Koth am Meer; wahrlich, wenn ich sie des Morgens, mit ihren schmutzigen Gesichtern und weißen Rechnungen, vor den Pforten des akademischen Gerichtes aufgepflanzt sah, so mochte ich kaum begreifen, wie Gott nur so viel Lumpenpack erschaffen konnte.“
– Reisebilder (aus: die Harzreise, 1826)